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Aktuelle Termine

CEE IEH-ARCHIV

#201, Februar 2013
#202, März 2013
#203, April 2013
#204, Mai 2013
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#207, Oktober 2013
#208, November 2013
#209, Dezember 2013

Aktuelles Heft

INHALT #205

Titelbild
Editorial
• das erste: A new one – Skate Island 2013
Roter Salon: Sozialrevolte oder Aufstand der Täterinnen?
Edo G & Reks
Phase 2 präsentiert: „Samstag ist der neue Montag“
KANN Garden
Mock, El Gos Binari, Argument.
• inside out: Jahresbericht Projekt Verein e.V. 2012
• politik: Amnesie im Raum.
• doku: Optimieren statt Überschreiten?
• doku: Wut & Bürger
• doku: Die Notwendigkeit einer kommunistischen Solidarität mit Israel
• doku: Mythos „Nakba“
• leserInnenbrief: Perfides Spektakel
Anzeigen
• das letzte: Das Minimum

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Jahresbericht Projekt Verein e.V. 2012

• Sanierungsprojekt Conne Island ging 2012 in die zweite Runde
• Stadtentwicklung und Gentrifizierung – das Conne Island zwischen Modernisierung, Kriminalisierung und sozialer Verantwortung
• Verein baut 2012 seinen Stand als jugend- und popkultureller Veranstaltungsort weiter aus

Das vergangene Jahr wurde vom Verein mit der Intention geplant und gestartet, einen halben Gang zurückzuschalten. Nicht nur, um sich vom Sanierungs- und Jubiläumsstress des Vorjahres etwas zu erholen, sondern vor allem, um Kraft zu tanken und den Fokus wieder mehr auf den Alltag und das „Kerngeschäft“ des soziokulturellen Zentrums zu legen. Das Conne Island versteht sich immer noch und in erster Linie als Ort und Raum für die Diskussion und Umsetzung jugend- und subkultureller Szeneaktivitäten. Es ist Veranstaltungsort, forciert aber auch Streit- und Diskussionskultur und fördert die kulturelle und politische Bildung – nicht um ihrer selbst willen, sondern stets mit der Intention der politischen und gesellschaftskritischen Auseinandersetzung.
Insofern kann das Conne Island getrost als „interdisziplinär“ im besten Sinne des Wortes beschrieben werden. Hier wird über institutionelle Grenzen hinweg auf kurzen Wegen und auf Augenhöhe vermittelt. Wo sonst kann parallel zu einem Skinhead-Konzert über postmoderne Geschlechtertheorien diskutiert werden, das Tischtennisturnier zusammen mit einer Diskussionsveranstaltung über Stadtentwicklung und urbanen Raum stattfinden und Kapitalismus im Monatsheft des Conne Island kritisiert und gleichzeitig im popkulturellen und kulturindustriellen Alltag bei Eintrittspreisen bis 25 Euro „zelebriert“ werden? Wo sonst treffen sich so verschiedene junge Menschen mit teilweise recht unterschiedlicher Sozialisation und Motivation? Und wo sonst existiert soviel basisdemokratische Ernsthaftigkeit und so wenig Vereinsmeierei wie beim montäglichen „Plenum“ des Vereins, bei dem die Meinung jedes ehrenamtlichen Mitglieds genauso viel zählt wie die der „Angestellten“ – egal ob Köchin oder Geschäftsführer?

Dem soziokulturellen Zentrum kommt dabei gleichsam eine überregionale, bundesweite und szenespezifische Bedeutung zu. Ziel des Vereins war nie der Lokalkolorit oder die ausschließliche Bezugnahme auf Leipzig-spezifische Ereignisse und Anlässe. Das Conne Island sah sich in den letzten Jahren vor allem als „Anbieter“ urbaner Metropolenkultur, holte die Geheimtipps, Trends und Highlights aus London, New York, Amsterdam, Hamburg und Berlin in die Messestadt.
Insbesondere die seit zwei Jahren diskutierten und im Vergleich zu anderen Großstädten nachholenden Entwicklungen um städtebauliche Veränderungen, sozialräumliche Verdrängung und Gentrifizierung haben 2012 den Bezug zu lokalen, aber auch zu sozialen Themen wieder neu in den Vordergrund gerückt. Der Verein sah sich stärker denn je in der Situation, aktuelle Entwicklungen zu diskutieren, zuzuspitzen oder kritisch zu kommentieren. Von steigenden Mieten im Leipziger Süden über die eigene Rolle als „Pionier“ der Gentrifizierung bis hin zu einer Diskussion über Eintrittspreise und soziale Ausgrenzung durch unser immer öfter auch kostenintensives Kulturangebot hatten diese Diskussionen im vergangenen Jahr durchaus Konjunktur. Dass sich die wenigsten der aufgezeigten Fragenkomplexe eindeutig beantworten lassen, das Conne Island quasi immer zwischen Modernisierung und den der Modernisierung immanenten Problemen steht, machte die Sache 2012 nicht einfacher – die Debatten allerdings auch spannender: Mit Veranstaltungsreihen, Positionspapieren, Artikeln im Conne Island-Newsflyer und einem breit angelegten diskursiven Austausch im Viertel war der Verein hier sehr präsent.
Wie in den Jahren zuvor gaben sich auch 2012 die Größen des Hip-Hop, Hardcore, Techno, Indie-Pops und der Clubculture die Klinke in die Hand. Das Veranstaltungs- und BesucherInnenzahlen-Niveau vom Jubiläumsjahr konnte zwar nicht ganz gehalten werden, befindet sich aber immer noch auf sehr hohem Stand. 2012 besuchten insgesamt 113.500 Menschen das Conne Island, mehrheitlich Jugendliche und junge Erwachsene, zunehmend auch viele junge Familien. Insbesondere im Frühjahr und im Herbst war im Veranstaltungssaal kein freier Termin mehr zu bekommen. Im Sommer rutschte das Conne Island-Programm – nicht nur umbaubedingt – auf das Freigelände des Vereins. Tischtennisturnier, Skate-Cup, Hip-Hop-Jam, Kino, Lesungen und Diskussionsveranstaltungen belebten die Open-Air-Nutzung ebenso wie der im Sommer stark frequentierte Skatepark mit Workshops, Kinderspielplatz und Streetballplatz.
Neben der alltäglichen, besonderen und immer breiter angelegten Kulturarbeit, den Bildungsangeboten und der politischen Arbeit des Vereins sowie den vielen Diskussionen, Workshops und Kursen war das Conne Island im vergangenen Jahr auch wieder Baustelle. Der Conne Island-Saal erhielt mit Hilfe kommunaler Mittel einen neuen und belastbaren Fußbodenaufbau, der Tresenbereich wurde komplett erneuert und die Garderobe umgestaltet. Ganz in Eigenregie plante der Verein hingegen 2012 den perspektivisch anvisierten Skateparkumbau, ging planerisch in Vorleistung, akquirierte UnterstützerInnen und Sponsoren und mobilisierte die SkaterInnen der Stadt.

Der Conne Island-Überbau …

Natürlich zehrte der Verein 2012 noch von den Aktivitäten des Jubiläumsjahres. Ein Großteil des Feedbacks und der Rezeption erreichte uns erst ein halbes Jahr später. Diese Nachwehen waren umso schöner, wirkten auf alle Mitglieder und MitarbeiterInnen motivierend und waren Ansporn für die gemeinsame Arbeit. Zu Recht waren alle Beteiligten und das gesamte Conne Island stolz auf das geleistete 20-Jahre-Programm: angefangen bei den Ausstellungsprojekten, der Multimediashow, den Diskussionsparts und der künstlerischen Begleitung bis hin zum Video und dem 300-Seiten-Wälzer „20 YRS – Noch lange nicht Geschichte“. Auch im Nachgang betrachtet war es die richtige Entscheidung, statt der angedachten Broschüre ein „richtiges“ Buch herauszugeben: Das Echo auf den Aufruf zur Partizipation war groß und die Ideen, was in einer Publikation zu Geschichte und Gegenwart des Conne Island vorkommen sollte, sehr vielfältig. Damit sind die Ergebnisse für eine breite Öffentlichkeit nachhaltig zugänglich, das Buch ist bundesweit im Buchhandel erhältlich, wurde in einer Auflage von 1.500 Exemplaren gedruckt und ist nun nahezu vergriffen. Mit einer kleinen „Lesetour“, unter anderem auch nach Berlin, exportierten wir das „Konzept Conne Island“, erklärten, diskutierten und stritten über 20 Jahre Politik und Kultur im Leipziger Süden. Das Buch wurde überregional von taz, de bug und Freitag bis zu ORF und WDR medial besprochen, die Kultur- und Sozialdezernenten der Stadt sowie der Landes- und Bundesverband beglückwünschten den Verein zur gelungenen Darstellung. Ganz nebenbei lobte die Jury des Wettbewerbs „Das schönste Buch 2011“ Gestaltung, Inhalt und die Verbindung von Text und Design.
Im Nachgang gab es durchaus Kritik an unserem 20-Jahre-Ansatz: Bei aller berechtigter Feierlaune boten wir bisweilen ein zu historisierendes Bild des Projekts „Conne Island“ an, musealisierten uns quasi selbst. Im Kontext von Projektinhalten wie „Archivierung“, „Geschichte“, „Ausstellung“ und „Buch“ – allesamt für den Vereinsalltag eher ungewöhnliche Umsetzungsmodelle – nehmen wir uns dies selbstkritisch an. Vielleicht wirkt der Buchtitel „Noch lange nicht Geschichte“ dieser Interpretation aber etwas entgegen. Ziel war es nie, sich selbstgefällig in der eigenen Mikrogeschichte und den „guten alten Zeiten“ zu suhlen. Gerade vor dem Vermittlungsproblem der Vereinsziele an jüngere, vor allem andere Generationen von Jugendlichen erschien es uns wichtig, möglichst viele Aspekte der Conne Island-Vergangenheit greifbar und verständlich zu machen. Eine zeitliche, sich an den gesellschaftlichen Ereignissen entlang hangelnde Kontextualisierung gehört hier allerdings einfach dazu. Gerade die (historische) Auseinandersetzung mit Subkulturen, mit verschiedenen Musikgenres und differierenden popkulturellen Szenen ermöglichte einen internationalen Blick, denn die Entwicklungen in kulturellen Szenen sind nicht national, sondern immer transnational. Uns war auch wichtig, breit zu vermitteln, dass das Conne Island seit zwanzig Jahren gegen Ausgrenzung und Diskriminierung arbeitet und damit in Sachsen eine Vorreiterrolle in diesen Bereichen innehat. Diese lange Tradition der Beschäftigung mit Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und anderen ausgrenzenden Ideologien wurde in vielen Diskussionen vermittelt. Das Conne Island ist selbstverwaltet organisiert, und lebt damit (basis)demokratische Prinzipien im Kleinen vor, jede und jeder kann die Inhalte mitbestimmen. Über das 20-Jahre-Projekt sind viele neue junge Erwachsene an das soziokulturelle Zentrum gekommen, die eine solche selbstbestimmte Organisierung noch nicht kannten. Was kann ein Projekt an diesem Punkt mehr leisten?

… hat sich bewährt

Es ist daher also auch kein Wunder, dass das Conne Island die Maßstäbe und Richtschnuren, die es innerhalb seiner 20-Jahre-Reflexion im Jahr zuvor niedergeschrieben und visualisiert hatte, 2012 nicht über den Haufen warf. Im Gegenteil – wir vertreten sie nach wie vor, auch und vor allem nach außen. Die Gestaltung und Durchführung von hochwertigen und jugend- beziehungsweise subkulturell mitgetragenen Veranstaltungen bildet das Alltagsgeschäft des Vereins. Die Hardcore- und Punkszene begreift das Conne Island ebenso als ihr Zuhause wie Hip-Hop und Graffiti-Leute. Die Koburger Straße ist Techno-Club und Innovator in Sachen internationaler Clubculture weit über die Landesgrenzen hinaus. Als Skinhead-Laden hat sich das Conne Island einen Namen gemacht und seit zwei Jahrzehnten dafür gesorgt, dass Rassismus und Nationalismus in der ursprünglich an der britischen Arbeitskultur angedockten Subkultur keinen Fuß in die Tür bekommen. Als Popinstitution ist der Club von Hamburg über Berlin nach NYC, Chicago und Manchester ein Begriff. Das Conne Island hat außerdem eine Affinität zu Fußball und Fankulturen, wird gleichzeitig auch immer häufiger Anlaufpunkt und Kooperationspartner für die Organisation von queeren Konzerten und Veranstaltungen. Antifas treffen sich im Conne Island-Cafe, ebenso wie Kids, die gerne Skateboard oder BMX fahren. Die Palette subkultureller Begegnung ist groß und agiert neben- wie miteinander. Gerade in den letzten Jahren ist das Conne Island zu einem subkulturellen Patchwork geworden. Liebgewonnene Identitäten, Stile und Codes lösen sich auf und setzen sich neu zusammen.

Der spezifische Partizipationsansatz des Vereins ist kein Zufall. Dass Einstieg und Mitmachen, Engagement und Beteiligung keine leeren Worthülsen sind, hat das Conne Island seit Langem bewiesen. Staatliche Förderprogramme zur Rückgewinnung verlorengegangenen Terrains in Sachen Partizipation sind sicherlich gut gemeint und vielleicht auch gut gedacht. An echte und authentische Beteiligung, die das Gefühl des „Teil von etwas sein“ auch einlöst, kommen sie nicht heran. Die erfolgreich praktizierten Formen des Miteinanders zwischen den verschiedenen jugendkulturellen Szenen und sozialen Umfeldern erfordern trotz solider Grundlagen harte Arbeit. Das Miteinander muss stets neu erkämpft werden und ist keine Selbstverständlichkeit, sondern Ergebnis gemeinsamer, vom Verein vorangetriebener Meinungsbildung und Vermittlungsarbeit. Diese drückt sich seit jeher in der konzeptionell gleichberechtigten Einbindung der VertreterInnen der verschiedenen Szenen, Pop- und Subkulturen im Conne Island aus. Um dies gewährleisten zu können, muss der Verein neben den ideellen auch tatsächliche Momente der Identifikation und Integration bieten. Ganz praktisch passiert das im Alltag durch Gespräche, gemeinsame Planungen und Konzeptionen. Das wöchentliche Conne Island-Plenum ist für diesen Prozess die wichtigste Struktur. Hier sollen – weitestgehend hierarchiefrei – Inhalte und Entscheidungen, die das Conne Island kulturell und kulturpolitisch tangieren, diskutiert, getroffen und von möglichst allen getragen werden.
Die Gründe, sich im Conne Island einzubringen, sind also divers. Sie reichen von einem spezifischen subkulturellen oder politischen Interesse über die Verwirklichung von gesellschaftlichen oder persönlichen Freiraumkonzepten bis hin zum Schulpraktikum oder der Akkumulation von „Fame“ – einfach dazugehören, seine Lieblingsbands sehen oder mit FreundInnen oder der Clique auf dem „Freisitz abhängen“. Diese Unterschiedlichkeit ist im Conne Island bewährtes Konzept. Mit ihr kann das Projekt sowohl als „mein Hip Hop-Island“, „mein Skaterladen“, „mein Politprojekt“ oder „mein Lieblingsfreisitz“ begriffen werden.

Die enge Verwobenheit mit (kultur)politischen Themen ergibt sich da fast von ganz allein. Auch 2012 diskutierte der Verein – sowohl im Alltag als auch auf den zwei jährlichen Wochenend-Klausuren im Januar und Juli – über das Projekt tangierende oder direkt betreffende Themen: Angefangen bei einer grundsätzlichen Kritik an der Diskussion um „geistiges Eigentum“ im Zuge der angestrebten GEMA-Tarifreform über die katastrophale Rolle und Demokratiedefizite der Verfassungsschutzbehörden und politischen Institutionen in der Analyse der NSU-Morde bis hin zur Schwierigkeit, sich schnell und klar zu Gentrifizierungstendenzen in Leipzig zu positionieren. Auch die politische Auseinandersetzung mit im Conne Island auftretenden KünstlerInnen spielte 2012 wieder eine größere Rolle. Das Bekenntnis zur antirassistischen Skinheadszene am Conne Island schloss auch die Kritik an einer zunehmenden Tendenz zu Chauvinismus und Nationalismus von Teilen der Szene mit ein. Die Bekämpfung von Sexismus und regressivem Geschlechterrollendenken ließ sich nicht in allen Fällen wie gewollt umsetzen, aber insbesondere in der Hardcore- und Hip-Hop-Szene intervenierten wir mehrmals, konfrontierten Bands und KünstlerInnen mit ihren Texten, schoben Diskussionen an oder luden Artists notfalls wieder aus. Exemplarisch für die Schwierigkeiten solcher Diskussion stand der Streit mit der amerikanischen Hardcore-Band First Blood zu Beginn des letzten Jahres. Die Band hatte sich in einer sehr eindimensionalen Weise in der Betrachtung des Nahostkonflikts antisemitischer Bilder bedient und antizionistische Personen und Organisationen tendenziell verharmlost. Die Kritik des Conne Island trug dazu bei, dass die Band ihre Position revidierte beziehungsweise einschränkte.

Die in den Rahmenvereinbarungen aufgeschriebenen Ziele, die 2013 zur Verlängerung ausstehen, sind also nach wie vor eng mit dem Alltag und der tagespolitischen Realität des soziokulturellen Zentrums verquickt. Das Conne Island wirkt erstens durch sein hohes Integrationspotential als Sozialisationsfaktor auf Jugendliche und junge Erwachsene und rezipiert und repräsentiert pop- und jugendkulturelle Trends kritisch. Es fördert zweitens – wie oben beschrieben – die kritische Meinungsbildung innerhalb einer Prozessstruktur, die letztlich die gleichberechtigte Einbindung von verschiedenen Subkulturen, Szenen und Individuen mit sich bringt. Neben der Etablierung von Angeboten der kulturellen Bildung, die zu einem kritischen und medienkompetenten Bewusstsein beitragen, ist es drittens vor allem die Förderung einer Interventions- und Protestkultur, die nachhaltig politisches und gesellschaftliches Engagement stärkt – hier ganz besonders das Engagement gegen das Wirken von Ideologien des Nationalsozialismus in allen Teilen der heutigen Gesellschaft (Rassismus, Antisemitismus, autoritäre Denk- und Handlungsstrukturen, tradierte Familienbilder usw.)

Der Socializing-Faktor: Conne Island als offener Treff

Dass das Conne Island nicht nur Veranstaltungsort und politisches Zentrum ist, sondern auch ein Platz, an dem man einfach rumsitzen, quatschen, trinken und essen kann und soll, ist 2012 wieder mehr in den Fokus gerückt. Hintergrund waren auch Diskussionen um den Charakter oder die „soziale Verantwortung“ des Conne Island. Kulturindustrielle Veränderungen und steigende BetreiberInnenkosten lassen das Preisgefüge der Veranstaltungen nicht ansatzweise auf dem Niveau der 90er Jahre halten. Im Gegenteil: Konzerttickets für durchschnittlich 10-15 Euro sind eher die Normalität als die Ausnahme. In Einzelfällen kostet die Abendkasse auch mal weit über 20 Euro. Trotz „Leipzig-Pass“ und Teilnahme an der „Leipziger Kulturloge“ schließt das Conne Island qua Eintrittspreis einen Teil seines potenziellen Publikums aus – eine Realität, der wir uns 2012 stellen mussten. Neben praktischen Versuchen – häufiger günstige Veranstaltungen anbieten, einzelne Veranstaltungen intensiver fördern lassen oder ein Eintrittspreislimit einführen – wurde auch versucht, an Agenturen und Künstler zurückzukoppeln, dass sich Gagenforderungen nicht endlos nach oben schrauben lassen. Ob sich dadurch kulturindustrielle Entwicklungen ändern lassen, bleibt abzuwarten. Ein bisweilen desillusionierender Fakt ist, dass das Conne Island mehr denn je vom „Markt“ abhängig erscheint.

Umso wichtiger ist es uns, das Conne Island als „offenen Treff“, Jugendzentrum, Skatepark, Kinderspielplatz, Basketball- und Tischtennis-Area, Lesebude, Internetcafé mit hervorragendem Essen und preiswerten Getränken, Treff zum Brunchen, DJ-Probe- und Kickerraum anzubieten. Der Verein hat hier gerade in den letzten beiden Jahren viele Angebote entwickelt, die offen und frei nutzbar und in fast allen Fällen kostenfrei beziehungsweise günstig zur Verfügung stehen. Die Fülle an Beteiligungs- und Aktionsmöglichkeiten für Jugendliche und junge Erwachsene ganz unterschiedlichen Alters und verschiedener Provenienz hilft passiv wie aktiv bei der Kompetenzentwicklung sowie bei den Möglichkeiten der Selbstorganisation. Der einfache und unkomplizierte Einstieg im Conne Island ist hier von großer Bedeutung. Die Ausleihe der mehr als 10.000 Bücher, Zeitschriften und Videos ist ebenso umsonst wie die Nutzung des Skateparks oder der Computerplätze. Diskussionsveranstaltungen, Workshops und Kurse sind fast immer kostenfrei oder erheben lediglich einen symbolischen Beitrag. Events wie das Filmriss Filmquiz, die Sonntagslounge Spinning Cakes, das monatliche Hip-Hop-Battle Word!Cypher und das wöchentliche Tischtennis-Event Halftime stehen hoch im Kurs. Das Conne Island lebte 2012 sehr stark von diesen eher niedrigschwelligen Angeboten, hielt die Verbindung zu seinem Publikum und konnte viele neue Gäste und NutzerInnnen dazugewinnen.

Höhepunkte 2012

Auch wenn es so schien, als wäre das Jahr 2011, was die kulturellen Höhepunkte betrifft, unerreichbar, ging das Programm im vergangenen Jahr fast nahtlos auf hohem Niveau weiter. Insgesamt 145 einmalige, 61 zyklische und 132 regelmäßige Veranstaltungen fanden 2012 im Conne Island statt. Die etablierten Veranstaltungsreihen und -formate electric island, sub.island, island-deluxe, inbetween, halftime und Cafe-Konzert wurden um den mittlerweile zur Instanz und Schnittstelle zwischen Theater, Kabarett und Diskussion gewordenen Roten Salon sowie durch das elektronische Tanzformat Edit ergänzt. Die Reihe Word Cypher entwickelte sich zur Kaderschmiede für den lokalen Rap-Nachwuchs und biete gleichzeitig innovativem und ohne Sexismen auskommendem Rap ein Forum.
Als Konzert-Höhepunkte firmierten an der Schnittstelle von elektronischer Musik und klassischem Indiepop vor allem die Auftritte von Caribou, The Whitest Boy Alive und Who made Who. Die Techno- und Clubculture-Szene freute sich über den Gastauftritt des berühmten Robert Johnson-Clubs und von DNTL. Das mit dem Laden eng verbundene Leipziger Label KANN feierte seine Releaseshow im Conne Island und der August-Weekender eröffnete wie immer die Herbstsaison. Die Hardcore-Götter von Gorilla Biscuits, Madball und Agnostic Front standen 2012 ebenso auf der Bühne wie die norwegischen Postpsychedelic-Metaller von Motorpsycho. Als einer der wenigen, noch fehlenden internationalen Hip-Hop-Größen betrat Talib Kweli zum ersten Mal das Conne Island. Zwei ganz unterschiedliche „Konzerte des Jahres“ fanden mit Clueso und Jacques Palminger statt. Schaffte es Ersterer mit einem spontanen Ankündigungsvorlauf von drei Stunden, Gitarre und Saxophon weit über tausend Menschen für ein Unplugged-Konzert auf dem Freisitz im Sommer zu mobilisieren, reichte bei Letzterem ein Bruchteil der Leute, dafür aber ein Maximum an feinem hanseatischen Humor, kruder Lyrik und selten gewordener Credibility Begeisterungsstürme auszulösen. Die Liste ließe sich fortsetzen – to be continued.
Immer noch fällt die aktuelle und perspektivische Einschätzung des Hauptkerns der Vereinsaktivitäten, des Kulturgeschäfts, recht ambivalent aus. Einig sind wir uns nur darin, dass popkulturelle Entwicklungen heute nicht mehr klar einzuschätzen sind – nichts ist planbar. Hypes und Trends entstehen in kaum mehr nachvollziehbarer Geschwindigkeit und flachen ebenso schnell wieder ab. Im „Schlamassel der Kulturindustrie“ wird es auch für das Conne Island zunehmend schwieriger, das Heft in der Hand zu behalten. Natürlich ist es immer noch möglich, authentische, attraktive, sub- und popkulturelle Events und Veranstaltungen durchzuführen. Auffällig ist jedoch, dass der Kulturkampf selbst – oder vor allem gerade – im einstigen DIY-Sektor massiv zunimmt. Die Konkurrenz zwischen VeranstalterInnen, Agenturen, Bands und Labels wächst, kommerzielle Interessen dominieren nicht als notwendiges Übel, sondern als offensichtliches Geschäftsgebaren die Szenerie. Das Conne Island versucht diese Entwicklungen zu reflektieren und zu diskutieren, um sich nicht zum Spielball der Maschinerie machen zu lassen. Lichtblicke gibt es allemal: Innerhalb von vielen Kooperationen, zum Beispiel mit dem Nachtdigital-Festival, der queeren Party- und Konzertveranstaltungsgruppe NoNoNo! oder dem UT Connewitz, entstehen oftmals hervorragende Ideen und Veranstaltungen, die das Klagen über die Anspruchslosigkeit neuer wie alter Jugendkulturen gelegentlich überdecken.

Diskurse forcieren, Differenzen austragen, Politik machen

Das Conne Island war stets ein politisches Projekt. Anecken gehört seit der Gründung 1991 zum Vereinsprinzip. 2012 war dies freilich nicht besonders schwer. Die Debatte um die Verharmlosung der NSU-Morde, die jahrelange Untätigkeit der staatlichen Sicherheitsbehörden und deren Unwille zur Aufklärung bot auch jenseits der Diskussionen um neue Skandale und Untersuchungsausschüsse genug Angriffsfläche. Dass dem sächsischen Innenminister angesichts der Nazimorde nichts Besseres einfiel als kundzutun, dass „Antifaschismus nicht die richtige Antwort [auf Nazis sei], sondern Demokratie“ erstaunte uns dann doch. Anti-Antifaschismus wurde im Jahr eins nach dem NSU zur sächsischen Staatsräson und das „gegen Nazis sein“ zum demokratischen Makel. „Antidemokratisch und borniert“ lautete deshalb auch das Statement des Conne Island zur neuen Ebene der Dauerkriminalisierung antifaschistischer Praxis, in dem es unter anderem um die Rudimente demokratischer Kultur in Sachsen geht – vor allem aber um die Möglichkeiten politischer Intervention, um Werte wie Diskussionsfreiheit zu erhalten, wenn sie fundamental bedroht sind.
Das hinter beschriebener Einschätzung stehende „Extremismuskonzept“, das Ideologien unter anderem durch ihre Randständigkeit, ihre Kritik an Verfassung und Staat beurteilt, anstatt sie auf ihre Inhalte und Aussagen zu prüfen, beschäftigt das Conne Island bereits seit Langem. Nach wie vor müssen sich Vereine bei Bund, Land und (mit Abstrichen) auch der Kommune dazu verpflichten, die „Extremismusklausel“ zu unterschreiben. Initiativen sollen sich qua Unterschrift verpflichten, auf dem Boden der fdGO zu agieren und alle KooperationspartnerInnen auf ihre politische Gesinnung überprüfen. Dass dieses „Bekenntnis“ gerade im Rahmen verschiedener Demokratieförderprogramme von Initiativen erwartet wurde, die sich seit Jahren erfolgreich gegen Menschenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung einsetzen, war schon immer recht absurd, wirkt aber im NSU-Jahr fataler denn je. Nicht anders als verrückt muss man die Situation beschreiben, dass just das Amt, das ganz aktiv Neonazis im Rahmen ihrer Tätigkeit als V-Mann unterstützte und schützte, Aufklärung absichtlich verhinderte und an allen Ecken und Ende schlampte, per Verfassungsschutzbericht das „demokratische Maß“ und die Verfassungstreue von politischen Initiativen und zivilgesellschaftlichen Vereinen beurteilt – damals wie heute, ungebrochen und ungeprüft. Dass der Status der Geheimdienste derzeit zwar parteiübergreifend in Frage gestellt wird, ist für uns und viele andere Vereine nur ein schwacher Trost, solange das Extremismustheorem und die antiextremistische Vergabe-Praxis Förderverfahren und politische Debatten dominiert.
Wie ein Lichtblick der Vernunft wirkte da die politische Konfrontation anlässlich der Verschärfung des Steuerrechts für gemeinnützige Vereine. Diese hätte den Geheimdienstbehörden Tür und Tor geöffnet, quasi ohne Anhörung und Widerspruchsrecht über den Fortbestand und die Existenz einzelner gemeinnütziger Organisationen zu entscheiden. Finanzämter hätten im Rahmen der Verschärfung Vereinen, an denen das politische Stigma „Extremismusverdacht“ hing, die Gemeinnützigkeit und damit die Fördergrundlage entziehen müssen. Ein großes Bündnis zivilgesellschaftlicher Initiativen und NGOs, an dem auch das Conne Island mitwirkte, verhinderte mit seiner Intervention die Veränderung der Abgabenordnung – zumindest vorerst.
In Publikationen, auf Veranstaltungen und in Gesprächen mit Politik und Verwaltung haben wir als eines der größten soziokulturellen Zentren in Sachsen auf diese dramatische Entwicklung hingewiesen. In amtsseitigen Gremien oder beim Landesverband Soziokultur wurde diese Entwicklung als durchaus problematisch zur Kenntnis genommen. Passiert ist aber nicht viel. Selbst juristische Entscheidungen, wie die des OVG in Bautzen, das die „Demokratieklausel“ in Sachsen als verfassungswidrig kennzeichnete, lassen wenig kommunalen Aktionismus hinsichtlich der Abschaffung der Klausel erkennen. Nach wie vor wird ein großer Teil der Mittel des Lokalen Aktionsplans (LAP) der Stadt Leipzig nur mit Bekenntnis zu Verfassung und Demokratie ausgeschüttet. Eine Formalie, könnte man meinen, solange die Richtigen das Geld bekommen. Mitnichten ist dies so. Das formelle Bekenntnis zur fdGO fördert ein staatszentriertes Demokratieverständnis und verhindert echte Mitbestimmung. Es widerspricht allen politischen Theorien und Ansätzen des Verfassungsstaates – von Thomas Jefferson über Jacques Rousseau bis zu Immanuel Kant, dass die Verfassung nicht auch kritisiert, gar verändert werden könne. Ist man ein Verfassungsfeind, weil man Prinzipien in Frage stellt, die parlamentarische Demokratie nicht als das Non-Plus-Ultra eines demokratischen Wesenskerns versteht und auf andere Unzulänglichkeiten, wie die Einschränkung des Grundrechts auf Asyl hinweist? All diese oben beschriebenen Bekenntnisse, Formalisierungen und Einschränkungen behindern politischen Streit und hemmen so die wichtigen Prozesse von gesellschaftlicher Mit- und Selbstbestimmung.

Politische Bildung und Meinung

Der Verein beschäftigte sich 2012 jedoch nicht nur mit Grundrechten, Verfassung und Extremismustheorem. Das bildungs- und kulturpolitische Programm war so breit wie nie. Der HGB-Dozent Friedrich Tietjen kritisierte und bebilderte zum Beispiel in seinem Vortrag „Führerbart und Volkskörper – Hitler wie ihn keiner kennt“ den nationalsozialistischen Führerkult-Alltag. Zwar macht der Bart noch keinen Nazi, doch die Etablierung des Führerprinzips und die Bildpolitik der NSDAP hatten spätestens zu Beginn der 1930er Jahre dafür gesorgt, dass die Partei und Hitler als Identitäten repräsentiert und auch wahrgenommen wurden. In der gleichnamigen Lesung zum Sammelband „Kaltland“ wurden die massiven Angriffe auf die Asylbewerberheime in Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen, die nach der Wende ins kollektive Gedächtnis eingebrannt wurden, anlässlich des 20. Jahrestages der beiden Ereignisse diskutiert. Der Filmhistoriker Tobias Ebbrecht besprach im Mai zusammen mit der Initiative „Geschichte vermitteln“ den Film „Rosen für den Staatsanwalt“. Angesiedelt zwischen den vergangenheitspolitischen Auseinandersetzungen der 1950er Jahre nimmt der Film das Verschweigen, Verleugnen und Verdrängen personeller und politischer Kontinuitäten in der Bundesrepublik in den Blick und steht gleichzeitig selbst am Übergang zu einer intensiveren und breitenwirksameren Beschäftigung mit der Nazizeit und den begangenen Verbrechen. Der Leipziger Sascha Lange stellte vor mehr als 200 Interessierten seine Forschungen zu den „Leipziger Meuten“ und zum jugendkulturellen Widerstand im Nationalsozialismus vor. Und der Rote Salon präsentierte zusammen mit der Historikerin Elfriede Müller den Gillo Pontecorvo-Klassiker „Schlacht um Algier“ und widmete sich anhand des Films der Linken und ihrem Verhältnis zu Antikolonialismus und Ideologiekritik. Zusätzlich fand im Juli das „Feministische Sommertreffen“ statt, bei dem ein ganzes Wochenende in Workshops über feministische Theorie und sexistischen Alltag diskutiert wurde.
Wie in den Jahren zuvor konnten große Teile der bildungspolitischen Angebote und Projekte auch über die „Spende zur Bildungsoffensive“, die der Verein einnimmt, abgefedert werden. Ohne diese Spende wären viele Ideen und Umsetzungen – vor allem im Bereich der Jugendbildung, Partizipationsarbeit und „demokratischen Bildung“ nicht umsetzbar. Die „Spende zur Bildungsoffensive“ wurde gemäß der satzungsmäßigen Zwecke des Vereins (u.a. Jugend- und Bildungsarbeit) verwendet.

Projekte, Arbeitsfelder und Beispiele für
zielgerichtete, tagesaktuelle Intervention

Als Träger politischer und kultureller Jugend-Bildungsarbeit hat sich der Verein zuletzt zunehmend professionalisiert. Für Leipzig und die Region sieht sich das Conne Island als kompetenter Anbieter und Partner für Jugendbildungsarbeit, hier insbesondere auf den Gebieten Anti-Rassismus, Anti-Nazi-Projekte, Antidiskriminierung und Demokratieentwicklung. Als Spezialist für Jugend- und Subkulturen hat sich der Verein einen Namen gemacht und agiert hier sowohl umsetzend, fördernd als auch beratend. Nachfolgend einige prägnante Beispiele von geförderter und nicht geförderter Projektarbeit, die insbesondere durch ihre breiten Kooperationen hervorstechen.

1. Gentrifizierung, urbane Stadt und
sozialräumliche Veränderungen

Nicht zuletzt aufgrund der symbolischen Attacke mittels Farbbeuteln auf das sanierte Vorderhaus des Conne Island und der damit verbundenen Kennzeichnung als „Feind“ und „Kommerzprojekt“ hat sich der Verein intensiv mit der Entwicklung um sozialräumliche Verdrängung und den damit verbundenen Prozessen der Gentrifizierung auseinandergesetzt. Dabei ging es uns nicht um die bloße Kennzeichnung der AkteurInnen und ProfiteurInnen (und damit verbunden, um das Ausmachen von „Schuldigen“), sondern um eine umfassende Betrachtung von Gentrifizierung innerhalb der Diskussion um die urbane kapitalistische Stadt und gesellschaftliche Transformationen. Neben einer richtigen und umfangreichen Analyse wollten wir darum auch sozialräumliche Perspektiven diskutieren. Welchen Sinn machen eigene Hausprojekte? Was wären alternative Konzepte für den sozialen Wohnungsbau? Warum sind in anderen Ländern Hausbesetzungen legitime und geduldete Mittel, um auf soziale Probleme aufmerksam zu machen? Indem in einer Veranstaltungsreihe – unter anderem mit den StadtsoziologInnen Andrej Holm und Romy Zischner sowie dem Philosophen Roger Behrens – stadtpolitische, soziale, kulturelle, bauliche und (immobilien-)wirtschaftliche Gründe der Gentrifizierung beleuchtet wurden, eröffnete sich ein differenzierter Blick auf die Entwicklungsdynamik, der auch Ambivalenzen nicht ignoriert. Die Zusammenarbeit mit akademischen AkteurInnen vom Leibnitz-Institut und der HU Berlin war hier ebenso interessant wie der Austausch und die Diskussion im Stadtteil, die sowohl BewohnerInnen des Stadtteils, Anti-Gentrifizierungsinitiativen, die Alternative Wohngenossenschaft (AWC) als auch Lokalpolitiker und das Hochbauamt einschloss.

Als problematisch und ignorant betrachtet der Verein verschiedene Ansätze des kommunalen Umgangs mit den seit zwei Jahren stattfindenden Formen einer „nachholenden Gentrifizierung“ in Leipzig. Während wenige MitarbeiterInnen des Stadtentwicklungs- und Hochbauamtes durchaus eine Sensibilität für das Thema zu entwickeln scheinen und sich an öffentlichen Diskussionen beteiligen, obliegt das maßgebliche kommunale Gremium zur Diskussion, die AG Gentrifizierung im kriminalpräventiven Rat, einem mehr oder minder ordnungspolitischen Blick. Welche Führungskompetenzen die Polizeidirektion bei städtebaulichen Fragen, sozialen Wohnungsangeboten oder der Analyse und Entwicklung urbaner Architektur besitzt, erschließt sich uns nicht. Gentrifizierung und daran angelehnte Verdrängungsprozesse sind keine Probleme, die mit Präventionsangeboten der Ordnungskräfte gelöst werden, sondern mit der Beantwortung der Frage, wie Wohnraum für alle erschwinglich bleibt, ohne nach Paunsdorf oder Grünau ziehen zu müssen.

2. Arbeit, Freizeit und Konsum –
das Firmenhymnenprojekt

Die grundlegenden Veränderungen der Erwerbsarbeit und die Fallstricke, die sich auch im Kulturbereich sowie in der „Kreativwirtschaft“ deutlich erkennen lassen, waren Ausgangspunkt für das von der Kulturstiftung Sachsen geförderte Projekt zu „Firmenhymnen“. Sogenannte Firmensongs sind Ausdruck eines Wandels im Bereich von Arbeit, Freizeit und Konsum, der unter den Vorzeichen von „Entgrenzungsprozessen“ als „Übergang vom fordistischen zu postfordistischen Arbeitsparadigma“ bezeichnet wird. Ging es früher darum, am Fließband oder Büro fünf Tage seinen Job zu machen und sich danach am Wochenende zu regenerieren, ist der Arbeitsalltag heute durch permanente Kreativität und ständigen Wandel bestimmt. Die Trennung von Berufs- und Privatleben löst sich zunehmend auf. Schlummernde Talente sollen ausgebaut werden, ein vorwärtsorientierter Offensivgeist wird erwartet, es geht zunehmend um Motivation und vor allem individuelles Selbstmanagement. Hier setzte das Projekt an – nicht ohne Eigeninteresse. Das Conne Island agiert, wie viele andere prekäre Kunst- und Kulturinstitutionen am Existenzminimum. Selbstausbeutung und Idealismus stehen ganz oben auf der Agenda aller „KulturarbeiterInnen“, gleichzeitig nimmt der Prekarisierungsdruck immer mehr zu. Die Kommune verweist stolz auf das große „Humankapital“ der Stadt, freut sich, dass ausreichend Kreativität, Ideen und Talent vorhanden sind und macht die Kultur zu dem Standortfaktor der Stadt. Als durchaus problematisch empfanden wir unsere Pionierarbeit für das moderne Arbeitsleben, schwierig die sich offensichtlich darstellenden Parallelen: Motivation, Identifikation und Hingabe funktionieren hier wie im Lehrbuch für Personalchefs. Grund genug, das Thema kritisch zu hinterfragen – in Workshops, Diskussionen und im Rahmen eines fulminanten Theaterstücks, dem „Firmenhymnenhandel“ von und mit Thomas Ebermann, Robert Stadlober und anderen.

3. Fußball-Fankultur jenseits klassischer
Präventionsarbeit

Dass das Conne Island auch eine Affinität zu Fußball und Fußballfankulturen besitzt, ist nicht neu. Zwei unterschiedliche Fußballprojekte fanden 2012 im Conne Island statt. Im Mai organisierte das Conne Island unter anderem zusammen mit dem Fanprojekt Leipzig und der israelischen Botschaft Teile des offiziellen Rahmenprogramms rund um das Fußballländerspiel Deutschland gegen Israel. Der Buchautor Alex Feuerherdt referierte zu den erinnerungspolitischen Debatten und zur historischen Entwicklung des israelischen Fußballs. Im Zentrum standen der schwierige Weg des Fußballverbands, der von Boykotten und antisemitischen Ressentiments geprägt war, und die Frage, welche erinnerungspolitische Bedeutung das Freundschaftsspiel hat.
Politisch weniger brisant war das „Leipzig macht Musik“-Kooperationsteilprojekt mit dem Titel „We’ll never walk alone?“ angelegt. Ziel der Angebote und Workshops war es, sich dem Hymnen-Thema „anders“ und „unorthodox“ zu nähern. Die besondere Sichtweise drängt sich unserer Meinung nach im Fußball geradezu auf, daher auch der Feldversuch, Hymnen aus den Fußballstadien dieser Welt zu analysieren und besonders deren Eigenarten, aber natürlich auch ihr normatives Verhältnis zum Fußballspiel an sich zu untersuchen. Besonders die von Fans „komponierten“ Hymnen standen dabei im Fokus. Auch, weil zum gegenwärtigen Zeitpunkt Fußballfans und der Fußball an sich in einer medial nicht ganz einfachen Rolle stecken, war es Teil des Projektes, die kreativen Ansätze von Fankultur zu betonen und stark zu machen. Fußball und vor allem „extremes Fan-sein“ soll nicht auf Gewalt reduziert werden und kommt auch gut ohne diese aus. Dabei war es ebenso wichtig zu zeigen, dass Rassismus und Homophobie, aber auch Antisemitismus und Sexismus keinen Platz in den Liedern der Fankurven haben.

4. Word! Cypher – Hip Hop interventionistisch

Mit niedrigschwelligem Einstieg und breit und offen angelegt hat sich insbesondere im vergangenem Jahr die kleine Veranstaltungsreihe „Word! Cypher“ einen Namen gemacht. Ziel war es, der Leipziger Hip-Hop-Szene, vor allem den Freestyle-Akrobaten wieder ein regelmäßiges Podium zu bieten. Das im Hip-Hop immanente „sich messen“ ist hier Programm. Als Waffen dienen Wörter, sexistische, homophobe und diskriminierende Raps sind verpönt. Die Veranstaltungsreihe findet regelmäßig jeden ersten Donnerstag im Monat statt, jede und jeder kann kommen und sich das Mikro schnappen. Die Beiträge werden moderiert und professionell begleitet. Am Ende stimmt das Publikum ab.

5. Skate Island – Wir planen und bauen unseren Skatepark um

Das gemeinsam von Conne Island, Urban Souls e.V. und dem Offene Architektür e.V. geplante Umbau- und Sanierungsprojekt für den Skatepark im Conne Island wurde 2012 vor allem im Rahmen der Suche nach potentiellen Förderern intensiv geführt. In vielen Gesprächen mit Kulturamt und AfFJB wurden Fördermöglichkeiten erörtert, verworfen und neu gesucht. Mit Urban Souls und dem Architekturverein konnten die ersten Entwürfe und Umbauvisionen angeschoben und diskutiert werden. Ziel war es, anlässlich des 20-jährigen Bestehens der Skate-Anlagen im Conne Island über ein groß angelegtes Kooperationsprojekt einen nachhaltig angelegten Umbau mitsamt Sanierung zu stemmen. Das Projekt unterscheidet sich von ähnlichen Initiativen vor allem durch sein partizipatorisches Moment: Von der Idee über die Planung bis hin zur konkreten Umsetzung sind jugendliche Skaterinnen und Skater in die Arbeiten aktiv mit einbezogen, werden betreut und erhalten ein umfangreiches Empowerment. Gleichzeitig soll die Unterstützung nie bevormundend sein – denn Skate-EnthusiastInnen wissen am besten selbst, wie die „ideale Rampe“ aussehen muss. Eigenverantwortung und größtmögliche eigene Umsetzungsmöglichkeiten sind maßgebliche Grundpfeiler von „Skate-Island“. In mehreren Workshops im Herbst und Winter wurden die möglichen Umbauten mit den NutzerInnen kontrovers diskutiert. Die verschiedenen Interessen von SkaterInnen, BMX-FahrerInnen und weiteren NutzerInnen mussten abgestimmt werden. Am Ende stand ein umsetzbarer Konsensvorschlag. Der Umbau der Rampen in einen Betonpark ermöglicht auch viele Zweit- und Drittnutzungsmöglichkeiten: vom Sommerkino über Open Air Konzerte bis hin zu Theaterstücken. Außerdem entstehen insgesamt mehrere hundert Meter Graffitifläche.

Sanierung und Umbau Teil 2

Im Sommer 2012 startete mit genügend Planungsvorlauf der zweite Teil des Sanierungspakets im Conne Island. Vor allem Teile des Saalgebäudes wurden dabei umgestaltet. Das ehrwürdige Parkett blieb erhalten, wurde aber durch neuen Gussasphalt-Fußboden ergänzt. Ein Lagerraum samt Zuschauertreppe wurde neu gebaut, Türen ergänzt, Durchbrüche gestemmt. Neben dem dringend notwendigen Neuaufbau des Fußbodenbereichs – im alten befanden sich bereits Löcher und Stolperfallen – war die komplette Neugestaltung des Tresens und des Tresenlagers eine zumindest kleine Herausforderung. Gemeinsam mit Architekturbüro und Hochbauamt konnten wir als Betreiber nicht nur die dringende Sanierung des Gastrobereichs umsetzen, sondern den Bereich auch sinnvoller und effektiver gestalten. In der gastronomischen Praxis hat sich die Tresenumgestaltung als riesiger Mehrwert erwiesen. Trotz einiger kleiner Überraschungen im Bauverlauf liefen die Maßnahmen im Vergleich zum Vorjahr allesamt glatt und bewegten sich innerhalb des anvisierten Zeitfensters. Die Kommunikation mit den Ämtern – vor allem dem Kultur- und Hochbauamt – sowie allen beteiligten Planern verlief viel reibungsloser als im Vorjahr und richtete sich stets nach den Intentionen des Betreibers.
Im letzten Teil der Sanierung 2013 soll mit einem Toilettenumbau, der Erneuerung der Basistechnik, der Ertüchtigung der Zufahrt sowie der Installation eines barrierefreien Zugangs auf der rechten Saalseite das Baupaket abgeschlossen werden.

Finanzierung, Förderung und
Personalsituation

Das Verhältnis mit den an der Arbeit im Conne Island beteiligten kommunalen Ämtern war 2012 wieder sehr intensiv und offen. Probleme konnten auf direktem Weg geklärt, Fragen stets beantwortet werden. Mit dem Kulturamt und dem Amt für Familie, Jugend und Bildung existierte sowohl informell als auch offiziell ein dauerhafter Austausch. Insbesondere bei der Akquise von Investitionsmitteln für die Skatepark-Sanierung halfen beide Ämter sehr lösungsorientiert mit. Nicht zuletzt dieser Kooperation ist es zu verdanken, dass das SMWK 2013 einen großen Teil der benötigten Mittel kofinanziert.
Die Rahmenvereinbarungen mit dem Kulturamt, die dort skizzierten inhaltlichen Ziele und die geplanten Fördersummen sind immer noch die wichtigste Grundlage für die Arbeit des Conne Island. Zum einen, weil sie als politisches Bekenntnis wirken, die Handlungsfelder des Vereins wertschätzen und um ihre Stabilität und Ausweitung bemüht sind. Zum anderen schreiben die Vereinbarungen die gegenseitigen Bedingungen der Zusammenarbeit fest, anhand derer eine regelmäßige Abgleichung beziehungsweise Evaluation erfolgen kann. Die Verträge bieten aber auch auf mittelfristiger Basis und einem Planungszeitraum von mindestens drei Jahren die nötige finanzielle und strukturelle Sicherheit für die Vereinsarbeit. Für die Suche und Erwirtschaftung weiterer Eigen- und Drittmittel und finanzieller Unterstützung sind sie seit Jahren eine wichtige argumentative Hilfe.
Die rahmenvertragliche Förderung des Kulturamtes belief sich 2012 auf 157.500 Euro und wurde für Miet- und Betriebskosten, Personal- und Projektausgaben genutzt. Der Eigenanteil, der vom Verein erwirtschaftet wird, ist nach wie vor hoch und liegt bei über 80 Prozent. 2012 lief die Arbeitsmarktförderung durch das Bundesprogramm Kommunal-Kombi aus. Die entstandenen finanziellen Lücken konnte der Verein nicht aus eigener Tasche decken. Die Stellen wurden dementsprechend nicht verlängert. Wie sich diese Defizite im Einzelnen auf die Vereinsarbeit auswirken, kann derzeit noch nicht abschließend eingeschätzt werden.
Auch 2012 versuchte das Conne Island vermehrt Drittmittel zu akquirieren. Die Kulturstiftung Sachsen, das EU-Programm Jugend in Aktion, die Rosa-Luxemburg-Stiftung, der StudentInnenrat der Uni sowie das AfFJB förderten einzelne Projekte und Projektinhalte in den Bereichen Kultur und Bildung. Insgesamt konnten etwas weniger Mittel über Projektförderanträge als im Vorjahr beschafft werden.
Das Conne Island lebt von seiner Ehrenamtlichkeit. Mehr als 200 Personen – Mitglieder und FreundInnen des Vereins – unterstützen derzeit die Arbeit des soziokulturellen Zentrums ehrenamtlich. Ohne sie wäre der Kulturalltag, aber auch die intensive Diskussion um Inhalte und Ziele des eigenen Tuns kaum machbar. Auch 2012 wurde wieder deutlich, dass inhaltlich vielschichtige, sehr umfangreiche und arbeits- und koordinierungsintensive Projekte (institutionalisierte Medienpädagogik, politische Bildungsarbeit und gleichzeitiger Konzertbetrieb) ein hohes Maß an personellem Aufwand bedeuten, der mit der bisherigen Personalstruktur nur sehr unzureichend zu schultern ist. Das „Mehr“ an geforderter Professionalität und strategischem Weitblick kann nicht über längere Zeiträume am Tropf der Ehrenamtlichkeit und des aufopferungsvollen Engagements des Einzelnen hängen. Hier sind perspektivisch und schnellstmöglich Umsetzungen der bereits von der AG Soziokultur skizzierten „Personalaufstockungen“ notwendig. Nach wie vor finden wir es wichtig – gerade auch aufgrund der sich im Kulturbereich leider durchsetzenden Prekarisierungstendenzen – die Personalförderung des Kulturamtes an Tariflöhne zu knüpfen.
Die Personalstruktur des Vereins hat sich kaum geändert. Wie auch in den vergangenen Abrechnungszeiträumen wurden die durch das Kulturamt finanzierten zwei Personalkostenstellen auf vier Stellen (Geschäftsführung, Buchhaltung, zweimal Booking) aufgeteilt. Drei verkürzte Stellen (Öffentlichkeitsarbeit/Layout/Booking) wurden außerdem beibehalten und vom Verein getragen. Zwei Stellen (Gastronomie-Leiter, Köchin), eine weitere halbe Stelle (Beiköchin), eine Stelle zur organisatorischen Leitung des Jugendcafés sowie eine FSJ-Kulturstelle (unter Beteiligung des LKJ Sachsen) wurden über den Verein finanziert.

Resümee und Ausblick

Der Projekt Verein geht gestärkt aus dem vergangenen Jahr. Inhaltliche Diskussionen wurden weitergeführt, Positionen gefestigt und neue Arbeitsfelder aufgetan. Trotz Sanierungsstress ließ sich der Kulturalltag gut bewältigen. 2012 war auch ein Jahr für Neues: Viele neue Gesichter kamen ans Conne Island, andere, nicht alltägliche Veranstaltungsformate wurden etabliert, der Verein agierte insgesamt offener.
Die Leipziger Kulturlandschaft ist nach wie vor sehr dicht. Bei aller Konkurrenz herrscht allerdings ein im Vergleich sehr kollegiales und solidarisches Klima. Sehr kritisch betrachten wir die Nutzung des Kulturlabels zur Profilierung der Stadt. Dass auch das Conne Island ein Bestandteil des Leipzig-Images um kulturelle Vielfalt ist, ist uns im Zuge der Diskussionen um Gentrifizierung nachhaltig bewusst geworden. Leipzig hat sich in den letzten Jahren zu etwas wie einer „echten Großstadt“ entwickelt und besitzt zumindest im Kulturbereich gar „metropolenhafte Züge“. Eine Entwicklung, die für das Conne Island stets positiv besetzt war, wollten wir uns doch von engstirnigen Provinzialismus und Ostmief gerne distanzieren. Heute wirkt dieser Wandel der Stadt durchaus ambivalenter, bringt gesellschaftliche Modernisierung doch gleichzeitig auch soziale Missstände oder schlechte Arbeits- und Lebensbedingungen mit sich. Hier den richtigen Weg zu finden, könnte die größte Herausforderung der nächsten Jahre sein.


Projekt Verein e.V. Conne Island
März 2013

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13.06.2013
Conne Island, Koburger Str. 3, 04277 Leipzig
Tel.: 0341-3013028, Fax: 0341-3026503
info@conne-island.de, tickets@conne-island.de