LeserInnenbriefe
Meiner Meinung nach kann man so einen Teaser wie den zum Roten Salon und
zwar explizit bezüglich der Position zu Ton Steine Scherben
nur schreiben, wenn Mann/Frau saudumm ist.
Mehr gibt's dazu nicht zu sagen.
Jens Altenburger
Liebe Redaktion,
Ursprünglich komme ich aus einer kleinen Stadt. Naja, so mittelklein. So
nochnichtgroß-, ganz klar, nichtgroßgenug-klein. In kleinen
Städten ist das Träumen leicht. Viel Anderes kann man nicht machen
und die Frage Soll ich nach der Schule weggehen oder bleiben?, stellt
sich einfach nicht. Man geht, weil es nichts zu bleiben gibt.
Ich komme nun aus einer Stadt, in der das etwas komplizierter war.
Natürlich war alles scheiße: die Schule, die Eltern, die Lehrer, die
Nachbarn, die Straßen, die Häuser, die Parks, das Kino, das
Einkaufszentrum, die Indiedisco, der Kaufland, der Jugendclub, die Faschos, die
Faschos, die Faschos und die Faschos. Nur waren wir genug, die alles
scheiße fanden und auch vorher fanden ziemlich viele alles scheiße
und so gab es mit der Zeit drei Streetartkünstler, zwei coole Kneipen,
Antifas (sogar genug für eine Spaltung!), ein halb besetztes Haus, und den
ganzen DIY-Sozio-Subkultur-Firlefanz. Sogar ganz nette Technoparties hat es
irgendwann gegeben.
Das hat die Schule, die Eltern, die Lehrer, die Nachbarn, die Straßen,
die Häuser, die Parks, das Kino, das Einkaufszentrum, die Indiedisco, den
Kaufland, den Jugendclub, die Faschos, die Faschos, die Faschos und die Faschos
nicht besser gemacht wir nannten sie nur nicht mehr Faschos, sondern
(die Spaltung, ihr erinnert euch) Deutsche, Krauts oder Kartoffeln
dafür aber wurde das Träumen schwerer, denn jeder Traum war nun von
irgendwem besetzt und ich teile meine Sachen ungern.
In jener Zeit, als neue Namen nötig wurden und mein Abitur sich langsam
nährte, da lernte ich ein Mädchen kennen, nein eine Frau, eine
gestandene, denn sie war schon zweiundzwanzig, kam nur noch über
Weihnachten und zum Geburtstag ihrer Mutter in diese Scheiß-Stadt
zurück und sprach von Aufklärung, Israel und Dialektik. Mein Palituch
hatte ich selbst entsorgt und da kam sie und erzählte mir von einem Ort,
an dem das Tragen dieser Dinger schlicht verboten worden war. Sie war es auch,
die mir meinen ersten CEE IEH überließ.
Bis ich selbst nach Leipzig zog, verging noch eine ganze Weile, aber von diesem
ersten Heft an, war ich nicht mehr ganz so ungeschützt, den Zumutungen und
Gemeinheiten meiner damaligen Umwelt gegenüber.
Das klingt jetzt, beim noch einmal lesen doch alles sehr romantisierend und
auch ein wenig ungerecht, denn jetzt kommt ja der Teil, in dem ich euch
vorwerfen werde, wie unbedeutend, langweilig und selbstverliebt ihr geworden
seid, aber ich glaube doch, dass meine Ausführungen bis hier hin ihren
Zweck erfüllen und deutlich machen werden, dass es mir nicht daran gelegen
ist, gemein zu euch zu sein. Im Gegenteil. Der CEE IEH hat für
Zerwürfnisse gesorgt, für Schreiereien und ewig lange Selbstkritik in
Emailform. Geht die Band noch? Ist Street Art nun Subkultur oder doch nur
Sachbeschädigung? Gehen wir auf die Demo, wenn da Magdeburger bei sind?
Was ist überhaupt Magdeburg? Habt ihr das Buch schon bestellt? An diese
(nein, nicht guten alten) Zeiten musste ich beim Lesen der letzten Ausgabe
denken. Denn, so ganz unter uns, wie langweilig es ist, immer und immer wieder
die gleichen Texte der gleichen Gruppen über die gleichen Probleme lesen
zu müssen, ist euch doch sicher auch klar. Und da kommt plötzlich,
nach, ich weiß nicht wie langer Zeit, ein Kulturtext, der es in sich hat.
Weltmusik im Island (ich las es und hörte schon die jungen Frauen und
Männer, die von Aufklärung, Israel und Dialektik sprechen,
aufschreien, denn auch ich war ganz im Wortsinne empört),
dazu ein Text, der es wagt, mir in meiner Einstellung zu Hippies, Ausdruckstanz
und eben jener Weltmusik zu widersprechen und dann auch noch in einer Form
daherkommt, als wäre er kein verschriftlichtes Referat eines
Kulturwissenschaftenden, sondern eine ernstgemeinte, leidenschaftliche
Betrachtung eines Gegenstandes, der der Verfasserin, so gut wie das gemeint
sein kann, am Herzen liegt.
Nun hoffe ich, auch wenn ich nicht recht daran glauben mag, auf weitere Texte
dieser Art, auf Streitbares und Unbequemes, auf Texte, die beim Lesen weh tun,
nicht weil sie vor lauter Genderei so schlecht zu lesen sind, sondern weil sie
gegen den faden Connewitzer Konsens streiten.
Soviel dazu.
P.