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Sat 1 hat an zwei Abenden Weimar in die Postmoderne transportiert und ein freier Autor des CEE IEH saß mit im deutschen Hochgeschwindigkeitszug, welcher prima ohne Schienen auskommt und Die Grenze heißt.
Man muss skeptisch sein, äußerst skeptisch. Vor allem, wenn die
geschätzte Redaktion des Newsflyers einem die Fahrkarte für besagten
Zug geradezu aufdrängt. Sat 1 hat ordentlich geklotzt und alle
möglichen Partner überzeugt, dieses Desaster mitzufinanzieren. Dazu
kommen die wie üblich schlecht spielenden deutschen Darsteller, die in
einem Anfall totaler geistiger Umnachtung auch nach Lektüre des Drehbuchs
noch ihre Mitarbeit zusagten, und eine Werbekampagne, die sich gewaschen hatte,
einschließlich nachfolgender Talkrunde mit dem überbezahltesten
aller deutschen Fernsehmoderatoren. Verantwortlich für die ganze Chose ist
teamWorx, die schon mit überragenden Fernsehproduktionen wie
Stauffenberg, Experiment Bootcamp und Die Sturmflut
glänzen konnten; ach ja, geflüchtet sind sie auch (Die Flucht)
und beim Einsturz der Frauenkirche war man ebenso dabei (Dresden). Ein
politischer Thriller sollte es also werden und rechts wie links schwante nichts
Gutes. Im Vorfeld tippte man sich auf den einschlägigen Portalen die
Finger wund und es fielen große Worte wie Extremismustheorie,
Propaganda des Großkapitals, Volksverdummung und
Ähnliches. Einig waren sich beide Seiten darin, dass es sich hier auf
jeden Fall um krisenstabilisierende Propaganda aus der Ecke von Kapital und
Regierung handele. Doch alle können beruhigt sein, denn am Ende wissen wir
folgendes mit Sicherheit: Die Linken sind eigentlich ganz nette Leute mit Hang
zur Nostalgie in Bezug auf die DDR, die Rechten sind finstere, aber gut
gekleidete High-Tech-Scientologen mit schlechtem Musikgeschmack und die
Regierung ist ohne ihren kriminell agierenden verlängerten Arm des
verlängerten Armes ziemlich zahnlos.
Doch kommen wir zum Film. He, das ist doch Angela Merkel, na ja, unsere
Bundeskanzlerin nach diversen OPs und einer Imageberatung. Eine faltig
zerknautschte Regierungsvorsitzende ist dem Zuschauer wohl nicht zuzumuten.
Rumms, Terroranschlag, Terroranschlag, Terroranschlag, Ölpreis steigt,
zack, zack, Krise, Krise, Krise, Jobs weg, Ausschreitung, Ausschreitung,
Eskalation. Nach den wirr zusammengeschnittenen Fernsehbildern und
Nachrichtenschnipseln sind wir im Bilde und fragen uns, ob wir gerade ein
Musikvideo von Rage Against The Machine gesehen haben. Es sieht also
düster aus in der Bundesrepublik und dem Rest der Welt. Rechts und Links
sind auf dem Vormarsch, der Wähler ist der Demokratie müde geworden,
die ihm keine finanzielle Sicherheit mehr bieten kann. Deshalb hält die
Polizei sich bei den Ausschreitungen zurück und verzichtet auf
Wasserwerfer und Tränengas. Knüppel, Tritte und Schläge sind
nach Meinung der Autoren wohl das zivilere Mittel um in solchen
Extremsituationen zu reagieren. Doch schnell lernt man Uwe Kockisch (Erich
Manz) kennen. Der ehemalige kommandierende Offizier bei den
Fallschirmjägern der NVA ist nun grundehrlicher proletarischer Fischer und
ein aufrechter Antifaschist. Selbst als er sich das teure Benzin für sein
Boot nicht mehr leisten kann, läuft er nicht zur DNS, welche billigeres
bereitstellen und dafür Parteizugehörigkeit fordern. Die DNS
(Deutsch-National-Sozial) sind im übrigen die Nazis und haben mit
Maximillian Schnell (Thomas Kretschmann) einen angeblich charismatischen
Anführer. Die Frage ist, ob ein geleckter und schmieriger
Anzugträger, der sich mit kühlem weißen Design umgibt, welches
wie der real gewordene Alptraum eines jeden Verächters elektronischer
Musik wirkt, wirklich so gut bei der Bevölkerung ankommen würde. Ist
aber egal, immerhin ist Kretschmann ein method actor und hat sich ganz viele
Videobänder von Haider angesehen, um sich auf seine Rolle vorzubereiten.
Hat aber nicht geklappt, schade. Schnell ist total reich und finanziert mit
hart erarbeitetem Wohlstand seine Nazieskapaden. Er ist einer dieser
mysteriösen, schon fast mythischen, dot-com-Gewinner die sich vor aller
Welt verstecken. Böse Zungen behaupten ja, dass es gar keine gäbe.
Irgendwann stößt der Protagonist dazu und der ist klasse. Rolf Haas
wird gespielt von Benno Fürmann, einem der ganz Großen des deutschen
Films. Welche Aussage dieser Satz impliziert, sei an dieser Stelle dem Leser
selbst überlassen. Haas ist Werbeprofi. Was waren Werbeprofis früher
oft? Genau, rumrandalierende linksradikale Rädelsführer, die sich
irgendwann von PowerPoint und gut sitzenden Anzügen korrumpieren
ließen. Er wurde bei den Krawallen in Genua festgenommen, nachdem er
Molotowcocktails geworfen hatte, und verriet unter Folter den
Anführer des Ganzen. Das ist doch ein schönes Bild: Ein Heer
aus sportlich gekleideten Mediendesign- und Politikstudenten im Verbund mit
weniger schicken, dafür längere Haare tragenden Soziologiestudenten
wird von einem, damals noch mit BW-Parka ausgerüsteten, Vollirren durch
die Straßen Italiens dirigiert. Der Anführer war, tusch, Maximillan
Schnell, ein damals noch enger Freund von Haas. Während seinen Zeiten als
Hausbesetzer hatte der Protagonist eine Beziehung mit der Polizeibeamtin Marie
Bäumer (Nadine Manz), mit der er unwissentlich ein Kind zeugte. Im Verlauf
des Films lernen die beiden sich wieder kennen und lieben und Haas stellt sich
seiner väterlichen Verantwortung. Klingt total debil, ist aber so. Und das
ist noch nicht alles
Wir lernen den verlängerten Arm des Verfassungsschutzes kennen. Anja Kling
(Linda Jehnert) ist eine ziemlich harte Sau, ein weiblicher James Bond, nur
ohne erotische Eskapaden, na toll. Sie zerstört Haas Existenz um ihn
für ihren Anwerbeversuch mürbe zu machen (Job weg, Geld weg, Wohnung
weg). Dieser willigt ein, für den VS bei Schnell zu spionieren um
belastendes Material gegen ihn zu sammeln. Der Chef des Verfassungsschutzes
schlägt derweil der Bundesregierung vor, den Linken verdeckt finanzielle
Unterstützung zukommen zu lassen um den Aufschwung der Rechten zu bremsen.
Das ist vielleicht ein Verein, dieser Verfassungsschutz. Wenn in einer der
folgenden Szenen die Nostalgiker von links unter dem Rezitieren der DDR-Hymne
einen Eid auf die Fahne Mecklenburg-Vorpommerns schwören, fragt man sich,
ob das so eine gute Idee ist.
Dann eskaliert es richtig. Auf dem Rostock rockt-Konzert tritt
Maximillian Schnell unter Ethno-Techno-Klängen auf und verkündet
seine Botschaft. Die Polizei stürmt das Konzert und prügelt dabei das
kleine Kind der Polizistin und des Werbeprofis ins Koma sowie vier andere
Menschen zu Tode. Krass, denkt der Leser, aber keine Sorge. In Wirklichkeit
handelt es sich dabei um verdeckt operierende Schlägertruppen der DNS.
Infolge dieses Ereignisses erhöht sich die Spannung in MeckPomm und
Angehörige der DNS patroulieren nun mit automatischen Waffen durch ihre
Viertel und setzen mit brutalem Vorgehen ihre Vorstellung von Ordnung durch. Da
wird auf Leute geschossen, die eine Packung Spagetti geklaut haben und heulend
in die Kamera wimmern: Wir sind Hartz IV. Klingt wie der Slogan einer
neuen Bild-Kampagne, sowas würde ich mir an die Tür kleben.
Und was macht die Regierung? Die Bundeswehr darf nicht im Inneren eingesetzt
werden, überhaupt sei sie auf Häuserkämpfe nicht vorbereitet und
die Polizei weitestgehend machtlos. Also wird das offene Tragen und der Einsatz
scharfer Waffen durch Zivilisten ignoriert. Wer hier noch nicht abgeschaltet
hat, der packt auch den Rest.
Die Linke reagiert. Aus Bürgern werden mal eben ruck zuck
Paramilitärs und es gründet sich die, tusch, Neue Nationale
Volksarmee. Haas schleust sich bei Schnell ein und befindet sich in einer
Situation, die seinen unmittelbaren Tod zur Folge haben könnte. Ende des
ersten Teils.
Der zweite plätschert dann so weiter und richtig Einen drauf bekommt der
Bund der Industrie. Der heißt hier Verbund und schlägt der
Bundesregierung die Sezession MeckPomms vor. Gründe: Vierzig Prozent der
Industrie sei im Ausland angesiedelt und Deutschland wäre als
Wirtschaftsstandort nicht mehr attraktiv. Ein eigenes Billiglohnland um die
Ecke sei also eine interessante Investition. Der Vorsitzende des BDI empfiehlt
den Sozialismus! Dies ist der Zeitpunkt, an welchem man mit seinem Kopf wieder
und wieder die Tischplatte bearbeitet, so dass dieser Wahnsinn ein Ende haben
möge. Die Nazis haben noch einen Supersatelliten, mit dem sie durch die
Dächer von Gebäuden sehen können, Sabine Christiansen hat sich
auch noch für diesen Unsinn verhurt, MeckPomm führt die Volksaktie
ein (jeder Bürger kauft ein Stück des Landes), die Einnahmen der
Industrie steigen aufgrund der Abspaltung um dreißig Prozent, es gibt
wieder schnieke Volksprodukte (Einheitswaren) und die Nazis werden, na klar,
besiegt und scheitern an internen Intrigen und Größenwahn. Am Ende
wird die Mauer gebaut und die Nazis sind alle irgendwie in die
Friede-Freude-Einheitswaren-Republik integriert, man könnte sagen
verschwunden. Haas, die Polizistin, das vor dem Tode gerettete Kind und der
Proletarier segeln mit einem durch seinen Lohn vom VS bezahlten Boot in den
Sonnenuntergang.
Wenn man diesen ganzen Irrsinn überstanden hat, ist man wütend. Und
Denken hilft da auch nicht. Einzig schreien, immer wieder, laut. Im Anschluss
konnte man noch Kerner und einer ganzen Brigade von Halb- und Vollidioten beim
Philosophieren über die DDR zuhören und -sehen (Ulrich Battis,
Professor für Staats- und Verwaltungsrecht: Sezession ist
möglich; Axel Schulz, Ex-Boxer und Ossi: Ich habe meine Frau
damals in den Osten rüber geholt; Manuel Bauer, Ex-Neonazi:
Schulhof CD, blah, blah; Marie Bäumer, Schauspielerin: Da
herrschte noch Zwischenmenschlichkeit und Gemeinschaftssinn.; etc.). Kerner
fragt nach einem Einspieler über Margot Honecker: Gefahr für
die Demokratie?, gerade so als plane die Greisin von Chile aus den Umsturz der
BRD. Irgendwann geht es auch noch um Kinder mit Down-Syndrom, aber zu diesem
Zeitpunkt befand sich der Autor schon in den Armen eines erlösenden
Deliriums.
Die Botschaft des Films ist: Die Linken sind das kleinere Übel, die DDR
war gar nicht so schlimm, der BDI besteht aus heimlichen Sozialisten, die
Rechten hören Techno, misstrauen sich alle gegenseitig, Juden kommen in
ihrer Ideologie gar nicht vor, der VS ist ganz schön skrupellos und keiner
mag die Polizei. Keine Angst, liebe politisch Engagierten. Sollte dieser Film
wirklich eine Waffe im Kampf für Extremismustheorie und gegen die
politischen Ränder gewesen sein, so ist diese nicht nur stumpf, sondern
gegen die vermeintlichen Absender gerichtet.
Das Wichtigste jedoch ist und bleibt: Deutscher Film ist Mist, meistens, fast
immer. Der letzte Satz soll Anja Kling, dem neuen deutschen weiblichen James
Bond, gehören: Beim erstmaligen Lesen des Drehbuchs bekam ich
Angst. Verständlich, Anja, verständlich.
Schlaubi
P.S.: Liebes Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus
Mecklenburg-Vorpommern, glaubst du wirklich, mit der Beteiligung an solcherlei
Machwerken sei dem Standort, welchen du vertrittst, gedient? Ich verstehe, dass
man in der Situation, in der sich dein Bundesland befindet, nach jedem
Strohhalm greift, aber manchmal sollte man den ein oder anderen doch
vorüberziehen lassen. Ein Vorschlag zur Güte: Die Zeltplätze
rund um die wirklich schöne Mecklenburger Seenplatte dergestalt sichern,
dass vertrauenswürdige Securityunternehmen alle Touristen vor deiner doch
recht eigenwilligen Jugend schützen und das Singen verfassungswidriger
Lieder sowie das Zeigen solcherlei Symboliken unterbinden. Ich würde des
Öfteren vorbei schauen und auch in meinem Bekanntenkreis Werbung für
Kajaktouren machen.