• Titelbild
• Editorial
• das erste: Fußball statt Deutschland
• inside out: Der heutige Alltag
• doku: Offener Brief gegen Denunziation
• doku: Israelsolidarität oder Pro Israel?
• leserInnenbrief: LeserInnenbriefe
• sport: Distillery Games
• (Veranstaltungs-)Anzeigen
• neues vom: Neues
vom Stadtteilmanagement
Auch wenn es der Partei Pro NRW derzeit vortrefflich gelingt, einer
breiteren Öffentlichkeit zu demonstrieren, was es mit diesen Salafisten
auf sich hat, ist eine Welle der Solidarisierung oder ein größerer
Wahlerfolg nicht zu erwarten. Die verwendete Entlarvungsstrategie
basiert auf fundamentalen Fehlannahmen, die auch unter israelsolidarischen
Linken verbreitet sind.
Günter Grass hat Recht. Meinen zumindest viele Menschen wie zum Beispiel
der Sonderbeauftragte für die Israelfrage des Landesverbandes Bremen der
Partei Die Linke (ohne Parteimitgliedschaft, das ist ihm wichtig) Arn
Strohmeyer, Jürgen Elsässer, der traurige, aber in Bremen noch immer
erschreckend große Rest der Ostermarschierer, die Zombies der globalen
Linken (Noam Chomski, Domenico Losurdo, Jean Ziegler
) und natürlich
die Masse der Kommentar- und Leserbriefschreiber.
Wolfgang Pohrt hatte Recht. Meint das Aktionsbündnis gegen Wutbürger.
Oft sind bei Pohrt die wichtigsten Erkenntnisse dort zu finden, wo man sie
nicht vermutet, in solchen Sätzen, die man zunächst verwirft oder die
aus einer fragwürdigen Argumentation erst noch gelöst werden
müssen. In FAQ schreibt Pohrt, als wolle er die Debatte um
Günter Grass' Gedicht mit dem zeitlos schönen Titel Was
gesagt werden muss kommentieren: Antisemiten und Rassisten werden
bekämpft, weil man sie benötigt. Sie werden gebraucht, weil sie sowas
wie der Dreck sind, an welchem der Saubermann zeigen kann, dass er einer
ist.
Das mediale Dauerfeuer der gerecht Empörten, das über Leute wie Grass
oder auch Thilo Sarrazin hereinbricht, weil sie die offiziellen Sprachregeln
verletzen (und nicht weil man grundsätzlich anderer Auffassung wäre),
wird von den Wutbürgern und anderen Vertretern des gesunden
Volksempfindens mit durchaus nicht unverständlicher Abscheu betrachtet. Es
ist aber weniger der berechtigte Ekel vor dem Gesindel, das die sogenannten
Qualitätsmedien vollschreibt und die Sprachregelungen und Denkformen
vorgeben will, in denen sich die Ressentiments äußern dürfen,
der die Wutbürger dazu treibt, sich massenhaft mit Günter Grass zu
solidarisieren. Es liegt auch nicht daran, dass sie alle die Argumente voll und
ganz teilten, die er vorzubringen hat. Wie bereits kaum jemand, der Sarrazin
zustimmte, das gähnend langweilige Buch überhaupt gelesen hatte, so
kam es auch den Fans von Günter Grass, die durchaus nicht derselben
Fraktion angehören müssen, gar nicht darauf an, ob die vorgebrachten
Behauptungen stichhaltig sind.
Wird einer wie Grass kritisiert, dann fühlt sich der gemeine Deutsche
vielmehr einem unerträglichen Terror der political correctness
ausgeliefert, die ihm die hemmungslose, unregulierte Abfuhr seiner Triebe
versagt und er wird wütend. Es ist also unerheblich, was Grass oder
Sarrazin genau gesagt haben, um ihnen lauthals beizupflichten und das man
wird ja wohl noch sagen dürfen
anzustimmen, weil es dafür
ausreicht, dass der Wutbürger spürt, dass jemand seinem Ressentiment
Ausdruck verleiht. Wenige Reizwörter genügen, um heftige Reaktionen
auszulösen wie es bei Günter Grass, der als Schriftsteller
doch fähig ist, seinen Verstand zu bemühen, vollkommen ausreicht,
dass von Juden oder 6 Millionen die Rede ist, um einen kompletten
Systemabsturz auszulösen.
So offenkundig es ist, dass der Grund für diesen Ausschlag in seiner
Verdrängung der eigenen Nazi-Vergangenheit liegt wobei die
verdrängten Gefühle als Angst zurückkehren und ihm als Fremdes
gegenübertreten, was in Kombination mit der Weigerung, mit allen Elementen
der Nazi-Ideologie restlos zu brechen, diesen vollendeten Wahnsinn erst
möglich macht, welcher Grass wie ferngesteuert von sechs Millionen
ermordeten deutschen Soldaten in der Sowjetunion fabulieren lässt, wenn er
mit einem israelischen Historiker spricht so verpönt ist diese
Ansicht nicht etwa nur unter denen, die Grass Recht geben. Die Frage
überhaupt nur zu stellen, warum der Antisemit antisemitische Dinge nicht
nur sagt, sondern sagen muss, gilt durch den Hinweis auf das verdrängte
Wissen um die eigene Schuld bereits als unsachliche, auf Vernichtung der Person
gerichtete Psychologisierung.
Festgezurrt wird in Debatten wie der um Grass lediglich der gesellschaftliche
Konsens, was eine legitime Israelkritik ist und was nicht, und die Tabubrecher
dienen dabei als Schmutzfinken, an denen die eigene Sauberkeit umso strahlender
präsentiert werden kann. Niemand sagt in einer solchen Debatte, dass es
Israel selbstredend gestattet ist, alles zu unternehmen, um die Sicherheit
seiner Bürger zu schützen, dass insbesondere militärisches
Vorgehen gegen eliminatorische Antisemiten ausdrücklich zu
unterstützen ist. Stattdessen läuft die Debatte so: Israel
gefährdet den Weltfrieden bitte nicht übertreiben. Für
Weltfrieden gilt, was Johannes B. Kerner über die Autobahn bereits wusste:
Das geht gar nicht. Politisch korrekt und im Jargon der Eingeweihten, den Grass
leider nicht ausreichend rezipiert hatte, hat man denselben antisemitischen
Sermon folgendermaßen zu formulieren: Israel diskriminiert die
Palästinenser, der Siedlungsbau muss sofort gestoppt werden, es muss die
gesamte Westbank inklusive Ostjerusalem an die Palästinenser fallen,
Israel hat von Provokationen und militärischen Vergeltungsmaßnahmen
abzusehen und Abenteuer wie ein Militärschlag gegen den Iran sind zu
unterlassen, weil dies einen Flächenbrand im gesamten Nahen Osten und den
verständlichen Zorn der arabischen Straße auslösen
würde.
In Zeiten, in denen der Mainstream der gemäßigten Israelkritiker mit
Begriffen wie strukturellem oder sekundärem Antisemitismus
herumhantiert und in Zeiten einer restlos verblödeten Occupy-Bewegung, in
der Vertreter der Linkspartei und andere linke Spinner vor
verkürzter Kapitalismuskritik warnen, die sie verlängern
wollen, haben diese Begriffe jeden kritischen Gehalt verloren, wenn sie ihn
denn je hatten. Ob die Occupy-Bewegung antisemitisch ist, ist eine irrelevante
Frage, da ihre Gesellschaftskritik oder besser: ihre wahnhafte
Gesellschaftsvorstellung notwendigerweise darauf gerichtet ist, die
Parasiten die 1% zu vernichten. Und dies unabhängig davon,
ob die 1% jüdisch konnotiert werden oder ob sie sich als Israelkritiker
oder Israelfreunde präsentieren. Die dort vorgetragene
Kapitalismuskritik, die von der gesamten Linken wie
z.B. der Jungen Welt, der Linkspartei, aber auch von
konkret, BAK Shalom oder Teilen der Jungle-World-Autoren im Kern
geteilt wird, ist nicht verkürzt, sondern falsch und wahnhaft und
bedarf keiner Verlängerung. Und mehr muss man über Occupy Wall Street
nicht wissen.
Die endemische linke Beschäftigung mit dem strukturellen
Antisemitismus, die deutsche Antisemitismusbeforschung von Dr. Heni bis Prof.
Benz, der BAK Shalom, das Bremer Bündnis gegen Antisemitismus und
wie sie alle heißen, sind somit aus der Perspektive der Kritik oder gar
der Abschaffung des Antisemitismus nicht nur vollkommen irrelevant,
sondern leisten vielmehr ihren Beitrag zum Fortleben der Judenfrage als
Antisemitismusfrage. Dies gilt auch und insbesondere für die antideutsche
Bewegung, wo sie als Bewegung auftritt und Aktionen durchführt, bei denen
tätliche Angriffe gewaltbereiter Antisemiten provoziert werden, anstatt
diese zu vermeiden. Wer zum Beispiel einen Israel-Soli-Stand auf dem
Kreuzberger Myfest aufbaut, wer mit Israelfahnen durch Neukölln zieht oder
in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem antisemitischen Zentrum ohne
sinnvollen Schutz einen Lanzmann-Film aufführt, leistet nicht nur keinen
Beitrag zur Sicherheit Israels und verhilft keinem Antisemiten zu tiefen
Einsichten, sondern setzt sich und andere in unverantwortlicher Weise Gefahr
für Leib und Leben aus. Der Verdacht liegt nahe, dass genau darin aber der
eigentliche Zweck einer solchen Übung besteht: Man will sich nachher Stolz
als Opfer antisemitischer Gewalt präsentieren können, um aus dem
Opferstatus einen politischen und moralischen Mehrwert zu generieren (ganz wie
es auch Pro NRW versucht).
Das bedeutet nicht, dass politische Interventionen oder ein gewisses Maß
an Militanz grundsätzlich falsch wären, aber es drängt sich der
Eindruck auf, dass diese Art der Praxis weniger auf Veränderung
unhaltbarer, nicht nur Bremer Zustände zielt, sondern dass es sich um das
narzisstische Um-Sich-Selbst-Kreisen handelt, das für (linke)
Identitätspolitik typisch ist. Das existentielle Bedürfnis nach dem
ursprünglichen Erlebnis, die Sehnsucht, den eigenen
Auschwitzphantasien (U. Meinhof) einen Hauch von Plausibilität zu
verleihen, um sich besser in die Opfer einfühlen zu können, sich
gleichzeitig aber als heroische Resistance-Kämpfer zu inszenieren, muss
grenzenlos sein. Fabian Kettner hat es auf den Begriff gebracht: Die
Existenz des Kämpfers wird zur Materiatur der Glaubwürdigkeit seines
Einsatzes.
Aber nicht nur in den Wahnvorstellungen, sondern auch in den zugrundeliegenden
Annahmen reproduziert eine solche Israelsolidarität das Elend der
RAF: Bekanntlich wollte die RAF den Faschismus aus den staatlichen
Institutionen herauslocken was ihr auch mit niederschmetterndem Erfolg
gelungen ist. Nur hat dies nicht etwa, wie die RAF sich erhoffte, zu einer
Erhebung der Massen gegen den Staat geführt. Vielmehr sehnen sich die
Massen bis heute nach der Führerperson Helmut Schmidt, dem Kanzler des
Ausnahmezustands, wie Thomas Maul (Bahamas Nr. 63) und Richard Kempkens
(Prodomo Nr. 16) schlüssig darlegen.
Wie die RAF sich Illusionen über die postnazistische BRD hingab, so
glauben diese antideutsch Bewegten in völliger Verkennung der
Realität, dass die Hervorbringung und Entlarvung des linken Antisemitismus
zu einem Erschrecken, zu einer Art Besinnung führen könnte. Aus der
Perspektive dessen, der meint, aus den Erfahrungen vorangegangener Bewegungen
lernen zu können, ist dies ein trostloser Befund. Im Gegensatz zur RAF und
der antideutschen Bewegung ging es der Kritik des Antisemitismus nie darum,
Opfer zu erzeugen. Ziel war vielmehr, Denken und Handeln so einzurichten, dass
Auschwitz sich nicht wiederhole eine Forderung, deren Konsequenz es sein
muss, dass niemand mehr zum Objekt, zumSündenbock, zum Opfer gemacht
werden soll. Hierin liegt der Grund für die Israelsolidarität, denn
in einer in Staaten organisierten Welt, in der der Antisemitismus
allgegenwärtig ist, kann einzig ein jüdischer Staat den Juden
zuverlässig Schutz bieten.
Diese banale Erkenntnis der Vernunft wird durch eine Praxis dementiert, die es
darauf anlegt, antisemitische Gewalttaten auszulösen oder die dies
zumindest in Kauf nimmt. Anstatt sich unnötigen Gefahren auszusetzen,
sollte man allen Menschen, die Opfer antisemitisch motivierter Übergriffe
werden könnten, von jedem Risiko abraten. Man müsste ihnen empfehlen,
antisemitische Massenaufläufe wie den ersten Mai in Kreuzberg zu meiden
und aus Gegenden, in denen der antisemitische Mob die Kiezmiliz spielt,
wegzuziehen, anstatt sich bei linken Szenemenschen auszuweinen und sich von
diesen in den Dhimmi-Status befördern zu lassen. So bescheiden das kleine,
private Glück auch sein mag: Es ist allemal nicht nur dem eigenen
Wohlbefinden, sondern auch einer befreiten Gesellschaft dienlicher, am
ersten Mai einen schönen Tag mit den Liebsten zu verbringen, als sich von
linken oder ordinären Nazis verprügeln zu lassen.
Auch realpolitisch erscheint die Strategie der Erzeugung antisemitischer
Skandale ebenso wie der Tonfall moralischer Empörung gegen die bösen
Antisemiten, für den ein Dr. Heni prototypisch steht, nicht geeignet, die
Stimmung im Lande im Sinne Israels zu beeinflussen. In dieser Hinsicht ist die
Regierung Merkel, die bei aller berechtigten Kritik ihrer Nahostpolitik Israels
Sicherheit immerhin zur Staatsräson erklärt hat und von der kein
ernsthafter Protest zu erwarten ist, wenn Israel militärisch gegen die
Nuklearanlagen seiner Todfeinde vorgeht, das Maximum, das man hierzulande
bekommen kann, weil von keiner anderen Regierungskonstellation ein besserer
Kurs zu erwarten wäre, ganz im Gegenteil. Dies belegen nicht nur die
einschlägigen Aussagen von Sigmar Gabriel und seinen Genossen von der
Linkspartei, sondern insbesondere die neuformierten Piraten, deren
Israelbeauftragte in den einschlägigen Internetforen schon einmal eine
nukleare Bewaffnung der Palästinenser fordern oder Norman Finkelstein als
glaubwürdigen Friedenskämpfer (sic!) feiern. In Anbetracht
einer solchen Opposition, die in dieser Angelegenheit das Volksempfinden auf
ihrer Seite hat, gilt: Je weniger von Israel die Rede ist und je weniger
antisemitische Skandale es gibt, desto unbehelligter kann die Regierung einen
realpolitischen Kurs in der Israelpolitik verfolgen. Die Erzeugung einer
Öffentlichkeit dagegen, wie zum Beispiel im Fall Grass, mobilisiert den
Mob in den Kommentarspalten oder auf der Facebook-Seite von Ruprecht Polenz,
was Zugeständnisse erzwingt.
Gänzlich offensichtlich wird dieser Zusammenhang an dem größten
antisemitischen Skandal, den es in den letzten Jahren in Deutschland gegeben
hat. Als zwei Abgeordnete des deutschen Bundestags, Anette Groth und Inge
Höger, sich an einem terroristischen Akt gegen Israel, einem befreundeten
Staat, dessen Sicherheit doch Staatsräson sein sollte, beteiligten,
löste dies bei den Parteien der sogenannten Mitte nicht
etwa wütende Verurteilungen des politischen Gegners von der linken
Seite des politischen Spektrums aus, sondern es wurde alles nur noch schlimmer.
Sofort und wie von Geisterhand zusammengefügt, bildete sich eine
Volksgemeinschaft aller Demokraten, die keine Parteien, sondern nur noch
Israelkritiker kannte und eine sofortige Aufhebung der legitimen Blockade des
Gaza-Streifens und damit die Vergrößerung unmittelbarer
Lebensgefahr für die angeblich befreundeten Staatsbürger in Sderot
und Umgebung forderte.
So sehr der Antisemit nicht alle Menschen, sondern alle Juden, und nicht alle
Staaten, sondern Israel hasst, so wenig ist diesem simplen Fakt dadurch
beizukommen, dem Antisemiten vorzuhalten, dass er sich bewusst zum
Antisemitismus entscheide und erst Recht nicht durch Sprachregelungen
und Kriterienkataloge. Solche Kriterien, die legitime von illegitimer
Israel-, verkürzte von verlängerter Kapitalismuskritik usw.
trennen wollen, sind blind gegenüber den zugrundeliegenden
Triebkräften und so wie jede Kritik des Antisemitismus sinnlos ist,
die auf die unwissenschaftliche Psychoanalyse meint verzichten zu
können, so ist jede Strategie zunächst einmal abzulehnen,
die den Antisemiten lediglich ihre destruktive Triebabfuhr
ermöglicht.
Für die Israelsolidarität folgt daraus, dass Intervention und Kritik
sich nicht gegen ohnehin nicht ansprechbare Radikalantisemiten richten kann.
Deren Behandlung ist bewaffneten Kräften, im Falle von Hamas und Konsorten
der IDF und im Falle der Kiezschläger der Polizei zu überlassen,
wobei es natürlich zu fordern wäre, dass die angeblich befreundeten
Staaten der NATO Israel stärker zur Seite stehen sollten und dass die
Polizei in der Verfolgung antisemitischer Straftäter größeren
Verfolgungseifer an den Tag legen sollte. So wenig aber Israel auf die
Solidarität der Weltgemeinschaft zählen kann und deswegen gezwungen
ist, selbst als gewalttätiger Staat zu agieren, so wenig ist zu erwarten,
dass unter spätkapitalistischen Bedingungen die
Staatsgewalt noch garantieren kann, dass bestimmte Gebiete nicht Gangs und
Kiezmilizen in die Hände fallen, die willkürlich darüber
bestimmen, wer Jude ist und wer nicht. Dem ist aber durch die eigene
Degeneration zu einer Bande rivalisierender Kiezschläger nicht
beizukommen.
Vielmehr sind diejenigen einer beißenden Kritik zu unterziehen, die ihren
Antisemitismus durch offizielle Sprachregelungen zu zügeln gelernt haben,
also diejenigen, bei denen eine vage Hoffnung auf Restvernunft noch besteht. Wo
die Grenzen einer solchen Perspektive liegen und welche Praxis und Kritik
notwendig wäre, ist die Frage, die wir uns stellen und auf die wir auch
keine zufriedenstellende Antwort bieten können. Sicherlich gilt
aber, dass eine solche Kritik Selbstkritik und Selbstreflexion
voraussetzt, also die Erkenntnis, dass jeder dem Kapitalverhältnis
unterworfen ist und die damit einhergehenden Deformationen, die
Beschädigungen, die dieses Leben, das auf Versagung basiert,
notwendigerweise mit sich bringt, zu einer moralischen Erhöhung der
eigenen Person keinen Anlass bieten.
Der partielle Alterswahnsinn, den Wolfgang Pohrt an den Tag legt, ist ein
Beispiel dafür, dass jede der inneren und äußeren Natur
abgetrotzte Erkenntnis notwendig prekär bleiben muss, denn (w)as
immer sich übers Bestehende erhebt, ist mit dem Zerfall bedroht und damit
dem Bestehenden meist erst recht ausgeliefert (Adorno). Aber einzig durch
diese Reflexion, zu der nicht nur einer wie Grass vollkommen unfähig und
erst Recht unwillig ist, ist die Möglichkeit einer Entscheidung,
hoffentlich gegen den Antisemitismus, überhaupt erst zu gewinnen.
Aktionsbündnis gegen Wutbürger