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• das letzte: Der mit dem Alien tanzt
Avatar war ein ideenloses Effektfeuerwerk, Der mit dem Wolf tanzt
gefühlte zehn Stunden lang, in The Last Samurai durfte Tom Cruise
mitspielen und Dune (David Lynch) wurde im Schneideraum unter der
Ägide der Produzenten verstümmelt. Was haben alle diese Filme und
viele weitere ihres erzählerischen Kalibers gemeinsam? Der Protagonist ist
ein aufgeklärter Weißer, der ursprünglich auf Seiten der
Unterdrücker autochthoner Völker steht, sich jedoch ihnen zuwendet,
um sie schließlich im Idealfall zur erfolgreichen Überwindung der
Ausbeutung durch seine früheren Verbündeten zu führen.
Das alte Schuldgefühl der ehemaligen Kolonisatoren bricht in Filmen dieser
Machart, rezipiert von einer breiten Masse, wieder und wieder hervor. Durch den
erzählerischen Kniff jedoch, dass nämlich der ehemalige
Unterdrücker gleichzeitig auch Führer und Befreier ist, gelingt dem
Publikum die Identifikation mit dem Protagonisten. Die Geschichte über
eine indigene Bevölkerung wird gewendet hin zu einer Erzählung
über die Abarbeitung der eigenen Schuld durch Identifikation mit den
Unterdrückten. Riten und Bräuche werden unhinterfragt romantisiert,
der Protagonist tritt ihnen voller Ehrfurcht und Erstaunen gegenüber,
gleich wie repressiv und grausam sie auch sein mögen. Dies führt
nicht zuletzt zu einer verkitschten Wahrnehmung kultureller Unterschiede und
befördert, gerade im Westen des 21. Jahrhunderts, da die meisten
althergebrachten Traditionen sich mehr und mehr auflösen und
gesellschaftliche Prozesse immer komplexer werden, eine Sehnsucht nach simplen
Regeln, nach Ursprünglichkeit. All diese Filme beschreiben virtuell einen
willkommenen Reinigungsprozess, der durch das Abtauchen in eine fremde Kultur
erfahren wird. Gerade so als könne man Jahrhunderte menschlicher
Entwicklung einfach ignorieren, indem man sich lustig anmalt, ordentlich auf
Trommeln drischt, bewusstseinsverändernde Substanzen zu sich nimmt und
peinliche Tänze aufführt. Dies alles kriegt man auch im Westen,
nämlich im nächstgelegenen Stadion seines Vertrauens oder bei der
nächsten, allerdings elektronisch beschallten, Tanzveranstaltung.
Hinzu tritt die Eindimensionalität der dargestellten indigenen Charaktere.
Sie sind bloße Chiffren, mit Bedeutung aufgeladene Straßenlampen,
die dem sich in ihrem Licht reinigenden Weißen den Weg leuchten. In der
Regel sind sie nichts als stereotype Pappkameraden, welche von ihren
vermeintlichen Fürsprechern in Hollywood kunterbunt eingefärbt und
mit Federn geschmückt werden. Und sie müssen auch eindimensional
sein. Wie sonst könnte der weiße Protagonist erst von ihnen
akzeptiert und schließlich ihr großartigstes Mitglied, in vielen
Fällen Führer, werden. Historisch betrachtet hätte also jede
fiese Kolonisationsscheiße verhindert werden können, wenn man
einfach jeweils einen Weißen dort abgesetzt hätte, der sich mit den
Eingeborenen verbündet und sie schließlich gegen die
Unterdrücker zu Felde führt.
Die Weißen möchten also nicht bloß Vergebung für die von
ihnen verübten Gräuel erfahren, sondern auch Führer der
Geknechteten sein. Aber nicht etwa von außen, sondern von innen, als Teil
indigener Kultur und Ursprünglichkeit. Alles andere wäre ja
rassistisch und man kann ja bekanntlich seinen Sprechort nicht verlassen. Erst
wenn man selbst Teil des indigenen Sprechortes geworden ist, eben Reinigung
erfahren hat, dürfe man also solch eine Rolle beanspruchen. Dann aber auch
richtig, als Führer nämlich.
schlaubi