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a Mala Beat is a Mala Beat is a Mala Beat is a
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• Kritik und Ressentiment
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• Zur Absage der Veranstaltung mit Justus Wertmüller
• doku: Vielfalt tut gut
• doku: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde
• Es gibt tausend gute Gründe
• Resultat einer infantilen Inquisition
• Zu den Texten in diesem Heft
• review-corner film: Keeping it unreal
• doku: Sizilianische Verhältnisse
• doku: Macker, verpiss Dich!
• Sind die Dichotomien unser Unglück?
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• Punktsieg für den Antirassismus oder Reproduktion rassistischer Ausgrenzung?
• das letzte: Voll leer
Das Conne Island hat dem Bündnis gegen Antisemitismus verwehrt, eine
Veranstaltung mit Justus Wertmüller in seinen Räumen
durchzuführen. Der Autor und Redakteur der Zeitschrift Bahamas ist u.a.
durch seine Texte zu den antisemitischen Angriffen auf das World Trade Center,
der Ermordung Theo van Goghs und jüngst durch seine Kritik an Sarrazin und
dessen Kritikern bekannt.
Wir wollen mit ihm eine Veranstaltung zum Thema Integration durchführen,
weil er dem Islam nicht mit antirassistischer Vorsicht und multikultureller
Toleranz begegnet, sondern dessen individualisierungs-, säkularisierungs-
und integrationsfeindliche Stoßrichtung benennt. Wertmüllers
Religionskritik ergreift dabei gerade Partei für jene, die in erster Linie
betroffen sind: jene, die durch die islamische Ordnung unterdrückt und
gefangen gehalten werden.
Einige fragen sich, was geschehen muss, damit eine Veranstaltung im Conne
Island nicht stattfinden darf. Diskussionen im Plenum des soziokulturellen
Zentrums, ob die eine oder andere Band aufgrund ihrer Texte auftreten darf,
sind keineswegs neu und schlagen sich hin und wieder in Stellungnahmen des
Plenums nieder. Ein bisher einmaliger Vorgang ist es allerdings, dass uns das
Plenum eine Diskussionsveranstaltung im Conne Island verbietet.
Das Plenum begründete dies nicht zuletzt damit, dass die Messlatte bei
politischen Veranstaltungen höher liege als bei kulturellen. Ansonsten
wäre der Konzertbetrieb des Ladens wohl auch ernstlich in Gefahr. Den
Reigen eröffneten Mitglieder des Antifaschistischen Frauenblocks
Leipzig (AFBL) mit den Vorwürfen Rassismus, Sexismus und
mangelnder Diskussionskultur. Als Beleg wurden einige aus dem
Zusammenhang gegoogelte Zitate von Justus Wertmüller angeführt. In
einem dieser Zitate war die Rede von den Ziegenfickern des Propheten
(Bahamas 46/2005). Wenn man Texte nach alter Schule liest von Anfang bis
Ende hätte man wissen können, dass Wertmüller hier
schlichtweg Theo van Gogh zitiert. Wertmüller verwendete sich in einem
Artikel für den niederländischen Filmemacher, der aufgrund seiner
Islamkritik von einem eifrigen Moslem ermordet wurde. By the way, van Goghs
Film Submission wurde seinerzeit von uns im Conne Island gezeigt. Aber
wahrscheinlich hatte da einfach jemand vergessen, vorher Google zu
bemühen.
Weiterhin wurde vorgebracht, dass Wertmüller die Bezeichnung
Kopftuchmädchen affirmiere. Der ganze Satz bei Wertmüller
heißt dann aber: Dass aber die Bezeichnungen
>>Kopftuchmädchen<< und >>Importbraut<< nicht, wie
die Antifa meint, eine >>Abwertung muslimischer Frauen<< von Seiten
Sarrazins darstellen, sondern die real existierende, von der community und den
Familien verbrochene Abwertung von Frauen zu patriarchalem Eigentum auf den
Begriff bringt, wollen die Freunde des Respekts vor anderen Kulturen nicht
verstehen.
Dass in einer Veranstaltungsankündigung von Genderquatsch die Rede
war, diente als Beleg für Sexismus. Hier der Vollständigkeit
halber das ganze Zitat: Das Schicksal von Türken oder Arabern, die
man gelernt hat, >>Muslim_innen<< zu nennen, als ob der
Genderquatsch auch nur irgendeinen türkischen Schwulen oder ein arabisches
Mädel vor dem Zugriff ihrer Väter, Brüder und Ehemänner
schützen würde, ist den linken Gegnern Sarrazins also vollkommen
egal. Es ist unschwer zu begreifen, dass angesichts eines patriarchal
strukturierten Zwangssystems, unter dem Frauen zugerichtet und verstümmelt
werden, die Verwendung einer Gleichheit suggerierenden Wortschöpfung wie
Muslim_innen zynisch ist.
Wenn sich die Vorwürfe nicht aus zitierten Zitaten speisten, dann wurde
ein Gerücht aus irgendeinem Internetforum hervorgekramt mit
Sicherheit einer vertrauenswürdigen Quelle: Justus Wertmüller
habe angeblich auf einem Vortrag von arabischen Hackfressen geredet. Um
ihn aus dem Conne Island auszuschließen, ist offenbar kein Mittel zu
peinlich. Die Begriffe Sexismus und Rassismus wurden in aller Ungenauigkeit
verwendet, da: so viele verschiedene Begriffe von Rassismus und Sexismus
extistieren (Eine Teilnehmerin im Plenum). Statt gesellschaftliche
Verhältnisse zu kritisieren, verkommen diese Begriffe zu Tickets und
werden ihres Gehalts beraubt. Der bloße Vorwurf, jemand sei Rassist oder
Sexist, reicht schließlich in der linken Szene aus und nicht nur
da , um ihn für vogelfrei zu erklären. Es handelt sich um
Rufmord, wird der Vorwurf leichtfertig gebraucht und nicht argumentativ belegt.
Das Plenum stellt sich in seiner Stellungnahme zwar nicht geschlossen hinter
den Vorwurf, verbreitet ihn dann aber doch unbegründet und schwarz auf
weiß in der Öffentlichkeit: Einige Plenumsteilnehmer hätten ihn
erhoben.
Um den Rauswurf abzusichern, verlegten sich die Gegner der Veranstaltung auf
dem Plenum darauf, das Diskussionsverhalten von Justus Wertmüller
anzuprangern und das war schließlich der Zug, auf den andere
Plenumsteilnehmer aufspringen konnten. Jene, die Veranstaltungen mit ihm
besucht haben, wissen wovon die Rede ist: Er polemisiert, poltert und
lässt kein gutes Haar an seinem Gegner. Ein beredtes Zeugnis legt ein
Interview mit dem Radio Corax ab, in dem er hinsichtlich Aussehen und Gesinnung
behauptet: Linke sind hässlich. Man könnte sich wie wir
im Bündnis streiten, ob dies als Beschimpfung oder als Zuspitzung
einer Analyse zu gelten hat. Einig sind wir uns darin, dass wir seinen Thesen
zum Thema Integration in Leipzig Gehör verschaffen wollen und
Wertmüllers Rhetorik kein Vorwand sein darf, eine Veranstaltung mit ihm zu
unterbinden.
Von wegen Beschimpfung: Wie hält es eigentlich die linke Szene selbst
damit? Auf linken Demonstrationen im Umland von Leipzig ist es beispielsweise
üblich, Kühe, Schweine, Ostdeutschland zu rufen, um alle
Umstehenden pauschal als provinziell zu verurteilen, bevor man mit
Wochenendticket und Regionalbahn zurück in die Metropole an der
Pleiße fährt. Die Überschrift einer Conne-Island-Stellungnahme
ist mit Cosmopolitan Krauts? Fuck off! auch nicht gerade zimperlich und
schafft cool den sprachlichen Spagat zwischen Kosmopolitismus, Sauerkraut und
Ficken. Der AFBL attestierte an anderer Stelle gleich der ganzen
Normalbevölkerung, genauso antisemitisch und rassistisch wie Nazis
zu sein.
Die linke Szene beleidigt die immer schon durchweg antisemitische, rassistische
und sexistische Mehrheitsgesellschaft, die sie jeder gesellschaftlichen
Verbesserung zum Trotz immer wieder heraufbeschwören muss und die sie so
bitter benötigt, um sich als das bessere Kollektiv zu konstituieren.
Justus Wertmüller hingegen trifft die linke Szene selbst. In diesem Sinne
machte auch ein Teilnehmer des Plenums geltend, sich in seinem eigenen
Laden nicht mehr wohlfühlen zu können, wenn Wertmüller
käme.
Als Gegenentwurf zur bösen Gesellschaft stiftet sich die linke Szene als
gute Gemeinschaft. Man versteht sich auf die politisch korrekte Redeweise, hat
mindestens ein Plenum, kleidet sich szenekonform und grenzt sich vom Pöbel
ab. Die Harmonie und der innere Frieden darf in diesem Entwurf nicht von
außen gefährdet werden. Nur so ist es nachzuvollziehen, wenn Justus
Wertmüller der zentnerschwere Vorwurf gemacht wird, er sei anti-links.
Früher waren Veranstaltungen mit Justus Wertmüller auch im Conne
Island möglich. Auch wenn der Laden einer linken Szene nahestand,
war er nicht identisch mit ihr, was im Vergleich zu traditionellen linken
Jugendzentren ein höheres Maß an Offenheit erlaubte. Aber das Conne
Island entwickelt sich offenbar von einem Ort der Kontroverse zu einem
klassischen autonomen Zentrum, in dem es um Konsense, diffuse Standards und
Wohlfühlatmosphäre geht. Das Conne Island verkommt so zum zweiten
Wohnzimmer, aus dem man denjenigen rauswirft, der mit seinen dreckigen Schuhen
über den Teppich läuft und seine Füße auf den Tisch legt.
Das kuschelige Wohnzimmer soll unter Kontrolle bleiben. Derjenige, der
verdächtig ist, sich nicht an die Hausordnung zu halten, wird gar nicht
erst reingelassen.
Veranstaltungen sind nicht dazu da, um den Betriebsfrieden zu wahren. Eine
kritische Auseinandersetzung hat nichts mit Wohlfühlen zu tun. Wer sich
wohlfühlen möchte, dem sei ein Spaziergang oder die Lektüre
eines gefälligen Romans angeraten. Unsere Absicht ist es, eine
Diskussionsveranstaltung durchzuführen, die Standards in Frage stellt und
zum Streit nötigt. Für Veranstaltungen dieser Natur ist im Conne
Island offensichtlich kein Raum mehr.
Bündnis gegen Antisemitismus