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• das erste: Keine Solidarität mit Syrien?!
• Film: mossos d'esquadra
• Weltmusik im Conne Island?
• Goth Trad
• Marbert Rocel
• Auf, auf zum Kampf?
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• Los Eastos Weekend
• teaser: April 2012 im Conne Island
• review-corner buch: Kritische Theorie nach Adorno
• review-corner event: Talib Kweli, Nice & Smooth, That Fucking Sara
• Die gerechte Stadt braucht nicht nur Teer und Steine
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vom Grill
Es gab wohl kaum jemanden, der am Dienstag, dem 6. März 2012, ins Conne
Island kam und keine Vorstellung davon hatte, was ihn erwarten würde. Der
Name Talib Kweli steht in der HipHop-Welt für bestens produzierte
Musik, die nicht nur aus Soloarbeiten hervorging, sondern auch in Zusammenhang
mit den bekannten Kooperationen Black Star (mit Mos Def) und
Reflection Eternal (mit Hi-Tek) gesetzt werden muss. Die
Ansprüche sind also hoch, wenn der Name Talib Kweli fällt und
sie werden noch ein Stück höher, wenn der Besucher für das
Konzert tief in die Tasche greifen muss. Aber was man an diesem kühlen
Dienstagabend bekam, war nicht nur Talib Kweli, sondern auch Nice
& Smooth (NY) und That Fucking Sara (Berlin). Eingeleitet wurde
der Abend durch Dj That Fucking Sara, die den gelungenen Kick-Off
für die New York-HipHop-Veranstaltung im Eiskeller lieferte. Die Wartezeit
auf Nice & Smooth war also nicht lang und das Publikum gut
eingestimmt, als sie ihren Weg auf die Bühne fanden. Wer sich im Vorfeld
der Veranstaltung mit den beiden Hut, Jacket und Weste tragenden New Yorkern
beschäftigt hat und dabei zufällig auf das 1992 aufgenommene
Live-Video von Sometimes I Rhyme Slow (aufgenommen beim MTV Raps
Springbreak) gestoßen ist, wird sich ein kleines Schmunzeln nicht
verkniffen haben können: Da standen nicht mehr die agilen Mittzwanziger
mit athletischer Figur und neonfarbener Sportjacke, sondern gestandene
Männer, die jedoch nichts an Action und Bühnenenthusiasmus vermissen
ließen. Es wäre fast beleidigend das Duo lediglich als Vorband oder
Supporting Act zu bezeichnen. Was eröffnet wurde, war vielmehr der Blick
in die Seelen zweier HipHop-Künstler, die seit mehr als zwei Jahrzehnten
im Geschäft sind und lieben was sie machen. Wer noch nie gesehen und
gehört hatte, wie HipHop in den Neunzigern funktionierte, der bekam durch
Nice & Smooth die Gelegenheit dazu. Vor allem die Interaktion mit
dem Publikum verlieh der Show einen mitreißenden Charakter und gab wohl
allen Gästen das Gefühl nicht nur Zuschauer zu sein, sondern
gemeinsam auf einer Party. So wäre es allzu traurig gewesen, Nice &
Smooth nach guten fünfundvierzig Minuten die Bühne verlassen zu
sehen, wenn die Freude auf Talib Kweli nicht schon gegärt
hätte.
Der eigentliche Protagonist des Abends ließ dann auch nicht lange auf
sich warten. Nachdem durch Nice & Smooth auch der Letzte in
Feierlaune gekommen war, wäre es für Kweli einfach gewesen, den Abend
mit einer vierzigminütigen Show abzureißen und trotzdem keine
traurigen Gesichter zu hinterlassen. Stattdessen überzog er mit zwei
Zugaben auf runde hundert Minuten und lieferte mehr als ein
Standardrepertoire.
Zwar verzichtete Kweli auf alles Spektakuläre und große
Effekthascherei, präsentierte sein musikalisches Handwerkszeug aber frei
von Macken und jedem Fehler. Es ist schwierig eindeutig zu bestimmen, was der
Begriff Flow meint. Wollte man ihn als die Kombination und
Übertragung aller positiver Faktoren einer Perfomance auf ein Publikum
definieren, so war der Flow am 6. März 2012 definitiv im Conne
Island zu Hause und das auch deshalb, weil Kweli für die Erzeugung seiner
Bühnenpräsenz nicht auf große Aktionen zurückgreifen
musste. Die Stimmung im Saal ließ den Eindruck zu, dass nicht nur die
Fans seiner älteren Alben und seiner verschiedenen Kollaborationen,
sondern auch die Freunde der Tracks des Ende 2011 erschienen Albums
Gutter Rainbows, vom Auftritt überzeugt wurden. So breit die
Palette der von Talib Kweli gespielten Songs an diesem Abend war, so
wenig kann sein Publikum als einheitlich bezeichnet werden. Kwelis Texte sind
nie frei von einer Absicht, haben also meist eine politische bzw.
gesellschaftskritische Färbung, die allerdings nicht
oberlehrerhaft-langweilig über der Musik trumpft.
Die Mischung aus sehr gut gemachter Musik und das Zurückgreifen auf die
vom Party-HipHop vergessenen gesellschaftskritischen Implikationen, lassen es
zu, dass sogar eigentlich genrefremdes Publikum zu den Hörern und
Besuchern von Talib Kweli werden kann. Diese Beobachtung würde man
gern ebenso bei anderen HipHop-Acts machen.
Wer also zukünftig fragt, was er von einer HipHop-Veranstaltung im Conne
Island erwarten kann, deren Eintrittspreis jenseits der 20 Euro liegt, dem kann
hoffentlich geantwortet werden, was für die Veranstaltung mit Talib
Kweli wahr geworden ist: Du bekommst eine tolle Atmosphäre, deinen
favorisierten HipHop-Act in Hochform und absoluter Überlänge und
einige andere Überraschungen.
Ben Romeo Rolf