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Aktuelles Heft

INHALT #179

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„Dumbshit“
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„Live-gespielte Clubmusik“
»Voller Entsetzen aber nicht verzweifelt«
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Tanzstern Galactica
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Dark Tranquility, Insomnium
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Das Geschlecht des Situationismus
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Hiermit dokumentieren wir einen Redebeitrag, der am 17.06. auf der Kundgebung „Free Gaza from Hamas – Gegen die Auslandseinsätze der Linkspartei!“ gehalten wurde.



Redebeitrag des Bündnis gegen Antisemitismus

Wieder einmal sind die Augen der Welt auf Israel gerichtet. Es sind verurteilende Blicke. Israel steht am Pranger – reflexhaft machen Wut und Empörung sich breit. Wiederholt stehen sogenannte „israelische Verbrechen“ im Fokus der Weltöffentlichkeit – und die Ereignisse vom 31. Mai werden, wie üblich, aus dem Kontext gerissen und die Zusammenhänge mehr oder weniger bewusst ausgeblendet. Als hätte die israelische Militär-Reaktion gegen den pseudo-humanitären Hilfskonvoi keine Vorgeschichte. Der Schuldige steht für die meisten unverrückbar fest.

Nur die wenigsten versuchen sich mit der israelischen Perspektive auseinanderzusetzen. Und kaum jemandem ist bewusst, in welchem Dilemma sich die israelische Demokratie angesichts des islamistischen Terrors befindet. Welchen Gefahren sich die Menschen in Israel ausgesetzt sehen, interessiert so gut wie niemanden. Nicht zuletzt deshalb sind Veranstaltungen wie diese Kundgebung richtig und wichtig, versuchen sie doch dem gesamtgesellschaftlichen Israelhass etwas entgegenzusetzen.

Ich will im Folgenden versuchen, die israelische Perspektive stark zu machen und zeigen, welch unheilvolle Allianz sich gegen Israel formiert. In dieser antisemitisch-antizionistischen Internationale spielt das iranische Terrorregime die wichtigste Rolle. Deshalb wird es hauptsächlich darum gehen, die Ideologie und Praxis des Regimes vor dem Hintergrund des iranischen Atomwaffenprogramms zu charakterisieren und zu verdeutlichen, welche Gefahren sich daraus für Israel, aber auch für die Welt ergeben.

Die Existenz des israelischen Staates ist seit seiner Gründung prekär – das ist kein Geheimnis. Unzählige Kriege wurden Israel aufgezwungen – Niederlage hätte Vernichtung bedeutet. Obwohl verschiedene Friedensverträge geschlossen wurden, sieht sich die israelische Demokratie immernoch von feindlichen Staaten und nichtstaatlichen Akteuren umringt: Die Muslimbrüder in Ägypten, deren Ableger Hamas im Gazastreifen, verschiedene islamistische Gruppen im Westjordanland, die Hisbollah im Libanon, Syrien und eben der Iran. Sie alle eint der antisemitische Wahn.

Wie soll Israel darauf reagieren? – Die Forderung, Israel solle mit denen verhandeln, die ihm mit Vernichtung drohen, ist absurd. Schließlich sind diese Drohungen keine leeren Worte – sie motivieren und begleiten die Taten. Tausende fielen der antisemitischen Gewalt schon zum Opfer.

Und wer kann nach der Barbarei des millionenfachen Judenmordes, den unzähligen Terroranschlägen und Raketenangriffen der vergangenen Jahre noch ernsthaft behaupten, dass Israel Alarmismus betreibe, wenn es auf seine Bedrohungssituation hinweist?

Dass eine durch den Horror der Shoah traumatisierte Gesellschaft nicht tatenlos zusehen kann, wie sich ihre Feinde formieren und aufrüsten, ist mehr als verständlich.

Eine der vielbeschworenen „Lehren aus der Geschichte“, wäre doch wenigstens die: dass, wenn Antisemiten ankündigen Jüdinnen und Juden umzubringen, sie alles daran setzen werden, ihr erklärtes Ziel auch zu verwirklichen. Ihre Ankündigungen sind ernstzunehmen. Dass Antisemiten auch völlig irrational handeln und sogar ihre eigene Zerstörung in Kauf nehmen, um die Judenvernichtung zu realisieren, bewiesen die Deutschen in aller Deutlichkeit. Auch die Antisemiten von heute, sind bereit, ihr Leben für den Judenmord zu opfern – Sie fiebern dem Märtyrertod entgegen. „Ihr liebt das Leben, wir lieben den Tod.“ verkündete einst Ayatollah Khomeini, der Vater der „Islamischen Republik Iran“.

Seine Nachfolger – Revolutionsführer Khamenei, Präsident Ahmadinejad und Co – werden nicht müde, Khomeinis Märtyrerkult zu bewahren und seine djihadistische Doktrin global zu verbreiten. Die Lehren Khomeinis und die Praxis seiner Anhänger können als Khomeinismus charakterisiert werden, um klar zu machen, dass es sich dabei um eine neue, einzigartige Form des Islamismus handelt.

Antisemitische Wahnvorstellungen und Verschwörungstheorien gehören seit der „Islamischen Revolution“ von 1979 zum Weltbild der iranischen Machthaber. Unzählige Terroranschläge wurden in Teheran geplant, von dort aus finanziert und international ausgeführt, um möglichst viele Jüdinnen und Juden zu ermorden. Das khomeinistische Regime ist immernoch einer der Hauptsponsoren des globalen Djihadismus gegen die Hauptfeinde Israel und USA. Und obwohl die „Islamische Republik“ ein Entwicklungsland ist und Millionen Iranerinnen und Iraner an Armut leiden, fließen die Petrodollar an die antisemitischen Terrorbanden an Israels Grenzen, damit Hamas und Hisbollah asymmetrische Stellvertreterkriege führen und israelische Zivilistinnen und Zivilisten terrorisieren können, während sie ihre eigene Bevölkerung als menschliche Schutzschilde missbrauchen. Im letzten Jahr wurden drei Schiffe mit Tonnen von Raketen und anderen Waffen aus dem Iran auf dem Weg in den Gaza-Streifen und den Libanon vom israelischen Militär gestoppt. Dies verdeutlicht, dass Israel ein berechtigtes Interesse daran hat, Schiffe zu kontrollieren, um die Aufrüstung von Hamas und Co. zu verhindern.

Neben dem Terror-Sponsoring verschlingen auch andere Projekte Unsummen: das Raketen- und Atomprogramm. Diese Programme werden in Israel zu Recht als existenzielle Bedrohung betrachtet. Diese Form der Bedrohung hat eine neue Qualität, das kann gar nicht oft genug betont werden. Schließlich würde schon eine Atomrakete abgefeuert auf Tel Aviv katastrophalen Schaden anrichten. Die Raketen müssten von iranischer Seite noch nicht einmal eingesetzt werden, um Israel in seinem Kampf gegen die Terrorbanden enorm zu beschränken. Kann sich Israel außerdem darauf verlassen, dass sich opferbereite Khomeinisten vom israelischen Atomwaffenarsenal abschrecken lassen?

Wer den Tod liebt, nimmt alles in Kauf – noch einmal Khomeini in seinen eigenen Worten: „Wir müssen unsere Ziele mit heiligen Maßstäben messen und Sieg und Niederlage auf dem heiligen Schlachtfeld definieren. (...) Selbst wenn die ganze Welt gegen uns aufsteht und uns vernichtet, haben wir doch gesiegt.“

Es ließen sich hier unzählige aktuelle Äußerungen auflisten, die die antisemitische Vernichtungswut und Aufopferungsbereitschaft zum Ausdruck bringen würden. Ich will darauf verzichten. Die Gefahr aber, die von der iranischen Atomrüstung ausgeht, wird auch deutlich, wenn man sich vor Augen führt, welche Kräfte dieses militärische Programm maßgeblich vorantreiben. Den harten Kern bildet der militärisch-industrielle Komplex der sogenannten Revolutionswächter oder auch Pasdaran genannt. Diese High-Tech-Khomeinisten kontrollieren große Teile der iranischen Wirtschaft und haben über Jahrzehnte hinweg ein regelrechtes Wirtschaftsimperium etabliert. Die Pasdaran und die ihnen unterstellten Basidschi Milizen waren auch für die blutige Niederschlagung der Proteste im Iran verantwortlich und müssen als revolutionäre Organisationen verstanden werden. Sie verteidigen die „Islamische Revolution“ gegen die Opposition im Innern und sorgen dafür, die khomeinistischen Ideale in alle Welt zu exportieren.

Das politische System der „Islamischen Republik“ muss überhaupt als ein extrem dynamisches System mit verschiedenen konkurrierenden Parallelstrukturen charakterisiert werden. Auf der einen Seite gibt es eine mehr oder weniger „reguläre“ Armee und Polizei, andererseits die Milizen der Basidschi und die hochgerüstete khomeinistische Armee der Revolutionswächter, deren Einfluss seit der Präsidentschaft Ahmadinejads stetig zugenommen hat. Man kann den Iran als eine Mischung aus Militärdiktatur und Gottesstaat begreifen, deren Machtzentrum beim Geistigen Führer Khamenei und den Pasdaran liegt.

Das Ziel dieser Gruppen ist das Schmieden einer globalen djihadistischen Front, um den Friedensprozess zwischen Israelis und Palästinensern mit allen Mitteln zu torpedieren; einerseits, um die Aufmerksamkeit von ihrem atomaren Rüstungsprogramm abzulenken, und andererseits , um das „Leid des palästinensischen Volkes“, wie es immer heißt, als Rechtfertigung für ihren Israelhass zu instrumentalisieren.

Das khomeinistische Regime muss als Haupthindernis für eine friedliche Lösung des Nahostkonflikts begriffen werden. Ohne Unterstützung Teherans wären Hisbollah und Hamas nicht in der Lage, aufzurüsten und Israel zu terrorisieren. Die Rolle des khomeinistischen Unstaates darf nicht ausgeblendet werden. Andererseits muss verstanden werden, dass selbst, wenn es mittelfristig zur Gründung eines palästinensischen Staates kommen würde, sich der vernichtungwütige Antisemitismus des iranischen Regimes nicht automatisch in Luft auflösen würde. Es ist egal was Israel tut oder unterlässt, die antisemitische Ideologie hat sich gegenüber der Realität verselbstständigt – Antisemiten leben in ihrer eigenen Wahnwelt.

Noch einmal: die Vernichtungsdrohungen müssen vor dem Hintergrund des Terrors und dem aktuellen Atomprogramm ernstgenommen werden. Dies scheint in Europa und vor allem Deutschland immer noch nicht angekommen zu sein. Die Bundesregierung spricht zwar von historischer Verantwortung gegenüber Israel, belässt es aber weitestgehend bei politischen Phrasen und der makaberen Solidarität mit toten Jüdinnen und Juden.

Wie kann es sein, dass die Bundesrepublik immer noch einer der wichtigsten Handelspartner des khomeinistischen Terrorregimes ist und die Machthaber mit High-Tech Produkten beliefert? Warum wird der Handel mit Teheran nicht effektiv sanktioniert?

2009 hatten die deutschen Exporte in den Iran einen Gesamtwert von 3,7 Milliarden Euro. Es ist unerträglich, wie deutsche EntscheidungsträgerInnen die existenzielle Bedrohung Israels ignorieren und die Deutsch-Iranische Handelskammer frohlocken lassen. Ich zitiere: „Allen politischen Schwierigkeiten zum Trotz entwickeln sich die Deutsch-Iranischen Wirtschaftsbeziehungen sehr positiv. Durch den starken Anstieg im Monat März um 48% liegen die Deutschen Exporte auch in den ersten drei Monaten des Jahres 2010 mit 920 Mio. Euro um 15% über dem Vergleichszeitraum des Jahres 2009. Bemerkenswert sind auch die Iranischen Exporte nach Deutschland, die sich von Januar bis März 2010 gegenüber dem Vorjahr fast verdoppelt haben.“

Diese Entwicklungen sind in aller Schärfe zu verurteilen und Initiativen wie die Kampagne STOP THE BOMB zu unterstützen, die versucht, gezielte, effektive Sanktionen zu forcieren, um den khomeinistischen Unstaat auf nicht-militärischem Weg von seinen Atomplänen abzubringen. Was aber passiert, wenn diese Sanktionsbemühungen scheitern?

Israel muss vor dem Hintergrund historischer Erfahrungen mit allem rechnen, deshalb werden militärische Schritte vorbereitet. Es finden landesweite Katastrophenübungen statt, um für den Ernstfall einigermaßen gewappnet zu sein. Schließlich kann sich Israel auf niemanden verlassen und ist international, entgegen aller Solidaritäts-Bekundungen, weitestgehend isoliert. Israel ist in der UN mit einer anti-israelischen Mehrheit konfrontiert, die es offensichtlich begrüßt, dass das UN-Mitglied Iran dem israelischen Staat mit Vernichtung droht. Selbst die USA sind für Israel kein 100 prozentig verlässlicher Partner. Die israelische Demokratie befindet sich angesichts des iranischen Atomwaffenprogramms in einem riesigen Dilemma und vor enormen Herausforderungen. Dies endlich wahrzunehmen und Israel effektiv zu unterstützen, ist eine der wichtigsten Aufgaben unserer Zeit.

Es versteht sich von selbst, dass in diesem Redebeitrag bei weitem nicht alles zur iranischen Außen-, Atom- und Bündnispolitik gesagt werden konnte. Denjenigen, die sich eingehender mit der Problematik beschäftigen wollen, seien daher an dieser Stelle die Bücher von Stephan Grigat und Simone Dinah Hartmann empfohlen, insbesondere der kürzlich erschienene Sammelband mit dem Titel „Iran im Weltsystem“. Auch der Besuch der Seite www.stopthebomb.net sei hiermit ans Herz gelegt.

Ehrlich gesagt: ich wünschte die Atom- und Iran-Experten hätten Unrecht und die Bedrohung, die vom khomeinistischen Regime ausgeht, wäre ein bloßes Hirngespinst. Doch leider sind wir nicht bei Wünsch-Dir-Was und auch die Parole Augen-zu-und-durch bringt uns hier nicht weiter. Wir dürfen die Augen vor den Gefahren nicht verschließen, die vernichtungswütiger Antisemitismus in Kombination mit Massenvernichtungswaffen bergen. Atomwaffen in den Händen von Gotteskriegern hätten katastrophale Konsequenzen nicht nur für Israel. Ein Wettrüsten in der Region würde den Nahen und Mittleren Osten zu einem atomaren Pulverfass mutieren lassen.

„Israel von der Landkarte zu tilgen“, wie einst der iranische Präsident hetzte, wäre nur die erste Etappe im Kampf der Islamisten gegen Freiheit und Vernunft. Der Hass auf bürgerliche Errungenschaften – wie die Trennung von Religion und Staat – und die Verachtung grundlegender demokratischer Freiheiten im Allgemeinen, sind eine Bedrohung für uns alle.
Die Ideologie und Praxis der Khomeinisten im Iran stehen jeder Art von gesellschaftlicher Emanzipation entgegen – die Mischung aus Militärdiktatur und Gottesstaat ist das krasse Gegenteil einer befreiten Gesellschaft, in der man ohne Angst verschieden sein könnte. Dies zu erkennen und die Gefahren endlich ernstzunehmen, ist der erste Schritt. Alles in unserer Macht stehende zu tun, andere für diese Problematik zu sensibilisieren, die deutsch-iranischen Handelsbeziehungen zu sanktionieren, die iranische Atomwaffe zu verhindern und das khomeinistische Terrorregime zu stürzen, zählen zu den wichtigsten Aufgaben unserer Zeit.

Es geht um die Existenz des israelischen Staates, um die Verteidigung bürgerlicher Errungenschaften und darum, die Welt vom islamistischen Massenwahn zu befreien.

Paul Sandkorn

BGA-Kundgebung

 

23.08.2010
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