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Aktuelles Heft

INHALT #204

Titelbild
Editorial
• das erste: Black Metal ist Mist!
AFBL-/Brunch-Saisoneröffnung
A night of music feat. Joey Cape
Filmriss Filmquiz
Amenra, Syndrome, Downfall Of Gaia, Fargo
Shai Hulud, Dead End Path, Departures, Whirr
Cloud Boat (R&S), Präzisa Rapid 3000 (Doumen), Simon12345 & The Lazer Twins (Doumen)
Peter Pan Speedrock
Sub.Island pres. Dub Echos
Zur Kritik nationaler und transnationaler Migrationspolitik
electric island „final edition“
All 4 Hip-Hop Jam 2013
Shellac (Touch & Go/us). Support: Auf
Karocel /live (Freude am Tanzen)
Suffocation, Cephalic Carnage, Havok, Fallujah
Cafékonzert-Matinée – The Powertrip: Gone To Waste, Scarred Mind, Dull Eyes
Broilers
Summerclosing Sause
• review-corner film: Hannah Arendt – eine deutsche Denkerin?
• doku: Inside Syria: Letters from Aleppo – Teil 4
• interview: „Reise ins Ungewisse“
• position: »Ich bin der deutsche Geist!«
• position: Von der Kritik der Praxis zur Praxis der Kritik
• position: Erwiderung auf den Redebeitrag der Gruppe „the Future is unwritten“ auf der Demonstration von „Rassismus tötet!“ am 27.10.2012 in Leipzig
• position: Nicht mit und nicht ohne – Teil 2: Konkret
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Von der Kritik der Praxis zur Praxis der Kritik

„Die materialistische Lehre, daß die Menschen Produkte der Umstände und der Erziehung, veränderte Menschen also Produkte anderer Umstände und geänderter Erziehung sind, vergißt, daß die Umstände eben von den Menschen verändert werden und daß der Erzieher selbst erzogen werden muß.“ – Marx, Thesen über Feuerbach.

Vergangenes Jahr ereignete sich im Mai ein Großevent in Frankfurt am Main: 20.000 Menschen kamen zusammen, um ihrem Unmut gegen die europäische Krisenpolitik Ausdruck zu verleihen. Insbesondere ist die Austeritätspolitik und die deutsche Hegemonie in Europa Gegenstand der Kritik. Die Versammlung nennt sich Blockupy; dieses Jahr soll es wieder soweit sein. Dann werden vornehmlich bürgerliche Linke wie die Linkspartei, Attac, Gewerkschaften und der sonstige antikapitalistische (?) „bunte Haufen” zusammenkommen, um erneut ihr Glück zu versuchen die Aufmerksamkeit der Medien zu erhaschen, das Spektakel zu begehen, in der Hoffnung die Proteste mögen sich ausweiten. Wohl zur Verwunderung einiger reiht sich dieses Jahr explizit auch das kommunistische ...ums Ganze!-Bündnis in die Blockupy-Organisation ein. Also drängt sich die Frage auf, ob denn ...ums Ganze! mit ihrem Anspruch kategoriale Kapitalismuskritik zu leisten begonnen hat auf Irrwegen zu wandern. Ist das so?

Zunächst für die Fans der Ideologiekritik

Es gibt keinen Grund zu Illusionen. Auch dieses Jahr wird es vermutlich den ideologisch notwendigen Schein in Form von Zins- und Geldkritik, strukturell antisemitischer Entgegensetzung von Finanz- und Realökonomie, Bankenbashing und einer personifizierten Kapitalismuskritik usw. geben. Es liegt in der „Logik” der kapitalistischen Produktionsweise, dass den Menschen in ihrem Alltag das in Wert und Geld ausgedrückte Abstrakte, also das nicht sinnlich-stofflich Fassbare, mysteriös erscheint. Konkret hingegen scheint zu sein, was auf der Oberfläche in Erscheinung tritt und das ist es zugleich auch, was im Zentrum der falschen Kritik steht. Ideologiekritik besteht u.a. darin, diesen Zusammenhang aufzudecken. Daher erscheint eine Veranstaltung wie Blockupy reichlich problematisch, gar ablehnenswert. Es scheint so zu sein, als ob eine Beteiligung an Blockupy nur den ohnehin schon gesellschaftlich notwendigen Schein noch verstärkt, indem er ihn zusätzlich mobilisiert. Hinter dem Oberflächenphänomen des Scheins verbirgt sich aber die Tiefenstruktur der Logik des Kapitals. Daher zeigt sich in Blockupy gerade die Zwiespältigkeit kapitalistischer Vergesellschaftung: Darin drückt sich zwar Kapitalismuskritik aus, aber doch innerhalb der Kategorien des Kapitalismus. Kaum bis nirgends werden die konstitutiven Kategorien wie Kapital, Wert oder Arbeit in Frage gestellt. Im Gegenteil verbergen sich hinter Blockupy auch reformistische Forderungen an den Staat, die Krise paternalistisch in die Hand zu nehmen.

Im Regelfall ist diese Feststellung für einen guten Teil der radikalen Linken Grund, auf solche Veranstaltungen zu verzichten. Und in der Tat, die Wirklichkeit ist hundsmiserabel wer will da schon mit dabei sein? Heutige Praxis steht offenbar vor der Ausweglosigkeit, zur Immanenz der Verhältnisse verdammt zu sein. Daher ist es nicht verwunderlich, wenn die Praxis in einer schlechten Wirklichkeit wirklich schlecht wird. Schließlich verhält sich die radikale Linke nicht bloß gegen die Wirklichkeit, sondern ist Teil derselben. Ob die Praxis aber wirklich schlecht wird, ist erstens eine praktische Frage und zweitens liegt ihre Beantwortung in der Wirklichkeit selbst. Diese Wirklichkeit der theorieradikalen Linken jedenfalls sieht im Normalfall so aus: Es gibt im linksradikalen Dunstkreis eine Kritik, etwa an Reformismus oder strukturell antisemitischer Kapitalismuskritik, die wiederum nur die radikale Linke selbst zur Kenntnis nimmt. Damit verlängert sie nicht nur unfreiwillig ihre gesellschaftliche Ohnmacht, indem sie sich nicht politisch mit der schlechten Wirklichkeit auseinandersetzt, sondern verdammt sich selbst zum tugendhaften Ausharren im Schlechten. Solche abstrakte Kritik bereits für politisch zu halten, wäre ein Fehlschluss. Hingegen ist es dem ...ums Ganze!-Bündnis immerhin in Teilen gelungen, durch gezielte Beteiligung bereits Einfluss auf Blockupy zu nehmen. So wurde der Aufruf von Blockupy in eine radikalere Richtung verschoben: Formulierungen bloßer Finanzkritik wurden entfernt, sogar ein Satz gegen Antiziganismus, Rassismus und nicht zuletzt Antisemitismus gleich ob von oben oder unten fand unter dem Einfluss von ...ums Ganze! Eingang. Hier zeigt sich bereits Wirkung.

Dann für die Fans der Praxis

Nichtsdestotrotz bleibt eine gewisse Skepsis gegenüber der Beteiligung an Blockupy. Der Ausgang ist schließlich ungewiss das aber ist überaus trivial. Dann stellt sich die Frage, weshalb die radikale Linke für ein offensichtlich bloßes Spektakel so viel Zeit investieren sollte. Gäbe es nicht Wichtigeres zu tun? Zumal scheint es sich hier einfach nicht um eine kommunistische Veranstaltung zu handeln. Die Kapitalismuskritik sollte schließlich in einem kommunistischen Projekt eingebettet sein, das nach Marx und Engels „[...] nicht ein Zustand [ist], der hergestellt werden soll, ein Ideal, wonach die Wirklichkeit sich zu richten haben [wird]. Wir nennen Kommunismus die wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt.” Den Anspruch, der damit an eine kommunistische Praxis gestellt ist, verfehlt einerseits das Lager der Praxisfreunde und andererseits das Lager der Ideologiekritik, wenn auch auf je unterschiedliche Weise. Die einen, weil in ihrer Praxis der Kritik das zentrale Movens kapitalistischer Vergesellschaftung, die Verwertung des Werts, selbst nicht in Frage steht; die anderen, weil ihre Kritik der Praxis sich mit der bloßen Gewißheit begnügt, eben diese auf den Begriff gebracht zu haben. So muss Ideologiekritik praktisch werden und Praxis ideologiekritisch. Nach diesen Kriterien geht es in Blockupy in der Tat nicht um Kommunismus. Es sieht zwar nicht nach Aufhebung des status quo aus, doch Blockupy bietet immerhin einen öffentlichen Raum für Kapitalismuskritik im besten Fall kategoriale. Kommunistische Bewegung wäre die kategoriale Infragestellung von Kapital, Staat, Nation, Arbeit, Geschlecht u.v.m. Damit diese Bewegung aber wirklich werde, bedarf es der kritischen Einwirkung. Kritik an der Linken bedarf der direkten Konfrontation.

Sicher sind die Zweifel nicht grundlos. Mag es auch sein, dass ein guter Teil von Blockupy für das kommunistische Projekt schlicht als verloren zu gelten hat. Die radikale Linke hat aber nichts zu verlieren, denn sie selbst hat historisch bereits verloren. „Kritik im Handgemenge” wird deshalb nicht nur nicht schaden, sondern vermag womöglich eine positive Wirkung zu zeigen. Im Zentrum der Blockupy-Veranstaltungen stehen deshalb auch kapitalismuskritische Vorträge und Workshops von ...ums Ganze! und artikulieren, neben dem reformistischen, moralinsauren und affektuierten Rauschen über den Kapitalismus, eine kategoriale Kapitalismuskritik. Zudem wird es Aktionen gegen den deutschen sowie europäischen Rassismus am Abschiebeflughafen in Frankfurt am Main geben. Nicht zuletzt wird eine kritische Auswertung vom diesjährigen Blockupy den Sinn und Unsinn einer Beteiligung sowie überhaupt der Gesamtveranstaltung aufzeigen.

Also...?

In Leipzig gibt es im Grunde keine Diskussion um praktische Auseinandersetzung mit oder Intervention in linke Bewegungen. Stattdessen wird in der theorieradikalen Linken gemeinhin das „Primat der Kritik” postuliert und zur politischen Praxis verklärt. Selbst in diesem Zwiespalt der radikalen Linken stehend, möchte also the future is unwritten als Teil des ...ums Ganze!-Bündnisses seine eigene Befürwortung, aber auch Skepsis bis hin zur Ablehnung reflektieren und deshalb ein Diskussionsangebot unterbreiten: Im Rahmen einer Podiumsdiskussion werden der Autor Justin Monday, ein_e Vertreter_in von ...ums Ganze! sowie Rüdiger Mats (the future is unwritten) das Thema kommunistischer Praxis im Allgemeinen und Blockupy im Besonderen diskutieren. Diesem Reflexionsprozess ist es letztlich geschuldet, dass wir diese Veranstaltung machen und nicht direkt zu Blockupy mobilisieren.


the future is unwritten

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03.05.2013
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