• Titelbild
• Editorial
• das erste: Keine Solidarität mit Syrien?!
• Film: mossos d'esquadra
• Weltmusik im Conne Island?
• Goth Trad
• Marbert Rocel
• Auf, auf zum Kampf?
• Busdriver
• Los Eastos Weekend
• teaser: April 2012 im Conne Island
• review-corner buch: Kritische Theorie nach Adorno
• review-corner event: Talib Kweli, Nice & Smooth, That Fucking Sara
• Die gerechte Stadt braucht nicht nur Teer und Steine
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vom Grill
Es singt live: Der Hausener Küchenchor
Gespräch mit Prof. Hartmut Fladt (Akademie der Künste Berlin/radioEins) und Bernd Gehrke (freier Autor/Berlin)
Aftershow Salooning mit DJ Eiko
Warum beschäftigt sich eine linke Veranstaltung zwanzig Jahre nach dem
Ende des Realsozialismus noch dazu unterstützt durch einen Chor
mit dem Liedgut der deutschen Arbeiterbewegung? Haftete derartigen
Liedern nicht schon in den letzten Jahrzehnten der DDR der Ruch des Veralteten,
Vorgeschriebenen, ja Autoritären an? Und wer überhaupt hat heute, wo
es keine Arbeiterklasse im herkömmlichen Sinne mehr gibt bzw. man mit
deren selbsterklärten RepräsentantInnen besser wenig zu tun haben
möchte, überhaupt noch etwas mit Arbeiterkultur zu schaffen? Handelt
es sich womöglich um ewig Gestrige mit einem unkritisch affirmativen Bezug
auf die Geschichte der Arbeiterbewegung?
Die Tradition von Arbeiterkultur und Arbeiterlied sind mittlerweile weit genug
entfernt, um sich ihnen historisch anzunähern, sich ihrem Inhalt und ihrer
Form ebenso aus kritischer Perspektive zuzuwenden, wie zugleich ihrer
herausragenden Bedeutung für das Verständnis einer linken Kultur und
Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts Rechnung zu tragen. Aller kritischen
Distanz zum Trotz haftet den Platten von Ernst Busch ja noch heute eine
emotionale Aura an, die etwas von jenem identifikatorischen Potential
offenbart, aus dem die Arbeiterlieder ihre Kraft bezogen. Ihr Blick war in die
Zukunft gerichtet, sie gründeten auf einem emphatischen
Fortschrittsbegriff und suchten für das historische Projekt einer besseren
Zukunft um für den Kampf um die Geschichte zu mobilisieren. Ebenso wie sie
deshalb kultureller Ausdruck von kämpferischem Geschichtsoptimismus und
Fortschrittsglauben waren, spiegelte sich in den Liedern zugleich die
Realgeschichte der Arbeiterbewegung, ihre historischen Rahmenbedingungen wie
Wendepunkte. Da sie in der Regel anhand konkreter, für die Linke
richtungsweisender oder tragischer Ereignisse entstanden sind, erlaubt ihr
Charakter als Gedächtnisreservoir der Linken einen wenngleich
ungewöhnlichen, so doch erhellenden Blick auf die Geschichte der
Arbeiterbewegung seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des
Kalten Krieges. Da sie ihrer Funktion als Kampflied nach mobilisierenden
Charakter trugen und sich in ihnen Deutungen bestimmter Ereignisse und
Konstellationen in besonderer Weise verdichteten, erhöht sich ihre
Bedeutung als Zugang zur Geschichte der Arbeiterbewegung sogar noch. In jedem
Fall lässt sich an ihren Texten, Entstehungsbedingungen und musikalischen
Besonderheiten die Geschichte der deutschen, aber auch der internationalen
Arbeiterbewegung in kondensierter Form entschlüsseln.
Die Veranstaltung des Roten Salon will letztlich weder eine affirmative
Ehrenrettung des deutschen Arbeiterliedguts betreiben, noch es einfach als
ideologisch oder gar reaktionär abtun. Entlang einer Chronologie der
deutschen Arbeiterbewegung werden ausgewählte Lieder live durch einen Chor
präsentiert. Im moderierten Gespräch mit dem Berliner
Musikwissenschaftler Hartmut Fladt werden die Lieder in ihrer Zeit
kontextualisiert und ihre thematischen, musikalischen und biographischen
Besonderheiten vorgestellt. Die Revue hebt mit dem Beginn des modernen
Arbeiterlieds und der Entstehung der deutschen Arbeiterbewegung in der zweiten
Hälfte des 19. Jahrhunderts an, die sich in Abgrenzung zu Kapital und
kaiserlichem Obrigkeitsstaat ihre eigene kulturelle Praxis die
Arbeiterkultur, bestehend aus Traditionsvereinen, Jugend- und
Sportorganisationen, Spielmannszügen und eben auch Arbeiterchören
schaffte. Sie führt über die Weimarer Republik, als angesichts
der aufgeheizten, bürgerkriegsähnlichen politischen Lage und der
Entstehung von Massenmedien wie Radio und Film linksradikale Arbeiterkultur,
linkes Theater und avantgardistische Literatur einen unerreichten Aufschwung
erlebten, bis hin zur enggeführten Auseinandersetzung mit dem
europäischen Faschismus und wie sich diese im Liedgut niederschlug. Sie
thematisiert den Verlust an Legitimität und Strahlkraft, den das
Arbeiterliedgut mit der Durchsetzung der SED-Diktatur nach 1945 erfuhr, ebenso
wie seine Renaissance in der Bundesrepublik im Umfeld der K-Gruppen. Zu
hören sein werden Stücke wie Auf, auf zum Kampf, Der Rote
Wedding, Der Heimliche Aufmarsch, Lied einer deutschen
Mutter, Lied der Partei, An die Nachgeborenen und andere mehr.