Mo Di Mi Do Fr Sa So 
00 00 00 00 00 00 01 
02 03 04 050607 08 
09 10111213 14 15 
16 17 18192021 22 
23 24 25 26 27 28 29 
30 31 

Aktuelle Termine

CEE IEH-ARCHIV

#183, Januar 2011
#184, Februar 2011
#185, März 2011
#186, April 2011
#187, Mai 2011
#188, Juni 2011
#189, September 2011
#190, November 2011
#191, Dezember 2011

Aktuelles Heft

INHALT #191

Titelbild
Editorial
• das erste: Dorfgemeinschaft Connewitz
• teaser: Dezember 2011 & Januar 2012 im Conne Island
Infoladen-Reopening
Antisemitismus-Workshop
Wut ist das neue Umarmen
winterRADALE
Hot Christmas Hip Hop Jam
• doku: 20 Jahre Nebenwiderspruch
• review-corner buch: Der Schwarze Engel
• position: Schönes neues Egalia
• doku: Wir gratulieren zu 20 Jahren Inselkoller
Anzeigen
• neues vom: business as usual...

LINKS

Eigene Inhalte:
Facebook
Fotos (Flickr)
Tickets (TixforGigs)

Fremde Inhalte:
last.fm
Fotos (Flickr)
Videos (YouTube)
Videos (vimeo)

Im Folgenden dokumentieren wir den Text des Freundeskreis Dr. Georg Sacke, der als Reaktion auf den Plenumstext des Conne Island „On the streets saving the scene from the forces of evil“ an uns herangetragen wurde. Neben ernstzunehmenden Kritikpunkten am Island bzw. dem Plenumstext halten wir viele Äußerungen für nicht ausreichend durchdacht bzw. zu unkonkret. Da er dennoch relevant für die derzeitige Diskussion erscheint, ist er hier abgedruckt.



Wir gratulieren zu 20 Jahren Inselkoller

Das Conne Island gefällt nicht allen, und dass der Eiskeller darauf auch nach 20 Jahren keinen Wert legt, muss ihm zugute gehalten werden. Seit je polarisiert der Laden die Polit- und Subkultur-Szene im Leipziger Süden, und auch das ist etwas Gutes – nämlich ein bleibender Anlass zur Selbstkritik.

Jüngster Anlass, aber darüber hinaus ein Aufreger, der Kreise zieht, ist ein Artikel im „CEE IEH“-Newsflyer: Das Island-Plenum hat einen gehässigen Text durchgewunken, den man als eine generelle Distanzierung von linksradikaler und autonomer Politik in Connewitz verstehen kann. Für das Conne Island ist der Text ein Eigentor: Ohne diese Politik wäre der Laden nie entstanden oder hätte jedenfalls das jüngste Jubiläum nicht erlebt. Noch vor einigen Jahren – und selbst im Island scheinen sich daran nur noch die „Älteren“ zu erinnern – gingen trotz aller Differenzen mehrfach hunderte Linke und Linksradikale für den Erhalt des Projekts auf die Straße. „Aktionismus“ war in dieser speziellen Situation kein Schimpfwort, sondern ausdrücklich erwünscht – und darüber hinaus ziemlich erfolgreich.

Nun allerdings müssen sich die übrig gebliebenen Politniks im Leipziger Süden vom Conne Island anhören, sie bekämen außer „Selbstdarstellung“, „Krawalle und martialische Sprüche“ nichts auf die Reihe und seien obendrein fremdenfeindlich gegen „Neuzugezogene“. Zu dem Schluss kommt das Conne Island, weil zum einen das Thema „Gentrifizierung“ in Leipzig angekommen ist, und weil zum anderen die Fassade des frisch sanierten Island-Vorderhauses mittels Farbe oder Teer durch die Hände Unbekannter „abgewertet“ wurde.

Darauf reagiert das Conne Island eingeschnappt und gibt im „CEE IEH“ Hinweise auf eine angebliche „Gruppenpraxis“. Das Mittel der Denunzation wird darin nicht zum ersten Mal bemüht; in der März-Ausgabe konnte alle, die es nichts angeht, nachlesen wo sich AntifaschistInnen treffen und dabei erfahren, dass man beim „CEE IEH“-Newsflyer auch vom Antifaschismus, der mal zum eigenen Selbstverständnis gehörte, nicht viel hält. Was Laden-Leute da noch beschwichtigend zum Ausrutscher erklärten, konnte man pünktlich zur 20-Jahr-Feier in einem Interview mit der gründeutschen TAZ nachlesen: Autonome? Gabs hier nie!

Man sollte hinzusetzen: Auch von einer „Politfraktion“ hört man im Island nichts mehr, denn die „Kulturfraktion“ hat gewonnen, präziser gesagt: Ein Kulturbetrieb für Leute, die regelmäßig über 20 Euro für ein Konzert auf den Tisch legen können. Man kann sich abfinden damit, dass Subkultur so jedenfalls nicht zum Moment einer Politisierung werden kann. Dass aber beim neuesten Polit-Salon-Format am Laden unter einem Zehner auch nichts läuft, zeigt wohin die Reise geht.

Dabei könnte gerade das Stichwort „Gentrifizierung“ ausnahmsweise nicht allen Anderen, sondern dem Conne Island ein Anlass zu Auseinandersetzung und Selbstkritik sein. Denn einem Laden, der sich im Zuge seines Jubiläums zum offiziösen Aushängeschild der Alternativkultur in Leipzig mausert und gerade deswegen durchsubventioniert wird, könnte sich die Frage stellen, ob man nicht selbst ein Faktor der Aufwertung geworden ist – und was davon zu halten sei. Nachdem der Laden vor einigen Jahren vor dem Aus stand, also beinahe der städtischen Politik zum Opfer gefallen wäre, profitiert er mittlerweile von seiner Avantgarde-Position.

Nicht, dass wir es dem Conne Island nicht gönnen würden. Aber auch diese Medaille hat zwei Seiten, und die zweite heißt Entpolitisierung. Es ist kein Geheimnis, dass in der letzten Zeit verstärkt Einzelperson und ganze Gruppen auch deshalb dem Laden den Rücken gekehrt haben und dass nach „I Can`t Relax In Deutschland“ und dem „Palituch-Verbot“ kaum mehr politische Initiativen vom Eiskeller ausgegangen sind.

Der ehemals antifaschistische Anspruch ist dabei ganz über Bord gegangen. Als AntifaschistInnen im Island-Plenum gegen eine Grauzonen-Band argumentiert haben, wurde mit einem „Stalinismus“-Vorwurf gekontert. Als wiederholt auf das Problem „Rastelli“ hingewiesen wurde – ohne Frage ein Nazi, allerdings einer mit FreundInnen im Island –, wurde die Sache unter den Tisch gekehert. Auch Probleme wie Sexismus wurden auf ganz kleiner Flamme gekocht. Und dass zur „Einlasspolitik“ mitunter gehört, Leute, die sich um den Einlass drücken wollen (Hand aufs Herz: das haben wir alle schon mal versucht), kurzerhand „umzuhauen“, ist leider kein Gerücht.

Dass viele politische Leute auf Distanz zum Island gehen und bleiben, hat also handfeste Gründe. Die gebetsmühlenartig vorgetragene Aufforderung, sowas auf dem Ladenplenum zu klären, ist aus dieser Perspektive eine Farce: Die Probleme sind bekannt und werden eben nicht geklärt; und dort etwas klären zu wollen setzt voraus, erst einen Sitzfleischwettbewerb zu gewinnen. Umgekehrt geht es scheinbar auch dem Conne Island nicht um eine Klärung, schon gar nicht um eine politische. Im „CEE IEH“ werden nämlich Leute, die nicht auf Ladenlinie sind, kurzerhand für dumm erklärt: „Die AngreiferInnen können sich nicht anders artikulieren.“

Klar, außerhalb des Islands läuft in Politzusammenhängen auch vieles, vielleicht noch viel mehr schief. Nur: Mit gegenseitiger Abgrenzung gewinnt niemand. Das Conne Island zementiert so nur sein hart erarbeitetes Image, kein politischer Freiraum, sondern eine Sekte von BesserwisserInnen zu sein und macht es damit Außenstehenden leicht, ihr Feindbild zu bestätigen. Das jüngste Statement im „CEE IEH“ ist jedenfalls keine Grundlage für einen „Dialog“, denn es bezeugt, dass man die Welt außerhalb der „Insel“ ganz aus den Augen verloren hat. Stattdessen wird das Freund-Feind-Denken gepflegt, als gehöre es zum Ladeninventar. Derselbe Ansatz liegt leider auch dem „Stadtteilkampf“-Text zu Grunde und ersetzt politische Diskussionen.

Die faktenresistente Behauptung, hier gebe es keinen Aufwertungsprozess, hier seien keine Projekte bedroht, hier würde sich niemand um die Miethöhe und die Praxis namhafter EigentümerInnen sorgen, können nur Leute aufstellen, die darunter tatsächlich nicht leiden – weil sie es nicht mehr gewohnt sind, um ihre Projekte und Freiräume zu kämpfen, weil sie Politik gegen Hedonismus eingetauscht haben und die Stadt nur bei Nacht sehen, oder weil sie vielleicht reiche Eltern haben, die ihnen jeden Gedanken an die nächste Mieterhöhung ersparen.

Schön für sie! Aber das bestätigt doch eben, was im „CEE IEH“ so vehement bestritten wird. Ein „Stadtteilkampf“ ist zwar nicht automatisch „Klassenkampf“, aber „Gentrifizierung“ ist durchaus eine politische Frage.
Von einem Laden mit politischem Anspruch könnte man erwarten, sich in so einem Prozess klar zu positionieren, sich in Diskussionen einzumischen und eine eigene Praxis zu entwickeln. Das gelingt beispielsweise in Hamburg der Roten Flora. Das Conne Island bringt anno 2011 nur noch eine Entsolidarisierung zustande.

Mit dem Verzicht auf eine ernstzunehmende Diskussion, auf eine inhaltliche wie auch praktische Einmischung verspielt der Laden sein letztes Pfund und darüber hinaus Möglichkeiten, eigene Probleme zu überwinden. Das Conne Island braucht es nicht jedem recht machen, aber wenn es im „Kiez“ oder sonstwo aneckt – dann bitte auf einem höheren Niveau, also einem mit politischer Ambition.

Freundeskreis Dr. Georg Sacke

13a.jpg

 

29.11.2011
Conne Island, Koburger Str. 3, 04277 Leipzig
Tel.: 0341-3013028, Fax: 0341-3026503
info@conne-island.de, tickets@conne-island.de