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Während ein klassischer Plattenladen nach dem anderen schließt, nimmt die sichtbar erfolgreiche H&M-für-Hipster-Kette Urban Outfitters immer mehr Schallplatten in ihr Sortiment auf und bestückt die „Indie-vidualisten“ von heute mit ausgewählten Soundtracks zum verzweifelten Dasein. Neben Platten von Godspeed your Black Emperor lassen sich Joy Division, Neutral Milk Hotel, Cat Power oder The XX kategorisch in jeder Filiale von Manhattan über Paris bis London und Hamburg entdecken und befriedigen die Sehnsucht der ankerlosen und alternden Jugend. Das Ganze klingt jedoch erst dann komisch, wenn deutlich wird, dass jene kaufhausähnlichen Shops in den teuersten Shoppingstrassen der Welt ausschließlich genau nur diese Art von Musik verkaufen. Zwischen dem hauptsächlich hippen Klamottenangebot steht somit in
jeder Accessoire-Abteilung der eigene obligatorische Indieplattenladen, als kleines Regal mit scheinbar exklusiver Auswahl für die Seemannsmützenträger von
heute.
Hier wird Individualität, Authentizität und Abgrenzung ganz bewusst und vor allem erfolgreich von der Stange verkauft. Urban Outfitters ist demnach ein Unternehmen als Hybrid, dass es geschafft hat, ganze Szeneviertel mit all ihren hübschen, kleinen, angesagten Platten- und Second-Hand-Läden einfach mal zu klonen, zusammenzufassen und mit der Essenz daraus viel Geld zu verdienen. Ein Betreten jener Shopskann sowohl abstoßend sein als auch Faszination für die Dreistigkeit des Konzeptes erwecken. Man fühlt sich irgendwie angeekelt und ertappt sich dennoch
aufgrund des clever konstruierten individuellen Angebotes dabei zu denken, hier genau das Richtige für sich zu finden. Funktioniert also am Ende nicht anders
als im handelsüblichen Plattenladen. Deshalb die Fragen: Ist das alles überhaupt so schlimm? Die Aufregung kratzt wohl vor allem an jenen, die sich damit um ihr unvergleichlich geglaubtes Lebensmodell belogen und betrogen fühlen. Das „Anders-Sein“, was einst ausschließlich einer Handvoll Leute vorbehalten war, wird ausgeschlachtet, verraten und verkauft! Sind jedoch die schwindenden Orte wie Schallplattenläden als „authentische“ Läden überhaupt wichtig und vor allem notwendig für trotzdem weiterhin gute Musik? Es ist wohl ähnlich wie mit Büchern. Der Wegfall des smarten Buchladens um die Ecke heißt noch lange nicht das Ende von Literatur. Waren also solche Orte überhaupt jemals wichtig für Exklusivität von Kunst und Kultur?
Nein! Jene Szenen und Spots verkaufen letztendlich auch nur Versprechen. Erfüllt wurde die Suche nach einer ganz eigenen Identität. Sie sind genauso Zulieferer von Kollektionen der Unabhängigkeit und tragen zur eigentlich Innovation von Musik wenig bei. Sie braucht für ihren Kern keine besonderen Plattenläden und ihr ist es egal, wer sie wie und wo erwerben kann. Das alles hat zum Glück rein gar nichts mit einer Band wie The Sea & Cake zu tun. Und genau deshalb sind sie das beste Beispiel für diese These. Seit 19 Jahren bereits umgarnen die poppigen Postrock-Pioniere aus Chicago die geschmackssichere Seiteder Menschheit. Als kleine Schwester der legendären Tortoise schreibt die Band um Mastermind Sam Prekob die leichtfüßigste und gleichzeitig tiefgründigste Musik, die man sich nur vorstellen kann. Ich spreche gern von Easy Listening, das tiefer nicht sein kann. Sie scheißen damit unbewusst auf die „Indie-isierung“ der Gesellschaft (Vermarktung von Unabhängigkeit) samt den oben beschriebenen Phänomenen und machen dadurch wiederum eines ganz deutlich:
Plattenläden, Urban Outfitters, Beutel, Konsumenten, Trends und popkulturelle Diskussionen sind Nichts – Musik ist für sich eben doch Alles!
[jeremy]