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Für Fans der deutschen Mannschaft wird es während der Fußball-Weltmeisterschaft der Männer im Conne Island keine Homezone geben. Wie schon während der EM 2008 wird es bei Spielen Deutschlands maximal ein Testbild zu sehen geben.
Deutschland hat heute einen relativ unbefangenen Umgang mit seiner
Identität, was während der jeweils letzten Welt- oder
Europameisterschaft der Männer am inflationären Herumfahnen
offensichtlich wurde. Deutschland möchte sich nicht mehr auf seine
dunkle Geschichte reduzieren lassen, sondern definiert sich als
selbstkritisch und tolerant. Wurden noch in den 1960er Jahren der 2. Weltkrieg
und der Holocaust weitestgehend verdrängt, werden heute die Verbrechen
Nazideutschlands anerkannt. Der Nationalsozialismus gilt in Deutschland nicht
als ein Resultat aus einem völkischen Nationalimus, sondern wird als
geschichtlicher Irrweg begriffen, deren ProtagonistInnen einzig die
nationalsozialistischen Eliten gewesen sein sollen. Das Kriegsende 1945
gilt damit auch nicht mehr als militärische Niederlage, sondern als
Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus (Richard von
Weizsäcker, 8. Mai 1985). Nationalismus bleibt aber weiterhin eine
Ausschlusskategorie und verschwiegen wird, dass es immer noch Rassismus und
Antisemitismus in allen Schichten der Gesellschaft gibt und gerade in
Ostdeutschland Nazis ihre Kleinstadt gegen die vermeintlich Anderen
verteidigen.
Korrespondierten während der WM 1990 noch Wiedervereinigung, Pogromwellen
und Weltmeisterschaftstitel, blieben nationalistische Ausschreitungen 2006,
zumindest solange die deutsche Mannschaft nicht verlor, aus. Erst nach dem
Ausscheiden im Halbfinale gegen Italien offenbarte sich ein anderes Bild der
Fanfeste, als sich in vielen deutschen Städten der Frust von Nazis,
Hooligans und SympathisantInnen an Polizei, Italien-Fans und italienischen
Restaurants entlud.
Aber auch der eine oder andere Connewitzer ärgerte sich über das
Halbfinal-Aus und ließ seiner Gefühlswelt auf dem Gelände des
Conne Islands freien Lauf. Es machten sich recht aggressive Bedrohungen
gegenüber anders denkenden Fußballfans breit, womit sich
schlussendlich der deutsche Identifikationswahn (Conne Island Text zur
EM 2008: http://www.conne-island.de/nf/fussball_em.html) bis auf den eigenen Hof
durchgesetzt hatte.
Die damaligen Ereignisse hatten die im Conne Island geltenden Mindeststandards
zeitweilig außer Kraft gesetzt, zu dominant war das Auftreten der sich zu
Deutschland bekennenden Personen. Auch heute ist es kaum denkbar, dass ein
anderes Bild bei Spielen mit Beteiligung der deutschen Mannschaft vorzufinden
wäre. Es sei denn, all jene würden unter Anwendung von Gewalt den Hof
verlassen müssen, doch diese Androhung würde ungern in die Tat
umgesetzt werden.
Unter Männern
Geprägt wird Fußball ganz wesentlich von seinen zumeist
männlichen Fans. In Männerbünden organisiert, dienen
Verbände, Vereine, Fanklubs oder Ultra-Gruppierungen vor allem dazu, sich
untereinander zu bestätigen. Die Stadien, die Anreisewege oder die
Innenstädte an Spieltagen werden als Räume wahrgenommen, welche der
Zurschaustellung eines Ideals von Härte und Stärke dienen.
Während auf dem Platz technisch versiertere Spieler einfach gefoult
werden, müssen sich auf der anderen Seite des Zauns Fans, die sich nicht
Woche für Woche Schlägereien stellen, als Luschen
bezeichnen lassen oder werden bei nächster Gelegenheit überfallen.
Auch Homophobie ist im Fußball präsenter denn je. So werden
beispielsweise die Fans des 1. FC Kölns von vielen gegnerischen Fans mit
einem Hauptstadt der Schwulen-Gesang bedacht. Solche und ähnliche
Diffamierungen sollen einerseits das eigene Männlichkeitsbild
stärken, andererseits drücken sie die irrationalen Angstphantasien
gegenüber Homosexualität aus. In Männerseilschaften gilt eine
gewisse körperliche Nähe als okay: Rituale, wie das Umarmen
auf den Rängen oder das sich gegenseitige Betätscheln unter den
Spielern, fördern gar den Zusammenhalt. Die Ängste bestehen darin,
ein schwuler Mann könnte sich unentdeckt untergemischt haben, bei
dem es sich nicht um normale Freude über ein Tor, sondern um
Begehren handelt.
Es wundert somit auch nicht, dass die wenigen Programme des
Deutschen-Fußballbundes (DFB) gegen Homophobie nicht denselben Anklang
finden wie die unzähligen Kampagnen gegen Rassismus. Aus den Stadien der
1. Bundesliga sind rassistischen Sprechchöre fast vollständig
verschwunden. Dies ist ein Nebeneffekt eines sich wandelnden Sports weg
von organisch gewachsenen Vereinen mit geschlossenen Anhängerkreis zu
wirtschaftlichen Unternehmen, die sich einen Imageverlust durch RassistInnen
nicht leisten können. Die so geschehene Befriedung der oberen Ligen in den
letzten 10 - 15 Jahren ist zu begrüßen, die eklatanten Probleme in
unteren Ligen bestehen aber nach wie vor. Hier sind (neben
Gewaltausbrüchen) rassistische und antisemitische Sprechchöre bei
vielen Vereinen mit hunderten AnhängerInnen an der Tagesordnung.
Ganz unter sich...
...möchte niemand bleiben. Viele des heterogenen Personenhaufens Conne
Island werden mehr als das Eröffnungsspiel und das Finale der WM 2010
sehen, allein deshalb liegt es nahe, die Spiele zu zeigen. Bei der Entscheidung
einer WM-Übertragung wirken nicht nur die Stimmen der Fußball- und
Fußballkultur-Interessierten, auch der restliche Teil, der sich aus
Politik und Kultur bildet, wünscht sich, den Sommer hier zu verbringen.
Dabei sollte es niemanden wichtig sein, die WM zu sehen, weil Deutschland dabei
ist oder eine Chance auf den Titel hat, sondern weil in den Spielen qualitativ
guter Fußball zu sehen ist. Dieses Prinzip gilt im Conne Island seit
seinem Bestehen, denn auch bei der Auswahl von Bands wird auf Qualität und
nicht auf Nationalität geachtet. Es geht somit darum, einen Rahmen
vorzufinden und zu gestalten, der sich mit dem Selbstverständnis des Conne
Islands deckt, ohne Vaterlandsliebe, ohne Fußball als
Identifikationsmoment mit Deutschland und ohne dumpfes, nationales Gepöbel
besoffener Studenten. Diejenigen, die 2006 noch meinten, sie wären HipHop,
obwohl sie ihr Basecap Deutschland statt Eastcoast trugen, sie
wären Skin im Retro-Deutschland-Trikot oder Punker mit
schwarz-rot-goldenem Iro, können einfach zu Hause bleiben oder sich zur
fahnenschwenkenden Feiergemeinschaft in die Leipziger Innenstadt begeben.
Im Selbstverständnis des Conne Islands wird es weiterhin ein fester
Bestandteil bleiben, den Diskriminierungsformen Sexismus, Homophobie, Rassismus
und Antisemitismus keinen Raum zu bieten und bei eventuellen Vorfällen
Konsequenzen zu ziehen. Die Gäste der WM-Fußball-Übertragung
sollen einen Ort vorfinden, der es ermöglicht, ohne diese
offensichtlichsten Teile der gesellschaftlichen Normalität auszukommen.
Conne Island