• Titelbild
• Editorial
• das erste: Das Deutschland der Sarraziner schafft sich ab so what?!
• Island Deluxe
• Option paralysis
• Mouse on the Keys /live
• »Messing with your emotion«
• Hell on Earth Tour
• Mice Parade, Laetitia Sadier, Silje Nes
• electric island fall edition
• Samiam, The Casting Out
• Austin Lucas, Drag the River, Cory Branan.
• DOOM-Europe Tour 2010
•
• Hellnights 2010
• Stomper 98, Volxsturm, HardxTimes
• Far From Finished
• Lesung: Was kostet die Welt
• Tocotronic
• Veranstaltungsanzeigen
• »Das Ende des Kommunismus«
• review-corner buch: Abwarten? Nein Danke!
• doku: Solidarität mit Israel!
• doku: Leipzig / 16. Oktober / Call For Action
• doku: Der destruktive Charakter
• doku: Kapitalismus als Religion
• leserInnenbrief: Brief an die Leser_innen
• Anzeigen
• das letzte: Stuttgart 21 Widerstand wird zum demokratischen Fanal!
Mit mehreren Aufmärschen wollen Neonazis am 16. Oktober durch Leipzig
ziehen. Das braune Spektakel steht unter dem Motto Recht auf Zukunft und
soll nachholen, was vor fast genau einem Jahr gescheitert ist: Am 17. Oktober
2009 steckten mehr als 1300 Neonazis für viele Stunden im Leipziger Osten
fest, abgeschirmt durch die Polizei und eingekeilt von Protestblockaden. Diese
sind dank 3000 Gegendemonstrant_innen erfolgreich gewesen. Nun steht derselbe
Spuk wieder an und wir erwägen alles Nötige, um ihn wieder zu
beenden.
Leipzig-Aufmärsche sollen zentrale Szene-Events werden
Veranstaltet werden die Aufmärsche von rechten Aktivist_innen aus Leipzig.
Sie stammen aus den Kameradschafts-Gruppen Freies Leipzig,
Aktionsbündnis Leipzig und der Jungen Nationaldemokraten
Leipzig, teils mit deutlichen personellen Überschneidungen. Ihre
Anhänger_innen organisieren sich seit Jahren unbehelligt im Freien
Netz, einer gewaltbereiten Kameradschafts-Vernetzung, die sich zum
Nationalsozialismus bekennt und Ableger in Sachsen, Sachsen-Anhalt,
Thüringen und Bayern gegründet hat.
Ihre Aufmärsche dienen der Verbreitung rechter Propaganda, und zwar in
einer Form, die durch das Versammlungsrecht gedeckt ist. Dadurch wird das
Aufmarschgebiet zur Angstzone für alle, die dem Feindbild der Neonazis
entsprechen, aber auch in den Augen der Polizei Delinquent_innen sind. Mit
dieser Verdrängung und dem Gestus der Gewalt, der dabei vermittelt wird,
unterstreichen Neonazis ihre Radikalität und den Anspruch, selbst Termine
zu setzen, Bedingungen zu stellen und Konfrontationen zu suchen. Das wirkt
anziehend auf eine Klientel, die Gewalterfahrungen zuspricht und
herbeiführen will. Als erste Organisation hat den aktuellen
Aufmarsch-Aufruf daher keine Neonazi-Kameradschaft verbreitet, sondern die
Blue Caps LE, eine rechte Hooligan-Gruppierung des 1. FC Lokomotive.
Solche Aufmärsche sollen für die gesamte rechte Szene integrierend
wirken. Nach ihren Misserfolgen am 13. Februar in Dresden, am 1. Mai in Berlin
und dem 4. September in Dortmund suchen Neonazis nun wieder nach einem
funktionierenden Großaufmarsch und Leipzig ist eine Option.
Dass darüber in den Medien zumeist wieder unter dem Aspekt der Gewalt
ausführlich berichtet wird, überlagert die offenkundig
nationalsozialistischen Positionen, wegen denen sie auf die Straße gehen
und die nur selten zurückgewiesen werden.
Opfer des Systems?
Mit ihrer Kampagne Recht auf Zukunft propagieren Neonazis einen
nationalen Sozialismus als politisches Ideal. Im Aufmarsch-Aufruf zum
Thema Antikapitalismus heißt es, Zukunft bedeute
Geborgenheit in einer solidarischen Gemeinschaft. Dahinter steht die
Vorstellung einer Volksgemeinschaft vom einfachen Arbeiter bis zum
nationalen Großunternehmer also ein repressives Konzept des
historischen Nationalsozialismus. Zwar ist dieses weitgehend diskreditiert;
sehr wohl aber gelingt Neonazis damit der Anschluss an ohnehin populäre
Themen. Anknüpfend an die rassistischen Grundthese der aktuellen Hetze
gegen Migrant_innen wird behauptet, unsere Existenz als Volk sei akut
bedroht.
Zudem erklärt der Aufruf in antisemitischer Tradition, das deutsche
Volk werde von globalen Finanzjongleuren und Hochkapitalisten
rücksichtslos ausgeplündert und es leiste Frondienst am
globalen Zinskapital. Ziel sei jene neue Volksgemeinschaft, in der
Besitz nichts und Leistung und Können alles zählen. Und das, obwohl
Eigentumslosigkeit beständige Wirklichkeit für die meisten Menschen
ist und Kapitalismus bereits darauf basiert, das private Können in
der Konkurrenz zu bewähren und eben dafür Leistung erbringen, d.h.
die eigene Arbeitskraft verkaufen zu müssen. Der hier bemühte
Antikapitalismus von rechts hat insofern nichts mit einer Kritik, aber
viel mit einem Lob des Kapitalismus gemein.
Weit praktischere Ziele verfolgen die Neonazis unterdessen in ihrem Aufruf
unter dem Titel Gegen Polizeiwillkür und staatliche Gewalt. Dort
wird der verpatzte Aufmarsch 2009 als nackte Willkür des
polizeilichen Repressionsapparates dargestellt, die Neonazis-Szene werde als
revolutionäre Bewegung verfolgt und kriminalisiert.
Tatsächlich jedoch wurden fast alle Anzeigen, die von der Polizei gegen
Teilnehmer_innen des damaligen Aufmarsches aufgenommen worden sind, wieder
eingestellt.
Blick zurück nach vorn
Neonazi-Aufmärsche haben in Leipzig Tradition. Seit 2001 ist der Hamburger
Christian Worch siebzehn Mal durch die Stadt marschiert, wegen des hohen
Migrant_innenanteils oft durch Stadtteile im Leipziger Osten. Weitere Ziele
waren das symbolträchtige Völkerschlachtdenkmal oder der als
alternativ geltende Stadtteil Connewitz sein. Diese Aufmärsche wurden von
umfangreichen Gegenprotesten und meist erfolgreichen Blockadeaktionen
begleitet. So auch am 1. Mai 2006: Damals wollten Neonazis schon einmal zwei
Demonstrationen zeitgleich durchführen. Angesichts der 5000
Gegendemonstrant_innen konnten sie dies jedoch nicht durchsetzen. Ein Jahr
darauf war dann sogar der harte Kern erschöpft: Worchs letzten
Leipzig-Aufmarsch im Juni 2007 besuchten gerade einmal noch 37 Personen.
Nach wie vor ist Leipzig auch für die NPD ein heißes Eisen, seitdem
sie am 1. Mai 1998 zum Völkerschlachtdenkmal mobilisiert hatte und es dort
zu Straßenschlachten gekommen war. Zuletzt wollte die NPD am 15.
März 2008 gemeinsam mit Freien Kräften durch die Leipziger
City ziehen, meldete ihren Aufmarsch aber einen Tag zuvor wieder ab. Der 17.
Oktober 2009 war insofern ein Versuch der organisierten Neonazi-Szene, in
Leipzig wieder die Öffentlichkeit zu suchen. Nach dem verpatzten Aufmarsch
trafen sich die Freien Kräfte im Laufe des Jahres zu
Spontandemonstrationen, um den staatlichen Repressionsapparat zu
umgehen. Ihr Ruf nach dem nationalen Sozialismus erlangte dabei, auch
mangels Mobilisierungskraft, nicht die gewünschte Öffentlichkeit.
364 Tage nach dem ersten Akt könnten die Neonazis Erfolg haben aber
nur, wenn entschlossene Gegenproteste ausbleiben. Mit denen rechnen die Nazis
selbst und versuchen deswegen, sie durch zwei separate Aufmärsche zu
umgehen. Erfolg werden die Gegenproteste dann sein, wenn sie beiden
Aufmärschen den Weg abschneiden. Wir laden alle fortschrittlich denkenden
Menschen ein, dazu beizutragen.
Wie das geht? Auf allen Ebenen, mit allen Mitteln! Kommt nach Leipzig &
beteiligt euch an den antifaschistischen Protesten gegen die Naziaufmärsche!