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Aktuelles Heft

INHALT #181

Titelbild
Editorial
• das erste: Was die LVZ Sonntagabend vom Tatort lernen könnte...
Fear and loathing im Moseltal
Runes, Hang the Bastard, Coldburn
65daysofstatic
Einen aufs Haus
MODESELEKTION Vol. 1
Shrinebuilder
Pantéon Rococó
Blood Red Shoes
„Trilingual Dance Sexperience“
dd/mm/yyyy, Women, Baths
»You are stronger than you think«
»Freunde im Groove«
Casper
Rise and Fall, Nails, Harms Way
Winds of Plague u.a.
Veranstaltungsanzeigen
• kulturreport: Campy Panzerluft und antisemitischer Kitsch
• ABC: G wie Gewalt
• review-corner film: Jud Süß – Ein Film ohne Anspruch
Linker Irrtum, schwerer Irrtum
Konzentriertes Ressentiment
Das ist doch alles nicht so einfach...
• doku: Oben bleiben. Weiter gehen.
• doku: Auf einer Skala von eins bis zehn: Wie Scheiße ist Deutschland?
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• das letzte: Viel Spaß für wenig Geld

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»You are stronger than you think«

Kele

KELE /live - "frontman of BLOC PARTY"
Sizarr
+ aftershow dance w/ Preller & Peter Meier

KEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEELEEE! Fast möchte ich mich meinem Vor-Autor aus der letzten CEE IEH-Ausgabe anschließen und nur schreiben: Ihr müsst da alle hingehen! Ein Highlight des Conne Island-Pop-Jahres 2010 und ein jetzt schon unvergesslicher Abend, dem mein halber Bekanntenkreis mit leuchtenden Augen entgegenfiebert. Ich werde metaphorisch durch den Saal schweben – es sei denn, Glückshormone verleihen reale Flügel. Dann findet ihr mich neben der Discokugel, ausgelassene Kreise ziehend ;)
Aber gut, ich versuch mal, mich ein wenig zusammenzunehmen und zum sachlicheren – und informativeren – Teil zu kommen: Der Sänger einer der relevantesten und erfolgreichsten Indietronic-Bands der letzten Jahre, Bloc Party, Kele Okereke veröffentlichte im Sommer diesen Jahres sein erstes Album. Ich war zunächst skeptisch, weil ich Bloc Party teilweise großartig, teilweise aber auch recht öde und gewollt fand. Aber das Solo-Album überzeugt durchweg mit einer mitreißenden Mischung aus emotionalen Dancefloor-Smashern und herzzerreißenden melancholischen Songs, getragen von der hypnotischen und einzigartigen Stimme Keles. Ein enthusiastisches Elektropop-Album, das sowohl auf Parties als auch allein zu Haus funktioniert, oszillierend zwischen Electronica, House, Garage, 2-Step und R`n`B.
Geplant war ursprünglich nur ein Jahr Auszeit von Bloc Party, ein sabbatical year, um sich dem realen Leben und der persönlichen Entwicklung zu widmen. Doch die musikalische Kreativität ließ Kele nicht los und die Solo-Arbeit Raum für seine eigene Weiterentwicklung zu neuen musikalischen Formen. Weg vom Indierock, hin zu Elektronik: „Bei Gitarrenmusik gibt es einfach nichts, was jemand wie die Beatles früher nicht schon besser gemacht haben“, so Kele. Bei Elektro lägen die Grenzen der Musik nur in der Vorstellungskraft des Künstlers.
Er habe sich zunächst einfach ins Studio eingeschlossen und angefangen, mit elektronischen Beats zu experimentieren, was er nie zuvor gemacht habe. „It was just me and an engineer. I plugged in synths that I had no idea what they would do. I began programming drum beats, which I had never done before. It was completely back to the drawing board. It was exciting and terrifying. In most cases I sat down, pulled a drum beat out of nowhere and arranged stuff around that. This was as exciting to me as the first time I picked up a guitar.“
Den passenden Produzenten für seine Visionen findet Kele in New York – xxxchange ist bisher vor allem durch seine zahllosen Remixe aufgefallen. Das Album ist entsprechend deutlich elektronischer geraten, als leidenschaftlichen Bloc-Party-Anhängern vielleicht lieb sein dürfte. Im Vergleich zu seiner Band nimmt er seine Stimme hier weit zurück, klingt entspannter und weniger over-the-top. Mal ist seine Stimme verzerrt, mal gepitcht, mal erklingt sie im Duett mit einer Frau, mal zeigt Kele eine außergewöhnliche Sanftheit, über die er sagt: „Derart nackt war ich stimmlich noch nie zuvor. Ich wollte zerbrechlich klingen.“
Auch der Albumtitel „Boxer“ kommt nicht aus dem luftleeren Raum: „Bei diesem Sport geht es nur um dich und den Gegner“, sagt Okereke. „Du kämpfst zwölf Runden, allein, und entweder du wirst umgehauen, oder du stehst wieder auf und machst weiter.“ Bei der Produktion seines Solo-Albums habe er sich genauso gefühlt: keine Bandkollegen im Rücken, die eigene Impulse einbringen, aber auch eigene Schwächen abfedern, sondern nur er und seine ganz eigenständige veränderte musikalische Vision. Haben bei Bloc Party noch zwei Gitarristen im perfekten Zusammenspiel mit Keles hoher Stimme einen besonderen Sound geschaffen, so bilden nun treibende harte Beats die Basis, Gitarren kommen höchstens als verfremdetes Zitat vor.
Das Boxer-Motiv hat neben dem musikalischen auch biografischen Bezug: In der britischen Indierockszene, die vor allem von weißen jungen heterosexuellen Männern dominiert wird, war Kele von Anfang an eine Ausnahmeerscheinung und zum perfekten Opfer einer skandalhungrigen Yellow Press prädistiniert. Aber er hat sich nie zum Spielball machen lassen und sich standhaft Nachfragen zu seiner Herkunft und Sexualität verweigert. 2010 tritt er mit neuer Stärke und Selbstbewusstsein auf, er weiß, wo er musikalisch steht und was ihn ausmacht, und er räumt ganz en passant auch mit den Gerüchten um seine sexuelle Orientierung auf. Anfang 2010 ließ er sich von dem holländischen Schwulen-Magazin Butt ablichten und outete sich vor seinen Fans und den Medien. Thematisch geht es auf seinem Solo-Album um Wendepunkte im Leben, an denen man Dinge hinter sich lässt, die einem nicht gut tun: Drogen, Beziehungen, Jobs.
All das – die Befreiung, die Experimentierlust und die wiedergefundene Leidenschaft fürs Musikmachen – ist Kele deutlich anzuhören. Ein Ausnahme-Abend! Ein Tanzabend! Ein emotionaler Abend! Ein Disco-Abend! Der Abend der Abende!

Claire

 

25.10.2010
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