Interview mit dem Booker Jan
In den letzten Monaten haben sich im Conne Island Diskussionen entwickelt, in denen es vor allem um den Anspruch an Veranstaltungen und um die damit einhergehende Preispolitik geht. Eigentlich gibt es diese Diskussionen (wahrscheinlich) seit der Entstehung des Ladens. Aber hin und wieder scheinen sie mehr in den Vordergrund zu rücken. Mit einer steigenden Veranstaltungsdichte und immer mehr BesucherInnen, die ohne direkten Bezug zum Laden Konzerte besuchen, wächst der Ruf nach Transparenz und Auseinandersetzung.
Wir wollen Fragen stellen und Antworten aus dem INNER CIRCLE bekommen, weswegen wir im Folgenden ein Interview mit einem Conne Island-Booker abdrucken.
Dabei soll es nicht nur darum gehen, gerechtfertigte Fragen zu beantworten, sondern dem Verlangen nach Transparenz nachzukommen. Für Leute, die nicht das Plenum besuchen oder vielleicht nicht einmal wissen dass es existiert, ist es oft nicht nachzuvollziehen, wie bzw. warum Entscheidungen im Island getroffen werden. Auch sind einzelne Bereiche oder Menschen des Ladens im Hintergrund für viele BesucherInnen nicht sichtbar. Wir hoffen, dass das erste Interview in diesem Heft nicht das letzte ist und wir weitere Bereiche beleuchten können.
Pit interviewte Jan.
Pit: Du bist ja schon einige Zeit im Conne Island Booker, aber hast Du auch
dort angefangen Konzerte und Partys zu organisieren?
Jan: Angefangen, im Conne Island mitzumachen, habe ich wie scheinbar so
viele als ehemaliger regelmäßiger Gast des Ladens. Die
motivierendste Anlaufstelle waren immer Leute, die gefragt haben Hast du
nicht Bock, mal dies oder das zu machen?. Somit fängt man an mit dem
Übernehmen von recht alltäglichen Aufgaben die Möglichkeiten,
die der Laden einem bietet, zu entdecken: Einlass, Flyern, Klos putzen,
Cafedienste, Aufbau etc. Diese Aufgaben, die als Einstiegsmöglichkeiten
ins Projekt dienen, sind aber neben den spezifischeren Arbeitsbereichen dennoch
nach wie vor Bestandteil der Aufgaben aller. Egal wie lange sie schon am Laden
sind oder was sie sonst zu tun haben. Konzerte und Partys kamen für mich
als Schwerpunkt erst später hinzu.
Was war für Dich der Auslöser, Konzerte zu organisieren, und bist Du
zu Beginn mit einem anderen Anspruch rangegangen, als Du das heute tust?
Der Auslöser war vor allem der Reiz am und die Möglichkeiten im Conne
Island. Ich habe nach anfänglicher Skepsis gegenüber Partizipation an
diesem scheinbar eingeschworenen Kollektiv die doch recht offene Struktur nach
und nach kennen und schätzen gelernt. Vor allem die Mischung aus Politik
und Kultur hat den Ort für mich immer attraktiver gemacht und damit zur
Anlaufstelle Nr. 1, um auch dort meine Lieblingsmusik umgesetzt zu sehen. Es
gab für mich nichts Schöneres, als seine absoluten Lieblingsacts auch
noch im absoluten Lieblingsladen zu sehen. Diese Chance habe ich somit genutzt.
Mit anfänglicher Unterstützung von Leuten, die schon länger
dabei waren, wurde es mir dann noch leichter gemacht, bestimmte Sachen
umzusetzen.
Natürlich war der Idealismus damals (ca. 2000/2001 als ich nach
jahrelangem ehrenamtlichen Engagement mein erstes Konzert veranstalten konnte)
noch ausgeprägter als heutzutage. Der Zugang und Einblick ins Business mit
all den veränderten Rahmenbedingungen heutzutage lässt einen etwas
nüchterner und funktionaler werden im Umgang mit der eigentlichen
Leidenschaft.
Aber bei allem Gejammer über Veränderung und die Verabschiedung vom
Modell Subkultur bleibt der Anspruch für mich weiterhin die Musik. Soll
heißen: Solange man hinter allem, was man kulturell vorantreibt, selber
noch einen Sinn sieht auch wenn natürlich in unterschiedlich
ausgeprägter Stärke solange macht es Sinn, auch dieses
Business noch mitzuspielen.
Weil der Anspruch bei mir immer ein recht simpler war: It`s all about music!
Nicht mehr, aber vor allem auch nicht weniger (aber auch im Hinblick auf das
politische Selbstverständnis)!
Nach welchen Kriterien wählst Du aus, ob Du eine Party oder ein Konzert
machst oder nicht?
Als Booker im Conne Island trifft man eine gewisse Vorauswahl zwischen den
Bands und Acts, die bei uns spielen wollen. Es wird mit Agenturen
zusammengearbeitet, die einem Touren anbieten.
Darauf basierend wird dann
ein gewisser Filter angelegt, der darüber entscheidet, ob es generell Sinn
machen würde, diese Party oder jenes Konzert im Conne Island stattfinden
zu lassen. Die endgültige Entscheidung findet dann im montäglichen
Plenum statt, das entscheidet, ob der Laden das Konzert stattfinden lassen
soll. Die Vorauswahl aus den Angeboten verschiedenster musikalischer Genre ist
zum Glück auch aufgeteilt auf die verschiedenen Booker. So kann
sichergestellt werden, dass die Leute, die auch aus einer ganz bestimmten Szene
kommen, sich auch vor allem darauf konzentrieren können und auf Trends und
Entwicklungen besser reagieren können.
Meine Vorauswahl fürs Programm ist schon erst einmal eine ganz
individuelle. Man arbeitet mit einer Handvoll Agenturen zusammen, die sich
wiederum meist auf ein bestimmtes Klientel von Bands spezialisiert haben, was
dann das Ganze schon musikalisch etwas eingrenzt.
Danach entscheidet man schon nach Originalität und Präsenz von Bands.
Es muss einem schon gefallen. Darüber hinaus geht es aber schon immer mehr
danach, ob es Sinn macht, das Konzert oder die Party zu veranstalten. Und
dieser Sinn wird nach und nach zunehmend zu einem wirtschaftlichen. Weiteres
und eigentlich sehr wichtiges Kriterium ist vor allem auch das Interesse von
Leuten am Laden. Jede Veranstaltung steht und fällt vor allem mit dem
ehrenamtlichen Support der Crew. Umso mehr Leute auch Bock auf eine
Veranstaltung haben, umso mehr beteiligen sich. Umso schöner ist es dann,
auch zu merken, dass sich viele Leute auf das ein oder andere Konzert freuen.
Und so ist es auch mit Musik am Laden, die man nicht unbedingt als
persönliche Vorliebe bezeichnen würde. So lange es Leute gibt, die
sich dafür einsetzen, dass das Ganze im Conne Island stattfindet, so lang
muss es das auch hier geben. Der Laden lebt schon immer von den Leuten, die ihn
machen und ist nicht von einem abstrakten kulturellen Prinzip getrieben.
Hast Du dabei auch das Publikum im Blick oder geht es nur um die
KünstlerInnen? Also würdest Du z.B. ein Konzert mit einer Band
machen, die Du gut findest, die aber einen Haufen Idioten in den Laden holen?
Die Definition von Idioten ist im Fall der Einordnung immer auch eine ganz
eigene: Manche bezeichnen sogenannte Hardcore-Fans vom Dorf als Idioten, andere
wiederum den ignoranten Studenten von nebenan als idiotisch. Ich bin da recht
offen geworden und beurteile die Leute ausnahmslos danach, wie sich sich auf
Partys oder Konzerten verhalten, weniger danach zu welcher Zwangsgemeinschaft
sie sich äußerlich zuordnen lassen. Somit bleibt es auch nicht aus,
dass Idioten natürlich zu den Veranstaltungen kommen, die eigentlich
Herzensangelegenheit für einen selber sind.
Wie gesagt: Der krasseste Musik-Nerd kann sich genauso als Idiot outen. Deshalb
ist es umso besser, in einem Laden veranstalten zu können, der viel Wert
auf den Rahmen legt und alle Gäste zumindest nach zivilisatorischen
Standards zu bemessen versucht und dies auch von jenen erwartet.
Das heißt aber nicht, dass es egal ist, was für Publikum zu erwarten
ist darüber wird immer auch geredet und das spielt bei der
Entscheidung auch mit eine Rolle. Jedoch sind die meisten musikalischen
Richtungen mit und im Laden gewachsen, wodurch wir mittlerweile recht gut
einschätzen können, worauf wir uns jeweils einlassen. Im
worst
case wird natürlich auch im Nachhinein diskutiert, ob das die richtige
Entscheidung war und das noch tragbar für den Laden ist.
Es kommt ja oft die Beschwerde, dass die Eintrittspreise im Conne Island zu
hoch sind. Siehst Du das auch so?
Das war schon immer so! Das Conne Island hat sich recht zeitig für Musik
und gegen den Weg eines klassischen autonomen Zentrums entschieden. Das soll
gar nicht wertend sein, als vielmehr die Ausgangssituation des Ladens
erklären. Wer KünstlerInnen aus aller Welt bei sich auf der
Bühne haben möchte die dazu noch etwas berühmter und in
bestimmten Szenen angesagter sind muss in den sauren Apfel beißen
und die Regeln der Kulturindustrie ein Stück weit mitspielen. Sich
grundsätzlich nicht für das Prinzip Hauptsache billig
entschieden zu haben, hat somit schon immer Unmut in der sogenannten
alternativen Szene hervorgerufen. Die Möglichkeit, damit aber Teil einer
kulturellen Innovation tatsächlich sein zu können, lässt einen
das Gemecker besser ertragen. Dass sich das Conne Island der Entwicklung der
steigenden Preise nicht entzieht, stimmt somit. Der Eindruck und Vorwurf
täuscht und stimmt bei näherem Betrachten in seiner Absolutheit
jedoch nicht.
Es gibt nach wie vor kostenlose bis preiswerte kulturelle Angebote im Conne
Island: Halftime, Mitte, Benefizdissen, electric island mit lokalen DJs, kleine
Bühne oder Cafékonzerte verschiedenster Genre sind alles
Veranstaltungsbeispiele, die sich von kostenlos bis weit unter zehn Euro
eingepegelt haben. Das macht schon das Prinzip der Preisgestaltung eigentlich
klar. Preise werden nicht wahllos bestimmt, sondern vielmehr den
tatsächlichen Kosten und Anforderungen von Acts und MusikerInnen
angepasst.
Und im Konzertbereich merken auch mittlerweile andere Läden, wie schwierig
es wird, eine einigermaßen bekannte Band, zu der auch bewusst Leute
kommen wollen, preiswert anzubieten. Die Diskussion darum ist damit eher etwas
Prinzipielles dabei kann es nicht um Preise gehen, als vielmehr um die
Frage: Will das Conne Island weiterhin die Entwicklung im Musikbereich, egal ob
sich Indie oder Mainstream gebend, weiter so mitgehen und müsste
sich damit von seinem doch recht universellen Prinzip Pop verabschieden?
Wie kommen die Preise zustande?
Die Entwicklung der ständig steigenden Preise ist eigentlich eine ganz
logische, die ich kurz zu erklären versuche. Im Zuge von Digitalisierung
der Gesellschaft verdienen Bands keinerlei Geld mehr mit dem Verkauf von
Tonträgern. Natürlich verkaufen sie noch CDs, mp3s und auch wieder
Schallplatten. Die Verkaufszahlen sind jedoch in den letzten zehn Jahren stetig
gesunken. Das liegt vor allem an der Reproduzierbarkeit von Musik per Computer.
Sämtliche Alben, egal ob Indie oder Major, können heutzutage ohne
Probleme im Netz beschafft werden. Was ist die Folge? Bands wollen vor allem
live spielen, um dadurch die Verluste der Entwicklung zu kompensieren. Clubs
und Konzerthallen werden somit immer mehr zum wichtigen Akteur der
Musikindustrie. Die finanziellen Anforderungen von Agenturen und Bands steigen
stetig; das Angebot auch.
Es scheint der Eindruck nicht zu täuschen, dass heutzutage ein Album
gemacht wird, um auf Tour gehen zu können, ergo live Geld zu verdienen.
Früher schien es einmal genau anders herum: Live-Touren sollten vor allem
das Album promoten. Das Kerngeschäft verlagert sich mehr und mehr!
Zusammengefasst: Die KonsumentInnen geben kein Geld mehr für
Tonträger aus MusikerInnen müssen über live-Konzerte ihr
Geld verdienen die Gagenforderungen steigen die Clubs sind
gezwungen, ihre Eintrittspreise dem anzupassen die KonsumentInnen
jammern wiederum über hohe Eintrittspreise
In dem Text Trash
of Cultures im Buch Conne Island 20 YRS, bei dem es etwas
ausführlicher um das Thema geht, wird dieser sich einander bedingende
Kreislauf mit der Pop beißt sich in den Schwanz beschrieben. Die,
die jammern, sind am Ende mit verantwortlich für diese Entwicklung.
Nochmal spezifisch für das Conne Island: Die Preise werden schon immer den
tatsächlichen Kosten angepasst und immer öfter sind vor allem auch
Eintrittspreise Teil von Diskussionen, Verhandlungen und Bedingung fürs
Zustandekommen von Konzerten. Somit kann wohl nie genug erklärt werden,
wie derartige Prozesse im Kulturbereich funktionieren. Dem Conne Island kann
nur daran gelegen sein, diese Entwicklungen dennoch immer auch zu thematisieren
und zu diskutieren.
Mein Wunsch ist es somit natürlich das Bewusstsein bei
Kultur-KonsumentInnen zu schaffen, woher die Entwicklung kommt, damit die
Kritik nicht ausschließlich am sichtbaren Bereich (Eintrittspreis) stehen
bleibt. Mir geht es gar nicht darum irgendjemand anderem die Schuld dafür
zu geben, als vielmehr um die Benennung der Ursachen für z.B. steigende
Preise und die Genauigkeit der Analyse.
Oft wird ja der DIY-Anspruch von verschiedenen linken Projekten und die damit
verbundenen relativ günstigen Preise dem Conne Island
gegenübergestellt. Je nach Standpunkt wird dann das eine für gut und
das andere für schlecht befunden. Teilst Du diese Abgrenzung oder kannst
Du auch z.B. dem Zoro was abgewinnen?
Für mich sind es zwei unterschiedliche kulturelle Modelle, an denen es
sich jeweils genug lohnt, Kritik zu äußern. Ich bin jedoch bewusst
eher an einem Projekt wie dem Conne Island hängen geblieben, das immer
schon Ort für Diskussion, Partizipation und Innovation nicht nur in der
Kultur war. Ich schätze somit nach wie vor die Vielseitigkeit und vor
allem auch die Transparenz und die damit verbundene Angreifbarkeit des Ladens.
Nicht umsonst ist das Conne Island mit vielen Vorurteilen belegt: Wer kann
schon von sich behaupten, gleichzeitig als ?ommerzladen, Zeckenladen
oder Yuppietanzschuppen beschimpft zu werden, in dem Nazis angeblich ein
und aus gehen. Es wird aus allen Ecken kräftig projiziert und jeder findet
sein Feindbild in diesem Projekt. Und in diesen Zuschreibungen, die für
viele die Untragbarkeit des Conne Island als linkes Projekt beweisen, das am
liebsten der Teufel holen soll, steckt für mich dennoch mehr
emanzipatorisches Potential, als es manchen KritikerInnen jemals in den Sinn
kommen würde.
Den Unterschied macht schon immer auch die Vielzahl, Unterschiedlichkeit und
Reibung der teilnehmenden AkteurInnen im Laden. Es bleibt gar kein Raum
für das Einrichten in wohlige, bequeme Erklärungsmuster, da der Zwang
zum Hinterfragen von außen und innen ständig gegeben ist. Das macht
es immer anstrengend, bildet somit aber auch den Unterschied zu anderen
Projekten. Beispielsweise haben es Musiksparten mit scheinbar authentischerem
Charakter schwerer, ihr Publikum ins Conne Island zu locken, da der Rahmen und
das weitere Programm nicht so ganz ins eigene kulturelle Bild passen will. Da
sind die unstrittigeren und eindeutigen Veranstaltungsorte doch die
authentischere Wahl. Da spielen Eintrittspreise mittlerweile keine Rolle.
Aber auch generell ist der Drang nach mehr DIY in allen Bereichen nicht
wirklich überraschend. Kultur gewinnt generell immer mehr an Bedeutung in
der westlichen Gesellschaft. So ist es umso nachvollziehbarer, dass einst
veraltete Subkulturen oder zumindestens deren Hülle heutzutage wieder
Hochkonjunktur haben. Kulturelle Bereiche differenzieren sich aus und
verschwimmen gleichzeitig immer mehr. Die Sehnsucht nach Identität,
kulturellem Halt und Abgrenzung steigt. Das Conne Island als entwurzelter Laden
hat es dabei schwer und leicht zugleich. Es biedert sich den gesellschaftlichen
Umständen an und schafft dennoch Freiraum für neue Entwicklungen. Und
doch würde ich anderen Projekten nicht die Relevanz absprechen. Umso
positiver finde ich die Entwicklung, dass sich die oft auch
technologiefeindlich und antimodern gebenden DIY-Szenen Musiksparten wie
Dubstep oder Techno geöffnet haben. Eine klare Abgrenzung ist sowieso
immer schwerer auszumachen. Und dass DIY früher oder später selber
zur Institution wird, ist auch keine neue Erkenntnis.
Umso schöner ist es zu wissen, welchen Einfluss und Anteil ein Laden wie
das Conne Island aufgrund seines Anspruchs und seiner Struktur und das
hören viele nicht gerne bei vielen kulturellen und politischen
Entwicklungen der Stadt spielt; trotz hoher Eintrittspreise, aber aufgrund des
Anspruchs und der Struktur.