• Titelbild
• Editorial
• das erste: Gentrifizierungskritiker unter Beobachtung
• Das Filmriss Filmquiz
• SUB.ISLAND pres. Shu, Full Contact, C U N b2b Proceed
• Cafékonzert: The Doppelgangaz, Conikt
• Bleeding Through, This or the Apocalypse, Hand of Mercy
• electric island: Polo, John Höxter, Miami Müller
• Damion Davis, DJ V.Raeter
• NIFFA X WSKL aftercontest Showdown!
• Johnossi
• Pttrns, Fenster, Urban Homes, Map.ache
• C L O S E R
• WORD! cypher #11 / OPEN MIC
• »Los Eastos«-Fest 2
• electric island: Optimo aka JD Twitch & JG Wilkes+
• review-corner theater: My Body is poetry!
• interview: Schnitzeljagd in Hitlers Zimmer
• position: Nicht mit und nicht ohne – Teil 1
• politik: Zwangsarbeiter, Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeit in Connewitz während des Zweiten Weltkrieges
• doku: Inside Syria: Letters from Aleppo
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• das letzte: das letzte
Mit einer dicken Träne im Knopfloch stand ich vor einigen Wochen vor meinem liebsten soziokulturellen Stadtteilzentrum, als ich von einem Schild über dessen baldige Schließung informiert wurde. Noch zwei Wochen Galgenfrist würden dem Rewe am Connewitzer Kreuz bleiben, dann werde mit einer feierlichen 10% Rabattaktion auf ausgewählte Molkereiprodukte der schon länger diskutierte Abriss und Neubau eingeleitet. Wer hätte gedacht, dass es genau zwei Monate nach dem sehr überraschenden Ausbleiben der globalen Maya-Apokalypse zu einem lokalen Konsum-Armageddon kommen würde?
Abgesehen von den beinahe unzumutbaren Alternativen, welche nun noch bleiben, um sich mit dem täglich Nötigen zu versorgen, wird hier ohne Skrupel das heimliche Wahrzeichen von Connewitz dem Erdboden gleich gemacht.
Schwelgen wir noch einmal gemeinsam in wunderbaren Erinnerungen! Wie schön war es, die Tasche voll mit feinsten Ja!-Produkten, den schmissigen Rewe-Jingle pfeifend den etwas hutzeligen Markt zu verlassen! Mit dem leckeren Duft von Bratfett und Sojasauce in der Nase bekamen die Punker noch ein paar Cent, während sich eine Horde schnapsgesteuerter Jugendlicher vorbei drängte, um sich bei Frau Schneeweiß mit größeren Mengen Kaliskaya auszustatten. Von dem beständigen Rauschen der Autos und Straßenbahnen untermalt, breitete sich spätestens jetzt das eigenartig gute Gefühl aus, welches man in Connewitz an kaum einem anderen Ort verspürte: das Gefühl in einer Stadt zu leben. Diese gewisse soziale Heterogenität und offene urbane Geschäftigkeit mögen zwar zu einem großen Teil Illusion gewesen sein, aber gemocht habe ich sie trotzdem.
Nun könnte man das sagen, all das wird nach dem Neubau auch wieder so sein – aber da bin ich mir nicht so sicher. Wie man schon weiß, wird zum Beispiel ein großer Teil der zuvor unbebauten Fläche als ebener Parkplatz dienen und die Reinkarnation des Kreuz-Rewes damit Gefahr laufen, an Grüne-Wiese-Supermärkte der Provinzstädte zu erinnern, aus denen die meisten von uns, inklusive mir, aus gutem Grund geflüchtet sind. Da würde eine alternative Parkplatzfläche, zum Beispiel auf dem Dach wie beim Konsum Neubau in Schleußig, doch eine wesentlich kompaktere und stadtgerechtere Architektur erlauben.
Bleibt zu hoffen, dass sich diese Befürchtungen als Schall und Rauch erweisen – genau wie irgendwelche Mayaberechnungen. In der Zwischenzeit freue ich mich allerdings auf die vorübergehende Gentrifizierung des Elendsdiscounters Netto am Wiedebachplatz. Es ist immerhin nicht völlig ausgeschlossen, dass durch die Rewe-Lücke ein bisschen differenzierteres Klientel in den Markt strömt und die Einkauferfahrung in der orange-gelben Hölle vielleicht doch so etwas wie Würde bekommt.
H. Müller