Tasseomancy
+ indietronic/wave/elektronika-pre-/aftershow
w/ Zacker (Glitter&Trauma, NO NO NO!) & Gritpop
--- moon musick, weird electro, dark rave, avant pop, death disco, cold wave ---
Neulich stieß ich durch Freunde bei Facebook auf ein Video und dachte mir:
Oh, was ist das? Es trug den Namen Young & Gay. Hmmm... mal
reinhören. Ooooh, wie das klingt! Wie das klingt! Gleich nochmal
hören. Ja, wie klingt es nur? Das klingt wie... wie... wie Florence
& The Machine! Ist es aber nicht.
Und neulich war ich bei einer Party, da legte die DJ hinter den Decks dieses
Lied auf und meine Füße setzten sich spätestens dann in
Bewegung und schwangen meinen Körper über die Tanzfläche. Ein
wunderbares Lied, das klingt wie... wie... wie Florence & The
Machine, wie The Knife! Ist es aber nicht.
Und dann forschte ich ein bisschen, hörte mir ein weiteres Lied an, das
Lose It heißt und klingt wie... wie.... wie Florence & The
Machine, wie The Knife und: AUSTRA ja, so klingt das!
Und dann hörte ich, dass die am 16. Juni im Conne Island spielen, ja,
Wahnsinn! Doch was ist das eigentlich für eine Band, von der ich bisher
nie gehört hatte?
AUSTRA ist ein junges kanadisches Duo. Das Debüt steht am Ende einer
langen Entwicklungszeit der Songwriterin der Band: Katie Stelmanis. Sie
verbrachte viel Zeit mit dem obsessiven Studium der klassischen Musik und
wollte ursprünglich Opernsängerin werden. Doch zum Ende ihrer
Highschool-Zeit änderten sich ihre Prioritäten, sie entdeckte neue
Genres, spielte in ihrer ersten Band und lernte mit Computer-Software
umzugehen, die es ihr ermöglichte, ihre eigene Musik für jedes
Instrument zu komponieren, um ihre Stimme darüber zu legen und so epische
Soundlandschaften zu schaffen, für die sie alsbald bekannt werden sollte.
Vorerst lieh sie ambitionierten Popbands in Toronto ihre Stimme, bis sie sich
schließlich langsam zur Solokünstlerin entwickelte.
Die zweite Hälfte von AUSTRA ist Katies Langzeitfreundin Maya
Postepski, die schon bei Galaxy mit Katie zusammen gearbeitet und
sie bei ihren zahlreichen DIY-Touren als Drummerin unterstützt hatte. Sie
ist ausgebildete Percussionistin, kümmert sich um Produktion und
Beatprogrammierung und bringt ihre Erfahrungen erfolgreich ein, um Katies Songs
weiter auszufeilen. Ebenso liefert sie kreative Grundlagen, die die akustische
Kollaboration ausbalancierter machen.
Und so verschmelzen im AUSTRA-Sound alle möglichen Einflüsse, Pianos
bereiten den Weg für Keyboards, die Songs bauen sich auf, schleppen sich
dahin mit drängenden, dunklen Melodien, die sich durch eine Armee von
Synthesizern schlängeln und um Katies unheimlich erstaunliche, dominante,
kräftige und zugleich weiche Stimme tummeln. Dass Katie eine Liebhaberin
trauriger, melancholischer Musik ist, ist nicht zu überhören. Schon
immer war sie von der dunklen Seite der Dinge angezogen. Insofern zeigt
sich die Ästhetik sehr direkt in meiner Musik und der Art, wie ich mich
präsentiere (Intro, Mai 2011).
Bei Live-Auftritten werden AUSTRA von Dorian Wolf, dem ehemaligen
Bassist der Band Spiral Beach, und Sari & Romy Lightman als
Backgroundsängerinnen komplettiert. Doch die beiden können mehr als
nur im Hintergrund singen: Bevor uns AUSTRA mit ihrem queeren Sound verzaubern,
werden uns zunächst die beiden Zwillingsschwestern als TASSEOGRAPHY
mit ihren ruhigen, gefühlvollen und fast schon zu schönen
Tönen in ihren Bann ziehen. Manche von euch kennen Romy & Sari
vielleicht besser als Ghost Bees. Bekannt wurden sie unter anderem durch
ihre Experimente mit schweren, sphärischen Klängen, Kriegstrommeln
und hebräischen Liedern. Nun setzen sie dieses Musikprojekt mit
geändertem Namen fort. 2008 veröffentlichten sie (noch als Ghost
Bees) ihr erstes Album mit dem Titel Tasseography. Dies ist die
Bezeichnung für die Fähigkeit, aus Teeblättern und Kaffeesatz
lesen zu können. Ihre Ururgroßmutter soll diese Gabe besessen haben,
wovon Romy und Sari so fasziniert sind, dass diese Fähigkeit immer wieder
in ihrer Musik auftaucht.
Die Single Healthy Hands ist der Vorbote einer LP, die durch das in der
atmosphärischen Verdichtung bereits gut hörbare Mitwirken von
Taylor Kirk und seiner Timber Timbre-Band besondere Erwartungen
weckt. Ich bin gespannt auf das junge mystische Neo-Gothic-Folk-Duo, das
ebenfalls aus Kanada stammt, und als Einflüsse neben ihrer
Ururgroßmutter Isis, Amethysten (= die violette Varietät des
Quarz) und Kristallkugeln benennt.
Den Rahmen des Abends bilden zwei zauberhafte DJ`s, zu deren Musikschätzen
ich immer wieder mit größtem Vergnügen über die
Tanzfläche wirble und dabei vielleicht sogar ein bisschen schwebe vor
lauter Überwältigung. Beide sind vielseitig mit einem
unüberhörbaren roten Faden in ihren Sets.
ZACKER ein alter Waver bewegt sich im Bereich moon
musick, weird electro, dark rave, avant pop, death
disco, cold wave und passt damit perfekt ins Line-Up. Die meisten
kennen ihn sicher als Begründer der legendären NO NO
NO!-Partys im Sweat! oder der Skala, doch auch beim Konzert von
Men und We Have Band im April letzten Jahres im Conne Island
hatte er seine Finger im Spiel und fungierte neben Claire ebenfalls
selbst hinter den Plattendecks. Doch damit nicht genug, er veranstaltete
zahlreiche queere Abende, wie bspw. die alljährliche
Glitter+Trauma-Party zu Pfingsten (dieses Jahr am 11. Juni im Sweat!).
Schon Mitte der 2000er Jahre versuchte er, alten Electro mit neuen
Einflüssen zu mischen und dunkle, zeitgemäße Sounds
auszulotsen. Er ist eine der wichtigsten Persönlichkeiten für die
Entwicklung der queeren (Leipziger) Partylandschaft. Zieht euch warm an, denn
sein Set wird düster, dick und kalt!
GRITPOPs musikalischer Weg hat noch (!) nicht so viele Stationen
aufzuweisen, doch ich bin sicher, dass sich das ändern wird, denn (noch)
legt sie zwar wenig auf, dafür aber sehr gewählt. Sie reflektiert
ihre Musikperlen, bei denen viele weibliche Acts mehr Beachtung finden als bei
manch anderen DJ`s. Auch ist sie mutiger als manch andere(r), experimentiert
gern, hier und da ein Bruch und trotzdem sind ihre Sets schlüssig
und tanzbar. Oft wird einem bei GRITPOPs Sets der Gedanke kommen Wow,
welch wunderbares Lied, kenn ich gar nicht, trotzdem geil!, denn sie spielt
nicht nur Hits, sondern schaut gern über den Plattentellerrand, wodurch
man immer wieder mit neuem, wunderbarem, nie gehörtem in Berührung
kommt. Damit zaubert sie ihren eigenen vielseitigen, tanzbaren,
schlüssigen Sound, vom Gitarrenindie bis hin zum Electropop, zu dem nur
ein beschreibbares Wort passt: GRITPOP!
Wer also dunkle, mystische, harmonische Klänge liebt und obendrein noch
gern das Tanzbein schwingt, sollte sich dieses Ereignis keinesfalls entgehen
lassen.
P.