200 Jahre CEE IEH:
DER UMSTRITTENSTE ARTIKEL DER LETZTEN 200 JAHRE VON SCHLAUBI IN
HEFT #88.
Ficken!!!
oder ein verzweifelter Schrei nach amüsanter LeserInnenpost
„provocation is motivation“
(Jean Michel Basquiat, gesellschaftlich anerkannter Künstler)
SEX sells, das wissen nicht nur die Fachleute der Werbebranche, sondern auch einige AutorInnen des Newsflyers. So ein Titel zieht – vom sexistischen Proll bis hin zur militanten Feministin wird wohl jedeR argwöhnen, was dahinterstecken mag.
Doch nun zu etwas ganz anderem. Niemand schreibt mehr Briefe. Alle sitzen im besten Fall an ihren mehr oder weniger von Zigarettenqualm vergilbten Tastaturen und lassen ihre Finger darüber hinweg wuseln. Der gute alte Zonenfüller vermodert hinterm Schreibtisch und Papier scheint nur noch zum Bedrucken da. Zum Arsch abwischen selbstverständlich auch. Doch rosige Zeiten tun sich auf für die Redaktion des Newsflyers, auch wenn diese vielleicht eine andere Einschätzung des Wortes „rosig“ ihr eigen nennen mag. Wie einst die Bomben auf Dresden, werden hoffentlich Zuschriften auf die Redaktion einprasseln und beides kann doch durchweg als positiv bewertet werden.
Doch genug der einleitenden Worte. Es geht um Punk Rock, es geht um Sex, es geht um hemmungsloses Besaufen und dessen ignorierte Konsequenzen. Um was kann es sich also handeln? Richtig, all dies vereint sich in einer Band: Den
Kassierern. Ein Raunen geht durch jeden Raum bei der bloßen Erwähnung ihres Namens, Augen formen sich zu Schlitzen und mancheR beißt sich hasserfüllt auf die Unterlippe. Gegen diese Band wirken
Slime wie ein Gerücht und die
Sex Pistols wie ein schlechter Witz. Doch was will diese umstrittene Band? Frauen unterdrücken, sich gegenseitig einen blasen, saufen oder einfach nur geile Mucke machen? An dieser Stelle sollten die Ruhrnachrichten Bochum wohl für Klärung sorgen können:
„Ende 1996 stellte das Jugendamt Leipzig einen Antrag auf Indizierung der dritten CD der Bochumer Punker, ‚Habe Brille‘. Diese CD würde zu ‚ethischer Desorientierung‘ bei Jugendlichen führen. (...) Gemeinsam mit Dr. Thomas Hecken vom Germanistischen Institut der Ruhr-Universität mussten die Kassierer erneut vor einem Gremium der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften Rede und Antwort stehen. (...) Vorgestern wurde erneut, auf der Grundlage eines Gutachtens des Bonner Psychologen Poppelreuther, der die Indizierung der CD nahelegte, verhandelt. Während der Verhandlung sei eine heftige Debatte entstanden, ob die Kassierer Kunst sind (...) ‚Am Ende der Verhandlung herrschte eine gelöste Stimmung, hin und wieder war sogar ein Schmunzeln auf den Gesichtern der Beisitzenden zu erkennen‘, freuen sich die Kassierer. ‚Wir haben sie überzeugen können, dass unsere Texte Satire sind und wir unsere Lebenswelt überzeichnet darstellen.‘“
Anzumerken sei hier, dass auch die vorangegangenen beiden Alben „Sanfte Strukturen“ und „Der Heilige Geist greift an“ indiziert werden sollten. In beiden Fällen ließ sich die Combo vom Anwalt der
Kelly Family verteidigen, eine Selbstverständlichkeit unter Popstars.
Die CD’s schrammten also nur knapp an ihrer Indizierung vorbei, wären da nicht noch die anderen fleißigen IndiziererInnen, welche nun mit der Bundesprüfstelle so gar nichts zu tun haben. Oder etwa doch? Sexistisch sei diese Band, frauenfeindlich und prollig sowieso. Wer sind denn nun diese Leute, die sich trauen, in solch einer Band zu spielen? Ein Haufen von altgewordenen Philosophiestudenten mit satirischem Liedgut im Gepäck oder doch nur eine Herde blöder, dauerbesoffener Assis, die anstatt des Wortwitzes ständig Bier im Rucksack mit sich führen? Die zensurfreudige Fraktion, welche auch vor terroristischen Akten, etwa einer Bombendrohung, nicht zurückschreckt, um diese Band in ihre Schranken zu weisen, tendiert wohl eher zu letzterem. Nein, es sind weder Geheimdienst,
RAF noch
Taliban, welche selbstgerecht für die wahre antisexistische Moral kämpfen, wobei sie in ihrer Kreativität (oder eben auch nicht) diesen in nichts nachstehen. Lustig war es, als im Vorfeld des
Kassierer-Konzerts in Leipzig Flyer mit Auszügen von besonders sexistischen Texten der Band über Konzertplakate geklebt wurden. Wolfgang, seines Zeichens Sänger der umstrittenen Band, würdigte diesen Akt, indem er sich dafür bedankte, konnte ja das Publikum im Vorfeld des Konzerts die Texte auswendig lernen. „Der Pöbel“ (O-Ton Sänger) könnte dann die Lieder singen, während er sich voll und ganz auf das durch die VeranstalterInnen gesponsorte Bier konzentrieren könne. Political Correct sind die Kassierer wohl auf keinen Fall, was für einige verwirrte selbsternannte GenießerInnen auch nicht unbedingt ein Manko darstellt. Auf
www.nadir.org las ich solche Dinge wie „zwangsheterosexuell“, „schwulenfeindlich“, „rassistisch“, etc. Allgemein verrufen sind ja die Bühnenshows der
Kasssierer. Da soll es doch tatsächlich zu teilweise sexuellen Handlungen zwischen Bandmitgliedern und Publikum kommen, übrigens ausnahmslos zwischen Männern. Wahrscheinlich ist jedoch gerade das Indiz für ihre Zwangsheterosexualität, können sie doch in der Öffentlichkeit die Sau rauslassen, um dann am Stammtisch in schwulenfeindlichen Haßtiraden sich gegenseitig hochzuschaukeln. Auf den Vorwurf des Rassismus soll hier nicht eingegangen werden, weil der Autor die Taliban sowie den Großteil der PalästinenserInnen nicht unbedingt mag und gewissen Kulturkreisen gegenüber Vorbehalte hegt. Es wäre doch fürchterlich, wenn in diesem Blatt rassistische Tendenzen durchblicken würden. Witzig ist auch, daß eine seitens der Leipziger Szene sehr geschätzte Band kein Auftrittsverbot im Conne Island hat. Es handelt sich um keine geringeren als die großartigen
Warp Noin. Auch hier scheint es sich um bekennende Sexisten zu handeln, trauen sie sich doch tatsächlich Lieder der
Kassierer zu covern. Kein Witz. Spielt ihr diese Cover eigentlich auch im Conne Island, ihr Schlingel?
An dieser Stelle sollen kurze Interviewauszüge mit dem Sänger der
Kassierer für (hoffentlich) Diskussionsstoff sorgen, das Interview war sehr prollig gehalten, klar bei der Band. Übrigens gefunden auf
www.gaypunk.de, oder so ähnlich. Ein Link zu dieser Seite findet sich auf der Homepage der Band,
www.kassierer.com unter Links. Ein weiteres offensichtliches Indiz für die verdrängte Homophobie der Band.
„INTERVIEWER: ...öhm... Hat schon mal einer von euch gedacht seine Biographie zu schreiben?
SÄNGER: (...) so als Ereignis der letzten Woche, da war son Sturm das hat mir im Garten beinah die Tomatenspirale umgerissen... Also sowas könnt ich nie ernsthaft von mir geben. Andererseits je mehr man erlebt, umso gleichgültiger steht man dem Erlebten gegenüber.
INTERVIEWER: Was ist eine Dioptrie?
SÄNGER: (wie aus der Pistole geschossen) Eine Dioptrin ist der Kehrwert einer Entfernung in Meter. Und geht zurück auf den französischen Philosophen und Mathematiker Descartes. (...)
SÄNGER: (antwortend auf Vorwurf des Sexismus, Anm. Schlaubi) Ja... das kommt ma vor. Und dann gabs da son Flugblatt, wo dann ganz radikal dargestellt wurde, wir würden solche Texte singen wie ‘dann tat sie etwas, daß ließ mich erblassen, sie griff nach meinen Klöten und fing an zu blasen’. Das war son Beleg dafür, daß es EINDEUTIG sexistische Musik ist. Natürlich haben die Leute, die uns damals kritisiert haben, völlig weggelassen, daß es nur um Sex mit Ausserirdischen geht. Außerdem... denk ich, wenn man Sex beschreibt, ist man lange nich sexistisch. (...)
SÄNGER: ...also ich glaub wir ham vielleicht ein sexistisches Lied im Programm, wozu ich auch stehe und das is so... dieses Lied ‘Sex mit dem Sozialarbeiter’, weil der Sozialarbeiter dort einfach nur zum Sexualobjekt herabgewürdigt wird und das hat er aber auch verdient!“
In diesem Zusammenhang erscheint z.B. merkwürdig, dass verschiedenste Hardcore- und Hip Hop-Acts, welche nach Definitionen der „P.C.-Polizisten“ (
4 Promille) eindeutig sexistisch sind, unter keinen Sanktionen zu leiden haben. Wahrscheinlich liegt’s an den schlechten Englischkenntnissen. Auf wessen Seite diese liegen, sei mal dahingestellt.
In diesem Artikel soll nicht der ordinäre Sprachgebrauch der
Kassierer unter den Tisch fallen. Worte wie „Schwanz“, „Möse“, „Pillemann“, „Titten“ etc. gehören zum Standardrepertoire der Texte. Ganz klares Indiz für sexistische Tendenzen. Schockierend ist der Alltag, wenn eine Genossin am Kneipentisch unverblümt ihre Brüste herabwürdigend als „Titten“ bezeichnet. Schuld sind Bands wie diese, wollen sie doch solche Wörter dem allgemeinen Sprachgebrauch zuführen und scheuen sich dabei nicht vor den niedersten Formulierungen.
Gerüchteweise hat mensch gehört, dass Konzerten dieser Band ein Großteil studentischen Publikums beiwohnen würde. Dabei soll es sich um jene handeln, die vom Outfit her auch auf Konzerten der Weltschmerzcombo
Tocotronic zu finden seien. Selbstverständlich trifft mensch auf diesen Gigs auch das übliche Prollpublikum, welches so eine Band anzieht. Ein gewisser
Kurt Cobain hat sich einst erschossen, geschuldet wohl auch der Mehrheit seiner KonzertbesucherInnen. Mensch mag nun von den
Kassierern aufgrund des unverständigen Publikums Selbstmord einfordern, aber das wär doch irgendwie gemein. Ein
Zack de la Rocha (Sänger der Band
Rage Against The Machine) hat sich auch nie erschossen, trotz Millionen von verkauften CD’s.
Der Autor verbleibt in der Hoffnung, sich aufgrund dieses Artikels mit LeserInnenbriefen auseinandersetzen zu können und möchte anmerken, dass er kein Auto besitzt, an dem wahlweise die Türen verklebt, oder die Reifen abgestochen werden könnten (Grüße nach Dresden).
Für ein Konzert dieser Proleten im Conne Island!Schlaubi