»Das Ende des Kommunismus«
Veranstaltungsreihe der Gruppe INEX zur linken Kritik am Stalinismus
Das 20. Jubiläumsjahr des Mauerfalls und des Zusammenbruchs des
Realsozialismus waren nicht nur Anlass, die Geschichte einer modernen Nation zu
etablieren, in der Demokratie, Freiheit und Wohlstand gesiegt hatten. Sie waren
auch Anlass, die Geschichte der Delegitimierung der kommunistischen Idee
fortzuschreiben. Dabei ist man heute scheinbar keinen Schritt weiter als zu
Zeiten des Kalten Krieges. Mit den Stichworten »Misswirtschaft«,
»Repressionsapparat« und »Terror« scheint der
Stalinismus ausreichend beschrieben. Und Unterscheidungen zwischen Marx und
Stalin, zwischen Marxismus, Leninismus und Stalinismus sind nicht nötig,
solange der Kurzschluss, den stalinistischen Terror aus den Lehren von Marx und
Engels abzuleiten, noch gelingen mag. Doch selbst wenn man davon ausgeht,
»Marx hätte sich mit Grausen abgewandt«, Lenin hätte
etwas anderes im Sinn gehabt, als er von der »Diktatur des
Proletariats« sprach und Stalin sei nicht mehr als ein despotischer
Herrscher gewesen, ist damit für eine linke Perspektive wenig gewonnen. Es
erklärt nicht, warum die Revolution von 1917 in den stalinistischen
Terrorwellen gipfelte, denen selbst StalinistInnen zum Opfer fielen. Es
erklärt nicht, warum noch die schlimmsten Auswüchse des Stalinismus
durch die letztendlich »gute Sache«, oder mit den Gesetzen der
Geschichte, denen sich die RevolutionärInnen zu unterwerfen hatten,
gerechtfertigt werden konnte. Und schließlich erklärt es auch nicht,
warum das Sowjetmodell dem Regime des Kriegskommunismus und der
Parteibürokratie weichen musste, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg auch
in den so genannten Satellitenstaaten etablierte. In der Veranstaltungsreihe
»Das Ende des Kommunismus« wird sowohl den Grundlagen, Wandlungen
und Deformationen kommunistischer Ideen nachgegangen als auch gefragt, in
welchem Zusammenhang diese mit dem Stalinismus und dem Realsozialismus
stehen.
In den einzelnen Veranstaltungen werden die Geschichte der kommunistischen
Revolution, des Stalinismus und des Realsozialismus nach ihrer Relevanz
für die Gegenwart linker Entwürfe von Befreiung überprüft.
Ausgangspunkt unserer Überlegungen ist die Hoffnung und der Wille, dass
das Ende des Realsozialismus und damit der Sieg des westlichen Kapitalismus
nicht das Ende der Geschichte bedeutet. Gleichzeitig sind der Stalinismus und
selbst der Realsozialismus nicht als Betriebsunfälle des kommunistischen
Fortschritts oder der kommunistischen Idee zu verstehen. Sie sind diejenigen
historischen Formen, die aus dieser Idee der Befreiung des Menschen und der
Menschheit hervorgegangen sind.
Daher ist zunächst zu problematisieren, wie aus der Idee der Befreiung die
Praxis der Unterdrückung bis hin zu offenem Terror entstehen konnte.
Unbestritten steht dabei der »Archipel Gulag« als Synonym des
umfassenden Repressionssystems der Sowjetunion und brutalste Form
gesellschaftlicher Zurichtung und Entmenschlichung zur Diskussion. Aber auch
die Reproduktion antisemitischer, ethnizistischer und nationalistischer
Denkmuster sowie die Kontinuitäten geschlechtlicher Disparitäten,
gesellschaftlichen Zwangs, ökonomischer Ausbeutung und staatlicher
Unterdrückung müssen analysiert werden, um den Realsozialismus zu
verstehen.
Des weiteren ist auch zu fragen, ob nicht bestimmte Elemente dieser Idee der
Befreiung ihre scheinbar spätere Verzerrung folgerichtig nach sich zogen.
Für eine Linke, die sich die Befreiung des und der Menschen, die
Emanzipation oder den Kommunismus auf die Fahnen geschrieben hat, scheint uns
diese Auseinandersetzung unabdingbar.
Ziel dieser Veranstaltungsreihe ist es, den Widerspruch zwischen dem
Realsozialismus und den Vorstellungen einer emanzipierten Gesellschaft
aufzuzeigen. Im Zentrum aller Veranstaltungen stehen die Fragen danach, wie
dies einfach so geschehen konnte und was diese Entwicklung heute für eine
radikale Linke bedeutet. Sie laufen damit auf die verstörende und
fundamentale Frage zu, ob es überhaupt einen Kommunismus geben kann, der
weder stalinistisch noch realsozialistisch ist.
Die Befreiung von der Knechtschaft?
Der revolutionäre Standpunkt des 20. Jahrhunderts war von der Einsicht in
die Notwendigkeit eines grundlegenden Umsturzes geprägt, der die
Menschheit dem Diktat der kapitalistischen Akkumulation entreißt, weil
erst dann die Befreiung des Menschen möglich wäre. In der offiziellen
Weltanschauung der Sowjetunion setzte sich die Annahme durch, dass dies
wiederum nur mit Hilfe eines politisch beschlossenen und durchgesetzten Plans
zu erreichen wäre. Die Folgen sind durch die vielzählig entstandenen
Planungsbürokratien unter der Diktatur der kommunistischen Parteien
weitestgehend bekannt: Die Teilhabe der arbeitenden Klasse an den
Produktionsmitteln verkam zur propagandistischen Farce, während die
Reglementierung des wirtschaftlichen und politischen Lebens immer umfassender
wurde. Bereits Lenin wich von der marxschen Auffassung der kommunistischen
Bewegung als »selbständiger Bewegung« ab. Stattdessen sollte
die Partei als Avantgarde als »Vorhut der Arbeiterklasse«
stellvertretend die Diktatur des Proletariats durchsetzen und die
Revolution durchführen. Der Sinn der Eroberung der staatlichen Macht sei
lediglich die Verwaltung der Produktionsmittel und die notwendige
Unterdrückung der einst herrschenden Klasse. Schließlich sollte der
in einer Übergangsphase noch existierende Staat die vollkommenste Form der
Demokratie darstellen.
Neben der Niederschlagung des Kronstädter Aufstands der Matrosen gibt es
unzählige Beispiele, die zeigen, dass staatliche Repressionen schon unter
der Führung Lenins weit über den »Klassenfeind«
hinausreichte. Die Befreiung des Menschen von der Knechtschaft war schon bei
Marx mit der Abschaffung des bürgerlich-kapitalistischen Individuums
verbunden. Mit dem Fortschreiten der kommunistischen Revolution wurde hieraus
mehr und mehr die Abschaffung von Individualität, die Zerstörung des
Individuums und schließlich die Entrechtung, Unterdrückung und
Ermordung von Millionen Menschen im Stalinismus.
Sind damit diese Entwicklungen der Parteidiktatur und der Auflösung der
Individuen in den marxschen Grundlagen vielleicht schon angelegt? Wurde Marx
von seinen Nacheiferern vielleicht weder missverstanden, noch wie man
immer wieder hört »missbraucht«?
Vor diesem Hintergrund ist es besonders problematisch, dass gerade in den
letzen Jahren der Leninismus immer dann Auftrieb bekam, wenn es um die Frage
einer übergreifenden politischen Bewegung ging. Linke Theoretiker wie
Slavoj iek und Alain Badiuo wollen mit Bezug auf Lenin eine
unzweideutig radikale Position einnehmen. Der provozierende, »gegen
seine liberalen Verleumder« gerichtete Rekurs auf Lenin sei dem
»unbedingten Willen« geschuldet die Situation auch wirklich
grundlegend zu verändern. Nach den Erfahrungen des Verlaufs der Revolution
muss sich jedoch zwingend die Frage gestellt werden, ob die in
Rückgriff auf Lenin Eroberung der Macht zur radikalen
Umwälzung der Verhältnisse nicht zwangsläufig zur Verewigung von
Machtverhältnissen und Unterdrückung führt.
Diskussionsveranstaltung mit Diethart Behrens
Montag 11. Oktober 2010 Conne Island 19:30 Uhr
Weltrevolution in einem Land
Die Oktoberrevolution wurde von den RevolutionärInnen noch als Prolog
einer unmittelbar folgenden sozialistischen Weltrevolution betrachtet. Die
Befreiung der unterdrückten Massen in Russland wurde dabei als Grundstein
für eine Befreiung der Menschheit verstanden. Mit dem Ausbleiben der
Revolution in anderen Ländern und der nach dem Ersten Weltkrieg
zunehmenden außenpolitischen Isolation der jungen Sowjetunion, verloren
die RevolutionärInnen den Glauben an die Möglichkeit einer
erfolgreichen Weltrevolution. In der Folge rückte die Frage des Aufbaus
des Sozialismus in einem Land ins Zentrum. Im Zuge des Aufbaus der
zentralistischen Struktur der SU stellten die immensen Entwicklungsunterschiede
der einzelnen Regionen ein erhebliches Problem dar. Zur Lösung betrieb die
Moskauer Führung eine Nationalitätenpolitik, die einerseits die
gesellschaftliche Modernisierung und andererseits eine kulturelle
Homogenisierung fördern sollte. Diese zueinander im Widerspruch stehenden
Motive boten die Grundlage für unterschiedlichste politische
Maßnahmen wie der Förderung nationaler Eliten oder auch der
Liquidierung eben dieser. Wie verträgt sich die Entwicklung der zentralen
Herrschaft der KP mit der Theorie, dass die Herrschaft durch die Revolution
abgeschafft würde, im Allgemeinen und die Idee, der Befreiung der
Völker, im Speziellen? Könnte es sogar sein, dass der Ethnizismus,
der im heutigen Russland und den sowjetischen Nachfolgestaaten so stark ist,
seine Wurzeln in genau jener Nationalitätenpolitik der Sowjetunion seinen
Ursprung hat?
Will man sich dem »Sozialismus in einem Land« nähern, kommt
man nicht umhin, auch äußere Faktoren einzubeziehen: Das Scheitern
der Weltrevolution, die militärischen Konstellationen nach dem Ausstieg
der jungen Sowjetunion aus dem Ersten Weltkrieg und der »Frieden«
von Brest-Litowsk sowie die Systemkonkurrenz im Kalten Krieg. Sie können
aber dennoch nicht als Hauptargument gelten, warum der äußere Zwang
in einen inneren verwandelt wurde.
Wie konnte es historisch dazu kommen, dass die Idee der proletarischen
Revolution und der Aufhebung aller gesellschaftlichen, ökonomischen und
politischen Herrschaft in so kurzer Zeit von Nationalitätenpolitik und
autoritärer Staatlichkeit ersetzt wurde? Welche Auswirkungen hatten
schließlich diese Entwicklungen auf die realsozialistischen
Gesellschaften und auf linke Ideen von Befreiung bis hin zu den heutigen
»Nationalitätenkonflikten« in vielen der Nachfolgestaaten
und den linken Konzepten »nationaler Befreiungsbewegungen«?
Diskussionsveranstaltung mit einer Vertreterin der Gruppe Jimmy Boyle
Mittwoch 3. November 2010, GWZ, Raum 2.010, Beethovenstr. 15, 18:30 Uhr
Wie kapitalistisch war der Sozialismus?
Der Realsozialismus wurde bis ans Ende seiner Tage als logische Konsequenz des
marxschen Sozialismusmodells, als eine notwendige Übergangsgesellschaft
betrachtet, weil der Kommunismus nicht unmittelbar zu erreichen war. In der
Phase revolutionärer Umgestaltung seien zwar noch nicht alle Merkmale der
bürgerlichen Gesellschaft überwunden, aber das Privateigentum an
Produktionsmitteln und damit die Ausbeutung sollten bereits weitgehend
aufgehoben sein.
Ob in der Sowjetunion überhaupt so etwas wie Sozialismus existierte,
hängt nicht zuletzt von der Frage ab, ob sich der Charakter der Produktion
verändert hat und ob sich von den Grundlagen der kapitalistischen
Produktion tatsächlich verabschiedet wurde. Lenin schrieb selbst
»Der Sozialismus ist nichts anderes als das staatskapitalistische
Monopol, das zum Nutzen des ganzen Volkes angewandt wird und insofern
aufgehört hat, kapitalistisches Monopol zu sein«.
In diesem Sinne übernahm der sozialistische Staat die Planung der
konkreten Arbeit für etwas abstraktes Allgemeines: Zum »Wohl der
Arbeiterschaft« wurde die Gesellschaft in ein einheitlich agierendes
Nationalkapital verwandelt. Der Staat blieb die Instanz, die über das
Maß und den Wert der Arbeit, den gerechten Lohn und über die zu
produzierenden Waren entschied. Der Realsozialismus verstaatlichte die
Produktionsmittel und ersetzte den kapitalistischen Wettbewerb durch den Plan.
Wesentliche Grundelemente des Kapitalismus blieben damit jedoch erhalten: Der
Druck zur Produktivität, die Bedeutung der Arbeit oder die Entfremdung der
ProduzentInnen von ihren Produkten. Andere Elemente hatten sich entscheidend
gewandelt. Dem Wegfall des indirekten Zwangs durch die kapitalistische
Konkurrenz folgte der direkte Zwang der Planungsstellen und des sozialistischen
Betriebs. Bestand im Kapitalismus wenigstens noch die Freiheit im Zwang, war im
Realsozialismus sogar diese Freiheit suspendiert der sozialistische
Zwang wurde zur Freiheit verklärt.
Die freie Verfügbarkeit von Gütern und eine tatsächliche
Vergesellschaftung der Produktionsmittel wurde in keinem sozialistischen Land
je verwirklicht. Weder wurden der Staat abgeschafft, noch die kapitalistischen
Produktionsbedingungen von Konkurrenz, Ausbeutung und Arbeitszwang.
Daraus folgt die Frage, wie die heutige kapitalistische Gesellschaft und
Ökonomie in eine sozialistische transformiert werden könnte. Weder
wird die hochentwickelte Produktion eine Aufhebung der Arbeitsteilung
möglich machen können noch ist es ausgemacht, dass die hochkomplexe
moderne Gesellschaft sich überhaupt von einer abstrakten Vermittlung (z.B.
Wert und Geld) wird lösen können.
Damit stellen sich zwei grundlegende Probleme, denen in der Veranstaltung
nachgegangen wird: Wie kapitalistisch war der Sozialismus? Und lässt sich
eine gesellschaftliche Verkehrsform und Vermittlung, die die derzeitigen
abstrakten Prinzipien von Wert und Geld überwindet, überhaupt denken
und verwirklichen?
Diskussionsveranstaltung mit Rüdiger Mats
Mittwoch 10. November 2010, GWZ, Raum 2.010, Beethovenstr. 15, 18:30 Uhr
Rüdiger Mats lebt in Leipzig und schrieb zuletzt für die Zeitschrift
Phase 2 über das Scheitern des Realsozialismus.
Herrschaft durch Terror
Die RevolutionärInnen der Oktoberrevolution waren mit dem Ziel angetreten,
eine bessere Gesellschaft frei von Unterdrückung, Armut, Ungerechtigkeit
und Ungleichheit aufzubauen. Der gängigen Argumentation folgend macht es
die ökonomische und gesellschaftliche Rückständigkeit Russlands
der, in der Folge der Revolution gegründeten, Regierung der
Kommunistischen Partei allerdings unmöglich, ihre emanzipatorischen
Pläne in die Tat umzusetzen. Fest stand aber, dass es nicht in Frage kam,
die einmal errungene Macht wieder abzugeben. So wurde zur Bekämpfung der
KonterrevolutionärInnen die Tscheka gegründet, die bald zum
dauerhaften Instrument der Machtsicherung durch Terror wurde. Die
»Säuberungen« trafen schließlich den eigenen
Parteiapparat, inklusive dessen glühendste AnhängerInnen und
erstreckten sich auf die gesamte Gesellschaft auf Jüdinnen und
Juden, ukrainische Bäuerinnen und Bauern und auf viele andere, die meist
aus nichtigen Gründen oder ohne Grund zu Opfern wurden. Diese wurden in
der Regel nicht nur ausgeschlossen, sondern in Schauprozessen verurteilt,
inhaftiert oder ermordet. Des Weiteren hatte die KP bereits 1918 begonnen, ein
ZwangsarbeiterInnenlager-System (Gulag) zu errichten, das unter Stalin
verstärkt ausgebaut wurde und dazu diente, unliebsam gewordene Personen zu
internieren. Doch waren die Gulags nicht nur Terrorinstrument, sondern auch
Wirtschaftsgiganten, spielten sie, beziehungsweise die ZwangsarbeiterInnen,
spätestens seit Ende der zwanziger Jahre für das Erreichen der
wirtschaftlichen Ziele eine entscheidende Rolle.
Es ist schwer zu verstehen, dass ein System, das für die Befreiung des
Menschen stehen will, sich willkürlich gegen eben diese wendet. Noch
unverständlicher ist es, dass der Terror zu jeder Zeit praktisch jede/n
treffen konnte. Begeisterte, ja fanatische AnhängerInnen des Systems
wurden genauso zu Opfern, wie Personen, die soeben noch selbst Teil der
Verfolgungsmaschinerie gewesen waren.
Dies führt zu der Frage nach der Funktion des Terrors. Lassen sich
verschiedene Beweggründe für die einzelnen Opfergruppen oder einzelne
Verfolgungswellen und konjunkturen auffinden, oder bestand die Funktion
vielleicht eher im Terror an sich ohne spezifische Gründe und Opfer?
Diskussionsveranstaltung
ReferentIn, Termin und Ort n.n.
Infos unter:
http://inex.blogsport.de/
Von der Revolution der Geschlechterordnung zum Mütterchen Russland
1918 verabschiedete die KP die zu dieser Zeit fortschrittlichste
Familiengesetzgebung der Welt, die zum Beispiel das Recht auf Abtreibung und
Scheidung beinhaltete. Auch wurde Homosexualität legalisiert und die
Menschen konnten zumindest in den Städten ihre Sexualität
ungezwungener ausleben. Um die Gleichstellung der Frauen und Männer
herzustellen, wurde 1919 das Schenotdel etabliert eine Art Behörde,
die sich der Revolutionierung der Geschlechterordnungen verschrieben hatte.
Dessen Aufgabe war es, die Frauen aus ihrer angeblich historisch bedingten
Rückständigkeit herauszuführen. Doch Ende der zwanziger und
Anfang der dreißiger Jahre begann die Regierung unter Stalin die
sexuellen Freiheiten massiv einzuschränken und Homosexualität erneut
unter Strafe zu stellen. Das Schenotdel wurde aufgelöst, die Frauenfrage
für gelöst erklärt und entgegen der Ansätze der frühen
zwanziger Jahre wurden spätestens mit der Familiengesetzgebung 1936, in
der die Abtreibung verboten und der Ausbau der materiellen Hilfen für
kinderreiche Familien beschlossen wurde, traditionelle Familienbilder
propagiert. Damit kehrte schließlich auch die klassische Mutterrolle
zurück und wurde zur dominanten Form weiblicher Identität.
Hat die KP die sexuelle Freiheit im Sinne individueller Freiheit als eine
Bedrohung ihrer eigenen Macht- und Kontrollposition empfunden? Oder gab es
anfangs eine gemeinsame Wahrnehmung der Unterdrückung, die die Beteiligung
nahezu aller unterdrückten Schichten und Individuen an der Revolution
ermöglichte und sich im Prozess der Etablierung der Macht wieder
ausdifferenzierte? Oder waren die frühen, scheinbar fortschrittlichen
Ideen, gar nicht mehr als die größtmögliche Mobilisierung aller
benachteiligter Gesellschaftsschichten zur Eroberung der politischen Macht?
Welche Konzepte existierten, die Familie neu zu denken? Gab es zum Beispiel
eine Vergesellschaftung der Hausarbeit und Kindererziehung, welche Frauenbilder
wurden diskutiert? Wieso setzt sich das traditionelle Ideal wieder durch? Und
wie ist der Kampf um die Emanzipation der Frau und die sexuelle Befreiung im
Vergleich zu anderen, beispielsweise westlichen, Ländern zu betrachten?
Diskussionsveranstaltung mit Bini Adamczak
Mittwoch 17. November 2010 Conne Island 19:30 Uhr
Bini Adamczak ist Autorin zu Themen des Kommunismus und queerer
Sexualität. Von ihr erschien u.a. beim Unrast Verlag »Gestern,
Morgen Über die Einsamkeit kommunistischer Gespenster und die
Rekonstruktion der Zukunft«
Das Ende des Kommunismus
Zum Abschluss der Reihe widmet sich dieses Podium der Kritik am Stalinismus und
ihrer Relevanz für radikal linke Positionen.
Bei der Analyse des Realsozialismus und des Stalinismus stößt man
immer wieder auf Vergleiche mit dem Nationalsozialismus. Angesichts der
Tatsache, dass beide Systeme ähnliche Elemente der Herrschaft enthalten,
entwickeln sich oft totalitarismustheoretische Positionen, die eine
Wesensverwandtschaft betonen. Unabhängig von der politisch
antikommunistischen Instrumentalisierung, stellt sich trotzdem die Frage, ob
der Vergleich nicht schon deshalb wenig aussagekräftig ist, weil bisher,
in den meisten Totalitarismustheorien, ausschließlich staatliche
Herrschaftsstrukturen unter die Lupe genommen wurden? Somit wurden wesentliche
Merkmale, wie die ideologische Durchdringung, als Fundament der Herrschaft,
oder der Grad der Identifikation der Einzelnen mit dem jeweiligen System
außen vor gelassen? Dagegen interpretieren viele radikale Linke den
Stalinismus zum Lektürefehler, zum gescheiterten Experiment und lehnen
nahezu jede Relevanz für ihr eigenes Streben nach der freien Assoziation
freier Individuen ab. Andere unterscheiden einfach zwischen Sozialismus und
Kommunismus, oder gar zwischen zwei Typen derselben Idee, einzig unterschieden
durch ihre Schreibweisen mit »K« oder mit
»C«. Dabei wird oftmals die Frage vernachlässigt, ob es
überhaupt möglich ist, frei vom realen Sozialismus, an die Idee des
Kommunismus anzuknüpfen. So oder so steht die radikale Linke von heute
viele stärker im Schatten des Realsozialismus, als sie sich bewusst ist.
So zeugt z.B. die positive Bezugnahme auf Symbole des Sowjetkommunismus, die
bei antifaschistischen Aktionen immer wieder zu beobachten ist, von einer
fehlenden Auseinandersetzung mit den konkreten historischen
Verhältnissen.
Podiumsdiskussion mit Alex Demirovic, der Gruppe [pæris] und der
Initiative gegen jeden Extremismusbegriff (INEX)
Dienstag 23. November 2010, Conne Island, Koburger Str. 3, 19:30
Alex Demirovic ist u.a. Redakteur der Zeitschrift Prokla. Von ihm und anderen
erschien zuletzt beim Verlag Westfälisches Dampfboot »Das Subjekt
zwischen Krise und Emanzipation«. Die Gruppe [pæris] aus
Berlin setzt sich mit den Einwänden gegen die positive Beschäftigung
mit Kommunismus auseinander und versucht, diese zu widerlegen. Die INEX
diskutiert seit längerer Zeit zu Realsozialismus, Stalinismus und
Totalitarismustheorien.
Initiative gegen jeden Extremismusbegriff
Eine Veranstaltungsreihe der Initiative gegen jeden Extremismusbegriff // In Kooperation mit dem Conne Island // Mit freundlicher Unterstützung des StudentInnenrates der
Universität Leipzig und der Rosa Luxemburg Stiftung.