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live: Health // Fuck Buttons // Le Corps Mince de Françoise //
Picturplane
DJs: Preller, Peter Meier
Die Frage, warum sich ein Label wie City Slang einer derart crazy
Band wie HEALTH annimmt, beschätftigt einige. Es muss also was dran
sein am Hype der Band, die plötzlich als Headliner einer Intro
Intim-Tour herhält und in überall besprochen wird. Neben all den
anderen mehr als tollen Bands, die an jenem Abend das Conne Island beehren,
soll hier ungerechterweise das Label nur für Health zu Wort kommen, um zu
versuchen, den Wahnsinn zu erklären.Dennoch sei erwähnt: Fuck
Buttons toll! Picturplan und Le Corps Mince de
Françoise auch toll... das wird bestimmt was!
Der Versuch, das Phänomen HEALTH in ein paar Sätzen
zusammenzufassen, ist praktisch schon zum Scheitern verurteilt. Nur eines ist
sicher: lange hat uns nichts mehr so bei City Slang erschüttert wie diese
Band und ihr neues Album GET COLOR. Ich glaube, niemand hätte erwartet, am
wenigsten wir selbst, dass wir es noch einmal mit so einer Platte zu tun
bekommen würden.
Den Musikfans mit Flatrate sind HEALTH bereits ein Begriff, seit sie 2007 ihr
erstes Album veröffentlichten und darauf das legitime Erbe der Liars
antraten. Die anderen kennen sie über Remixe ihrer Songs, die in den Clubs
hoch und runterlaufen (z.B. die Crystal Castles-Single Crimewave`). Dann
gibt es wieder diejenigen, die irgendwann mal zufällig auf einer Show von
ihnen waren, zum Beispiel die 8.000 jungen Menschen, die sie letztes Jahr
nachts um drei in einem Hexenkessel auf dem Primavera-Festival gesehen haben,
nicht ahnend, was da vor ihren Augen und Ohren explodieren würde, um dann
vollständig euphorisiert innerhalb von einer Stunde den kompletten
Restbestand an Band-T-Shirts (immerhin noch 100) aufzukaufen.
Ja, manch einer kennt diese Band tatsächlich nur von einem Shirt. Kein
Witz, HEALTH finanzieren sich durch einen globalen Grassroots DIY Merch Boom,
der seinesgleichen sucht. Es mag vielleicht sein, dass HEALTH mehr Shirts
verkaufen als Platten ganz ehrlich, wir wissen es nicht. Und noch was:
es ist 2009, es ist auch eigentlich egal, HEALTH haben es innerhalb von zwei
Jahren auf so ziemlich allen Ebenen geschafft, Dieter Gornys lebender Albtraum
zu werden.
Aber wer sind HEALTH überhaupt? Jake Duzsik (Vocals, Guitar), John
Famiglietti (Bass, Percussion), Jupiter Keyes (Guitar, Percussion) und Benjamin
Jared Miller / aka BJ (Drums) leben in ECHO PARK Los Angeles, sind alle um die
Mitte 20 und haben schon all das hinter sich, was der moderne, junge und
orientierungslose Mensch heute mal so mitnimmt: Literaturwissenschaften,
Theaterwissenschaften, Filmschule, Sozialarbeit usw. usw.
Seit ungefähr 2006 experimentieren sie als Band in ihrem Proberaumkomplex
in Downtown LA. Das resultierte 2007 in ihrem ersten Album HEALTH, welches sie
komplett in LA's inzwischen wohl legendärem Jugendclub THE SMELL
aufnahmen. Dann ging alles rasend schnell. Die erste Tour danach buchten sie
noch selbst. Doch Anfang 2007 tourten sie schon mit ihren Buddies Crystal
Castles durch die wichtigsten Clubs in den Staaten, um dann gleich danach sechs
Wochen lang Europa zu bereisen. Ohne Platte, nur mit einer Menge
Vorschusslorbeeren im Gepäck. Von London über Paris, Amsterdam,
Brüssel und Berlin bis hin nach Barcelona und noch weiter nach Lissabon
und Porto ging es damals. Danach lief halb Europa in neonfarbenen HEALTH
T-Shirts durch die Gegend und so ziemlich allen war klar: Mit denen muss in
Zukunft gerechnet werden!
Über das Phänomen HEALTH` darf man aber nicht ausblenden, dass
sich der Erfolg allein aus der Tatsache speist, dass sie vor allem eine
exzellente visionäre Band sind, die tatsächlich Hits schreiben
auch wenn es NOISE Hits sind UND es obendrein noch schaffen, ihre
musikalischen Ideen in eine unfassbar mitreißende Liveshow zu stecken. Da
wird geloopt und gesampelt, was das Zeug hält, aber alles live und roh.
Ein Berserker am Schlagzeug, ständig wechselnde Rhythmus-Gruppen,
laserscharfe Bass- und Gitarrenriffs und sakrale Vocals. Wenn man es
dürfte, würde man es SEXY nennen.
Und nun erscheint also das Album, auf das alle sehnlichst gewartet haben. GET
COLOR, und wie! Wieder selbst produziert, nur diesmal mit sehr viel mehr
Vorbereitung. Wer braucht schon Rick Rubin, wenn man weiß was man will.
Wenn man sich monatelang Zeit nimmt, um das richtige Studio zu suchen, um
Probeaufnahmen zu machen in denen einfach nur stundenlang gejammt wird, um die
richtigen Sounds (im Sinne von Geräusche) zu finden. Ganz ehrlich, wenn
man sich das Album zum ersten Mal anhört, überlegt man sich als
erstes Wie zur Hölle machen sie diese Songs? Was ist das? Was sind
das für Strukturen?`
Beim genaueren Hinhören findet man in den dekonstruierten Stücken
extrem viele Ideen aus den letzten 50 Jahren Rockgeschichte, allerdings nicht
direkt als Zitate, sondern vielmehr als Spuren.
HEALTH sind nicht futuristisch, weil sie behaupten, futuristisch zu sein,
sondern im Gegenteil, weil sie offen mit ihrer Vergangenheit und ihrem
Referenzsystem umgehen. Anstatt zu sagen Wir beziehen Stellung gegen...`
spielen sie mit wirklich allen Versatzstücken der Popkultur,
beziehen Stellung durch...` und das auf sehr ernsthafter Ebene. Frei von
Ironie erschaffen sie dadurch mehr oder weniger automatisch ein neues,
futuristisches Konzept.
Und dann ist da noch etwas sehr Außergewöhnliches. So martialisch
wie die Platte auch klingt, HEALTH klingen nie männlich oder prollig, sie
sind in gewisser Weise feminin. Und so mag GET COLOR vielleicht nichts sein was
man nebenbei hören kann, aber mit ein bisschen Aufmerksamkeit und den
richtigen Kopfhörern wird GET COLOR zum intensivsten Hörerlebnis des
Jahres.