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Aktuelle Termine

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Aktuelles Heft

INHALT #176

Titelbild
Editorial
• das erste: Am Anfang war die Tat
Rockwell
The Chariot, I Wrestled A Bear Once, The Eyes of a Traitor
Im zweiten Anlauf…
TRASH – A never ending Story
Motorcitydubs
These Boots Are Made For Stomping...
Turbostaat
Die Welt ist sehr chaotisch geworden
Johnossi
la familia y amigos festival
Nichts Neues im Westen? Doch!
The Casting Out
Alkaline Trio
The Sonic Boom Foundation
The Bronx & Mariachi El Bronx
Veranstaltungsanzeigen
• doku: Mit der Rolle in der Wolle
• doku: In Bewegung – know your feminist history
• doku: And we're running down the backstreets – Oi! Oi! Oi!
• ABC: S wie Surrealismus
• review-corner film: Dreamworks statt teamWorx!!!
• kulturreport: Deutlich auf der Seite des Guten
Die verkürzte Deutschlandkritik
• doku: Eskalation in Sachsen
Anzeigen
• das letzte: Antirassismus

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Dreamworks statt teamWorx!!!

Sat 1 hat an zwei Abenden Weimar in die Postmoderne transportiert und ein freier Autor des CEE IEH saß mit im deutschen Hochgeschwindigkeitszug, welcher prima ohne Schienen auskommt und „Die Grenze“ heißt.

Man muss skeptisch sein, äußerst skeptisch. Vor allem, wenn die geschätzte Redaktion des Newsflyers einem die Fahrkarte für besagten Zug geradezu aufdrängt. Sat 1 hat ordentlich geklotzt und alle Film: Die Grenze möglichen Partner überzeugt, dieses Desaster mitzufinanzieren. Dazu kommen die wie üblich schlecht spielenden deutschen Darsteller, die in einem Anfall totaler geistiger Umnachtung auch nach Lektüre des Drehbuchs noch ihre Mitarbeit zusagten, und eine Werbekampagne, die sich gewaschen hatte, einschließlich nachfolgender Talkrunde mit dem überbezahltesten aller deutschen Fernsehmoderatoren. Verantwortlich für die ganze Chose ist teamWorx, die schon mit überragenden Fernsehproduktionen wie „Stauffenberg“, „Experiment Bootcamp“ und „Die Sturmflut“ glänzen konnten; ach ja, geflüchtet sind sie auch („Die Flucht“) und beim Einsturz der Frauenkirche war man ebenso dabei („Dresden“). Ein politischer Thriller sollte es also werden und rechts wie links schwante nichts Gutes. Im Vorfeld tippte man sich auf den einschlägigen Portalen die Finger wund und es fielen große Worte wie „Extremismustheorie“, „Propaganda des Großkapitals“, „Volksverdummung“ und Ähnliches. Einig waren sich beide Seiten darin, dass es sich hier auf jeden Fall um krisenstabilisierende Propaganda aus der Ecke von Kapital und Regierung handele. Doch alle können beruhigt sein, denn am Ende wissen wir folgendes mit Sicherheit: Die Linken sind eigentlich ganz nette Leute mit Hang zur Nostalgie in Bezug auf die DDR, die Rechten sind finstere, aber gut gekleidete High-Tech-Scientologen mit schlechtem Musikgeschmack und die Regierung ist ohne ihren kriminell agierenden „verlängerten Arm des verlängerten Armes“ ziemlich zahnlos.
Doch kommen wir zum Film. He, das ist doch Angela Merkel, na ja, unsere Bundeskanzlerin nach diversen OPs und einer Imageberatung. Eine faltig zerknautschte Regierungsvorsitzende ist dem Zuschauer wohl nicht zuzumuten. Rumms, Terroranschlag, Terroranschlag, Terroranschlag, Ölpreis steigt, zack, zack, Krise, Krise, Krise, Jobs weg, Ausschreitung, Ausschreitung, Eskalation. Nach den wirr zusammengeschnittenen Fernsehbildern und Nachrichtenschnipseln sind wir im Bilde und fragen uns, ob wir gerade ein Musikvideo von Rage Against The Machine gesehen haben. Es sieht also düster aus in der Bundesrepublik und dem Rest der Welt. Rechts und Links sind auf dem Vormarsch, der Wähler ist der Demokratie müde geworden, die ihm keine finanzielle Sicherheit mehr bieten kann. Deshalb hält die Polizei sich bei den Ausschreitungen zurück und verzichtet auf Wasserwerfer und Tränengas. Knüppel, Tritte und Schläge sind nach Meinung der Autoren wohl das zivilere Mittel um in solchen Extremsituationen zu reagieren. Doch schnell lernt man Uwe Kockisch (Erich Manz) kennen. Der ehemalige kommandierende Offizier bei den Fallschirmjägern der NVA ist nun grundehrlicher proletarischer Fischer und ein aufrechter Antifaschist. Selbst als er sich das teure Benzin für sein Boot nicht mehr leisten kann, läuft er nicht zur DNS, welche billigeres bereitstellen und dafür Parteizugehörigkeit fordern. Die DNS (Deutsch-National-Sozial) sind im übrigen die Nazis und haben mit Maximillian Schnell (Thomas Kretschmann) einen angeblich charismatischen Anführer. Die Frage ist, ob ein geleckter und schmieriger Anzugträger, der sich mit kühlem weißen Design umgibt, welches wie der real gewordene Alptraum eines jeden Verächters elektronischer Musik wirkt, wirklich so gut bei der Bevölkerung ankommen würde. Ist aber egal, immerhin ist Kretschmann ein method actor und hat sich ganz viele Videobänder von Haider angesehen, um sich auf seine Rolle vorzubereiten. Hat aber nicht geklappt, schade. Schnell ist total reich und finanziert mit hart erarbeitetem Wohlstand seine Nazieskapaden. Er ist einer dieser mysteriösen, schon fast mythischen, dot-com-Gewinner die sich vor aller Welt verstecken. Böse Zungen behaupten ja, dass es gar keine gäbe.
Irgendwann stößt der Protagonist dazu und der ist klasse. Rolf Haas wird gespielt von Benno Fürmann, einem der ganz Großen des deutschen Films. Welche Aussage dieser Satz impliziert, sei an dieser Stelle dem Leser selbst überlassen. Haas ist Werbeprofi. Was waren Werbeprofis früher oft? Genau, rumrandalierende linksradikale Rädelsführer, die sich irgendwann von PowerPoint und gut sitzenden Anzügen korrumpieren ließen. Er wurde bei den Krawallen in Genua festgenommen, nachdem er Molotowcocktails geworfen hatte, und verriet unter Folter den „Anführer“ des Ganzen. Das ist doch ein schönes Bild: Ein Heer aus sportlich gekleideten Mediendesign- und Politikstudenten im Verbund mit weniger schicken, dafür längere Haare tragenden Soziologiestudenten wird von einem, damals noch mit BW-Parka ausgerüsteten, Vollirren durch die Straßen Italiens dirigiert. Der Anführer war, tusch, Maximillan Schnell, ein damals noch enger Freund von Haas. Während seinen Zeiten als Hausbesetzer hatte der Protagonist eine Beziehung mit der Polizeibeamtin Marie Bäumer (Nadine Manz), mit der er unwissentlich ein Kind zeugte. Im Verlauf des Films lernen die beiden sich wieder kennen und lieben und Haas stellt sich seiner väterlichen Verantwortung. Klingt total debil, ist aber so. Und das ist noch nicht alles…
Wir lernen den verlängerten Arm des Verfassungsschutzes kennen. Anja Kling (Linda Jehnert) ist eine ziemlich harte Sau, ein weiblicher James Bond, nur ohne erotische Eskapaden, na toll. Sie zerstört Haas Existenz um ihn für ihren Anwerbeversuch mürbe zu machen (Job weg, Geld weg, Wohnung weg). Dieser willigt ein, für den VS bei Schnell zu spionieren um belastendes Material gegen ihn zu sammeln. Der Chef des Verfassungsschutzes schlägt derweil der Bundesregierung vor, den Linken verdeckt finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen um den Aufschwung der Rechten zu bremsen. Das ist vielleicht ein Verein, dieser Verfassungsschutz. Wenn in einer der folgenden Szenen die Nostalgiker von links unter dem Rezitieren der DDR-Hymne einen Eid auf die Fahne Mecklenburg-Vorpommerns schwören, fragt man sich, ob das so eine gute Idee ist.
Dann eskaliert es richtig. Auf dem „Rostock rockt“-Konzert tritt Maximillian Schnell unter Ethno-Techno-Klängen auf und verkündet seine Botschaft. Die Polizei stürmt das Konzert und prügelt dabei das kleine Kind der Polizistin und des Werbeprofis ins Koma sowie vier andere Menschen zu Tode. Krass, denkt der Leser, aber keine Sorge. In Wirklichkeit handelt es sich dabei um verdeckt operierende Schlägertruppen der DNS.
Infolge dieses Ereignisses erhöht sich die Spannung in MeckPomm und Angehörige der DNS patroulieren nun mit automatischen Waffen durch ihre Viertel und setzen mit brutalem Vorgehen ihre Vorstellung von Ordnung durch. Da wird auf Leute geschossen, die eine Packung Spagetti geklaut haben und heulend in die Kamera wimmern: „Wir sind Hartz IV.“ Klingt wie der Slogan einer neuen Bild-Kampagne, sowas würde ich mir an die Tür kleben.
Und was macht die Regierung? Die Bundeswehr darf nicht im Inneren eingesetzt werden, überhaupt sei sie auf Häuserkämpfe nicht vorbereitet und die Polizei weitestgehend machtlos. Also wird das offene Tragen und der Einsatz scharfer Waffen durch Zivilisten ignoriert. Wer hier noch nicht abgeschaltet hat, der packt auch den Rest.
Die Linke reagiert. Aus Bürgern werden mal eben ruck zuck Paramilitärs und es gründet sich die, tusch, Neue Nationale Volksarmee. Haas schleust sich bei Schnell ein und befindet sich in einer Situation, die seinen unmittelbaren Tod zur Folge haben könnte. Ende des ersten Teils.

Der zweite plätschert dann so weiter und richtig Einen drauf bekommt der Bund der Industrie. Der heißt hier Verbund und schlägt der Bundesregierung die Sezession MeckPomms vor. Gründe: Vierzig Prozent der Industrie sei im Ausland angesiedelt und Deutschland wäre als Wirtschaftsstandort nicht mehr attraktiv. Ein eigenes Billiglohnland um die Ecke sei also eine interessante Investition. Der Vorsitzende des BDI empfiehlt den Sozialismus! Dies ist der Zeitpunkt, an welchem man mit seinem Kopf wieder und wieder die Tischplatte bearbeitet, so dass dieser Wahnsinn ein Ende haben möge. Die Nazis haben noch einen Supersatelliten, mit dem sie durch die Dächer von Gebäuden sehen können, Sabine Christiansen hat sich auch noch für diesen Unsinn verhurt, MeckPomm führt die Volksaktie ein (jeder Bürger kauft ein Stück des Landes), die Einnahmen der Industrie steigen aufgrund der Abspaltung um dreißig Prozent, es gibt wieder schnieke Volksprodukte (Einheitswaren) und die Nazis werden, na klar, besiegt und scheitern an internen Intrigen und Größenwahn. Am Ende wird die Mauer gebaut und die Nazis sind alle irgendwie in die Friede-Freude-Einheitswaren-Republik integriert, man könnte sagen verschwunden. Haas, die Polizistin, das vor dem Tode gerettete Kind und der Proletarier segeln mit einem durch seinen Lohn vom VS bezahlten Boot in den Sonnenuntergang.
Wenn man diesen ganzen Irrsinn überstanden hat, ist man wütend. Und Denken hilft da auch nicht. Einzig schreien, immer wieder, laut. Im Anschluss konnte man noch Kerner und einer ganzen Brigade von Halb- und Vollidioten beim Philosophieren über die DDR zuhören und -sehen (Ulrich Battis, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht: „Sezession ist möglich“; Axel Schulz, Ex-Boxer und Ossi: „Ich habe meine Frau damals in den Osten rüber geholt“; Manuel Bauer, Ex-Neonazi: „Schulhof CD, blah, blah“; Marie Bäumer, Schauspielerin: „Da herrschte noch Zwischenmenschlichkeit und Gemeinschaftssinn.“; etc.). Kerner fragt nach einem Einspieler über Margot Honecker: „Gefahr für die Demokratie?“, gerade so als plane die Greisin von Chile aus den Umsturz der BRD. Irgendwann geht es auch noch um Kinder mit Down-Syndrom, aber zu diesem Zeitpunkt befand sich der Autor schon in den Armen eines erlösenden Deliriums.

Die Botschaft des Films ist: Die Linken sind das kleinere Übel, die DDR war gar nicht so schlimm, der BDI besteht aus heimlichen Sozialisten, die Rechten hören Techno, misstrauen sich alle gegenseitig, Juden kommen in ihrer Ideologie gar nicht vor, der VS ist ganz schön skrupellos und keiner mag die Polizei. Keine Angst, liebe politisch Engagierten. Sollte dieser Film wirklich eine Waffe im Kampf für Extremismustheorie und gegen die politischen Ränder gewesen sein, so ist diese nicht nur stumpf, sondern gegen die vermeintlichen Absender gerichtet.
Das Wichtigste jedoch ist und bleibt: Deutscher Film ist Mist, meistens, fast immer. Der letzte Satz soll Anja Kling, dem neuen deutschen weiblichen James Bond, gehören: „Beim erstmaligen Lesen des Drehbuchs bekam ich Angst.“ Verständlich, Anja, verständlich.

Schlaubi

P.S.: Liebes Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Mecklenburg-Vorpommern, glaubst du wirklich, mit der Beteiligung an solcherlei Machwerken sei dem Standort, welchen du vertrittst, gedient? Ich verstehe, dass man in der Situation, in der sich dein Bundesland befindet, nach jedem Strohhalm greift, aber manchmal sollte man den ein oder anderen doch vorüberziehen lassen. Ein Vorschlag zur Güte: Die Zeltplätze rund um die wirklich schöne Mecklenburger Seenplatte dergestalt sichern, dass vertrauenswürdige Securityunternehmen alle Touristen vor deiner doch recht eigenwilligen Jugend schützen und das Singen verfassungswidriger Lieder sowie das Zeigen solcherlei Symboliken unterbinden. Ich würde des Öfteren vorbei schauen und auch in meinem Bekanntenkreis Werbung für Kajaktouren machen.

 

22.04.2010
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