• Titelbild
• Editorial
• das erste: Still No Peace with Schrebergarten!
• La Dispute
• Dominic, Oaken Heart
• Das Filmriss Filmquiz
• 4 Promille, Bonecrusher, Lousy, Strongbow
• Negative Approach, Punch
• electric island: Roaming & Moomin
• Living with Lions, Marathonmann
• Roter Salon: Der Firmenhymnenhandel
• Blu & Exile
• Toxpack, Eschenbach, Boykott
• Sub.island: Ill K
• The Hundred in The Hands
• Schlapphut-Knarre-Hakenkreuz
• Inbetween: Shackleton
• Workshop: We'll never walk alone?
• Hellnights-Tour
• The Excitements
• Blitzkreuz-Tour
• Veranstaltungsanzeigen
• inside out: Das kann man doch nicht für bare Münze nehmen
• inside out: Unterstützung bei sexistischen Erfahrungen im Conne Island
• review-corner buch: About the Hitch
• review-corner buch: Out of Post
• position: Grauzone Ein Gespräch
• doku: Landfrieden der Bäume
• doku: Never mind the Adorno, here's the Judith Butler
• Anzeigen
• das letzte: Das Letzte
Ein Jahr ist es her, dass der Nationalsozialistische Untergrund? endlich
aufgeflogen ist und noch immer tröpfeln unglaubliche, erschreckende
Fakten durch die Medien. Wenn morgen in der Zeitung stünde, dass sich der
streng geheime NSU-Führerbunker, der mit Mitteln der Albrecht-Brüder
errichtet wurde, unter Eduard Zimmermanns Bungalow entdeckt wurde ich
würde kaum mit einer Braue zucken. Nun ist das freilich Fiktion. Was mich
retrospektiv jedoch erschreckt ist der Fokus auf die Täter und die
Ermittlungsbehörden. Zugegeben, deren Verstrickungen und Windungen haben
ein gewisses Unterhaltungspotential. Es erfüllt mich auch mit gewisser
Genugtuung, dass zwei der mutmaßlichen Täter, die übrigens gute
Verbindungen ins Leipziger Umland pflegten, tot sind und mit Groll und
Verachtung, wenn ich an die Implikationen der Verwicklung der
Ermittlungsbehörden denke. Dem eher unterhaltenden Aspekt wird sich dieses
Politikkabarett widmen. (Dazu: Siehe die Anzeige in diesem Heft)
Die Opfer bleiben jedoch in der Rezeption hierzulande weitgehend gesichtslos.
Um diesen Umstand entgegen zu arbeiten, hier eine Erinnerung an die, die
bekannt wurden:
Enver Simsek, Inhaber eines Blumenhandels in Schlüchtern,
wurde am 9. September 2000 am Rande einer Ausfallstraße im Osten
Nürnbergs, wo er seinen mobilen Blumenstand in einer Parkbucht aufgebaut
hatte, mit acht Schüssen angeschossen. Er starb zwei Tage später im
Krankenhaus. Simsek war 39 Jahre alt, er kam 1986 aus der Türkei nach
Deutschland, arbeitete zunächst in einer Fabrik, eröffnete einen
Blumenhandel und schließlich einen Großhandel mit angeschlossenen
Läden und Ständen. Er galt als erfolgreicher Geschäftsmann.
Normalerweise lieferte Simsek nur die Blumen an, doch an diesem Samstag
betreute er den Stand, da der üblicherweise anwesende Verkäufer
Urlaub hatte.
Abdurrahim Özüdogru wurde am 13. Juni 2001 in einer
Änderungsschneiderei in der Nürnberger Südstadt getötet. Er
war 49 Jahre alt, arbeitete als Schichtarbeiter bei Siemens und half
nebenberuflich in dem Ladengeschäft aus.
Süleyman Tasköprü, Obst- und
Gemüsehändler, wurde am 27. Juni 2001 in Hamburg-Bahrenfeld im Laden
seines Vaters ermordet. Er war 31 Jahre alt, stammte aus Afyonkarahisar und
hatte eine dreijährige Tochter. Die Hamburger Polizei ermittelte, dass
Tasköprü Freunde im Hamburger Rotlichtviertel gehabt habe.
Obwohl er nie strafrechtlich aufgefallen war, vermutete man vor diesem
Hintergrund ein Verbrechen im Rahmen der organisierten Kriminalität, das
die drei Opfer miteinander verbunden habe.
Habil Kiliç, Inhaber eines Obst- und Gemüsehandels,
38 Jahre alt, wurde am 29. August 2001 in München-Ramersdorf in seinem
Geschäft erschossen. Die Ermittler unterstellten als wahrscheinlichstes
Mordmotiv und Erklärung der Zusammenhänge weiterhin organisierte
Kriminalität.
Mehmet Turgut wurde am 25. Februar 2004 an einem
Döner-Imbiss im Rostocker Ortsteil Toitenwinkel ermordet. Turgut war 25
Jahre alt, kam aus der Türkei und hielt sich illegal in Deutschland auf.
Er war zu Besuch bei einem Freund in Rostock, für diesen hatte er spontan
übernommen, den Imbiss am Vormittag zu öffnen. Bis zehn Tage vor
seiner Ermordung hatte er in Hamburg gelebt. Bis zum Dezember 2011 wurde der
Name des Ermordeten auf Grund einer Verwechslung mit seinem Bruder als Yunus
Turgut veröffentlicht.
Ismail Yasar, Inhaber eines Döner-Kebap-Imbisses, wurde
am 9. Juni 2005 in seinem Geschäft in Nürnberg getötet. Er war
50 Jahre alt und stammte aus Suruç. Nach dieser Tat ging das
Bundeskriminalamt verstärkt von der Möglichkeit aus, dass die
Opfer in Verbindung mit türkischen Drogenhändlern aus den
Niederlanden standen.
Theodoros Boulgarides, Mitinhaber eines Schlüsseldienstes,
wurde am 15. Juni 2005 in seinem Geschäft in München-Westend
erschossen. Er war Grieche, 41 Jahre alt und hinterließ eine Frau und
zwei Töchter. Das Geschäft hatte er erst am 1. Juni 2005
eröffnet, zuvor war er als Fahrkartenkontrolleur beschäftigt. Die
örtliche Boulevardpresse schrieb nach dem Mord: Türken-Mafia
schlug wieder zu.
Mehmet Kubasik, Besitzer eines Kiosks, wurde am 4. April 2006
in seinem Geschäft in der Dortmunder Nordstadt ermordet. Der Kiosk befand
sich nahe eines damaligen Treffpunkts der Dortmunder Neonazis. Kubasik war 39
Jahre alt, Deutscher türkischer Herkunft und dreifacher Familienvater.
Nach diesem Mord kam es zu einer öffentlichen Kundgebung: Am 11. Juni 2006
organisierten türkische Kulturvereine zusammen mit den Angehörigen
einen Schweigemarsch in Dortmund, gedachten der neun Opfer der Serie und riefen
die Behörden dazu auf, ein zehntes Opfer zu verhindern. In einer
Fernsehsendung am 13. November 2011 erklärte seine Tochter, dass die
Familie immer davon ausgegangen sei, dass die Tat einen rechtsextremen
Hintergrund gehabt habe.
Halit Yozgat, Betreiber eines Internetcafés, wurde am
6. April 2006 in Kassel durch zwei Kopfschüsse getötet. Er war 21
Jahre alt und Deutscher türkischer Abstammung. Das Café hatte er
erst kurze Zeit zuvor mit von seinem Vater geliehenem Geld eröffnet. Zudem
besuchte er eine Abendschule, um sein Abitur nachzumachen. Yozgat befand sich
ungeplant in seinem Geschäft, er hätte bereits von seinem Vater, der
sich verspätete, abgelöst worden sein sollen.
timmy/diverse autoren (wikipedia)
Klingt wie: Schwelende Wut