• Titelbild
• Editorial
• das erste: Was die LVZ Sonntagabend vom Tatort lernen könnte...
• Fear and loathing im Moseltal
• Runes, Hang the Bastard, Coldburn
• 65daysofstatic
• Einen aufs Haus
• MODESELEKTION Vol. 1
• Shrinebuilder
• Pantéon Rococó
• Blood Red Shoes
• Trilingual Dance Sexperience
• dd/mm/yyyy, Women, Baths
• »You are stronger than you think«
• »Freunde im Groove«
• Casper
• Rise and Fall, Nails, Harms Way
• Winds of Plague u.a.
• Veranstaltungsanzeigen
• kulturreport: Campy Panzerluft und antisemitischer Kitsch
• ABC: G wie Gewalt
• review-corner film: Jud Süß Ein Film ohne Anspruch
• Linker Irrtum, schwerer Irrtum
• Konzentriertes Ressentiment
• Das ist doch alles nicht so einfach...
• doku: Oben bleiben. Weiter gehen.
• doku: Auf einer Skala von eins bis zehn: Wie Scheiße ist Deutschland?
• Anzeigen
• das letzte: Viel Spaß für wenig Geld
Rockmusik war nicht erwünscht in den frühen 90ern in Mexiko. Es gab
wenige Läden, die Konzerte organisierten und die, die sich das trauten,
riskierten meistens mehr als einfach nur ein paar kaputte Bierflaschen. Gewalt
war damals bei Konzerten an der Tagesordnung. Es gab viele
Auseinandersetzungen im Publikum und auf dem Weg zum Konzert wurden Läden
geplündert, Autos zerkratzt und Fenster eingeschmissen, erinnert sich
Dario Espinosa, der Mitte der 90er mit ein paar Freunden PANTEÓN
ROCOCÓ inmitten einer sozialen und politisch schwierigen Zeit
gründete. Zu diesem Zeitpunkt führte die Regierung in Chiapas Krieg
gegen die EZLN (Ejército Zapatista de Liberación Nacional), die
für die Stärkung der Rechte der indigenen Bevölkerung eintrat
und sich dabei auch das Recht zusprach, gewaltsam zu kämpfen. In Mexiko
Stadt, weit entfernt von den gewaltsamen Auseinandersetzungen, wurden unter
anderem von der Szenerie, in der die Bandmitglieder zu Hause waren, Konzerte,
Demonstrationen sowie Infoabende organisiert und es wurde Geld gesammelt, um
die Zapatisten zu unterstützen. Die Ungerechtigkeiten, die die Mitglieder
von PANTEÓN ROCOCÓ sahen, verarbeiteten sie in ihren Songs und
schafften somit eine wirksame Möglichkeit, um die Probleme zu artikulieren
und auf diese aufmerksam zu machen. Schnell begriffen sie, dass sie allerdings
nur Auftritte bekommen würden, wenn sie ihr schon damals stetig wachsendes
Publikum gegen die Gewaltausschreitungen vor, während und nach den
Konzerten sensibilisieren könnten. Aus dem Grund hat Luis, unser
Sänger, sich vor den Shows immer an das Publikum gewandt und die
Ejército De Paz` (Friedensarmee) ausgerufen. Eine Armee, die,
anstatt zu schießen, tanzt, springt, singt und friedlich ist,
erzählt Dario. Die Friedensarmee sollte so einen Gegenpol zu den Armeen
bilden, die töten, um vermeintlich Frieden zu schaffen. Somit wurde aus
einem Konzert gewaltloser Protest gegen sinnlose Gewalt und ein friedlicher
Weg, die Energie auf die Probleme zu fokussieren, die zuhauf in Mexiko zum
Alltag gehören. Die Idee ging auf und schon früh war ein
PANTEÓN ROCOCÓ-Konzert eines der wenigen, das komplett gewaltfrei
verlief.
Fünf Jahre später kam eine Einladung ins Haus, die für die auf
neun Mitgliedern herangewachsene Band einen Wendepunkt in der bis dahin positiv
verlaufenden Bandgeschichte darstellte. Der erste Auslandsaufenthalt stand ins
Haus. Obwohl es wegen der überschaubaren Distanzen auf der Hand lag, ins
benachbarte Ausland zu fahren, um Konzerte zu spielen, kam die Einladung vom
FUSION-Festival. Diese Reise im Jahre 2000 war nicht nur die erste ins Ausland,
sondern auch die erste richtige Tournee, die die Band gespielt hat. Fünf
Jahre nach der Bandgründung und zehn Jahre nach ihrem ersten
Deutschlandtrip sind PANTEÓN ROCOCÓ eine Band, die sowohl in
ihrem Heimatland als auch in Zentral- und Südamerika, in den USA und in
Europa intensiv tourt und jede Gelegenheit, live zu spielen, wahrnimmt. Ihre
Reisen schärfen die Sichtweise auf die Problematiken Mexikos. Luis, der
Sänger, sagt dazu: Die Realität unseres Landes ist in voller
Härte durch unsere Konzertreisen zu spüren. Wir können uns vor
Ort mit den Leuten unterhalten und die erzählen uns, was gerade in Vera
Cruz, Tijuana, Chiapas oder anderen Regionen abgeht. Eine traurige
Realität, da in Mexiko seit längerer Zeit ein sehr blutiger Krieg
zwischen der Regierung und der Drogenmafia stattfindet. Es ist ein Krieg,
in dem es viele unschuldige zivile Opfer gibt.
Diese Realität wird von PANTEÓN ROCOCÓ verarbeitet, ebenso
wie die Tatsache, dass die Politiker keine gern gesehene Berufsgruppe in Mexiko
sind. Die Songs handeln davon, dass du enttäuscht bist, von den
Leuten, die in Mexiko Politik machen. Dass man immer wieder sehen muss, dass
die Politiker sich untereinander in die Haare kriegen, wegen Nichtigkeiten und
Dummheit. Um gleichzeitig Wichtiges und Existenzielles komplett außer
Acht zu lassen. In Mexiko City gibt es unter den Jugendlichen, den jungen
Menschen so was wie eine gemeinsame Losung, dass alle ABAJO Y A LA IZQUIERDA
(Unten und Links) sind. Und so dem Politiker sagen, dass er sie mal am Arsch
lecken kann. Dass seine Politik falsch ist, dass wir einen echten Wechsel
benötigen, und dass sie seine Art zu regieren leid sind, fasst
Leonel, Gitarrist, die Stimmung und den Inhalt des Songs zusammen.
Aber PANTEÓN ROCOCÓ haben, frei nach dem Motto Es ist nicht
meine Revolution, wenn ich nicht dazu tanzen kann!, schon immer auch Songs
fernab von Politik geschrieben und ebenso der Sehnsucht nach Liebe wie auch der
großen Party und dem Besäufnis gehuldigt. Ihr unermüdliches
Touren und die Glaubwürdigkeit ihrer Musik machen sie nicht nur in Mexiko
und Lateinamerika zum Sprachrohr einer ganzen Generation. Auch in den USA und
Europa gehören sie zur musikalischen Linken, denn ihre Botschaft ist
global zu verstehen.
In diesem Jahr feiern Panteón Rococó 15 años
ejército de paz. Den Startschuss dazu gaben sie in Mexiko City, wo sie
gemeinsam mit 11.000 Fans darauf anstießen. Weiter ging es nach Europa,
20 Konzerte in 20 Tagen standen auf der Agenda, um mit den hiesigen Fans und
Freunden zu feiern. Gekrönt wurde die Jubiläumstour mit einer
Einladung zu einem Konzert anlässlich des 100. Geburtstages des FC ST.
PAULI im Hamburger Millerntorstadion. Was einem Ritterschlag für die Band
gleich kam, sind sie doch schon seit Jahren bekennende Fans des Vereins. Mit
ihrem nun fünften Album runden sie das Jubiläumsjahr ab und fassen
zusammen, was in fünfzehn Jahren Bandgeschichte nach wie vor bewegt.
Ungerechtigkeit und Gewalt beherrschen nach wie vor die Politik und den Alltag
in Mexiko als auch weltweit und somit sollen diese 15 Jahre erst der Anfang
sein.
Presseinfos