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MARK ERNESTUS & TIKIMAN live
SUBSTANCE & VAINQUEUR live
DJ PETE
Berlin ist zur Zeit der Nabel der Welt wenn es um elektronische Tanzmusik geht.
Es zieht DJ`s, Produzenten, Labelmacher, kreativ Schaffende aller Couleur, auch
vor allem wegen der noch billigen Lebenserhaltungskosten, in die
Rave-Hauptstadt.
Vor allem so genannte Easy Jet-Raver aus ganz Europa und der Welt
bevölkern am Wochenende die Clubs. Dies hat, trotz der Nachteile, auch
wahnsinnig viele Potentiale und Möglichkeiten freigesetzt. Vor allem, wenn
man sich die Entwicklung der Clubs und auch der Line Up`s der letzten Zeit
anschaut. Die höhere Dichte an Musikschaffenden macht es auf vielen Ebenen
einfacher und attraktiver, ein Publikum abseits populärer Konzepte zu
finden.
Dass Berlin aber als Partymetropole auch als eine Art Happy Island auf
der Welt gehandelt wird und dies auch der bedeutendste Standortvorteil ist, hat
auch die Stadt Berlin, sämtliche Feuilletons der Republik und auch die
Bild-Zeitung mitbekommen und der Medienrummel nimmt zusehends üble
Züge an.
In diesem Gemenge findet sich zum Beispiel. auch immer wieder das
sagenumwobene Berghain wieder. Kürzlich zum Besten
Club der Welt gekürt und aus dem Ostgut, einem vornehmlich
homosexuellen Club, hervorgegangen, kann es sich maximal, wenn überhaupt,
nur durch eine strenge und sicherlich auch diskrimierende Türsteherpolitik
wehren, nicht aber über Geschichten und Vereinahmungen von
außerhalb.
Weniger im Rampenlicht und wie ein unantastbarer Monolith hingegen fungiert der
Hardwax-Plattenladen mit dazugehörigen Mailorder, Vertrieb, Labels
und Mastering Studio (Dubplates & Mastering) im Stadteil Kreuzberg.
Von Mark Ernestus 1989 gegründet, ist das Hardwax Zeuge erster Stunde, als
Berlin zur Stadt des Techno wurde. Seitdem ist es Anlaufstelle für
Musikliebhaber elektronischer Musik von Techno/House und Disco über
Dubstep bis hin zu Aphex Twin. Berühmt ist das Hardwax aber auch
für seinen großen Dub- und Reggae-Backstock, welcher in Verbindung
mit dem ebenfalls im Hardwax gelagerten Killasan Soundsystem,
jamaikanischer Bauart aus dem japanischen Okinawa kommend, schon aufzeigt,
welchem historischen Bewusstsein man sich besonders verpflichtet fühlt:
nämlich der Wurzel aller Dance bzw. Bassmusik, der jamaikanischen
Soundsystemkultur.
Der Einfluss und die Impulse, die vom Hinterhof am Paul Linke-Ufer ausgingen
und gehen, können nicht überbewertet werden, ob in der Stadt selber
oder weltweit. Als Hardwax Black Music/ An- und Verkauf
gestartet, dauerte es nicht lange, bis man Verbindungen in die USA aufgebaut
hatte und somit die frühen und wichtigsten Chicago-House und
Detroitplatten, die damals noch erhältlich waren, nach Berlin holte. So
entwickelte sich überhaupt erst eine richtige Technoszene, teilweise auch
aus dem Laden heraus. So wie heute drei Viertel der Mitarbeiter des Hardwax
auch DJ`s und Produzenten im Nebenberuf sind und im Berghain auflegen oder auf
dem angeschlossenen Label Ostgut Ton veröffentlichen, so war auch
in der Anfangszeit eine direkte Vernetzung zum legendären Tresor
und anderen Clubs vorhanden und es wurden in regelmäßigen
Abständen DJ`s & Produzenten aus Übersee eingeflogen. So geht die
für die Geschichte des Techno wichtige Tangente, der Austausch zwischen
Detroit und Berlin, auch direkt durchs Hardwax.
Und auch heutzutage, wenn man die Geschichte des Ladens betrachtet, scheint es
nur logisch, dass auch Dubstep von Anfang an im Laden geliebt und gepusht
wurde, Shackletons Releases auf Skull Disco, im Gegensatz zu
vielen Läden in London, von Anfang an zu haben waren, und auch Scuba
über das Hardwax-Umfeld mit seiner Substance-Veranstaltung im
Berghain Fuß fassen konnte. So kann man auch sagen, dass eine weitere
Achse zwischen Berlin und Bristol/London geschlagen wurde, welche die
Vermählung von Dubstep und Techno befördert(e).
Vor allem aber die Gründung der Techno Labels Basic Channel (1993)
und Chain Reaction (1995) von Mark Ernestus und Moritz von
Oswald ist als Meilenstein anzusehen, gerade Basic Channel gilt als eines
der wichtigsten deutschen Labels der 90er Jahre und wird heute von so vielen
Produzenten als Referenz angegeben. Mit ihrem reduzierten Minimal Techno der
Detroiter Schule, welcher mit dubtypischen Basslinien, Hall- und Rauscheffekten
versehen wurde, beeinflussten sie Tanz-Musik zwischen Detroit und Berlin
maßgeblich und sind mit ihrer Soundästhetik gerade heute im
House/Techno nicht mehr wegzudenken. All ihre Labels gelten heute als
Klassiker.
Seit den späten 90ern arbeiten sie als Rhythm & Sound und
Burial Mix regelmäßig mit Reggae-Vokalisten zusammen, die den
elektronischen Rhythmus- und Bassflächen eine weitere Schicht an Seele
hinzufügen. Die ausgefeilte, erfrischende Ästhetik des Techno gibt
den Stücken eine Tiefe, wie sie im Dub sonst kaum zu hören ist. Seit
den Main Street-Veröffentlichungen 1995 kooperiert der aus der
Karibik stammende Tikiman a.k.a. Paul St Hilaire immer wieder mit
Ernestus und Oswald. Mit seiner Stimmer hat er nicht unwesentlich zur Magie von
Rhythm&Sound beigetragen.
Sehr bezeichnend für von Oswald und Ernestus ist auch die strikte
Verweigerung gegenüber Vereinahmungen von außerhalb. Selbst die
Platten wurden selbstgepresst und man vertrieb sie über befreundete
Distributions- und Kommunikationsnetze von Musikliebhabern weltweit. Dadurch
behielten sie immer die volle Kontrolle über ihr Produkt. Nach jahrelangem
Abtauchen hinter der Musik es gab weder Namen auf Platten noch
existierten Interviews oder Fotos gibt es seit ein paar Jahren und
gerade jetzt zum 20-jährigen Jubiläum vermehrte Auftritte und
Interviews.
Diesen unpersonellen, anonymen Umgang mit Musik kennt man eigentlich fast nur
noch aus frühen Technotagen zum Beispiel von Underground
Resistance. Aber auch als Dubstep 2005 aus Süd-London ausbrach,
hielten sich einige Protoganisten bedeckt und pflegten dieselbe
Herangehensweise.
Das wohl derzeit bekannteste und aktuellste Beispiel ist Burial vom
Label Hyperdub aus London, welcher weder Gesicht noch Statements zu
seiner Musik abgeben wollte. Seine immer größer gewordene
Popularität und überbordende Spekulationen wurden zu einem Problem
und mussten ihn nachgeben lassen. Dies zeigte auf, dass es heutzutage, auch
durch neue Medien, noch schwieriger geworden ist, sich diesen zu entziehen.
Genau wie ab einem bestimmten Bekanntheitsgrad, gewollt oder nicht, eine
Kategorisierung oder Einteilung der Musik benötigt wird, so wird auch ein
dazugehöriges Bild der Person gefordert, bis hin zu Kopfgeldern,
die ausgesetzt werden auf ein Bild des Künstlers.
Selbige Attitüden Just Music! die früher eine
übliche Strategie im Techno waren, um nämlich Mechanismen des
etablierten Popbetriebs zu unterminieren, sind auch heute noch bei vielen
Hardwax-Veröffentlichungen und Künstlern zu erkennen, siehe
Shed, Sleeparchive, Monolake oder T++.
Ebenfalls zur Hardwax Crew zählend produzierte DJ Pete aka Peter
Kuschnereit unter seinem Alias Substance auf Chain Reaction,
Burial Mix, Hotflush und Ostgut Ton.
Vor allem Scion, sein Projekt mit Vainqueur , war prägend
und führte sie durch die halbe Welt, wo sie für den
charakteristischen Berlin-Sound damals standen. In Berlin selber wurde Chain
Reaction immer als eine von vielen Musikszenen betrachtet. Im Gegensatz zu
vielen anderen Labels wie zum Beispiel Bpitch Control wurde hier niemals
mit Begriffen wie Stadt oder Heimat geflirtet, stets war es immer
die Musik, die als Identität oder Referenz galt.
Als DJ Pete beworzugt er bis heute stets Vinyl und war doch der Erste, der
damals eine käuflich erwerbbare CD namens Scion Arrange And Process
Basic Channel Tracks mit der damals völlig neuen Software Ableton live
arrangierte und veröffentlichte. Und auch hier zeigt sich wieder eine
Querverbindung durch das Hardwax: Robert Henke a.k.a. Monalake,
Mastering und Cutting Ingeneur im hauseigenen Dubplates & Mastering
Studio, ist Mitentwickler der heute so populären Musiksoftware Ableton
Live.
Soviel lebende Musikgeschichte auf einem Haufen und an einem Abend im Conne
Island ist selten zu erleben da ist es natürlich eine
Selbstverständlichkeit, die Extra-Subwoofer auf der Bühne zu
montieren.
See mi Yah!