Traditionsreiche Parties in England, die die
ganze Nacht andauern und auf denen meist unbekannte Platten aus den 60ern und
70ern gespielt werden. (Andrew Nevill)
Mitten im schönen Sommer diesen Jahres stand ich vor einem Erlebnis,
das mich ziemlich begeisterte. Vor einigen Jahren hatte ich auf einem
OI!-Treffen schon mal einen Skinhead Toaster und Deejay erlebt, der Northern
Soul der 60er und 70er geinsam mit Rocksteady und alten Ska auflegte. Das war
aber nicht in Leipzig. Beim ersten Ska/Soul Allnighter im Conne Island auf dem
Freigelände, erlebte ich, wie Skinheads grandios zu Soul abtanzten.
Herrlich. Was ich vorher immer nur vom Nach-Lesen der Skinhead-Geschichte
kannte, erlebte ich mitten in meinem eigenen Freundes-und Bekanntenkreis.
Man nannte sie Modernists oder bekannter, Mods. Sie hörten
RnB, Beat und Soul. Sie trugen makellose Kleidung und
pflegten einen Kult der Coolness (Nevill). Sie fuhren Lambretta-
und Vespa-Roller. Sie waren Ende der 50er/Anfang der 60er der krasse Gegensatz
zu den Rockern. Und die kleinen Brüder der Mods (Nevill) waren
die ersten Skinheads. Sie übernahmen gewisse Elemente des Mod-Stils und
kombinierten diesen mit Details der klassischen Arbeitsklamotten.
Die weitere Aufspaltung der Mod-Szene blieb nicht aus. Auf der einen Seite die
trendy Typen und auf der anderen die Gang Mods (Nevill) aus denen
dann später die richtigen ersten Skinheads wurden. Diese Rude
Boys oder Rudies besuchten die gleichen Dancehalls wie die Schwarzen. Trotzdem
die Skins immer noch Soul hörten, übernahmen sie auch die Musik der
schwarzen Communities in Süd-Ost-London: den Ska, Bluebeat, Rocksteady
oder allgemein Reggae.
Besonderes Augenmerk legte man am Abend zum Ausgehen auf teure Anzüge.
Doch die wenigsten konnten sich diese Anzüge leisten. Man behalf
sich mit Levis-Sta-Press Hosen, die mit Ben-Sherman-Button-Down-Shirts oder
Fred Perry-Tennishemden getragen wurden.
Die spezielle Bezeichnung Northern Soul geht darauf zurück, daß sich
außerhalb der englischen Metropolen- also im Norden- ein spezielles
Soul-Verständnis des Chicago und Detroit Soul ausprägte, das dann der
Richtung auch ihren Namen gab. (Im übrigen ist es interessant zu wissen,
daß wenn heute von den Hochburgen des House- Chicago- oder dem Techno-
Detroit- die Rede ist, diese Ursprünge den Grund für die Soulfulness
der einschlägigen Trax darstellen.)
Am Samstag, den 18.November kommen einige Leute von der Downbeat-Posse aus
Berlin, die viele vielleicht nur mit Jungle in Verbindung bringen. Doch
über 5 000 rare 7inches warten auch in Leipzig auf ihre Hörer und vor
allem Tänzer! Also: Festzuhalten bleibt, daß sich Soul im
Allgemeinen und Northern Soul im Konkreten bei deutschen Skinheads noch nicht
als akzeptierte Musik durchsetzen konnte. (in Skintonic, 7/90)
MACHT, DASS DAS NICHT WAHR IST: Lets Copp A Groove. Ralf |