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Im letzten Jahr rührten wir noch die Werbetrommel für die Kampagne
AK09 und gegen großdeutsche Verhältnisse. Diesmal bleiben wir von
deutschen Einheitsdusseleien verschont und können uns nun wieder zeitlosen
Themen widmen.
Nicht nur die guten Deutschen, sondern auch ein Großteil der linken Szene
hat ein großes gesellschaftliches Problem noch nicht überwunden: Die
vermeintlich vorhandene Gleichberechtigung von Frauen und
Männern und allem dazwischen und darüber hinaus lässt zu
wünschen übrig. Der oft tot gesagte, böse alte Sexismus erfreut
sich immer noch reger Beliebtheit in allen Teilen der Gesellschaft und somit
eben auch in der Linken. Wie notwendig ein weitreichender Diskurs zu diesem
Thema ist, zeigte sich für uns auch durch den Diskussionsbedarf innerhalb
der Rock am Kreuz-Gruppe.
Da Leugnen, Wegschauen und Verschweigen leider noch nie irgendwas geändert
haben, versucht das Rock am Kreuz im Jahr 2010, den Projekten und Kampagnen
eine Plattform zu bieten, die sich mit dem etwas stiefmütterlich
behandelten Thema Sexismus auseinander setzen. Wir wollen damit erreichen, dass
antisexistische Theorie und Praxis zum Thema in der gesamten linken Szene wird
und nicht nur auf den Schultern von Expert_innen-Gruppen getragen werden
muss.
Totgesagte leben länger Sexismus in der linken Szene
Antiseximus als Aufhebung von Bevorteilung oder Benachteiligung eines Menschen
aufgrund seines Geschlechts existiert als Grundsatz in der linken Szene. Auf
vielen Flyern steht, dass Sexismus nicht erwünscht ist oder an der Bar
hängt ein Schild, dass man sich nicht dumm anquatschen lassen muss.
In der Realität wird Sexismus dann aber doch nur auf sexuelle
Übergriffe und blöde Sprüche reduziert.
Die binäre Aufteilung der Geschlechter in Frau und Mann ist
in der linken Szene jedoch noch zu eindeutig und unreflektiert. Dass es mehr
gibt als diese beiden Kategorien, ist zwar bekannt, aber trotzdem werden
Menschen, auf Grund ihres Geschlechts, bestimmte Eigenschaften unterstellt und
Rollen zugewiesen.
Wenn man betrachtet, wer bei Aktionen sagt, wo es langgeht, worüber in
Gruppen gesprochen wird, wer die aktuellsten Infos und Kontakte hat, muss man
feststellen, dass einige gleicher als andere sind. Die gut bürgerliche
Sozialisation ist eben auch nicht an der so genannten emanzipatorischen Linken
vorbei gegangen. Dies äußert sich in Sportgruppen oder bei
erlebnisorientierten Jugendlichen, die durch martialisches Auftreten
möglichst gefährlich und böse wirken wollen. Man(n) bezieht sich
auf Kampfsport oder Muskelmasse, bleibt unter sich, das kleine Frauchen darf
nicht mit, denn ihr könnte ja etwas passieren, Mann müsste sie
beschützen und dabei ginge der ganze Spaß flöten. Innerhalb
politischer Gruppen sieht die Rollenverteilung auch nicht viel besser aus. Die
Jungs diskutieren aggressiv und laut, schubsen bei Demos, führen
die Gespräche und haben die wichtigen Infos. Die Frauen diskutieren
nicht so offensiv, sind die Freundin von
und am Ende des Tages
dürfen sie die Jungs für ihre Taten bewundern. Statt jagen
geht der Mann hier im Einheitslook Nazis klatschen und die
Frau sitzt in der Höhle und betreut, statt Kindern, das
Info-Telefon. Diskussionsveranstaltungen sind weitere Orte, an dem sich
traditionell Männlichkeit zeigt. Dies betrifft nicht allein die
Auswahl der Referent_innen, sondern ebenfalls das Gesprächsverhalten von
anwesenden Personen. Trotz Hinweisen, dass sexistische Ausfälle,
aggressives Redeverhalten und selbstgefälliges Dozieren nicht akzeptiert
werden, fühlen sich die gemeinten Personen in den meisten Fällen
nicht angesprochen. Vermeintliche Wissenschaftlichkeit und Checkertum in
Aussagen wie: Wie wir alle wissen, hat Adorno gesagt
werden
eigene Meinungen zu objektiven allgemeingültigen gemacht und vor
Widersprüchen sowie Nachfragen geschützt. Dabei haben die meisten
Teilnehmer_innen oft nicht die Möglichkeit, diesem Habitus selbstbewusst
entgegen zu treten.
Zugegeben, hier werden Extreme beschrieben, welche aber leider
regelmäßig erreicht werden. In ihrer Konsequenz führen diese
aber auch dazu, dass Frauen sich aus bestimmten politischen Zusammenhängen
zurückziehen oder passiv am Rand stehen. Hier werden innerhalb der linken
Szene gesellschaftliche Geschlechterstereotype nicht nur reproduziert, sondern
verfestigt.
Aber nicht nur Frauen werden aufgrund ihres biologischen Geschlechts immer
wieder in bestimmte Rollen gedrängt. Auch Männer sind in der
Linken mit einem ganz bestimmten Männlichkeitsbild definiert. Sie werden
als funktionales Werkzeug gesehen, dass möglichst selten Gefühle
zeigt, sich keine Fehler erlauben darf, immer mutig ist und so den Laden am
Laufen hält sowie im Notfall die Kastanien aus dem Feuer holt.
Männer, welche von diesem altertümlichen Bild abweichen,
kriegen dann auch gern einmal die vermeintliche Männlichkeit abgesprochen.
An dieser Stelle gehen Rollenzuschreibungen und Sexismus mit lookism Hand in
Hand. Ganz nach dem Motto Kleider machen Leute, machen Kleider eben auch
weiblich oder männlich. Ebenso werden Individuen, trotz eigener
Freisprechung von jeglicher binärer Geschlechterordnung, von außen
einer der zwei Kategorien zugeteilt. Diese Umstände lassen einen modernen
feministischen Ansatz zwingend notwendig werden.
Feminismus ist tot, lang lebe der Feminismus!
Seit den 70er Jahren scheint in punkto Gleichberechtigung viel erreicht worden
zu sein: Frauen werden in der Gesellschaft und vor dem Gesetz als
gleichberechtigt dargestellt. Immerhin dürfen sie arbeiten, können
Bundeskanzlerin werden oder abtreiben. Aber war das schon alles? Wie viel
Feminismus brauchen wir eigentlich noch?
Leider verbindet die Öffentlichkeit heute mit Feminismus nur schlechte
Attribute: unattraktiv, unsexy, männerfeindlich, verkrampft. Um an der
Stelle nur einen exemplarischeren Aspekt des alten Feminismus zu nennen, der
mittlerweile schon graue Achselhaare hat: Die Sexfeindlichkeit der Linken. Der
Sexismus lastet so sehr auf der linken Szene, dass Sex an sich zu einem
Störfaktor geworden ist. Durch die, innerhalb der linken Szene,
feministisch geprägte Vorstellung, dass Sex auf Unterdrückung beruht,
ist der Gedanke um das sexuelle Miteinander verloren gegangen bzw. wird
ausgeschwiegen. Die Frage nach einer selbstbestimmten Sexualität zieht
auch die Frage nach sich, ob die Linke sexy sein darf und Schönheit
unabhängig von der aktuellen Modeindustrie möglich ist. Denn durch
den Schlabberlook ist die Kritik an der sexualisierten Gesellschaft weit
verfehlt. Es gilt das Uneindeutige, Nichtfestgelegte wieder sexy sein zu
lassen. So kann Beweglichkeit zwischen den Kategorien Mann und
Frau verdeutlicht und Selbst- und Fremdzuschreibungen in Frage gestellt
werden. Feminismus scheint heute ausschließlich etwas für Leute zu
sein, die einfach nicht wahrhaben wollen, dass die Gleichberechtigung
längst durch ist.
Dabei sollte Feminismus schon immer etwas anderes bedeuten: Ein Ensemble von
Debatten, kritischen Erkenntnissen und emanzipatorischen Bewegungen, das die
patriarchalen Geschlechterverhältnisse analysieren und verändern
will. So muss es auch wieder in Mode kommen. Feministische Theorien und
Kämpfe sind innerhalb linker Strukturen nach wie vor unabdingbar.
Feminismus bedeutet nicht, dass Frauen neue Männer sein
sollen, sondern alle Menschen die Möglichkeit haben, individuell zu
entscheiden, wer sie sind und sein wollen. Männer sollen nicht
länger Feind, sondern Freund des Feminismus sein, denn alle profitieren
davon. Die Abschaffung der Rollen eröffnet allen neue Möglichkeiten,
ob es sich nun um Frauen, Männer, Queers, Transgender oder
Regenwürmer handelt. Feminismus ist die Notwendigkeit von eben
nicht nur weiblicher, sondern menschlicher Emanzipation.
Aus diesem Grund bieten wir im Rahmen des Rock am Kreuz verschiedenen
Künstlerinnen und Gruppen in Form von Schrift-, Redebeiträgen und
Auftritten die Möglichkeit, für ihre und unsere Sache Werbung zu
machen. Wir wollen auf bestehende Probleme innerhalb der Linken aufmerksam
machen, um einen Diskurs anzuregen.
Rock am Kreuz-Crew