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Aktuelles Heft

INHALT #188

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Austra
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Austra

Austra

Tasseomancy
+ indietronic/wave/elektronika-pre-/aftershow
w/ Zacker (Glitter&Trauma, NO NO NO!) & Gritpop
--- moon musick, weird electro, dark rave, avant pop, death disco, cold wave ---

Neulich stieß ich durch Freunde bei Facebook auf ein Video und dachte mir: „Oh, was ist das?“ Es trug den Namen „Young & Gay“. Hmmm... mal reinhören. Ooooh, wie das klingt! Wie das klingt! Gleich nochmal hören. Ja, wie klingt es nur? Das klingt wie... wie... wie Florence & The Machine! Ist es aber nicht.
Und neulich war ich bei einer Party, da legte die DJ hinter den Decks dieses Lied auf und meine Füße setzten sich spätestens dann in Bewegung und schwangen meinen Körper über die Tanzfläche. Ein wunderbares Lied, das klingt wie... wie... wie Florence & The Machine, wie The Knife! Ist es aber nicht.
Und dann forschte ich ein bisschen, hörte mir ein weiteres Lied an, das „Lose It“ heißt und klingt wie... wie.... wie Florence & The Machine, wie The Knife und: AUSTRA – ja, so klingt das! Und dann hörte ich, dass die am 16. Juni im Conne Island spielen, ja, Wahnsinn! Doch was ist das eigentlich für eine Band, von der ich bisher nie gehört hatte?

AUSTRA ist ein junges kanadisches Duo. Das Debüt steht am Ende einer langen Entwicklungszeit der Songwriterin der Band: Katie Stelmanis. Sie verbrachte viel Zeit mit dem obsessiven Studium der klassischen Musik und wollte ursprünglich Opernsängerin werden. Doch zum Ende ihrer Highschool-Zeit änderten sich ihre Prioritäten, sie entdeckte neue Genres, spielte in ihrer ersten Band und lernte mit Computer-Software umzugehen, die es ihr ermöglichte, ihre eigene Musik für jedes Instrument zu komponieren, um ihre Stimme darüber zu legen und so epische Soundlandschaften zu schaffen, für die sie alsbald bekannt werden sollte. Vorerst lieh sie ambitionierten Popbands in Toronto ihre Stimme, bis sie sich schließlich langsam zur Solokünstlerin entwickelte.
Die zweite Hälfte von AUSTRA ist Katies Langzeitfreundin Maya Postepski, die schon bei Galaxy mit Katie zusammen gearbeitet und sie bei ihren zahlreichen DIY-Touren als Drummerin unterstützt hatte. Sie ist ausgebildete Percussionistin, kümmert sich um Produktion und Beatprogrammierung und bringt ihre Erfahrungen erfolgreich ein, um Katies Songs weiter auszufeilen. Ebenso liefert sie kreative Grundlagen, die die akustische Kollaboration ausbalancierter machen.
Und so verschmelzen im AUSTRA-Sound alle möglichen Einflüsse, Pianos bereiten den Weg für Keyboards, die Songs bauen sich auf, schleppen sich dahin mit drängenden, dunklen Melodien, die sich durch eine Armee von Synthesizern schlängeln und um Katies unheimlich erstaunliche, dominante, kräftige und zugleich weiche Stimme tummeln. Dass Katie eine Liebhaberin trauriger, melancholischer Musik ist, ist nicht zu überhören. Schon immer war sie von der dunklen Seite der Dinge angezogen. „Insofern zeigt sich die Ästhetik sehr direkt in meiner Musik und der Art, wie ich mich präsentiere“ (Intro, Mai 2011).

Bei Live-Auftritten werden AUSTRA von Dorian Wolf, dem ehemaligen Bassist der Band Spiral Beach, und Sari & Romy Lightman als Backgroundsängerinnen komplettiert. Doch die beiden können mehr als nur im Hintergrund singen: Bevor uns AUSTRA mit ihrem queeren Sound verzaubern, werden uns zunächst die beiden Zwillingsschwestern als TASSEOGRAPHY mit ihren ruhigen, gefühlvollen und fast schon zu schönen Tönen in ihren Bann ziehen. Manche von euch kennen Romy & Sari vielleicht besser als Ghost Bees. Bekannt wurden sie unter anderem durch ihre Experimente mit schweren, sphärischen Klängen, Kriegstrommeln und hebräischen Liedern. Nun setzen sie dieses Musikprojekt mit geändertem Namen fort. 2008 veröffentlichten sie (noch als Ghost Bees) ihr erstes Album mit dem Titel „Tasseography“. Dies ist die Bezeichnung für die Fähigkeit, aus Teeblättern und Kaffeesatz lesen zu können. Ihre Ururgroßmutter soll diese Gabe besessen haben, wovon Romy und Sari so fasziniert sind, dass diese Fähigkeit immer wieder in ihrer Musik auftaucht.
Die Single „Healthy Hands“ ist der Vorbote einer LP, die durch das in der atmosphärischen Verdichtung bereits gut hörbare Mitwirken von Taylor Kirk und seiner Timber Timbre-Band besondere Erwartungen weckt. Ich bin gespannt auf das junge mystische Neo-Gothic-Folk-Duo, das ebenfalls aus Kanada stammt, und als Einflüsse – neben ihrer Ururgroßmutter – Isis, Amethysten (= die violette Varietät des Quarz) und Kristallkugeln benennt.

Den Rahmen des Abends bilden zwei zauberhafte DJ`s, zu deren Musikschätzen ich immer wieder mit größtem Vergnügen über die Tanzfläche wirble und dabei vielleicht sogar ein bisschen schwebe vor lauter Überwältigung. Beide sind vielseitig mit einem unüberhörbaren roten Faden in ihren Sets.
ZACKER – ein alter Waver – bewegt sich im Bereich moon musick, weird electro, dark rave, avant pop, death disco, cold wave und passt damit perfekt ins Line-Up. Die meisten kennen ihn sicher als Begründer der legendären „NO NO NO!“-Partys im Sweat! oder der Skala, doch auch beim Konzert von Men und We Have Band im April letzten Jahres im Conne Island hatte er seine Finger im Spiel und fungierte neben Claire ebenfalls selbst hinter den Plattendecks. Doch damit nicht genug, er veranstaltete zahlreiche queere Abende, wie bspw. die alljährliche „Glitter+Trauma“-Party zu Pfingsten (dieses Jahr am 11. Juni im Sweat!). Schon Mitte der 2000er Jahre versuchte er, alten Electro mit neuen Einflüssen zu mischen und dunkle, zeitgemäße Sounds auszulotsen. Er ist eine der wichtigsten Persönlichkeiten für die Entwicklung der queeren (Leipziger) Partylandschaft. Zieht euch warm an, denn sein Set wird düster, dick und kalt!
GRITPOPs musikalischer Weg hat noch (!) nicht so viele Stationen aufzuweisen, doch ich bin sicher, dass sich das ändern wird, denn (noch) legt sie zwar wenig auf, dafür aber sehr gewählt. Sie reflektiert ihre Musikperlen, bei denen viele weibliche Acts mehr Beachtung finden als bei manch anderen DJ`s. Auch ist sie mutiger als manch andere(r), experimentiert gern, hier und da ein Bruch – und trotzdem sind ihre Sets schlüssig und tanzbar. Oft wird einem bei GRITPOPs Sets der Gedanke kommen „Wow, welch wunderbares Lied, kenn ich gar nicht, trotzdem geil!“, denn sie spielt nicht nur Hits, sondern schaut gern über den Plattentellerrand, wodurch man immer wieder mit neuem, wunderbarem, nie gehörtem in Berührung kommt. Damit zaubert sie ihren eigenen vielseitigen, tanzbaren, schlüssigen Sound, vom Gitarrenindie bis hin zum Electropop, zu dem nur ein beschreibbares Wort passt: GRITPOP!

Wer also dunkle, mystische, harmonische Klänge liebt und obendrein noch gern das Tanzbein schwingt, sollte sich dieses Ereignis keinesfalls entgehen lassen.

P.

 

22.05.2011
Conne Island, Koburger Str. 3, 04277 Leipzig
Tel.: 0341-3013028, Fax: 0341-3026503
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