• Titelbild
• Editorial
• das erste: Still No Peace with Schrebergarten!
• La Dispute
• Dominic, Oaken Heart
• Das Filmriss Filmquiz
• 4 Promille, Bonecrusher, Lousy, Strongbow
• Negative Approach, Punch
• electric island: Roaming & Moomin
• Living with Lions, Marathonmann
• Roter Salon: Der Firmenhymnenhandel
• Blu & Exile
• Toxpack, Eschenbach, Boykott
• Sub.island: Ill K
• The Hundred in The Hands
• Schlapphut-Knarre-Hakenkreuz
• Inbetween: Shackleton
• Workshop: We'll never walk alone?
• Hellnights-Tour
• The Excitements
• Blitzkreuz-Tour
• Veranstaltungsanzeigen
• inside out: Das kann man doch nicht für bare Münze nehmen
• inside out: Unterstützung bei sexistischen Erfahrungen im Conne Island
• review-corner buch: About the Hitch
• review-corner buch: Out of Post
• position: Grauzone Ein Gespräch
• doku: Landfrieden der Bäume
• doku: Never mind the Adorno, here's the Judith Butler
• Anzeigen
• das letzte: Das Letzte
Gegen eure Selbstverwirklichung! Man kann ja nicht nur deshalb zur Arbeit
gehen, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Das ging vielleicht
früher einmal. Heute sind Motivation und Identifikation,
Kreativität und Alleinstellungsmerkmal, Self-Empowerment,
Selbstverwirklichung und Pioniergeist gefragt. Weil das so ist, modernisiert
die Junior-Chefin den bislang recht altbacken geführten
mittelständischen Betrieb ihres Vaters. Und dazu gehört im
Theaterstück wie im realen Wirtschaftsleben eben auch, dass eine
Firmenhymne angeschafft werden soll. Der Firmenhymnenhändler und sein
depressiver Chefkomponist sind also zur Präsentation geladen und
sie haben, wie sie auf der Leinwand zeigen, wirklich gute Leute unter Vertrag.
Künstler, die jede Weihnachts- oder Jubiläumsfeier schmücken
würden.Für den Geschäftsabschluss muss es kein Nachteil
sein, dass die jungen Leute sich aus ihrer Studentenzeit kennen. Ziemlich
rebellische Jahre waren das damals; Pläne hatten sie
! Andererseits:
Brotlose Kunst macht eben nicht satt
Arbeitskritik lange ist es
her, dass sie in politischen Diskussionen eine echte Rolle gespielt hat. Dem
Conne Island, seinem mitunter selbstausbeuterischen Modell von
Ehrenamtlichkeit, schlechtbezahlten und prekären Arbeitsverhältnissen
würde sie vielleicht mal wieder guttun. Denn hier nimmt seit Jahren die
Professionalisierung der Kulturarbeit rasant zu, mitunter zu Recht und
folgerichtig, mitunter ohne den eigentlich nötigen Widerspruch. Denn
Idealismus, Identifikation und Hingabe mit der Firma funktionieren hier
in der Regel nahe an dem, was sich jeder Personalchef wünscht. Sie wird
nicht einmal angemahnt, geschweige denn erzwungen. Sie ist einfach
da.Zumindest ein Hauch von Hinterfragen scheint angesichts des Pensums der
KulturmacherInnen hier, aber auch im Rest dieser Stadt angebracht.
Creative City labelt sich die sächsische Kulturmetropole mit
stolzgeschwellter Brust und verweist auf das große Potenzial von
künstlerischem und kreativen Humankapital in der Stadt. Kreativität,
Talent und Ideen reichen aus, um ganz ohne technologische Investitionen und
andere klassische Ressourcen einen ganzen Wirtschaftszweig zu kreieren und
permanent auszubauen. Hier werden Ideen geboren. Und hier wird das gemacht, was
Thomas Ebermann die Transformation von Fremd- zu Selbstzwang
nennt und dabei das totalitäre Element des Berufslebens
markiert.Hamburg und Leipzig haben an diesem Punkt einiges gemeinsam,
schicken sich bisweilen die Kreativen der Stadt in Bussen hin und her,
forcieren und unterstützen die am Existenzminimum hangelnden Kreativen mit
viel Zuspruch und Lobbyismus und genießen den Imagegewinn, der am Ende
rumkommt.
Für jede Großstadt ist Kultur ein wichtiger Standortfaktor.
Kultur lockt Leistungsträger an; Kulturangebot beeinflusst wo investiert
wird, Kultur hilft bei gesunder Balance von Berufsleben und Freizeit [
]
Der Spinner ist der Künstler, der glaubt, das unterlaufen zu können.
Subversiv unterlaufene Staatsförderung [
] sagt Robert
Stadlober über die Abgründe moderner Arbeitsbeziehungen im
Segment der Kreativen und fragt sich vielleicht auch, wie man dem
allgemeinen ökonomischen Leitbild mit allen reklamierten
Bezugsgrößen Verwirklichung, Individualität und
Selbstständigkeit irgendwie doch entkommen kann.Wie absurd der
motivationsgestützte Kapitalismus manchmal ist, zeigen die
vielfältigen Konzern-Kompositionen, mit denen Thomas Ebermanns Stück
titelt. Denn immer mehr Firmen schaffen sich eine solche Hymne an. Diese soll
das Zusammengehörigkeitsgefühl stärken und die
Arbeitseinstellung der Mitarbeiter fördern. Firmenhymnen sind Bestandteil
einer sich allgemein auf dem Vormarsch befindenden Ideologie, die das
Arbeitsleben zur höchsten Form der Selbstverwirklichung erklärt; die
Trennung von Arbeitszeit und Freizeit (auf die man sich früher freute)
aufzuheben trachtet. Die Degradierung zum Humankapital findet ihre Zuspitzung
im Besingen der Schönheiten der Firma, deren Lohnarbeiter man eigentlich
ist.Das Stück zeigt den Besuch eines Firmenhymnenhändlers (Robert
Stadlober) und seines Chefkomponisten (Tillbert
Strahl-Schäfer) bei einem mittelständischen Unternehmen. Hier
modernisiert die Tochter (Pheline Roggan) des Besitzers
(Rainer Schmitt) den Betrieb gerade nach allen Regeln des neuen
Geist des Kapitalismus. Die Firmenhymne, die eingekauft werden soll, ist also
nur ein Mosaikstein. Der Seniorchef steht dem Ausmaß der Neuerungen zwar
skeptisch gegenüber, freut sich aber, dass seine Tochter in den
Schoß der Familie zurückgekehrt ist und lässt ihr
entsprechend freie Hand. Der Hymnenhändler zeigt während des
Verkaufsgesprächs auf der Leinwand, welche Künstler er unter Vertrag
hat. Und schon intoniert Schorsch Kamerun als Referenz auf der Leinwand
den exklusiven Song aller Kaufland-MitarbeiterInnen: An so einem Tag
ist alles drin
Mein Chef steht zu mir
Weil ich bin
Wie ich
bin
Spaß muss sein
Sonst kommt kein Kunde rein. Wenn das
mal kein Ansporn zum Schuften ist.
Roter Salon
Tönt wie die Gassenhauer Das junge Blut von Hitachi strömt
durch unsere Adern., Ein Lächeln ist mehr wert, als du denkst. Ein
Lächeln ist Gold, das du verschenkst. Ein Lächeln ist billig, kostet
gar kein Geld, und erobert dir trotzdem die Kundenwelt. und Ja, zum
Glück gibt's die Packstation, und sie hat immer für mich Zeit durch
das neueste Off-Theater der Stadt