Mit Messer und Axt
Dänemark und seine muslimischen Migranten
Eine der Meldungen, die um den Jahreswechsel herum meine Aufmerksamkeit
forderten, war die vom brutalen Angriff auf Kurt Westergaard, einen jener
zwölf dänischen Karikaturisten, die seit der Mohammed-Affäre vor
vier Jahren massiv von Islamisten verfolgt werden. Westergaard ist, trotz
anklagender Stimmen auch in Dänemark und im westlichen Ausland, standhaft
geblieben und verteidigt seine Karikatur, die den Propheten mit einer
angezündeten Bombe als Turban zeigt. Er lebt unter Polizeischutz an
geheimen Orten. Dessen ungeachtet gelang es am Neujahrstag einem Mann, mit
Mordabsicht in Westergaards Haus bei Århus einzudringen. Der Angreifer
war somalischer Herkunft, in Dänemark aufgewachsen und unterhielt
Verbindungen zu Al-Quaida. Er kam mit Messer und Axt; auch als die Polizei das
Haus umzingelt hatte, ergab er sich nicht und wurde folglich angeschossen und
überwältigt. Westergaard überlebte in seinem zum Panic Room
gesicherten Badezimmer.
Unsereinem geneigt, kleine Demokratien im tapferen Kampf gegen eine
gewalttätige, ideologisch aufgeheizte Übermacht gern zu haben
sei hier die dänische Variante des viel bedachten Konflikts zwischen
Islamismus und westlichen Werten erzählt; und zwar zuvörderst als
eine Art Reisebericht. Dieser Text wird nicht getragen von intimer Kenntnis der
muslimischen Parallelgesellschaft, die sich am Rand der dänischen
Öffentlichkeit drängt. Die diesbezüglichen Informationen speisen
sich aus der Tagespresse und gefährlich subjektivem Halbwissen. Vom Umgang
eines Landes mit seiner spezifischen Migrationsproblematik soll die Rede sein,
betrachtet mit den Augen der kritischen, wenngleich sympathisierenden
Besucherin aus Ostdeutschland.
1.
Die Dänen scheinen eine große Abneigung gegen Neuerungen zu
haben, und wenn Glückseligkeit nur in einer Meinung besteht, so sind sie
das glücklichste Volk auf Erden. Noch nie fand ich eins, das mit seiner
Lage so zufrieden war. (Mary Wollstonecraft, Reisebriefe, 1796)
Zuerst ein kleiner Exkurs ins dänische Selbstverständnis. Die
skandinavischen Länder zu denen sich Dänemark
ausdrücklich zählt, Geographie hin oder her sind seit jeher
die Guten: sozial und säkular, friedliebend und vollbeschäftigt.
Dass man seit der gravierenden Schrumpfung des dänischen Kolonialreichs im
18. und 19. Jh. in einem kleinen, ziemlich unaufregenden Land lebt, dessen
kulturelle Exportschlager mit Kierkegaard, Hans Christian Andersen, Lars von
Trier und Marmelade von
Den gamle Fabrik erschöpft sind, daran hat
man sich gewöhnt. Demzufolge treibt der Nationalstolz ohne den ein
moderner Nationalstaat nun einmal nicht auskommt in Dänemark
sonderbare Blüten, fernab von Hurra-Patriotismus und vaterländischen
Kriegergöttern.
Der nationale Rückblick fokussiert Grüppchen erfinderischer Wikinger,
die in schnellen Booten Ost- und Nordsee durchpflügen und damit die
Identität als nordisches Land rechtfertigen, verwandt mit Schweden,
Norwegen und Island und bloß weit weg von Deutschland. Die
traditionell enge kulturelle Anbindung Dänemarks an den großen
südlichen Nachbarn, die unter Anderm dazu führte, dass die
Bildungselite und alles Übrige, was auf sich hielt, Deutsch sprach und in
deutscher Literatur, Musik, Philosophie bewandert war, fand mit der deutschen
Besetzung 1940-45 ein jähes Ende; seither wird sich nach Norden
orientiert.
Signifikant für die dänische Mentalität und Politik ist die
Notwendigkeit, sich zu orientieren, sich einem Geflecht aus Mächten und
Hegemonien einzufügen gewissermaßen nach verschiedenen Seiten
hin anschlussfähig zu sein. Durch die Lage zwischen zwei Meeren, die seit
jeher Dänemarks Konzentration auf Handel und Kriegsführung zur See
begünstigte, bildete sich zeitig eine gewisse Weltoffenheit heraus, die
als Grundlage des Toleranzgedankens gelten kann, von dem noch die Rede sein
wird. Grob gesagt, ist in Dänemark seit langem selbstverständlich,
dass Austausch von enormer Bedeutung ist und Differenzen ausgehalten und
hingenommen werden müssen. (Soweit ich weiß, ist in Dänemarks
Geschichte niemandem der Gedanke gekommen, auf kulturellem, politischem oder
wirtschaftlichem Gebiet Autarkie anzustreben, Pläne, wie sie im Deutschen
Reich zu manch finsterer Zeit gehegt wurden.)
Im Jahre 1537 wurde das Land reformiert. Seither besteht die Volkskirche
eine lutherische Staatskirche, deren Oberhaupt die Königin ist und in die
jeder dänische Bürger hineingeboren wird. Somit erfolgt der Eintritt
in die Kirche automatisch, ohne Glaubensprüfung und Bekenntnis; der Kirche
obliegt schlicht die Aufgabe, das offizielle Geburten- und Sterberegister zu
führen. Außerdem ist die Volkskirche bis heute Trägerin des
öffentlichen Schulwesens. (Nach diesen Kriterien ist Dänemark kein
laizistischer Staat.) Obwohl die meisten Dänen sich höchstens als
Kulturchristen bezeichnen in Opposition zu Kirchenchristen
, entscheiden sich nur Wenige für den Kirchenaustritt. Die Mehrheit
schätzt die Kirche als diejenige Institution, die für die
Weiterführung von Traditionen zuständig ist: die Taufen, Hochzeiten,
Gedenkfeiern durchführt; die zur Weihnachtszeit ein hübsches
Krippenspiel auf die Beine stellt und auch zu Ostern was Feierliches. Die
Kirchensteuer wird im ohnehin steuerenthusiastischen Dänemark als
karikativer Beitrag zur Wohlfahrtsgesellschaft und als Unterstützung zum
Erhalt von Kulturgütern betrachtet.
Vor einigen Jahren sorgte in Dänemark ein Sachbuch für Furore,
Society without God, in dem der US-amerikanische Soziologe Phil
Zuckerman einigermaßen ratlos fragte, wie Dänen und Schweden
zufrieden und um ihr Seelenheil unbesorgt sein könnten, bei derart
mangelnder Inbrunst in der Verehrung des Höchsten. Zum Beifall seiner
dänischen Leserinnen und Leser stieß er auf einen Zusammenhang
zwischen geringer sozialer Sicherheit und religiösem Eifer: Je unsicherer
es in einer Gesellschaft zugehe gemessen anhand Faktoren wie
Kriminalitätsrate, Arbeitslosigkeit, Analphabetismus, wirtschaftliche
Absicherung , desto größer die Bereitschaft, daraus
resultierende Lebensängste und -zweifel mit Appellen himmelwärts zu
kompensieren. Also getreu der alten Marx-Diagnose, dass Religion das Opium des
darbenden Volkes sei. Und die gemeine Dänin will nicht darben;
insofern ist sie Materialistin und verteidigt aus ganzem Herzen das kostenfreie
Universitätsstudium, die staatliche Krankenkasse, ihr
Einfamilienhäuschen im westjütländischen Provinznest um die 5000
Einwohner und ihre zwei umweltfreundlich katalysierenden Familienautos. Dass
sie dies besitzt und dass alle Anderen über die Voraussetzungen
verfügen, Ähnliches zu besitzen das ist die dänische
Vorstellung von Glück und der vollkommenen Gesellschaft.
Das dänische Grundgesetz, 1848 erlassen von Christian VIII.,
begründete die konstitutionelle Monarchie, die bis heute besteht.
Bezeichnend die Anekdote zu dieser sogenannten siebenminütigen
Revolution: Vor dem Palast in Kopenhagen versammelte sich frühmorgens
aufrührerisches Volk und verlangte bürgerliche Rechte; der
König, nachdem er sich unwillig im Bett umgedreht hatte, unterschrieb den
Verfassungsvorschlag, um weiterschlafen zu können.
Seither sind alle Bürger gleich; und das Gleichheitsideal leuchtet hoch
über allen übrigen dänischen Werten. Dies äußert sich
im geringen Gefälle zwischen den Schichten, Gehälter und soziale
Anerkennung betreffend; in den äußerst kühnen
Steuersätzen, die das Gemeinwesen finanzieren; und in der
fortgeschrittenen bürgerlichen Emanzipation der Frau. Zur völligen
Hierarchieabstinenz, in der sich der gemeine Däne wähnt, gehört
ebenso eine allgemeine harmlose Kumpelhaftigkeit; so ist während der
letzten Jahrzehnte das Siezen und die Anrede mit Herr und Frau
völlig anachronistisch geworden. Konfliktpotenzial im Studium, am
Arbeitsplatz oder in der Öffentlichkeit wird mit Höflichkeit und
gewinnendem Lächeln entschärft; bärbeißigen Gesichtern,
wie sie in der Leipziger Fußgängerzone alltäglich sind,
begegnet man selten.
Dänemark ist eine ausgeprägte Mittelstands-, böswillig
gesprochen: Durchschnittsgesellschaft, in der das Wort Volk, das ganz
und gar im Demokratischen aufgeht, bis heute einen feierlichen Klang behalten
hat. Volkswohlfahrt, Volkskirche, Volksschule, Volksbibliothek, Folketing (das
Parlament): Alles wird solidargemeinschaftlich unterhalten und ist für
alle gleichermaßen da. Der ausgeprägt egalitären Kultur, die
alle Instanzen der Gesellschaft durchzieht, korrespondiert eine
Mentalität, die im sozialen Ideal der
hygge gipfelt: Dieses
dänischste aller dänischen Wörter, dem am ehsten dem deutschen
Begriff Gemütlichkeit nahe kommt, bezeichnet eine Form des
anheimelnden Beisammenseins mit Kaffee, Kuchen, Bier, Geplauder und Gesang -
passend zu einem Klima, das Dreiviertel des Jahres klamm und dunkel ist. Das so
entstandene Kollektiv kümmert sich nicht sehr um die Geschehnisse in der
großen Welt; es ist mehr introvertiert, selbstgenügsam, trägt
den Charakter gemeinsamen dumpfen Brütens bei schlechtem Wetter.
Unzufriedenheit kanalisiert sich in Zynismus, Fatalismus, Gehässigkeit
gegenüber Überfliegern aus den eigenen Reihen.
Dänemark ist ein Land, das lediglich zwei größere Städte
aufweist und in dem das Gros der Bevölkerung auf kleine Orte verstreut
lebt wohlverkabelt mit Fernsehen, Internet und Handy, aber doch so weit
ab vom Schuss, dass ein gar nicht kleiner Teil vermutlich in seinem Leben
keinen leibhaftigen Ausländer gesehen hat oder mit alternativen
Lebensformen in Berührung gekommen wäre (und sei's nur Vegetarismus).
In einem solchen Milieu stößt jemand, der irgendetwas nicht auf die
urdänische Art tut, auf stumme, undurchdringliche Duldung: Toleranz.
Durchbricht jemand mit auffälligem Verhalten, Exhibitionismus im Umgang
mit dem Privatleben oder übermäßig großem beruflichem
Erfolg die herrschende Gemütlichkeit, wird dies zwar akzeptiert; auf
Neugier oder Mitgefühl braucht derjenige nicht zu warten.
In internationalen Erhebungen bestätigen regelmäßig über
70% aller Däninnen und Dänen, glücklich bis sehr glücklich
zu sein; auf dies Rekordergebnis das mit Wohlstand, sozialer Sicherheit
und Gleichheit in möglichst vielen Lebensbereichen, mithin einer gerechten
Gesellschaft, erklärt wird hält man sich viel zugute. Die aus
der umfassenden Zufriedenheit resultierende Lebenshaltung ist eine gewisse
epikuräische Gleichgültigkeit gegenüber den Wunderlichkeiten und
Unbilden des Weltlaufs. In einem Gedichtchen des Lyrikers Peter Laugesen wird
Dänemark selbstkritisch als
hyggelykkeland bezeichnet: als
Glücklich-Gemütlich-Ländchen.
2.
Etwas ist faul im Staate Dänemark. (William Shakespeare,
Hamlet, 1601)
Lars Løkke Rasmussen, Dänemarks Ministerpräsident, verurteilte
den Anschlag auf Kurt Westergaard als einen abscheulichen Angriff auf
eine offene Gesellschaft (
Ekstrabladet, 2.1.2010). Doch aus welchem
Teil dieser Gesellschaft kam der Mann, der versuchte, Westergaard zu
töten? Nach Polizeiangaben ist er gemeldet in einem als problematisch
geltenden Stadtteil Kopenhagens. Um die Problematik dieser Herkunft zu
veranschaulichen, seien hier einige Eindrücke aus einem vergleichbaren
Stadtteil wiedergegeben: Brabrand in Westergaards Heimatstadt Århus.
Brabrand, einst ein Dörfchen in tiefster dänischer Pampa, wurde in
den 1960ern im Zuge eines groß angelegten Städtebauprojekts als
Satellitenstadt im Großraum Århus neu konzipiert. Innerhalb weniger
Jahre entstand der Gelleruppark: riesige Wohnblöcke, sekundiert von allen
Einrichtungen, die ein selbständiger Wohnort erfordert: Schulen,
Supermärkte, Kindergarten, Spielplätze, Grünanlagen, Arztpraxen.
Die Wohnungen in Brabrand sind groß und billig, mithin familien- und
WG-tauglich. Bis heute kümmert sich die
Brabrand Boligforening, die
Wohnungsverwaltung, um Müllbeseitigung und Bepflanzung, sodass der
Gelleruppark bürgerlich nett anzusehen ist. Es gehört zur
dänischen Ironie, dass inmitten des gefährlichsten Viertels des
Landes der Rasen tadellos hergerichtet ist und kein einziges Kaugummipapier den
guten Eindruck beeinträchtigt.
Der Gelleruppark geriet bald nach seiner Entstehung in den Geruch des Asozialen
und Kriminellen. In den Anfangsjahren zuvörderst von Studenten, Rentnern,
Sozialhilfeempfängern und arbeitslosen Grönländern bewohnt, hat
sich die Mehrheit inzwischen deutlich auf Einwanderer aus der Türkei, den
arabischen Ländern, Somalia und Vietnam verschoben. Heutzutage haben 84%
der ca. 6000 Bewohnerinnen und Bewohner Brabrand Vests einen migrantischen
Hintergrund: astronomische Zahlen, nicht nur für ein Land, dessen
durchschnittlicher Ausländeranteil kaum höher ist als in den neuen
Bundesländern. Das Brabrander Straßenbild genügt allen
Klischees, die einem zur Lebenswelt muslimischer Migranten einfallen: Kopftuch-
und Burkamuttis nebst Kinderwagen und prallen NETTO-Tüten links und
rechts; kleine verschleierte Mädchen; grässlich herummackernde
Jungsbanden, die Frauen Schweinereien und Alkoholkonsumenten Flüche
hinterher rufen was sie nicht daran hindert, gelegentlich Hasch zu
verticken ; eine Art Kreuzberg-Dänisch als Verkehrssprache;
Palästinaflaggen in den Schaufenstern und -tücher um die Hälse.
(Die Tage der Gaza-Offensive im Januar letzten Jahres, als sich aufgebrachte
Massen durch den Stadtteil wälzten, bewirkten, dass der Austauschstudentin
mit dem
I love Israel-Federmäppchen in der Tasche wirklich angst
und bange wurde.)
Es gibt, und das entspricht ausnahmsweise skandinavischer Sitte, abgesehn von
den stromernden Jungs keinen Menschen, der sich draußen aufhielte, die
Grünanlagen stehen selbst bei schönem Wetter leer. Alles soziale
Leben spielt sich in den Wohnungen ab; wobei zusätzlich die großen
Fenster gedacht, möglichst viel vom knapp bemessenen dänischen
Tageslicht hereinzulassen mit dicken Stoffbahnen verhängt sind,
damit kein Blick auf die weiblichen, zu Hause barhäuptigen
Familienmitglieder fällt. Zwischen den Blocks spazieren zu gehen, ist
etwas enorm Ungewöhnliches.
Davon, dass man sich in einem in ganz Dänemark als Ghetto verschrienen
Bezirk befindet, der auch aufgrund seiner baulich bedingten Autonomie sehr
abgeschlossen wirkt, künden des Weiteren die Sicherheitsvorkehrungen, von
denen alle Institutionen umgeben sind. Die Kontrolleure in der Buslinie, die
nach Brabrand hinausfährt, sind muskeldicke Bollos mit grimmigen
Gesichtern. Im Gelleruppark sind die Wohnungen billig, aber ein Auto versichern
zu lassen, kostet ein Vermögen: Fahrzeuge werden ständig geknackt
oder abgebrannt. Vorm NETTO stehen finstere Sicherheitsmänner. Der Sitz
der Verwaltung befindet sich in einem alten Bauernhaus, das mit Alarmanlage und
Zäunen zum Hochsicherheitstrakt aufgerüstet wurde. Der Geldautomat
ist ständig zerstört; vor kurzem wurde die Filiale der
Danske
Bank, die einzige Bankfiliale im Gelleruppark, aus Sicherheitsgründen
geschlossen. Das sprechendste Schicksal jedoch erlitt die Tankstelle,
kriminalstatistisch als am häufigsten ausgeraubte Tankstelle
Dänemarks ausgewiesen und schließlich endgültig abgebaut. Es
hatte einfach zu viele Überfälle und eingeschmissene Scheiben
gegeben.
An der Stelle der einstigen Tankstelle befindet sich heute der Basar, das
soziale Zentrum von Brabrand Vest: eine große Halle, in der Lebensmittel,
Kleidung und Gebrauchsgegenstände für orientalisch geprägte
Konsumbedürfnisse zu bewundern sind und in der man sich als
weiße Frau mit sichtbarem Haupthaar schnell deplatziert fühlt, was
einem mittels Blicken und den offiziell selbst für dänische
Verhältnisse horrenden Preisen bestätigt wird
Es ist wahrlich schwierig, mit diesem ständigen Unbehagen im Nacken
herumzulaufen und dabei nicht zur Rassistin zu werden. Xenophobe Reflexe
stellen sich ein, wenn einem prompt die Reifen aufgeschlitzt werden, sobald man
das Fahrrad eine Nacht draußen stehen lässt; wenn man sich nicht
traut, den Laptop im Wohnheim stehen zu lassen, der unglaublichen Einbruchsrate
halber; wenn es zum Alltag gehört, angestarrt, angerempelt und gar
begrapscht zu werden. Irgendwann, aller angestrengten Selbstreflexion zum
Trotz, gewöhnt man sich in Vierteln wie Brabrand Vest an, von jedem
dunkelhäutigen Jungspund im Kapuzenpulli Übles zu erwarten und nachts
lieber nicht alleine heimzukommen.
Welch antizivilisatorische Sprengkraft diesem Zustand innewohnt, den man
treffend Parallelgesellschaft nennen mag, dämmert der
Tonio-Kröger-romantischen Beobachterin spätestens dann, wenn
es im Bus Randale gibt oder der Kindergarten brennt, wenn sich Migrantengangs
mit den Hell's Angels Standortgefechte liefern, nächtens plötzlich
Schüsse knallen oder in den Lokalnachrichten von Stichwunden und
Vergewaltigung die Rede ist zutiefst verstörende Ereignisse, zumal
fürs dänische Empfinden, dem eine umgeknickte Buche auf Bornholm
schon fast die Titelmeldung wert ist.
Die exorbitante Kriminalitätsrate, für die Brabrand in den letzten
Jahrzehnten berüchtigt geworden ist, ist ein verlässlicher Parameter
für Unsicherheit und als unbefriedigend empfundene soziale und
ökonomische Verhältnisse. Sie zeigt an, dass eine nicht
unbeträchtliche Zahl Migranten nicht völlig in Dänemark
angekommen ist und sich dem dänischen Staat und der dänischen
Gesellschaft nicht verpflichtet fühlt, vielmehr deren Gesetze und
Wertvorstellungen verachtet. In diesem Zusammenhang nimmt es nicht wunder, dass
Migrantinnen und Migranten auch Jahrzehnte nach der Einwanderung in ein
ethnisch homogenes Gefüge von Familien- und Clanstrukturen eingebettet
sind, innerhalb deren der Bezug zur alten Heimat intensiv gepflegt wird: in
Wohn-, Kleidungs- und Esskultur, claninterner Heiratspolitik bis hin zu
weiblicher Genitalverstümmelung und unsäglichen
Erziehungsgepflogenheiten, die aus Mädchen unsichtbare, gebärfreudige
Haushaltshilfen machen und aus Jungs sadistische, empathisch unfähige
Krawallschläger: eine Sozialisation, die später in der dänischen
Öffentlichkeit und auf dem Arbeitsmarkt keine Anerkennung findet und daher
einigermaßen zwangsläufig in der Verzweiflung endet. Dem
Hörensagen nach existiert in Brabrander Migrantenfamilien eine
patriarchale Gerichtsbarkeit, durchaus bereit, jemanden aus den eigenen Reihen,
der in ihren Augen gefehlt hat, zeitweise nach Somalia zu verbannen, wo
derjenige für eine Weile die Annehmlichkeiten des Lebens im Exil entbehren
müsste.
(Es bleiben dies natürlich Außenansichten was
unauflöslich damit zusammenhängt, dass ich keinen Dänen
getroffen habe, der Freunde oder auch nur Bekannte mit muslimischem
Migrationshintergrund besessen hätte. Dergleichen mag vielleicht unter
Schulkindern vorkommen oder in besser integrierten Kreisen Einwanderern,
die nicht im Brabrander Ghetto gelandet sind.)
Um auf den Fall Westergaard zurückzukommen: Obwohl der Angreifer vom
Neujahrstag vermutlich auf eigene Faust handelte, stellte sich schnell heraus,
dass er Kontakte zur somalischen Terrororganisation Al-Shabaab pflegte; seine
Verbindungsmänner zu Al-Quaida wurden ebenfalls in Ostafrika lokalisiert.
3.
Gebt uns Dänemark zurück! (Werbeplakat
der Dänischen Volkspartei, 2009)
Das weltweite Aufsehen um die Karikaturen in
Jyllands-Posten hat in der
dänischen Gesellschaft ähnlich wie in den Niederlanden nach
dem Schock des tödlichen Angriffs auf den islamkritischen Filmemacher van
Gogh den konservativen Wertewandel beschleunigt, der seit einigen Jahren
in Gang ist.
Es war ein Trauma fürs dänische Gemüt, den rotweißen
Dannebrog der normalerweise in Vorgärten weht sowie auf
Geburtstagstorten und Sonderangeboten von einer fanatisierten
Menschenmenge verbrannt zu sehen. Todesdrohungen gegen einen Künstler,
wahnwitzige Kopfgelder
! Im Århuser Kunstmuseum steht, auf 300
Einmachgläser verteilt, ein aus Gründen des moralischen Protests
gegen den Vietnamkrieg geschlachtetes, zerteiltes und in Formaldehyd
eingelegtes Pferd; davor steht die dänische Medienkonsumentin mit
interessiertem Gleichmut. Wie sollte sie da in empörte Wallung geraten
angesichts einer politischen Zeichnung?
Die Ängste, die das gewaltvolle Echo der islamischen Welt auf die
Mohammed-Zeichnungen in der dänischen Öffentlichkeit auslöste,
äußerten sich in einer Welle der Solidarität mit den bedrohten
Karikaturisten und einer heftigen Debatte um die Besinnung auf dänische
Werte. Der schnell zugespitzte Antagonismus zwischen islamistischem
Gewaltexzess und friedlichem Dänentum, das auf die Macht des Wortes und
angreifbarer Bleistiftzeichnungen setzt, erhitzte die Gemüter. Die Werte,
für die Dänemark stehe, wurden dabei ziemlich eindeutig in einen
abendländisch-aufgeklärten Kontext gesetzt: Demokratie, Liberalismus
und die damit einhergehenden bürgerlichen Rechte der Presse-, Religions-
und Meinungsfreiheit; dazu zur Säkularität abgekühlte
christliche Tugenden der sozialen Fürsorge und der rücksichtsvollen
Gemeinschaftlichkeit vermittelt, wie könnte es anders sein, durch
Arbeit. (Das Insistieren auf Lohnarbeit als unerlässliches Ticket zur
Teilhabe an der Gesellschaft ist natürlich immer impliziert; aber ich habe
es nie als derartig aggressiv empfunden wie hierzulande. In Dänemark mit
seiner verschwindend geringen Arbeitslosigkeit gilt allgemeines
Arbeiten-Müssen als Selbstverständlichkeit, war jedoch
zumindest bis zum Beginn der aktuellen Weltwirtschaftskrise kein
politischer Aufreger.)
In diesem Bemühen nach Selbstversicherung entstand ein abschreckendes
Feindbild vom Muslim als solchem, das sich häufig genug in handfestem
Rassismus äußert. Viele Dänen, aber auch viele Medien kriegen
die Kurve nicht, islamkritisch, aber nicht islamophob zu urteilen. Dass sie
diese Kurve derart virtuos verfehlen, scheint mir mit der spezifischen
Umgangsweise alteingesessener Dänen mit den zugewanderten Mitbürgern
zusammenzuhängen.
Beinah Symbolwert hat der Umgang der verschiedenen Bevölkerungsteile
miteinander in den öffentlichen Verkehrsmitteln: Es stößt auf
indigniertes Wegsehen, wenn Halbwüchsige arabischsprachige
Unanständigkeiten durch den Bus krakeelen und Sitze aufschlitzen. Niemand
weist sie zurecht; der weiße, mittelständische Mehrheitsdäne,
vertieft in Zeitung und mp3, ignoriert das Phänomen, umgeben von einer
Aura stillschweigender Missbilligung. Es ist die Kehrseite der
dänischen Toleranzmentalität, dass sie, in der Absicht, das aufgrund
seiner Andersartigkeit Störende auszusitzen, sich zur Ignoranz steigert.
Der soziale Code, den Mitmenschen höflicherweise völlig zu ignorieren
notfalls umzurennen, wenn dieser sich nicht dem durchschnittlichen
Lauftempo auf dem Bürgersteig anpasst funktioniert, solange der
Mitmensch demselben Code genügt und seinerseits darauf bedacht ist, ruhig
und reibungslos seiner Wege zu gehen. Der Konfrontation mit einem lauten,
unangepassten und verächtlichen Gegenüber steht der
solchermaßen codierte Däne mit einer gewissen Hilflosigkeit
gegenüber; folglich fährt er fort zu ignorieren und reagiert
auf die als Bedrohung empfundene migrantische Aggressivität vielleicht
damit, bei der nächsten Wahl das Kreuz ein Stückchen weiter rechts zu
setzen.
Bereits seit 2001 ist die rechtsliberale Venstre-Partei, die mit einer
rigorosen Asylpolitik firmiert,
die stärkste politische Kraft
Dänemarks; sie regiert zusammen mit der Konservativen Volkspartei. Seither
ist das Asylrecht dramatisch beschnitten worden: Sämtliche
Berechtigungskriterien wurden verschärft und finanzielle Zuschüsse
gekürzt. Einige Gesetzesnovellen scheinen speziell auf muslimische
Einwanderinnen und Einwanderer zugeschnitten zu sein: so die Bestimmung, dass,
um arrangierte Heiraten und schwer integrierbare Zuzüge einzudämmen,
ausländische Ehepartnerinnen erst nach genauer Prüfung des
Einzelfalls und ab einem Alter von 24 Jahren importiert werden dürfen. In
dieselbe Richtung geht die Aufnahme von FGM ins dänische Strafgesetzbuch:
Weibliche Genitalverstümmelung, wie sie von einigen Einwanderern aus
afrikanischen Ländern praktiziert wird, gilt seit wenigen Jahren als
schwere Körperverletzung.
Ein großes Skandalon im Folketing bildet die Dänische Volkspartei,
Bündnispartnerin der Venstre. Diese Partei, ein noch recht junger
Zusammenschluss von Rechtspopulisten, wirbt unverfroren mit einer warmen
und starken nationalen Gesinnung (so die Parteivorsitzende Pia
Kjærsgaard auf der offiziellen Homepage). Auf den Plakaten und in den
Aussagen der Dänischen Volkspartei zeigt der possierliche dänische
Vaterlandsstolz plötzlich Zähnchen: Muslime passten nicht nach
Dänemark, weil sie ähnlich wie die EU! die kulturelle
und politische Eigenständigkeit des Landes gefährdeten. Immer wieder
tauchen in Kreisen der DFP herabsetzende Äußerungen gegenüber
muslimischen Migranten auf; als Beispiel diene die Abgeordnete Louise Frevert,
die auf ihrer Internetseite enthüllte, junge dänische Moslems
wären der Meinung, nichtmuslimische Frauen zu vergewaltigen sei ebenso in
Ordnung wie das Verprügeln nichtmuslimischer Männer.
Öffentlicher Kritik auf solche Unzumutbarkeiten begegnet die
Parteiführung mit dem Verweis auf den demokratischen Grundsatz der
Dänischen Volkspartei; Rassismus und jeglicher Extremismus, als
demokratiefeindliche Elemente, werden kurzerhand für undänisch
erklärt. Insofern bezeichnet sich die Partei als in gewissem
Maße antimuslimisch (Kristian Thulesen Dahl, DFP-Abgeordneter, in
Politiken, 15.5.2008)
Kaum verbrämt setzt sich die DFP dafür ein, die Schotten
dichtzumachen und zwar recht erfolgreich: Bei den Wahlen zum
Europaparlament im Juni 2009 bewog die Angst vor einem ungewissen,
unkontrollierbaren, fremdartigen Anderen 15% aller Stimmberechtigten, jener
populistischen Grütze zu vertrauen.
(Die Leipziger Besucherin freute sich über Hitlerbärtchen, die einige
vernünftige Dänen dem DFP-Kandidaten auf den Wahlwerbeplakaten
immerhin anmalten.)
In diese gesellschaftliche Tendenz, deren Auswüchse sich im Erfolg der
rechten Parteien niederschlagen, passt Westergaards Kommentar, die
Mohammed-Zeichnung sei Ausdruck seines Unbehagens über Terror und Unruhen,
hervorgerufen von islamistischen Kräften keine Analyse des Islam
als Religion und politisches Konzept (vgl. Interview in der Fernsehsendung
Ærligt talt, 2.2.2008 also vor dem Mordanschlag).
Ich möchte, anhand des zugegebenermaßen krassen Beispiels
Islamismus, den Akzent der Westergaard'schen Äußerung auf eine
Eigentümlichkeit lenken, die mir signifikant scheint für die
dänische Mentalität: ein Unvermögen, sich auf Abweichungen von
der Norm einzulassen. Die provinzielle Note von Dänemarks Gesellschaft
macht, dass es wenig sichtbare Abweichungen gibt; die Mehrheitsmeinung lautet,
dass viele Wege möglich sind, aber der Danish way of life entschieden der
beste. In dieser Ansicht liegt seit je ein skeptischer Konservatismus.
Neuerungen werden nicht bekämpft, aber ebenso wenig für ganz voll
genommen.
Die gemeine Dänin hat beispielsweise ein großes Vergnügen
daran, jegliche political correctness ins Absurde zu wenden; das lässt
sich an vielen dänischen Filmen beobachten. In meine Begeisterung
über den wunderbar schwarzen und trockenen Humor, der noch jedes
Luftschloss verdorren lässt, platzt plötzlich wie in
In
China essen sie Hunde (1999) der verkappt schwule Bankangestellte,
hat zu allgemeinem Jauchzen an unpassendster Stelle sein Coming Out, trägt
fortan eine tuntige Gangart zur Schau sowie ein hellblaues Poloshirt und wird
schließlich in die Hölle verbannt
In der bunten
Exzentrizität, durch die der Film-Schwule aus der Hetenmehrheit sticht,
wird auffälliges, von der sozialen Norm abweichendes Verhalten
lächerlich gemacht und mit Häme bestraft. Paradox genug, dass solche
Späße in einem Land gedeihen, das 1989 als erster Staat
überhaupt gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften juristisch
möglich machte und das mit umfassenden Rechten und Pflichten, die
diesen Bund der traditionellen Ehe nahezu gleichstellten. Ein
(deutscher) Freund erzählte mir, dass erstaunlich viele User
dänischer Homoforen ihren Status mit bi, offen oder
nicht geoutet angeben und offensichtlich unter Pseudonymen angemeldet
sind. Auf Anfrage erhielt er Antworten des Schemas: Treffen könne man sich
gern; aber nein, ein Foto einzustellen sei nicht möglich, das könnte
ein Bekannter sehen; außerdem sei man schließlich
verlobt/verheiratet.
Die dänische Gesellschaft mag sich als offen charakterisieren; sonderlich
vielfältig ist sie nicht.
Etwas zu tolerieren bedeutet auf Dänisch erst einmal, sich darüber zu
amüsieren; aber nicht notwendig, sich damit auseinanderzusetzen. Das
dänische Drama, das jüngst im Fall Westergaard eskalierte, begann
damit, dass eine gar nicht kleine Zahl muslimischer Migranten (die
beispielsweise vor dem Bürgerkrieg und der desolaten wirtschaftlichen Lage
in Somalia geflohen waren) in Dänemark aufgenommen, in Stadtteilen wie
Brabrand platziert und dort, versehen mit allen wohlfahrtsstaatlichen
Annehmlichkeiten, fürderhin ignoriert wurden. Lange fiel nicht auf, dass
diese Menschengruppe trotz Sozialhilfe, unentgeltlichem Arzt- und
Schulbesuch und staatlich angebotenem Dänischkurs nicht automatisch
Teil der dänischen Zivilgesellschaft wurde, von Gleichheit und
hygge nicht sonderlich beeindruckt war und mithin nicht nach
dänischer Façon selig zu werden gedachte.
In Dänemark hat niemand etwas gegen Muslime oder Schwule solange
man hinter verschlossenen Türen muslimisch oder schwul ist und
äußerlich an den einigermaßen starren Regeln des
Zusammenlebens festhält. In diesem Privatismus liegt Achtung vor den
Freiheiten des bürgerlichen Individuums; aber auch eine gewisse
Borniertheit und Bigotterie.
4.
Warum ich Dänemark trotzdem mag
In den letzten Tagen verbreitete Nikoline Astrid Nielsen, eine junge
dänische Bloggerin, via Youtube und Facebook einen support song
für Westergaard. In schiefsten, heliumgetränkten Tönen, vor
Techno-Kulisse und mit der Attitüde eines überexaltierten Pophuhns,
bekundet sie darin ihre Anhängerschaft an den Karikaturisten: Ich
liebe deine Zeichnung, ich liebe deinen Ruhm /Kann mit Drohungen leben, wenn du
auf so was stehst /Du turnst mich an, du turnst mich an /Ich will dich, fuck,
was die Andern sagen / Kurt Westergaard, ich liebe dich / Du und ich, eine
gefährliche Romanze / Oh-oh-oh-oooh, eine gefährliche Romanze
Nielsen will ihr Lied als Geste der Solidarität mit Westergaard
persönlich sowie als Hymne an die Meinungsfreiheit verstanden wissen, denn
kein Mensch soll so etwas durchmachen müssen [
] jeder hat das
Recht zu sagen, was er will, ohne Todesdrohungen zu bekommen (Kommentar auf
Youtube,
Farlig Romance med Kurt Westergaard). Zugleich jedoch verwahrt
sie sich gegen explizite politische Stellungnahme: Das ist meine
Privatsache und hat mit dem Song nichts zu tun. Das Lied, dessen Refrain
Alla-ya-la-ya-la ganz schön gefährlich lautet, bot dem
internetfähigen Teil der dänischen Öffentlichkeit
Diskussionsstoff, fand aber vorrangig stürmischen Beifall.
Gefährliche Romanze mit Kurt Westergaard gefällt mir in seinem
eigensinnig dänischen Beharren auf den Fortbestand der gewohnten Welt und
ihren Normen darauf, wie es immer schon gewesen ist. Davon, dass die von
Nielsen verteidigten Werte der Meinungs- und Religionsfreiheit als
Selbstverständlichkeiten in der dänischen Öffentlichkeit
verankert sind, zeugt die Selbstironie, die in Nielsens Groupiehaftigkeit
liegt, und die hierarchieferne Respektlosigkeit, mit der hier ein älterer
Herrn, der immerhin in Todesgefahr schwebt, der moralischen Unterstützung
versichert wird.
Diese Weise, mit dem Anschlag auf Westergaard umzugehen, betont erst recht den
Kontrast zu einer religiös-fanatischen Raserei, die mit Messer und Axt
daherkommt: Gegen das revolutionäre Pathos islamistischer Propaganda, das
sich seiner selbst mit Krawall und Pengpuff versichern muss, steht Nielsens
albriges Lied ebenso wie Westergaards Zeichnung.
Es ist eine Art öffentlicher Kritik, die sich Waffen wie Ironie und Komik
leisten kann. Der demokratische Gedanke, möchte ich behaupten, ist in
Dänemark in einem Maße internalisiert, dass Raum für solcherlei
vergleichsweise subtilen Umgangsweisen verlässlich besteht. Satire
sei demokratisch, betont Westergaard in oben angeführtem Interview.
Angesichts der Spannungen zwischen westlicher und islamischer Kultur fühle
er sich genötigt, sich voll und ganz auf westliche Seite zu stellen. Die
Riots, mit denen Moslems 2005 auf die Mohammed-Karikaturen in
Jyllands-Posten antworteten, begründet er dänisch
nüchtern mit schlechten Regierungen, unfähig, die Bedürfnisse
der Bevölkerung angemessen zu erfüllen. Somit befänden sich
diese gewalttätigen Reaktionen außerhalb seiner
Verantwortlichkeit.
In Dänemark ist man vor allem eins: eingesessen, im Guten wie im
Schlechten. Möge Dänemark weiterhin in der Lage sein, sich Satire und
Ironie leisten zu können.
Korinna Linkerhand