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DNTEL (pampa records, US) /live
Micronaut (acker, LE) /live
faq (ifz) /dj
The Godfather of Indietronic kommt ins Conne Island. Moment:
Indietronic?? Was soll denn das überhaupt sein: Indiepop, bei dem
Menschen auch mal an Knöpfen drehen dürfen, statt sich nur mit dem
Schrammeln von Saiten abzufinden? An dem Genre waren jedoch nicht bloß
Szenescheuklappen und technische Entwicklung schuld: Jimmy Tamborello aka
DNTEL dachte zwar ganz bestimmt nicht in solchen Schemata, trug aber
einen großen Anteil daran, diesen Crossover salonfähig zu machen. Um
zu erklären, warum Jimmy Tamborello der Godfather of Indietronic
ist, muss ich allerdings ein ganzes Jahrzehnt weit (und ein bisschen mehr)
ausholen. Seinerzeit noch als James Figurine bekannt, spielte er in
einer kommerziell nicht sonderlich erfolgreichen, doch mit Fans und
Kritikerbeachtung ausgestatteten Indiepopband namens Figurine. Wie
die Ramones hatten sich die Bandmitglieder für
Öffentlichkeitsauftritte alle auf den gleichen Nachnamen geeinigt: Das
zeugte von Ambition. Doch Figurine sollte ein kurzlebiges Bandprojekt
bleiben.
DNTELs Soloveröffentlichungen sorgten zu der Zeit für
Aufmerksamkeit auch in jenen ernsthaften Technokreisen, die davon
träumten, sowohl die orthodoxen Leitbilder einer kitschigen Zukunft um
jeden Preis (Forward ever, Backward never Westbam) als
auch der gestelzten Ästhetik einer Merve-Postmoderne (Deleuze, Guattari
etc.) zu überwinden. Die Authentizitäts-Ästhetik der
Hausmusik (Indie`-Musik) wurde mit Argwohn beachtet, Vorbehalte von
Rückständigkeit und Dörflichkeit prägten die
Techno-Perspektive. Doch die Sensibilität von Quiet is the new Loud
traf bei einer neuen Generation von damals noch Minimal genannten
Tech-House-Unterhaltern einen Nerv: Gefühle und Bewusstseinszustände
wurden schließlich nicht nur chemisch auf Knopfdruck hergestellt, sie
waren einfach` da, spürbar vorhanden, im Zweifelsfall verstärkt
immer präsent und verlangten nach einem Ausdruck. In diesem Moment,
zu jener Zeit, waren die großartigen Veröffentlichungen von
DNTEL, zusammen mit denen von Four Tet, genau der heiße
Scheiß, den man sich freundlich augenzwinkernd, aber verschwiegen
zusteckte. Als Geheimtipp konnte das naturbedingt nur begrenzt funktionieren;
schwer zugänglich waren sie nicht DNTEL wollte begeistern.
Es dauerte nicht lange, da wurde aus den Soloveröffentlichungen von
DNTEL durch Zugabe des Gesangs von einem ebenso nervigen wie begabten
Typen von Death Cab For Cutie fernsehstationgroßer,
plakatwandbreiter Pop, aber das wurde den Beteiligten erst langsam bewusst. Der
Umfang des kommerziellen Erfolgs der aus dieser Zusammenarbeit entstandenen
Postal Service wirkt rückblickend logisch: Damals war es eine
Überraschung für die Beteiligten. Diese Überraschung
läutete auch für das Plattenlabel Sub Pop, bei denen Postal
Service unter Vertrag waren, eine Renaissance ein. Bis dato war Sub
Pop, trotz eines erkennbaren Willens zu stilistischer Vielfalt für
mitreißend passiv-aggressiven Schrammelpop, vor allem Nirvana
und Sebadoh, bekannt, heute sind sie mit ihren Subunternehmen neben
Merge, Secretly Canadian, Domino und Warp einer der
Blue Chips des Indie rock movement? (Jay-Z). Für Postal
Service folgten Neuauflagen, Deluxe-Editionen und weltweites
Lizenzgeschäft für TV, Kino und Werbung, sowie richtig große
Plattenfirmen. Vielleicht war das eine der ersten großen
Märchengeschichten der Post-CD-Ära.
Knapp zehn Jahre, so scheint es, hat Jimmy gebraucht, um sich von diesem Rush
zu erholen: Ein mehrfach angedachtes zweites Postal Service-Album wurde
niemals umgesetzt. Ein einziges DNTEL-Album mit neuem Material erschien
2007, gerechnet hatte damals damit kaum jemand. Es trug den entwaffenden Titel
Dumb Luck. Etablierte Indie-Stars` wie Conor Oberst (Bright
Eyes), Ed Droste (Grizzly Bear) und Markus Acher und Valerie
Trebeljahr (Lali Puna, The Notwist) versuchten dort als Gäste
den eher bemüht als lässig wirkenden Kompositionen Leben
einzuhauchen. Produziert wurde nach dem Postal Service-Rezept: Ein
Mensch, irgendwo auf der Welt, singt ein, Jimmy baut das Gerüst darum. In
den fünf Jahren nach Dumb Luck? folgte nichts, was die Spielregeln
änderte.
Erst heute meldet sich sich unser Held endlich wieder mit Neuem zurück,
ausgerechnet auf DJ Kozes Techno-Liebhaberlabel Pampa. Techno,
oder das was heute darunter verstanden wird, macht DNTEL trotzdem nicht:
Die Musik bleibt Elektronika und von Kollaborationspartnern, die Gesangsspuren
beisteuern, kann Jimmy auch 2012 nicht ganz lassen. Auf dem aktuellen Album
Aimlessness fügen sich die begabten aber weniger bekannten Stimmen
von Nite Jewel und Baths nahtlos, fast organisch, in ein
erquickendes, größtenteils instrumentales Album ein, das im
Gegensatz zu den Früh-2000er 12inches eher gut abgehangen und reif als
neue Wege brechend daherkommt. Dies mag nicht die Musik der Zukunft sein, aber
es ist auch schön hier in der Gegenwart und befreit von den
Erwartungshaltungen eines großen Wurfs spielt DNTEL wieder
begeisternd auf.
Das Bett für dieses Wellnesskonzert bauen die Wahlleipziger
Micronaut (live!) sowie faq, der aus der Konservenkiste spielt.
Beide kommen aus der Phantasiewelt Authentica, in der die Gitarre
dominiert und die Genres Screamo oder Grindcore heißen, und wurden dort
von den eher kindlichen Seiten des Techno infiziert. So wird an einem Dienstag
aus Indiepop Elektronika und aus Verzweiflung Techno.
timmy