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Aktuelles Heft

INHALT #170

Titelbild
Editorial
• das erste: Vereint im deutschen Geist der dialogbereiten Toleranz
Oaklands Seele
Codes in the Clouds, Pg.lost
Shuffle Me!
Prolls mit Verstand
Apoptygma Berzerk
Paradise Lost, Samael, Ghost Brigade
Dritte Wahl
Sechs Jahre ITS YOURS! Party
Vadim Imaginashun-Tour
The Living End
Miss Platnum
Friska Viljor
US Bombs
The Adicts
Jochen Distelmeyer
Fucked Up
Hot Water Music
Imperial Never Say Die! Club Tour 2009
electric island: KANN & friends
Masta Ace
Muff Potter
A Storm of Light, Minsk
Full Speed Ahead, Backfire
• ABC: E wie Emanzipation
• review-corner platte: Ja! Ich rede gern mit mir selbst!
• kulturreport: Like a virgin?
• doku: Post aus Honolulu
• doku: Über Fundamentalkritik und die feinen Unterschiede
• doku: Watch out for a new generation to push things forward!
• doku: Radio Blau von Abschaltung bedroht
• leserInnenbrief: Mit Schaum vor dem Mund
Anzeigen
• das letzte: 100 Zahnstocher inkl. Gebrauchsanweisung

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Prolls mit Verstand

K.I.Z. – „Sexismus gegen Rechts“ Tour 2009

Mit ihrem mittlerweile vierten Studioalbum „Sexismus gegen Rechts“ stehen die ironischen K.I.Z., derzeit die wohl meist diskutierte Hip Hop Combo Deutschlands, endlich im Conne Island auf der Bühne. Im Conne Island? Endlich? Als Erstes sollte vorweg genommen werden, dass dieser Artikel keine Rechtfertigung zum Auftritt von K.I.Z., geschweige denn eine Verteidigungsschrift zu den Werken der Gruppe ist. Aufgrund ihrer augenscheinlich sexistischen und homophoben Lyrik wird jeder, der sich mit dieser Crew noch nicht tiefgründig beschäftigt hat, spüren, wie der moralische Zeigefinger zu zucken beginnt. Doch die Message ist komplexer und sitzt viel tiefer, versteckt zwischen den Zeilen aus Koitalhumor und Straßenslang. Wer hier auf Gangster-Rap ala Aggro Berlin hofft, wird eines besseren belehrt werden, denn K.I.Z. punkten mit Inhalt, Parodie und jeder Menge Wortwitz. In einer Zeit, als Deutsch-Rap scheinbar am intellektuellen Tiefpunkt angelangt ist, das Genre immer flachen und frauenfeindlicher wurde, haben es K.I.Z geschafft, die fast entpolitisierte Szene auf ironische Weise zu unterwandern und ihr den Spiegel vorzuhalten. Dieses Satire-Gewitter scheint auch humorlose Typen wie Fler von der Bildfläche gespült zu haben – der deutsche „Gangstarap tritt nichtschwimmermässig auf der Stelle, wärend die K.I.Z.-Schlechtwetterfront aus Berlin über das gesamte Land zieht.“

Dass ihr neues Album politischer und vor allem ausgereifter ist als die Vorgänger, lässt sich nicht von der Hand weisen. Mit „Straight Outta Kärnten“ wurde eine schein-sympathisierenden Ode an Jörg Haider und das rechtsgerichtete Österreich geschaffen. Und Titel wie „So Alt“ beweisen dem Hörer auf ein Neues, dass man es hier mit erwachsenem Hip Hop zu tun hat. Doch natürlich muss niemand auf die typische Berlin-Untergrund-Coolness verzichten. Sprüche wie „Deine Frau hat sich von dir den Baggy-Style abgeguckt, sie ist nackt und hat trotzdem den Schlabber-Look“ („Scheiterhaufen“) oder „Es ist Liebe, du hältst bei meinen Eltern um meinen Schwanz an“ („Ringelpiez mit anscheißen“) zeigen, wie spitzfindig eine Persiflage auf den so verteufelten deutschen Rap sein kann. Der doppelte Boden wird steht`s bewahrt und stumpf scheinendes Machogehabe wie in dem Track „Ohrfeige“, welcher die Sicht von jemandem schildert, der seine Partnerin an der kurzen Leine halten will, in Wirklichkeit aber von ihr dominiert wird, entpuppt sich gleichsam als Feminismus durchs Hintertürchen.

Deutlich wird dies auch in einem Interview mit der Zeitung Straßen aus Zucker, welche versucht, im „Superjubiläumsjahr“ linke Themen in die Schule zu tragen, wie z.B. Antinationalismus, Staatskritik, Antirassismus usw.. Auf die Frage: „Was sagt ihr zu den Vorwürfen, ihr würdet in euren Texten schwulen- und frauenfeindliche Vorurteile benutzen?“ antwortet Tarik: „Ihr habt total Recht, das tun wir, ‚benutzen` ist auch das richtige Wort. Wenn wir zum Beispiel brutalen Sex beschreiben, geht`s hart zur Sache für beide Parteien, wir lassen uns auch anpissen und fressen Schlüpfer, Standard halt. Wenn wir sagen ‚es ist Zeit, sich auch unter Männern an die Schwänze zu greifen`, dann macht das Spaß, weil es homophobe Menschen gibt, die dann traurig sind.“ Auf die Frage, ob das Publikum das checkt, antwortet er dann weiter: „Das Publikum checkt das auf jeden Fall, einige Homophobe sind sehr sauer auf uns, die haben das verstanden. Man darf die jungen Dinger nicht unterschätzen, ich geb zum Beispiel Rapworkshops für 14-18jährige bei mir in Kreuzberg, und für die ist zwischen uns und ernstgemeinter menschenverachtender Musik – wie zum Beispiel Revolverheld – ein großer Graben.“

Bildlich zeigt sich das schon in ihrem Musikvideo zu „Geld Essen“: in diesem Video küssen sich zwei Hip Hopper öffentlich. Auf Sympathie stoßen solche Statements natürlich nicht immer. Schon gar nicht in einer doch eher homophoben Hip Hop-Community. Mit ihrer Parodie und Kritik an der Szene gelingt es ihnen jedoch, auf Probleme aufmerksam zu machen und auch jene Menschen für Hip Hop zu interessieren, die entweder noch nie etwas davon hören wollten oder sich von ihm aus den genannten Gründen wie Homophobie abgewendet haben. Mann muss K.I.Z. nicht mögen oder hinter ihrem Konzept stehen, allerdings sollte man sie auch nicht in die Schublade wie Fler oder Bushido stecken. Das Gute an K.I.Z. ist nämlich, dass sie genau jene Menschen erreichen, die auf das Bild von den eben genannten Hip Hoppern abfahren und ihnen eigentlich zeigen, wie lächerlich und dumm es eigentlich ist. Daher sollte sich vielleicht jede/r selbst ein Bild von der Crew machen, wenn es am 7.11. im Conne Island heißt: „EINTRITT EINTRITT!! Heute ist nicht dein Tag, das Armageddon naht“.

Demito

K.I.Z.

 

27.10.2009
Conne Island, Koburger Str. 3, 04277 Leipzig
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