• Titelbild
• Editorial
• das erste: Dorfgemeinschaft Connewitz
• teaser: Dezember 2011 & Januar 2012 im Conne Island
• Infoladen-Reopening
• Antisemitismus-Workshop
• Wut ist das neue Umarmen
• winterRADALE
• Hot Christmas Hip Hop Jam
• doku: 20 Jahre Nebenwiderspruch
• review-corner buch: Der Schwarze Engel
• position: Schönes neues Egalia
• doku: Wir gratulieren zu 20 Jahren Inselkoller
• Anzeigen
• neues vom: business as usual...
Das Conne Island gefällt nicht allen, und dass der Eiskeller darauf auch
nach 20 Jahren keinen Wert legt, muss ihm zugute gehalten werden. Seit je
polarisiert der Laden die Polit- und Subkultur-Szene im Leipziger Süden,
und auch das ist etwas Gutes nämlich ein bleibender Anlass zur
Selbstkritik.
Jüngster Anlass, aber darüber hinaus ein Aufreger, der Kreise zieht,
ist ein Artikel im CEE IEH-Newsflyer: Das Island-Plenum hat einen
gehässigen Text durchgewunken, den man als eine generelle Distanzierung
von linksradikaler und autonomer Politik in Connewitz verstehen kann. Für
das Conne Island ist der Text ein Eigentor: Ohne diese Politik wäre der
Laden nie entstanden oder hätte jedenfalls das jüngste Jubiläum
nicht erlebt. Noch vor einigen Jahren und selbst im Island scheinen sich
daran nur noch die Älteren zu erinnern gingen trotz aller
Differenzen mehrfach hunderte Linke und Linksradikale für den Erhalt des
Projekts auf die Straße. Aktionismus war in dieser speziellen
Situation kein Schimpfwort, sondern ausdrücklich erwünscht und
darüber hinaus ziemlich erfolgreich.
Nun allerdings müssen sich die übrig gebliebenen Politniks im
Leipziger Süden vom Conne Island anhören, sie bekämen
außer Selbstdarstellung, Krawalle und martialische
Sprüche nichts auf die Reihe und seien obendrein fremdenfeindlich gegen
Neuzugezogene. Zu dem Schluss kommt das Conne Island, weil zum einen das
Thema Gentrifizierung in Leipzig angekommen ist, und weil zum anderen
die Fassade des frisch sanierten Island-Vorderhauses mittels Farbe oder Teer
durch die Hände Unbekannter abgewertet wurde.
Darauf reagiert das Conne Island eingeschnappt und gibt im CEE IEH
Hinweise auf eine angebliche Gruppenpraxis. Das Mittel der Denunzation
wird darin nicht zum ersten Mal bemüht; in der März-Ausgabe konnte
alle, die es nichts angeht, nachlesen wo sich AntifaschistInnen treffen und
dabei erfahren, dass man beim CEE IEH-Newsflyer auch vom Antifaschismus,
der mal zum eigenen Selbstverständnis gehörte, nicht viel hält.
Was Laden-Leute da noch beschwichtigend zum Ausrutscher erklärten, konnte
man pünktlich zur 20-Jahr-Feier in einem Interview mit der
gründeutschen TAZ nachlesen: Autonome? Gabs hier nie!
Man sollte hinzusetzen: Auch von einer Politfraktion hört man im
Island nichts mehr, denn die Kulturfraktion hat gewonnen, präziser
gesagt: Ein Kulturbetrieb für Leute, die regelmäßig über
20 Euro für ein Konzert auf den Tisch legen können. Man kann sich
abfinden damit, dass Subkultur so jedenfalls nicht zum Moment einer
Politisierung werden kann. Dass aber beim neuesten Polit-Salon-Format am Laden
unter einem Zehner auch nichts läuft, zeigt wohin die Reise geht.
Dabei könnte gerade das Stichwort Gentrifizierung ausnahmsweise
nicht allen Anderen, sondern dem Conne Island ein Anlass zu Auseinandersetzung
und Selbstkritik sein. Denn einem Laden, der sich im Zuge seines Jubiläums
zum offiziösen Aushängeschild der Alternativkultur in Leipzig mausert
und gerade deswegen durchsubventioniert wird, könnte sich die Frage
stellen, ob man nicht selbst ein Faktor der Aufwertung geworden ist und
was davon zu halten sei. Nachdem der Laden vor einigen Jahren vor dem Aus
stand, also beinahe der städtischen Politik zum Opfer gefallen wäre,
profitiert er mittlerweile von seiner Avantgarde-Position.
Nicht, dass wir es dem Conne Island nicht gönnen würden. Aber auch
diese Medaille hat zwei Seiten, und die zweite heißt Entpolitisierung. Es
ist kein Geheimnis, dass in der letzten Zeit verstärkt Einzelperson und
ganze Gruppen auch deshalb dem Laden den Rücken gekehrt haben und dass
nach I Can`t Relax In Deutschland und dem Palituch-Verbot kaum
mehr politische Initiativen vom Eiskeller ausgegangen sind.
Der ehemals antifaschistische Anspruch ist dabei ganz über Bord gegangen.
Als AntifaschistInnen im Island-Plenum gegen eine Grauzonen-Band argumentiert
haben, wurde mit einem Stalinismus-Vorwurf gekontert. Als wiederholt auf
das Problem Rastelli hingewiesen wurde ohne Frage ein Nazi,
allerdings einer mit FreundInnen im Island , wurde die Sache unter den
Tisch gekehert. Auch Probleme wie Sexismus wurden auf ganz kleiner Flamme
gekocht. Und dass zur Einlasspolitik mitunter gehört, Leute, die
sich um den Einlass drücken wollen (Hand aufs Herz: das haben wir alle
schon mal versucht), kurzerhand umzuhauen, ist leider kein
Gerücht.
Dass viele politische Leute auf Distanz zum Island gehen und bleiben, hat also
handfeste Gründe. Die gebetsmühlenartig vorgetragene Aufforderung,
sowas auf dem Ladenplenum zu klären, ist aus dieser Perspektive eine
Farce: Die Probleme sind bekannt und werden eben nicht geklärt; und dort
etwas klären zu wollen setzt voraus, erst einen Sitzfleischwettbewerb zu
gewinnen. Umgekehrt geht es scheinbar auch dem Conne Island nicht um eine
Klärung, schon gar nicht um eine politische. Im CEE IEH werden
nämlich Leute, die nicht auf Ladenlinie sind, kurzerhand für dumm
erklärt: Die AngreiferInnen können sich nicht anders
artikulieren.
Klar, außerhalb des Islands läuft in Politzusammenhängen auch
vieles, vielleicht noch viel mehr schief. Nur: Mit gegenseitiger Abgrenzung
gewinnt niemand. Das Conne Island zementiert so nur sein hart erarbeitetes
Image, kein politischer Freiraum, sondern eine Sekte von BesserwisserInnen zu
sein und macht es damit Außenstehenden leicht, ihr Feindbild zu
bestätigen. Das jüngste Statement im CEE IEH ist jedenfalls
keine Grundlage für einen Dialog, denn es bezeugt, dass man die
Welt außerhalb der Insel ganz aus den Augen verloren hat.
Stattdessen wird das Freund-Feind-Denken gepflegt, als gehöre es zum
Ladeninventar. Derselbe Ansatz liegt leider auch dem Stadtteilkampf-Text
zu Grunde und ersetzt politische Diskussionen.
Die faktenresistente Behauptung, hier gebe es keinen Aufwertungsprozess, hier
seien keine Projekte bedroht, hier würde sich niemand um die Miethöhe
und die Praxis namhafter EigentümerInnen sorgen, können nur Leute
aufstellen, die darunter tatsächlich nicht leiden weil sie es nicht
mehr gewohnt sind, um ihre Projekte und Freiräume zu kämpfen, weil
sie Politik gegen Hedonismus eingetauscht haben und die Stadt nur bei Nacht
sehen, oder weil sie vielleicht reiche Eltern haben, die ihnen jeden Gedanken
an die nächste Mieterhöhung ersparen.
Schön für sie! Aber das bestätigt doch eben, was im CEE
IEH so vehement bestritten wird. Ein Stadtteilkampf ist zwar nicht
automatisch Klassenkampf, aber Gentrifizierung ist durchaus eine
politische Frage.
Von einem Laden mit politischem Anspruch könnte man erwarten, sich in so
einem Prozess klar zu positionieren, sich in Diskussionen einzumischen und eine
eigene Praxis zu entwickeln. Das gelingt beispielsweise in Hamburg der Roten
Flora. Das Conne Island bringt anno 2011 nur noch eine Entsolidarisierung
zustande.
Mit dem Verzicht auf eine ernstzunehmende Diskussion, auf eine inhaltliche wie
auch praktische Einmischung verspielt der Laden sein letztes Pfund und
darüber hinaus Möglichkeiten, eigene Probleme zu überwinden. Das
Conne Island braucht es nicht jedem recht machen, aber wenn es im Kiez
oder sonstwo aneckt dann bitte auf einem höheren Niveau, also einem
mit politischer Ambition.
Freundeskreis Dr. Georg Sacke