• Titelbild
• Editorial
• das erste: Still No Peace with Schrebergarten!
• La Dispute
• Dominic, Oaken Heart
• Das Filmriss Filmquiz
• 4 Promille, Bonecrusher, Lousy, Strongbow
• Negative Approach, Punch
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• Living with Lions, Marathonmann
• Roter Salon: Der Firmenhymnenhandel
• Blu & Exile
• Toxpack, Eschenbach, Boykott
• Sub.island: Ill K
• The Hundred in The Hands
• Schlapphut-Knarre-Hakenkreuz
• Inbetween: Shackleton
• Workshop: We'll never walk alone?
• Hellnights-Tour
• The Excitements
• Blitzkreuz-Tour
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• inside out: Das kann man doch nicht für bare Münze nehmen
• inside out: Unterstützung bei sexistischen Erfahrungen im Conne Island
• review-corner buch: About the Hitch
• review-corner buch: Out of Post
• position: Grauzone Ein Gespräch
• doku: Landfrieden der Bäume
• doku: Never mind the Adorno, here's the Judith Butler
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• das letzte: Das Letzte
Der Herbst ist da und die Konzertsaison hat wieder begonnen. Soweit und so gut.
Die ersten großen Punk- und Oi!-Shows stehen ins Haus und im
Unrast-Verlag ist ein Buch erschienen, welches sich mit Hardcore
und Punk und den Versuchen der rechten Szene, dieses Feld zu vereinnahmen,
genauso befasst, wie mit der Rechtstoffenheit und wenig emanzipatorischen
Attitüde mancher Protagonisten kurz mit der allgegenwärtigen
Grauzone. Für uns die Gelegenheit, ein Gespräch genau
über Probleme dieser Zone und die Haltung von einzelnen Personen aus dem
Conne Island zu führen. Bei zwei Kaltgetränken entstand dieses
Zwiegespräch.
Avon: Ich glaub, zu Anfang sollten wir uns zunächst einmal klar werden,
was dieser Begriff Grauzone eigentlich bedeutet, oder?
Beliar: Klar, die Grauzone an sich wird gewöhnlicherweise auf so
ziemlich alle Bands und Musikanten bezogen, denen tatsächliche oder
imaginierte Verbindungen zu rechtem oder faschistoidem oder auch sexistischem
Gedankengut nachgesagt werden. So richtig virulent wird die ganze Nummer aber
erst in den letzten Jahren.
Avon: Aber derartige Dinge (also missverständliche Inhalte, Spiel mit
Symbolen) sind doch tatsächlich zu beobachten, so ziemlich seitdem
Menschen auf die Idee gekommen sind, Musik bzw. Rock mechanisch zu
vervielfältigen, oder? Also so circa seit der Erfindung des Rock'n'
Roll.
Beliar: Naja, aber deshalb oder genau deswegen sind derartige Entgleisungen
doch nicht wegzuleugnen. Merkwürdige Fotos oder Verbindungen zu
einschlägigen Kreisen oder schlimmer noch: das Spiel mit faschistoiden
Symboliken und merkwürdigen Texten.
Avon: Klar doch, all das gibt es, aber was mich dabei so völlig
ankotzt, ist die Tatsache, dass niemand sich die Mühe macht, mit den
betroffenen MusikerInnen oder Labels usw. mal tatsächlich zu sprechen.
Einfach mal versucht herauszubekommen, wie die Verhältnisse sich
tatsächlich darstellen. Da wird halt viel zu oft irgendwelchen
Halbwahrheiten Glauben geschenkt und auf Grund solcher Dinge geurteilt. Da
gibt's einfach mal das Label Grauzone. Und eins ist auf jeden Fall
für mich sicher: Gespräche so richtig Auge in Auge erreichen einfach
mehr als sämtliches anonyme Angezicke.
Beliar: Aber trotzdem ist die Ganze Skin-Punk- und Hardcore-Nummer, um`s
vorsichtig auszudrücken, nicht ganz schön prollig, also wenig
emanzipatorisch?
Avon: Klar, da hast du auf jeden Fall recht, eine gewisse Ablehnung
intellektueller Einflüsse ist nicht zu verleugnen. Aber andererseits ist
auch immer ein gerüttelt Maß an Provokation und Nihilismus dabei;
gleiches gilt im Übrigen auch für die Verwendung von Symbolen.
Bedenkenswert in diesem Zusammenhang ist ebenfalls der Unterschied im Umgang
mit denselben. Im anglo-amerikanischen Raum sind die Dinge anderweitig mit
Bedeutung aufgeladen als im deutschen Raum. Exemplarisch dafür steht da
die Verwendung des Eisernen Kreuzes. Steht dieses Symbol im
Amerikanischen für ein gewisses Maß an Rebellentum und Rock`n`Roll
(siehe Motörhead), steht so etwas im deutschen Kontext völlig zu
Recht im Generalverdacht, irgendwelche Nazischeiße zu transportieren.
Obwohl da genaues Hingucken sich immer lohnt. Zum Beispiel die alte deutsche
Punkband OHL. Die spielen schon immer mit missverständlichen Symboliken,
waren immer strikte Antikommunisten, aber eben auch immer strikt gegen jede
Form von Nazidreck.
Beliar: Wenn ich mir Grauzonenzeugs so anschaue, werd` ich den Verdacht nicht
los, dass dort viel zu viel einfach völlig undifferenziert daszwischen
gehauen wird und das bei einem Thema, wo genauestes Abwägen und Hinschauen
meiner Meinung absolut lebensnotwendig ist. Es wird den Betroffenen keine
Änderung zugestanden und diejenigen haben auch nur seltenst die
Gelegenheit, sich zu stellen.
Was mich in diesem Zusammenhang ebenfalls nervt, ist diese Art von typisch
deutschem Missverständniss, nämlich dass diese Hardcore-, Punk- und
Skin-Szenerie quasi per se links ist und damit irgendwie bessere Menschen
darstellen. Dem ist natürlich nicht so. Es gibt dort genauso viele
Arschlöcher und Spiesßer wie sonst überall. Und die Kapellen
spiegeln genau das wieder.
Avon: Für so einen Laden wie das Conne Island ist ein differenzierter
Umgang mit solchen Problemen überlebenswichtig, und deshalb machen wir uns
wenns sein muss auch bei jeder Kapelle, die hier spielen soll, so einen Kopf
und diskutieren zur Not auch mal bis in die Nacht oder wochenlang durch.
Manchmal werden die Bands ins Conne Island-Plenum eingeladen und sie
können direkt Stellung beziehen. Und dann kommen irgendwelche anonymen
Pamphlete absolut nicht gelegen. So etwas wirkt in jedem Fall kontraproduktiv.
Zumal sich anonym bleibende Schreiberlinge anmaßen, Leute mit ihrem Namen
anzuzinken.
Beliar: Ich verstehe ja eine gewisse Aufgeregtheit und Emotionalität bei
diesem Thema, aber wenn Leute beim Flyer verteilen oder danach körperlich
angegriffen werden, hört für mich der Spaß definitiv auf, auch
wenn die Zettel einen imaginiert falschen Inhalt haben.
Avon: Ein guter Aufhänger eigentlich. Die Flyer waren glaub` ich
für ein Konzert von Stomper98. Diese Band steht in den letzten Jahren
exemplarisch für den Umgang des Conne Islands mit diesem Themenfeld.
Ausgehend von diversen Gerüchten und dem bodenlos frechen Pamphlet einiger
anonymer Schreiber enspann sich im Laden eine heftige Diskussion um die
Vergangenheit und die Texte der Band, die in Teilen durchaus inquisitorisch
ablief. Die Musiker besuchten das alles entscheidende Plenum und stellten sich
den aufkommenden Fragen und versuchten Antworten zu geben. Ich mein`, welcher
Glatzkopf oder Punker macht sowas?
Beliar: Mmhh, und aus antifaschistischer Sicht kann in strategischer Hinsicht
eigentlich nichts Besseres passieren als eine Band, die tatsächlich mal
aus Navität oder aus bloßer Affinität zu einem wie auch immer
geartetem Anti-P.C.-Ding so ziemlich jeden Fettnapf inklusive
verheerender Fotos mitgenommen hat, sich ehrlich eines Besseren besonnen hat
und das Ganze auch noch absolut glaubhaft kommunizieren kann.
Und das, obwohl ein Teil der entsprechenden Blogossphäre den Aussagen der
Musikanten keinerlei Glauben schenkt. Im Übrigen halte ich dieses anonyme
Stammtischgeschwätz im Netz für eines der größten Probleme
überhaupt. Da wird unter dem Schutz der Unerkennbarkeit gesülzt und
gelogen wenn das nicht so gefährlich wäre, könnte man
glatt lachen.
Avon: Nur weil heutzutage jeder seinen Senf im Netz ablassen darf, sind wir
nicht bereit, unser (Anm. der Redaktion: das Konzept des Conne Islands)
durchaus erfolgreiches Konzept beim Umgang mit Bands und Individuen umzuwerfen.
Das heißt, man muss genau zuhören und immer wieder abwägen und
wenn es sein muss, auch Maßnahmen ergreifen. Und es sollte sich auch in
jedem Fall jeglicher Form von Eiferei enthalten werden. Und nur wenn wir es
schaffen, soweit wie es geht Nazispinner, Sexisten und anderes Gesocks aus der
ganzen Szenerie genauso rauszuhalten wie irgendwelche Eiferer und
Schmierfinken, wird es einen erfolgreichen Umgang mit Problemen geben. Und dass
es in der Hinsicht jede Menge Baustellen gibt, wissen wir. Und wenn es nicht
gelingt, wird das alte Bonmot von Hardcore is more than music
engültig zum Tattoomotiv.
Was für ein Schlusswort... Prost!
Kay