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Für alle, die immer nur den fettgedruckten Einleitungstext von Nachrichten
und Texten lesen (ja, ich weiß, dass ihr da draußen seid!), kommt
hier auf die Schnelle die Kurzform: Das Oi! The Meeting 2010 (im
Folgenden OTM) in Leipzig fällt flach und aus. Genau wie das OTM 2009. Und
voraussichtlich auch das OTM 2011.
Das war es schon. Man könnte sich jetzt also wieder angenehmen Sachen
widmen (Bier trinken, Musik hören, Haare schneiden, oder was man eben den
ganzen Tag so tut). Könnte man. Man könnte diesen Text aber auch
weiter lesen und sich mit der Thematik auseinander setzen. Ich möchte
jedoch vorwarnen: Das ist vielleicht nicht schön oder gar anstrengend. You
decide!
Wir, das sind die Skinheads Leipzig. Wir sind in erster Linie eine lockere
Gruppe von Glatzen, dem engeren Umfeld von Glatzen oder auch ehemalige
Skinheads, die sich der Szene und Musik nach wie vor verbunden fühlen. Die
meisten von uns bewegen sich bereits seit vielen Jahren in dieser Szene,
obgleich wir natürlich nicht seit `69 dabei sind. Man könnte unsere
Generation bereits als die zweite oder dritte der Skinheads in Leipzig
bezeichnen, wobei unsere Vorgänger nach wie vor teilweise aktiv in unserer
Gruppe sind oder zumindest ihren Senf immer gern mit dazu geben. Unsere
Vorgänger waren es auch, die bei den ersten Meetings im Norden
dabei waren und gerade bei dem ersten OTM im neuen Jahrtausend sehr aktiv
mitwirkten und im Hintergrund auch Antrieb waren.
Ebenfalls seit vielen Jahren sind die Skinheads Leipzig sehr eng mit dem Conne
Island verbunden, da der Laden auch für uns Glatzen stets eine Plattform
bot, unsere Subkultur auszuleben und Konzerte und Feiern zu veranstalten. So
stand es für uns nicht immer, aber letztendlich unterm Strich doch
außer Frage, das Meeting nicht irgendwo hinzupflanzen und auf
einer Wiese zu veranstalten, sondern in dem Laden, der für die Szene eine
wichtige Bedeutung hat. Das war in der Vergangenheit auch der Grund, warum ein
OTM 2002 und OTM 2005 (und 2007) bereits hier stattfanden.
Wir verstehen uns sicherlich jeder für sich zu seinem individuellen
Grad eher als klassische Skinheads mit Werten, die abseits eines
rechtsoffenen Gedankengutes zu finden sind und positionieren uns mit unserer
Arbeit im Conne Island (als eher linksorientiertes Projekt und Laden) eindeutig
gegen Nazis und gegen irgendwelche innerszenischen
Rechtsoffenströmungen. Wir positionieren uns mit unserer Arbeit bei
Konzerten in der Gegenwart und in der Vergangenheit auch gegen zweifelhafte
Bands und haben uns in den vergangenen Jahren bewusst gegen die eine oder
andere Band entschieden. Kurzum, wir als nicht-politisch motivierte Gruppe
haben durchaus klare Wertvorstellungen, die sich an den traditionellen Meetings
der frühen 90er Jahre orientierten.
Ebenso erheben wir für uns den Anspruch, ein Festival organisieren und
veranstalten zu wollen, das eben dem Namen Oi! The Meeting
gerecht wird und nicht ein Popfestival, ein Punkkonzert oder ein Wald- und
Wiesenkonzert. Doch diesem Anspruch gerecht zu werden, ist heutzutage nicht so
einfach, wie man sich das vielleicht vorstellt.
Wir haben in den letzten Monaten immer wieder Diskussionen geführt, in
denen es sich im Kern um immer ähnliche Punkte drehte. Zum Beispiel:
Welche Bands laden wir ein?
Wir veranstalten das OTM ein Skinheadtreffen. Dass wir da keine Bands
wie Broilers, Madball oder WIZO einladen, verbietet schon unser
Selbstverständnis. Aber wollen wir die ultimative Rumpel-Oi!-Herde, die
die Kids in Scharen zieht, aber den Großteil der Szene kalt lässt?
Was ist mit klassischen Acts wie Cockney Rejects, die im Dezember gerade
mal 250 Leute mobilisieren konnten? Was ist mit den Überreitern
Perkele, die bereits schon auf einem OTM gespielt haben? Warum nicht
gleich Cock Sparrer?
Nun, unsere Szene ist träge, faul und bequem geworden. Es gibt ein
absolutes Überangebot an Konzerten. Auf jedem Dorf findet jedes Wochenende
ein Konzert statt und in den Szene-Städten oder überhaupt in jeder
größeren Stadt gibt es jede Band alle Nasen lang zu sehen.
Ganz zu schweigen von den unzähligen Spirit of bla und Unity
of bla Festivals, die wie Unkraut aus dem Boden schießen, auf
irgendeinem Feldacker mit Zaun abgesteckt, mit einer schlechten PA-Anlage
ausgestattet, ein buntes Line-up zusammengewürfelt mit fünf bis sechs
Headlinern, einigen Pöbelproberaumbands, um möglichst viele Leute zu
ziehen und um dem Veranstalter kräftig die Taschen zu füllen.
Hinzu kommt die Tatsache, dass speziell in dieser Region und im
Großeinzugsgebiet Leipzig sehr viele regionale Festivals miteinander
konkurrieren und sich zwar teilweise durch größere oder breitere
Zielgruppen unterscheiden, jedoch auch für ein OTM eine ernsthafte
Konkurrenz sind. Denn Festivals wie z.B. das Endless Summer haben sehr
wohl viele Bands im Line-Up, die wir auch gern auf einem OTM hätten. Doch
macht es Sinn ein Festival zu organisieren und dabei Bands aufzustellen, die
acht Wochen später auf dem nächsten Festivals um die Ecke wieder auf
der Bühne stehen?
Der gemeine Skinhead ist bequem. Es ist heute nicht mehr in der gleichen
unbequemen Situation wie vor zehn Jahren. Heute gibt es Myspace, Facebook,
StudiVZ. Die ganze Szene oder zumindest wer Wert darauf legt ist
miteinander vernetzt. Man sieht sich mindestens einmal im Jahr
spätestens zum Punk & Disorderly zu Cock Sparrer
ansonsten auch gern häufiger bei einem der bereits angesprochen Kraut- und
Rübenfestivals, bei denen Oi! auf dem Flyer steht. DAS Meeting, bei
dem die ganze Szene einmal zusammen kommt, ist schlichtweg unnötig
geworden.
Was aber ist mit Ska- und Reggae-Legenden? Oder Klassikern wie den Rejects oder
Business? Nun, von den älteren Szeneanhängern werden diese
leider nur noch bedingt als Headliner wahr genommen und von den
jüngeren Anhängern teilweise gar nicht mehr beachtet. Beim Konzert
der Rejects im vergangenen Dezember ist eine signifikant höhere
Altersstruktur festzustellen gewesen als beim inkognito beobachteten
Rumpel-Herden-Oi-Konzert anderenorts. Das legt die Vermutung nahe, dass der
Nachwuchs der Szene seinen musikalischen Schwerpunkt etwas anders setzt als die
vorangegangene Szenegeneration. Dazu kommt eine ekelhafte Entwicklung vieler
junger Menschen hin zu Liebhabern sogenannter Deutschrock-Herden, die sich
neuerdings immer größerer Beliebtheit erfreuen. Was für
Skinheads unserer Generation Cock Sparrer und Angelic Upstarts waren,
sind für viele heute Krawallbrüder und Freiwild. Doch
diesem Trend möchten wir auf keinen Fall folgen und erheben auch diesen
Anspruch, dass wir qualitativ hochwertige Festivals sehen und veranstalten
wollen, die auch ein Oi! vor dem Namen verdienen. Doch dem können
wir nicht gerecht werden, wenn wir einerseits Bands buchen wollen, die auch
eine Gage erwarten und andererseits deren Finanzierung durch einen angemessenen
Preis und genügend Besucher sicher gestellt ist.
Wir sind keine Veranstalter, die ein Festival organisieren wollen, wo
möglichst viele Leute angesprochen werden und uns die Taschen mit
horrenden Eintrittsgeldern gefüllt werden. Wir wollen ein Skinheadtreffen.
Wir wollen ein qualitativ hochwertiges Treffen mit einem Line-Up, welches den
40 Jahren Skinhead-Kult gerecht wird. Wir wollen keine Rumpel-Herden auf der
Bühne sehen, die gerade Favorite of the Month sind oder im
schlimmsten Fall gar nichts mit Oi! zu tun haben. Und wir wollen ein Treffen,
was wichtig für die Szene ist, auf dem sie zusammenkommen kann, um sich
selbst und ihre Helden zu feiern.
Nach zwei Jahren andauernden Planungen und Überlegungen und dem Versuches,
ein Meeting auf die Beine zu stellen, sind wir zu der Überzeugung gelangt,
dass die Szene ein Oi! The Meeting derzeit nicht nötig hat.
Wir sind der Überzeugung, ein OTM wäre nur eines von vielen
unzähligen Festivals, an welchen vielleicht ein besonderer Name dran
hängt, aber ansonsten alles wie an einem gewöhnlichem Wochenende ist.
Wir sind der Überzeugung, ein OTM, wie wir es uns vorstellen mit
einer besonderen Atmosphäre eines Meetings und dem Line-Up, was einem OTM
würdig ist ist derzeit nicht durchführbar.Wir sind der
Überzeugung eine Kompromisslösung zwischen all diesen Punkten
wäre möglich, verdient aber den Namen Oi! The Meeting
nicht mehr.
Von daher wird es bis auf weiteres kein Oi! The Meeting in
Leipzig geben.
Feedback ist uns willkommen und soll per elektronischer Post an mail@oi-themeeting.de gerichtet werden.
Skinheads Leipzig, März 2010