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Aktuelles Heft

INHALT #190

Titelbild
Editorial
• das erste: On the streets…
• teaser: November 2011 im Conne Island
Die Psyche im Zeitalter leerer Geldbeutel
Elmatic Tour
Pop mit Widerhaken
Das Ende der Konspirativität?
Halftime
Warum K.I.Z. in den KIEZ gehören
• doku: Die Opfer des Vernichtungskrieges
Anzeigen
• neues vom: ... wenn Farbe, dann richtig!

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On the streets…

…saving the scene from the forces of evil

Anfang Oktober ist das renovierte Vorderhaus des Conne Island mit zwei Farbbeuteln beworfen worden. Da uns die Hintergründe nach wie vor nicht klar sind, bleibt zu mutmaßen, aus welcher Intention dies geschehen ist. Dabei ist folgendes denkbar:
Es gibt Menschen, denen liegt am Conne Island so viel, dass sie das sanierte Vorderhaus in einen Zustand versetzen möchten, der dem des alten Gebäudes ähnlich sieht. Dies würde sicher viele Sympathisanten und Nachahmerinnen finden, allerdings scheint das Vorhaben schon auf den ersten Blick misslungen; Teer-ähnliche Farbe macht keine graue Wand lebendig.
Vielleicht ist der Angriff aber auch eine Antwort auf einen Dissens mit der Einlasspolitik des Conne Island. Gäste, die Stress aus welchen Gründen auch immer suchen, werden nach Hause geschickt, daran werden auch zwei in der selben Nacht geworfene Farbbeutel nichts ändern.
Vielleicht gibt es auch einen anderen Grund, dazu müssten sich die AngreiferInnen äußern, aber wahrscheinlich wollen oder können sie das nicht.
Sieht man sich im Stadtteil Connewitz um, gibt es ähnliche Markierungen an anderen Häusern. So ist das Bürgeramt der Stadt seit Wochen zum wiederholten Male entglast, sogenannte Stadtvillen werden mit Farbeiern attackiert und das Sanierungssobjekt non grata bewegt schon seit Wochen die Gemüter. Bei dem Haus handelt es sich um ein mehr als zehn Jahre leer stehendes, baufälliges Gebäude in unmittelbarer Nähe zu Park, Spätverkäufen, veganen Imbissen und vielem mehr. Seit Wochen wird versucht das Bauende hinauszuzögern. Das passiert nicht wie vielleicht vermutet in einer nächtlichen Aktion mit drei oder vier Leuten, nein, die gemeinen KiezkämpferInnen treffen sich zu zwanzigst Sonntagabend, vermummen sich, rufen Parolen wie „Hass, Hass, Hass wie noch nie“ und greifen mit Farbe und Steinen an.
Hierbei geht es in erster Linie um eins: Die Präsentation der eigenen Radikalität. Bemühungen, solche Aktionen politisch zu rechtfertigen, gibt es erst gar nicht. Obwohl die Vielzahl der Aktionen auf eine Gruppenpraxis hindeutet, bekennt sich dazu niemand. Es gibt keine Erklärungen, kein politisches Motiv. Das Einzige, was nachwirkt, sind unansehnliche Fassaden.
Einige StadtteilbewohnerInnen nehmen das zum Anlass, über „Kiezkiller“ und „Gentrifizierung“ zu debattieren. Man ist sich einig, der Vermieter ließe keine WGs einziehen und verkaufe gar Eigentumswohnungen. An Häusern des gleichen Besitzers in unmittelbarer Nachbarschaft stört sich dabei niemand und dass kleinere Immobilienfirmen eventuell ebenso handeln, wird genauso ausgeblendet. Ins romantischen Bild passt ein zerfallenes Haus eben besser als das frisch renovierte – und das, obwohl genau diese Leute den Wohnraum in Connewitz brauchen, um sich dem Kiez erst richtig angehörig zu fühlen.
Warum gerade Connewitz zur Spielwiese von militanten Aktionen wird, liegt nicht nur daran, dass die besten Fluchtwege schon bekannt sind. Die AkteurInnen denken, ihr Handeln sei politisch relevant, denn jeder und jede Neuzugezogene würden die linksalternative Szene bedrohen. Platz ist nur für Leute, die schon lange in Connewitz wohnen oder deren Style dem stringenten Bild der/des praxisorientierten Autonomen entspricht. Einen Einblick in diese Vorstellung bieten die unzähligen verklebten Aufkleber, deren Motivwahl den einzigen Inhalt solcher Zusammenhänge charakterisiert: Krawalle und martialische Sprüche. Statt wenigstens diesen Worten Taten folgen zu lassen und Nazis das Leben auch in anderen Stadtteilen schwer zu machen, wird lieber vor der eigenen Haustür agiert, denn kein anderer Ort bietet den AktivistInnen die Bühne wie Connewitz. Eine inhaltliche Auseinandersetzung spielt für sie keine Rolle, militantes Auftreten und Radikalität sind wichtiger als politische Ziele, Selbstdarstellung einziger Inhalt des Handelns und das Gefühl, sich auf der richtigen Seite zu wähnen, die Rechtfertigung für jede Tat.
Der Farbbeutelanschlag aufs Conne Island kann nur einen Grund haben: Die AngreiferInnen können sich nicht anders artikulieren. Es wird sich nicht die Mühe gemacht, Kritik beispielsweise im Conne Island-Plenum zu äußern oder es per Text mit seinen vermeintlichen Fehlern zu konfrontieren.

Conne Island-Plenum

1-9

25.10.2011
Conne Island, Koburger Str. 3, 04277 Leipzig
Tel.: 0341-3013028, Fax: 0341-3026503
info@conne-island.de, tickets@conne-island.de