• Titelbild
• Editorial
• das erste: Trübsal in der Krise?
• We only die once
• JMT
• Skindred, Forever Never
• Erich Mühsam - kein Lampenputzer
• MITTE03
• HALFTIME
• electric island
• Martsman
• Shoah
• Benefizdisco
• Saint Vitus
• Toxpack
• Joey Cape, Tony Sly, Jon Snodgrass
• Veranstaltungsanzeigen
• ABC: M wie Metaphysik
• review-corner buch: Die Zukunft der Erinnerung
• review-corner buch: Alles nur Wahn?
• Von der Volksgemeinschaft zur Weltgemeinschaft
• 1917 Anfang und Ende des Kommunismus?
• Anzeigen
• das letzte: Die Fäuste ballen
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
so mancher fragt sich in diesen Tagen: Ist unsere soziale Marktwirtschaft
wirklich die beste aller Welten?
Wir vom DGB haben in den letzten Jahren immer wieder gesagt: Wir müssen
schmerzhafte Einschnitte hinnehmen, damit es wieder aufwärts geht mit
unserer Wirtschaft. Und wir haben Wort gehalten: Leiharbeit, Flexibilisierung,
Hartz IV, Lohnzurückhaltung gemeinsam mit unserem Partner, dem BDI,
konnten wichtige Innovationen auf den Weg gebracht werden.
Doch statt Aufschwung haben wir nun eine schwere Wirtschaftskrise. Wie es dazu
kommen konnte, ist auch mir ein Rätsel. Unsere Wirtschaft ist eben
manchmal launisch wie ein Computer: Plötzlich stürzt sie ab, und dann
muss man sie wieder zum Laufen bringen. So stehen uns jetzt noch mehr
Arbeitslosigkeit, noch mehr Verzicht ins Haus. Da kommt Zorn und Wut bei den
Menschen auf. Dafür habe ich Verständnis, obwohl ich persönlich
nicht von der Krise betroffen bin. Aber es bereitet mir auch Sorge, denn der
soziale Friede ist in Gefahr.
Unsere französischen Kollegen haben in letzter Zeit Unternehmer als
Geiseln genommen, in Griechenland brannten wochenlang Barrikaden. Sicherlich:
Das zeigt Wirkung und scheint den Menschen dort Freude zu machen die
Stimmung in Athen soll besser gewesen sein als auf unseren Gewerkschaftsfesten,
trotz der tollen Rockgruppen, die wir auch heute wieder für die
Jugendlichen aufspielen lassen. Aber wir sind keine Griechen, keine Franzosen.
Unsere Nachbarn auf der anderen Seite des Rheins haben ihren König
geköpft, Revolutionen durchgeführt und 1968 zu Millionen die Betriebe
besetzt ohne vorher das Einverständnis ihrer Gewerkschaften
einzuholen! Das ist nicht unsere Streitkultur.
Für uns deutsche Gewerkschafter war der soziale Friede schon immer ein
hohes Gut. Wir haben unser Land nicht im Stich gelassen, als es 1914 schwierige
Konflikte mit den Nachbarn gab. Wir haben nach dem Regierungswechsel 1933 das
konstruktive Gespräch mit der Politik gesucht, anstatt wie die
heißblütigen Spanier gleich einen Bürgerkrieg anzufangen. Wir
haben in den 1970er Jahren den Gastarbeitern klar gemacht, dass wilde Streiks
nicht zu unserer demokratischen Kultur in Deutschland passen. Denn Streitkultur
darf nicht zu Streikkultur entarten.
Dampf ablassen muss jeder mal. Das ist ganz normal, meine Frau kann ein
Lied davon singen. Aber richten wir unseren Zorn nicht gegen die Arbeitgeber,
die Politik oder unsere Wirtschaftsordnung. Nehmen wir lieber Finanzhaie, Wall
Street und ausländische Heuschrecken ins Visier. Dann können wir auch
die Bundesregierung und die Arbeitgeber für unser berechtigtes Anliegen
gewinnen wo kämen wir denn sonst hin?
Deshalb darf die heutige Kundgebung keine Kampfansage sein. Wenn einige
kurzsichtige Arbeitgeber nun zurück ins 19. Jahrhundert, zurück zum
Klassenkampf wollen, dann sagen wir ihnen klipp und klar: Ohne uns, da machen
wir vom DGB nicht mit. Statt Öl ins Feuer zu gießen, heißt
unsere Devise: Der Klügere gibt nach.
Wir werden das wie bisher für Euch richten. Deshalb gilt für heute
und für morgen, für die Straße und den Betrieb:
- Habt Vertrauen in uns und befolgt ausschließlich unsere Anweisungen!
- Wiederholt ausschließlich die Parolen, die wir über den
Lautsprecher durchgeben!
- Wenn wir die Kundgebung auflösen, geht brav nach Hause, schaltet den
Fernseher ein und schaut, wie machtvoll wir gewesen sind! Mit ein wenig
Glück könnt Ihr Euch für zwei, drei Sekunden selbst auf dem
Bildschirm erkennen.
- Pustet drei Mal in Eure Trillerpfeifen, wenn Ihr Eurem Ärger über
Euren Vorgesetzten Luft machen wollt!
- Vergrault die Investoren nicht und habt Verständnis für harte
Entscheidungen!
- Kommt bloß nicht auf die Idee, auf eigene Faust zu handeln und
eigenständig Kontakte zu Leuten aus anderen Betrieben aufzubauen! Leute,
die davon reden, wollen nur der Gewerkschaft schaden!
- Wenn Ihr trotz alledem unsicher seid, wendet Euch an die jeweils
zuständige Stelle. Wir haben für jedes Problem das richtige
Formular!
Michael Summer