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• kulturreport: Campy Panzerluft und antisemitischer Kitsch
• ABC: G wie Gewalt
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• Linker Irrtum, schwerer Irrtum
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• Das ist doch alles nicht so einfach...
• doku: Oben bleiben. Weiter gehen.
• doku: Auf einer Skala von eins bis zehn: Wie Scheiße ist Deutschland?
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Libanon, Sommer 1982. Ziemlich deplatziert wirkt der im lichtdurchfluteten
Sonnenblumenfeld stehende israelische Panzer; wie ein orientierungsloses
Stahlungetüm. Er wird der einzige Handlungsort im Film Lebanon
sein, denn nur die Geschehnisse im oder der Blick aus dem Panzer sind für
den Verlauf der Geschichte bedeutsam.
Das Werk des israelischen Regisseurs Samuel Maoz erzählt vom ersten
Kampfeinsatz einer jungen, frisch ausgebildeten Panzerbesatzung im Libanonkrieg
1982 und avanciert dabei durch die dramaturgische Begrenzung zu einer Art
Kammerspiel, in dem die Außenwelt den Zuschauer lediglich über den
Zielfernrohrblick des Bordschützen und Hauptprotagonisten Shmulik
erreicht. Von einer Sekunde auf die nächste finden sich die jungen
IDF-Soldaten nicht mehr in Übungssituationen, sondern inmitten eines
tatsächlichen Krieges wieder. Ihr Panzer ist an einem Kontrollposten
stationiert, ein schwarzer BMW nähert sich, ignoriert die Aufforderungen
anzuhalten, übergeht alle Warnungen. Shmulik bekommt den Befehl zu
handeln, den Auslöser zu betätigen. Er schafft es nicht. Das Auto
explodiert, Selbstmordanschlag, ein israelischer Soldat stirbt. Seine Leiche
wird der Panzerbesatzung anvertraut. Keine Minute später fährt ein
Kleinlaster auf den Posten zu, Shmulik zögert, der Fahrer gibt
beschwichtigende Handzeichen. Shmulik drückt den Auslöser. Das
Fahrzeug geht in einer Feuerwolke auf, brennend stürzt der Mann auf die
Straße, schreit markerschütternd, bevor er stirbt. Zerfetzte
Hühner flüchten chaotisch. Der Panzer der IDF hat einen harmlosen
Hühnerbesitzer getötet. Szenen wie diese mögen den
sensibilisierten Antideutschen aufhorchen lassen wird es doch immer
recht heikel, wenn sich Filmemacher, Künstler oder Literaten
militärischen Auseinandersetzungen widmen, in die Israel involviert ist.
Oft schwant dem kritischen Betrachter ja, was folgt. Maoz` Film jedoch ist
weder offen anklagend noch antiisraelisch. Gelegentlich hebt der Regisseur den
ethischen Zeigefinger, spult die wohlbekannte Antikriegsfilmleier ab: im Krieg
leiden alle Beteiligten, ihn zu erfahren ist unerträglich für
Zivilbevölkerung und Soldaten gleichermaßen. Doch niemals im Film
nehmen die Protagonisten die Rolle der skrupellosen Killer,
unmenschlichen Invasoren oder gar blutrünstigen Juden ein,
die ihnen in der antizionistischen und antisemitischen Propaganda gerne
zugeschrieben wird. Es sind unerfahrene Jungs, zerfressen von Angst und Panik,
gewissenhafte junge Soldaten, die Befehle erhalten, zweifeln, Fehler machen,
letztlich einfach nach Hause möchten. Es ist der übliche,
moralingesäuerte, aber weder verwerfliche noch überzeichnete Blick
auf das Individuum in einer dauerhaft lebensbedrohlichen Situation.
Unbedarftheit und Ironie
Wie schon Ari Folmans intelligente Zeichentrick-Dokumentation Waltz with
Bashir ist auch Lebanon ein autobiographischer Film. In Gestalt seines
Alter Egos Shmulik verarbeitet Maoz die eigene Erfahrung als Bordschütze
im Libanonkrieg er will aufzeigen, dass sich für den einfachen
Soldaten kein Bild von den Geschehnissen außerhalb der stickigen
Panzerkapsel zusammenfügen mag. In der klaustrophobischen Abgeschiedenheit
verschwimmen die Hintergründe des eigenen Handelns; inmitten der
psychischen und physischen Extrembelastung löst die situative und
selektive Wahrnehmung durch das Zielfernrohr den Kontext und Grund des Krieges
auf. Maoz` Charakterstudie könnte in jedem Krieg angesiedelt sein. Sein
Versäumnis, auf die konkreten Zusammenhänge des Libanonkrieges zu
verweisen, scheint zwar im ästhetischen Rahmen des Filmes nachvollziehbar.
Mit Blick auf die alltägliche Bedrohung der einzigen Demokratie im Nahen
Osten und den allgegenwärtigen Israel-Hass in der westlichen Welt ist
diese Lücke jedoch problematisch. Es droht eine Botschaft anzukommen, die
so nicht intendiert ist: Krieg ist schlecht, es sind Israelis, die dort gegen
Unschuldige Krieg führen und auch wenn die Panzerbesatzung sich
sträubt, moralisch integer scheint, so sitzen doch immer noch Israelis,
Juden, an den Schalthebeln. Man könnte Maoz vorwerfen, zu unbedarft zu
sein angesichts einer nach israelkritischen Berichten gierenden Phalanx
europäischer Filmkritiker und Medienmenschen. So wurde sein Film, der 2009
den Goldenen Löwen in Venedig gewann, dementsprechend gelobt, wenn
auch mit dem häufig geäußerten Einwand, der Regisseur
bezöge keine klare Position, setze er doch die Leidenden innerhalb und
außerhalb des Panzers gleich. Weil Israel nicht explizit verteufelt wird,
bietet der Film nur ungenügend Stoff für
Verschwörungstheoretiker und antizionistische Friedensfreunde. Zwar
wäre da beispielsweise der gewissenlose Kommandant, der seinen
Untergebenen flüstert, die völkerrechtswidrigen Phosphorbomben im
Funkverkehr nur noch als Rauchbomben zu bezeichnen. Unpassend nur, dass
er sich schließlich doch als gütiger Mensch erweist, seine
herausfordernde Rauheit lediglich notwendig und pragmatisch erscheint
angesichts der eigenen Beklommenheit. Auch die obligatorisch auftauchende
Metaszene der Moralfilmindustrie vermag es in ihrer kulminierten
Eindimensionalität doch nicht ganz, den israelfeindlichen Reflex in
Wallung zu bringen es ist gewissermaßen die Fremdpein evozierende
Ur-Pointe, auf welche alles hinauszulaufen droht: ein im staubigen
Wüstenboden verendender Esel, dem, noch zuckend, eine Träne aus dem
feuchten Auge rollt. Trotz des sentimental aufgeladenen Bildes werden wohl nur
außerordentlich ressentimentgeladene Rezensenten auf die Skrupellosigkeit
der Israelis verweisen und selbstzufrieden bestätigt sehen, dass
der Jude selbst vor unschuldigen Tieren keinen Halt macht.
Nach gefühlten unendlichen Minuten wendet sich die Kamera respektive das
Zielfernrohr ab und fokussiert nun, ja was wohl: zerberstende libanesische
Häuser, eine ausgebombte Familie, schreiende Kinder. Der Panzer
schießt, alle sterben, bis auf eine Frau, augenscheinlich die Mutter der
Kinder. Sie rennt verzweifelt auf die Straße, fleht um Hilfe. Fängt
schließlich Feuer, verliert ihre Kleider. Es ist eine schockierende
Szene. Unerträglich, erschreckend. Unerträglich wegen der beinahe
exhibitionistischen Sicht auf ein leidendes menschliches Wesen. Erschreckend
vor allem aber aufgrund der lächerlichen Naivität, die hier offenbar
wird und im Verlauf des Films häufiger aufblitzt als ob mit der
Aneinanderreihung schrecklicher Szenen allein Mitgefühl evoziert bzw.
potenziert werden könne. Das entwürdigte Individuum in Zeiten des
Krieges wird degradiert zur Spießrutenläuferin, gauklerhaft
gestikulierend vor einer von brennenden Trümmern gesäumten
Kleinkunstkulisse. Man wähnt sich beinahe in einem Rodriguez-Film, so
sarkastisch übertrieben wirken manche Szenen. Lebanon lässt
sich also nicht nur rezipieren als naives Antikriegskammerspiel, angesiedelt im
Inneren eines Panzers, sondern legt durch den stilisierten Blick des
beteiligten Zusehers auf Tod und Zerstörung außerhalb eine zweite
Lesart nahe: als überhöhte Groteske, als Persiflage auf jenen
filmgewordenen gutmenschlichen Gestus, der die Filmfestspiele dieser Welt zu
dominieren scheint. Als eine Art campy Friedensbewegten-Spektakel.
Die aufgeklärte Armee und antideutsche Projektionen
Die verzerrte Darstellung des Krieges, den die im Panzer quasi gefangenen
jungen Soldaten als Beobachter und Involvierte gleichermaßen erleben,
verstärkt die Distanz der Akteure zum Geschehen, die ihnen das
Zielfernrohr als einzige Verbindung nach außen ohnehin schon auferlegt.
Damit konzentriert sich der Blick auf die soziale Konstellation im Inneren, auf
die brodelnden Konflikte zwischen den Protagonisten, auf den verzweifelten
Versuch, einer Situation Herr zu werden, die nicht beherrschbar ist. Auf die
lähmende Qual, Entscheidungen treffen zu müssen, die niemals richtig
sein können. Es sind labile, verletzliche Charaktere, von einer
Unsicherheit gezeichnet, wie sie, zugespitzt formuliert, für das
bürgerliche Subjekt in einer von Ambivalenzen geprägten, liberalen
Gesellschaft typisch sein mag. Emphatisch übertrieben konstatiert ist es
das Nicht-Schießen-Wollen, das den Kern jener zivilisatorischen Standards
ausmacht, für die Israel im Nahen Osten steht und die somit auch dessen
Armee prägen. Claude Lanzmann hat einmal geschrieben, die israelischen
Soldaten hätten die Gewalt nicht im Blut, und das Vetorecht des
Lebens, das die Bewahrung des Lebens zum Prinzip macht, hat zu besonderen
militärischen Taktiken geführt, die für diese Armee und keine
andere bezeichnend sind. Es ist ein für israelfreundliche Ohren
angenehmer Gedanke, der die praktische Notwendigkeit der Selbstverteidigung des
jüdischen Staates mit dem nötigen aufklärerisch-menschlichen
Pathos zu unterfüttern scheint. Der edle IDF-Soldat, der selbst im Kampf
Mensch bleibt, weder fanatisch noch ideologisch verbrämt. Die
Lesart scheint auf den ersten Blick attraktiv und ist doch nichts als
romantische Verklärung und riesige Projektionsfläche für
antideutsche Fantasien. Denn die jungen Soldaten in Lebanon sind weder
Kämpfer noch Idealisten, und eben nicht einmal mehr kritische Menschen,
die Mensch bleiben wollen ein selbstbestimmtes und reflektiertes
Wollen können sie sich gar nicht leisten, weil jede Vorstellung einer
abstrakten Gerechtigkeit oder Freiheit angesichts der Furcht vor dem eigenen
Tod einfach verpufft. Als zynischer Antideutscher könnte man eine
antisemitische Dimension des Films höchstens in der Darstellung des
undisziplinierten, weichen, angsterfüllten Soldaten ausmachen, der
wimmernd nach seiner Mutter ruft und nicht in der Lage ist, zu urteilen, zu
handeln, letztlich: zu schießen. Schließlich ist die Rede vom
verkopften, sensiblen, unmännlichen, schwachen
und intellektuellen Juden ein gängiges Motiv antisemitischer
Traktate. Gleichsam noch zynischer würde die Bemerkung ausfallen, dass die
IDF, bestünde sie lediglich aus solcherlei Soldaten, vielmehr einem
chaotischen Haufen als einer schlagkräftigen Armee gliche und
Israel womöglich nicht mehr existieren würde. Aber natürlich ist
man nicht zynisch und so lässt Lebanon den Zuschauer etwas
ratlos zurück. Man kann Maoz` Film zur eindringlichen Charakterstudie
erklären oder zum belanglosen Antikriegskitsch, als strukturell
antiisraelisches Machwerk ablehnen, als unterschwellig proisraelischen
Kunststreifen für den geneigten Antideutschen feiern oder ihn ähnlich
ironisch gebrochen konsumieren, wie es im avantgardistisch-intellektuellen
Kunstmilieu der 80er Jahre mit dummen, sexistischen Action-Filmen geschah. Oder
man nimmt Lebanon als das wahr, was er ist: ein harmloser, stellenweise
ungewollt komischer, moralvoller, dennoch unterhaltsamer, israelkritischer und
israelfreundlicher, unpolitischer und ahistorischer, drastischer und
erbaulicher Film über den Zweifel, die Angst, den Tod und ja, auch
völlig unesoterisch, über die Menschlichkeit.
Miral Unpolitischer Israelhass par excellence
Lebanon wird manche der besagten Kritiker unbefriedigt
zurücklassen, dämmert ihnen doch, dass Maoz nicht die erwünschte
antiisraelische Projektionsfläche bietet; nicht zur Genüge aufzeigt,
dass die israelischen Soldaten die Bösen sind. Dafür wird sie
ein anderer Film eines jüdischen Regisseurs, der demnächst in den
deutschen Kinos anläuft, in umso stärkerem Maße
besänftigen. Denn Miral, laut Pressemitteilung die
ungewöhnliche, berührende Geschichte einer Frau auf der Suche nach
Frieden und Glück und ein faszinierender Mix aus Licht, Farben,
Emotionen und Tönen des New Yorker großen Künstlers
Julian Schnabel ist nichts als ein verkitschtes, antiisraelisches Machwerk.
Freida Pinto spielt Miral, eine hübsche junge Palästinenserin, die in
Ost-Jerusalem bei ihrem Vater Jamal aufwächst, am bekannten
Dar-Al-Tifl-Institut zur Schule geht, sich als Erwachsene schließlich in
den politischen Aktivisten Hani verliebt und dem Widerstand gegen die
israelische Besatzungsmacht anschließt. Soweit die Rahmenhandlung
der Rest kann in aller Kürze nur als verklärendes
Widerstands-Gesülze und Aneinanderreihung übelster Ressentiments
gegen Juden und Israel bezeichnet werden. Es wäre die eine Sache,
würde sich der Film ähnlich wie Lebanon lediglich mit der
Gewalterfahrung des Individuums auseinandersetzen und dabei geflissentlich
über die politischen Hintergründe ausschweigen. Doch in Miral
tauchen jüdische Israelis nur als dämonische Bedrohung auf,
wahrgenommen in Gestalt menschenfeindlicher Soldaten, alles plattwalzender
IDF-Panzer oder zerstörerischer Abrissbagger. Da ist die israelische
Polizistin, die als kaltherzige Bestie die wehrlose Hauptprotagonistin foltert.
Da sind die israelischen Grenzpatrouillen, die bei der Kontrolle eines Busses
gleichsam willkürlich die Taschen der Passagiere auskippen. Und
natürlich jede Menge skrupelloser IDF-Soldaten, die in Miral den
Konterpart zu jenen in Lebanon einzunehmen scheinen und freudig Jagd auf
unschuldige palästinensische Kinder machen. Diese konkrete Auswälzung
antisemitischer Klischees auf einzelne handelnde Charaktere ergänzt
Schnabel mit der im Übrigen auch ästhetisch äußerst
anspruchslos umgesetzten Darstellung der dauerhaften-abstrakten Bedrohung durch
Israel. Die prügelnden Siedler im Fernsehen das sind die
Juden. Die Schüsse auf protestierende Jugendliche auch das sind
die Juden. Die, die unsere Häuser abreißen ebenfalls
die Juden. Israel sei das Krebsgeschwür in Palästina,
wie es eine der Figuren ausdrückt und weder Drehbuch noch Dialoge,
weder Kameraperspektiven noch bildliche Formgebung vermögen es, von dieser
Aussage auf einer erzählenden oder Meta-Ebene zu abstrahieren
beziehungsweise sich gar davon zu distanzieren. Jede Aussage im Film ist nichts
anderes als eine unreflektierte und unkritische, vor allem aber auch
völlig unzweideutige und niemals ironisch gemeinte Aussage des Regisseurs.
So wirkt Miral über weite Strecken nicht nur tendenziös oder
einseitig, sondern wie harte pro-palästinensische Propaganda. In
Miral sind die Palästinenser Kinder des Sonnenscheins,
gutaussehende Helden mit großen Augen und Herzen, beinahe bollywoodesk
tanzend und redend vor allem aber freilich Opfer der Israelis.
Wie schön wäre die prinzipiell heile palästinensische Welt
voller Liebe und Sehnsucht, Solidarität und Hilfsbereitschaft, gäbe
es keine Juden mehr! Schnabels naive Beteuerung, einen unpolitischen Film
gemacht zu haben, wirkt ebenso unwissend wie heuchlerisch. Leider
bestätigt sich ein weiteres Mal, was zunächst wie Ressentiment
klingen mag: dass der Blick des unbedarften oder sich unbedarft gebenden
Künstlers auf eine politisch hochkomplexe Konstellation wie jene im Nahen
Osten bei Schnabel ja sogar nicht nur fragmentarisch, sondern
fünfzig Jahre abdeckend nicht Reflexion zeitigt, sondern
antiaufklärerische Verkürzung, nicht Sensibilität, sondern
Grobheit. Dass auch im Medium Film, in welchem ein unterstelltes dialektisches
Potential ja viel eher zum Tragen kommen kann als beispielsweise in der
bildenden Kunst, ein empfindliches Sujet zum sittlich-lamoryanten Brei
verwurstet werden kann, der nicht nur peinlich ist, sondern gerade in seiner
Borniertheit auch Gefahren in sich birgt. Dass Schnabel gleichzeitig mit der
palästinensischen Autorin Rula Jebreal liiert ist, die die literarische,
halb-autobiographische Vorlage zum Film lieferte, vermag die ekelhaften
Andeutungen und unsäglichen Aussagen im Film nicht zu entschuldigen,
sondern verstärkt die Vermutung, dass Miral keineswegs aus Zufall
ein explizit antiisraelischer Film geworden ist. Auch der Versuch, verschiedene
Episoden des israelisch-palästinensischen Konflikts abzudecken, zeugt
nicht von abwägender Reflexion, sondern vom zynischen Gegenteil: Ob die
Zeit der Siedlungen nach der Gründung Israels, der Sechstage-Krieg oder
die beginnende Intifada in den 80er Jahren die historischen Momente, an
denen die Protagonisten der verschiedenen Generationen in Miral
teilhaben, dienen lediglich der Illustration dessen, was Schnabel uns
eigentlich sagen will: Dass nämlich Israel in den über 60 Jahren
seiner Existenz nie etwas Anderes war und sein wollte als ein
kaltblütiger Aggressor, eine mordende Besatzungsmacht, ein
Land gegen das zu kämpfen als sich progressiv verstehender Mensch
Ehrensache ist. Ein hinterhältiger Staat, bestehend aus
hinterhältigen Menschen, die geradezu Spaß daran zu haben
scheinen, grundlos Kriege zu beginnen, Mauern zu bauen und die wahren,
edlen Völker des Nahen Ostens zu malträtieren.
Sarkasmus oder Stinkbomben?
Womöglich wird die eindeutige Plumpheit in Miral auch
unreflektiertere Zeitgenossen unter den Filmkritikern davon abhalten, ihn in
den Himmel zu loben. In, sagen wir, Israel prinzipell feindlich gesonnenen
Kreisen, egal ob links oder rechts, wird der Film aber als authentisches
Zeugnis einer angeblichen Bedrohung, die von Israel ausgehe, gefeiert werden
moralisch und politisch korrekt abgenickt durch die Tatsache, dass der
Regisseur ja amerikanischer Jude ist. Was die so genannte studierte,
undogmatische Linke angeht, läge es zwar nahe, wie bei Lebanon
einen Versuch zu wagen, den Film ironisch zu rezipieren
schließlich prädestiniert der unerträglich banale
Heile-Welt-Firlefanz ebenso dafür wie der psychedelisch anmutende,
geschmacklose Farbenwirrwarr, der den Film über weite Strecken prägt.
Ebenso bestens geeignet scheinen die seichten Dialoge und unrealistisch
affektierten Gefühlsausbrüche der Protagonisten. Doch was zum
Beispiel bei gemäßigt deutschtümelnden Heimatfilmen noch
funktionieren mag, gelangt dort an eine Grenze, wo ein rezeptionsäshetisch
behaupteter sarkastischer Schein das was man Camp nennt sich
einem breiten Publikum nicht erschließen mag und gleichzeitig mit einem
Wust an brisanten politischen Implikationen daher kommt, von denen man im
linken Intellektuellenmilieu zwar abstrahieren kann ja, die man geradezu
als Lustgewinn beim ironisierten Schauen des Films empfinden mag die
aber der gewöhnlichen Kinogänger nur als Bestätigung seiner
antizionistischen und antisemitischen Ressentiments verstehen wird. Was also
tun? Den Film boykottieren und ignorieren? Oder anschauen und Aufklärung
betreiben? Flyer vor den Vorstellungen verteilen oder gar Stinkbomben in die
Kinosäle werfen? Muss man sich als guter Linker und aufrechter
Antideutscher überhaupt mit einem solchen Machwerk auseinandersetzen?
Letztlich müsste man sich konsequenterweise dann ja auch zu jedem der
Dutzenden sexistischen Filme verhalten, die jedes Jahr im Kino zu sehen sind.
Also: wer einen netten Kinoabend verbringen und dabei ab und zu ganz politisch
unkorrekt in sich hinein grinsen möchte, schaue sich Lebanon an.
Wer es sich hingegen zutraut über zwei Stunden antisemitischen Kitsch zu
ertragen, wage sich in Miral. Die Stinkbomben kann man ja
vorsichtshalber mitnehmen.
Theodor Heisenberg