Am 7. Oktober spielten die Lokalmatadore und die Macc
Lads im Conne Isand. Das mittlerweile vierte Konzert aus dem Bereich
Streetpunk, angekündigt unter der Headline:
Innenministerium Vorsicht: Das riecht nach Chaostag in Leipzig,
sollte dann aber nicht, wie sein namensgebendes Vorbild die
angesprochene Behörde beschäftigen, sondern vor allem in Connewitzer
Projekten und bei einem Teil der Veranstalter für Unruhe, Angst und
Disskusionsstoff sorgen. Anlaß dafür die Randale zweier nach Hause
ziehender Gruppen von Konzertbesuchern, wovon eine, bestehend aus Skins und
Punks, in der Auerbachstraße 1a , einem Wohnprojekt aus Connewitzer
Ur-Zeiten, die Schaufensterscheibe eines Erdgeschoßraums
zertrümmerte und Sieg grölend die
Wolfgang-Heinze-Straße gen Norden zog, während die andere, als Punks
identifizierte, im Zoro-Innenhof Autoscheiben zu Bruch gehen ließ und
rausgeprügelt werden mußte. Als dann beim montäglichen Conne
Island-Plenum diese Ereignisse von Bewohnern der Auerbachstraße zur
Sprache gebracht wurden, offenbarte sich aber, daß es nicht um eine
zukünftige Umgehensweise mit durchgeknallten Skins und Punks bei
vergleichbaren Veranstaltungen geht, die subkulturelle und politische Nischen
von denen sie selber profitieren mit der Hannoveraner Nordstadt verwechseln.
Nein. Vielmehr kamen eine ganze Reihe von gegensätzlichen Meinungen vor
allem in der prinzipiellen Herangehensweise an Oi- bzw. Streetpunk-Konzerte
zutage, was letztlich in der Forderung der Konzertgegner mündete, keine
derartigen Veranstaltungen mehr im Conne Island durchzuführen. Dabei
stellten die zwei beschriebenen Ereignisse vom 7. Oktober nur die neuerliche
Bestätigung einer generellen Antipathie gegenüber solchen Konzerten
dar, die sich noch auf eine Reihe anderer, schwer(er) wiegender Gründe
stützt. Besonders die Tatsache, daß das Publikum nicht 100%ig aus
korrekten Skinheads besteht, denn trotz strenger Einlaßkontrollen schafft
es doch der ein oder andere Nazi (Das Gerücht, daß ganze Gruppen von
denen sich im Saal tummeln, bleibt solange ein solches, wie es erst
regelmäßig lange nach Veranstaltungsende - also
unüberprüfbar - auftaucht.) mittels Selbstverleugnung, d.h. Verzicht
auf eindeutige Symbole, wie z.B. Aufnäher, an der Security
vorbeizuschlüpfen, wurde hervorgehoben. Woraus sich im Endeffekt
ergäbe, daß Veranstaltungen für Faschos gemacht würden.
Außerdem könne es nicht angehen, daß die Bewohner Connewitzer
Projekte Angst, nicht nur vor rausgeschmissenen Faschos, sondern potentiell vor
dem gesamten Publikumsspektrum haben, was aber mittlerweile der Fall wäre.
Schließlich wurde die Forderung nach Konzertstop noch mit der
Kritik an den sexistischen und prolligen Inhalten untermauert, die Punk-Bands
wie Lokalmatadore, Macc Lads, Business und Cock Sparrer vertreten. Die
Aufzählung der Vorwürfe ist damit keineswegs vollständig, zumahl
sich diese oft an konkreten Einzelbeispielen festmachten. So wurde auch
mehrmals auf das erste Business-Konzert verwiesen, bei dem zwei
langhaarige Besucher von Skins vor der Einfahrt zum Conne
Island-Gelände zusammengeschlagen wurden, was zur Folge hatte, daß
man lang und breit über Sinn oder Unsinn solcher Veranstaltungen
debatierte, um zu dem Schluß zu kommen, erst bei einem solche Fälle
weitestgehend ausschließenden Sicherheitskonzept, welches
hauptsächlich von den Leipziger Skins getragen werden müsse, da es ja
besonders auch ihre Veranstaltungen sind, wieder ähnliches
anzugehen. Das nächste (das dritte) Streetpunk-Konzert bestätigte
diese Herangehensweise und auch trotz der Vorfälle in besagter
Oktobernacht würde diese nicht hinfällig, so jedenfalls die Meinung
derjenigen, welche die Öffnung des Ladens für die Skinheadsubkultur
vehement verteidigen. Diese sei nämlich in aller erster Linie als
praktisches Gegenstück zur Fascho-Subkultur zu verstehen, das sich von
jener abgrenzt und unter antirassistischen Vorzeichen steht. Auch wenn ein paar
Nazis anwesend sind, bleiben diese Paradigmen doch transparent. Begründet
zum einen in der Geschichte der Skinheadbewegung, zum anderen durch
unzählige Statements der Bands, das Verhalten der überwiegenden
Mehrheit der Skins aber eben auch durch die Location Conne Island
in Connewitz. Gerade in Anbetracht der rechtsradikalen Szene im Umland von
Leipzig (Wurzen, Ostharz), die regelmäßig Fascho-Konzerte
organisiert, sei diese Festschreibung durch praktische Umsetzung zu
verteidigen. Außerdem wurden konkrete Beispiele genannt, die bezeugten,
daß die Alternative Conne Island, bzw. der Umgang hier mit unpolitischen
Skins, ehemaligen Rechten geholfen hat, aus dem braunen Sumpf auszusteigen.
Für die Kritiker war das aber nur ein Hinweis mehr, daß
Veranstaltungen für Faschos gemacht würden und man stellte den
Antifa-Anspruch des Ladens generell in Frage. Dies sorgte folgerichtig für
einige Aufregung, nicht nur wegen des hier regelmäßig stattfindenden
Antifa-Plenums, sondern auch, weil den Leipziger Skins ihre Abgrenzung nach
Rechts teilweise abgesprochen wurde. Dabei haben jene einen bedeutenden Anteil
an der Vereitelung einer von Leipziger Nazis propagierten Befreiten
Zone (d.h. keine Ausländer, keine Zecken) und und vor
allem eine gewaltige Abneigung gegen Boneheads. Es half aber alles nichts, die
Vorurteile gegenüber Bomberjacke und Glatze (wahlweise Kurzhaarschnitt)
konnten weder von Beispielen noch von rationalen Argumenten ausgeräumt
werden. Die Punker kamen, weil man ihnen die antifaschistichere Gesinnung
zustand, etwas besser weg. Hier offenbarte sich einige Inkonsequenz, denn die
Ablehnung von Streetpunk-Konzerten (ungefähr hundert echte
Punks pro Veranstaltung), ist die Ablehnung von Punk und betrifft nicht nur die
Markt-Frisch-Klientel, sondern die des Zoro, der Stockartstraße und des
Könich Heinz. So konnten sich denn viele nicht der Einschätzung
anschließen, daß es sich bei Typen, die im Kiez
Scheiße machen, egal ob nun Skin oder Punk, einfach um Arschlöcher
handelt, was aber keine Rückschlüsse auf alle Skins oder Punks
zuließe und denen man auch nicht mit skurilen Ängsten, sondern mit
abschreckender Gewalt begegnen sollte. Doch den Auerbachlern ging es eben nicht
nur um die Ausnahmen. Viel Unverständnis erntete daher die Verteidigung
des Partygedankens, der Streetpunk-Konzerte bestimmt. Besonders die
Schweinerei, den textlichen Querschnitt (Fußball, Ficken,
Alkohol) im News Flyer vorher anzukündigen, verbunden mit der Bitte,
... wem diese Themen nicht zusagen sollten, der sollte in Erwägung
ziehen, diese Veranstaltung zu versäumen, um den Anwesenden an diesem
Abend die zu erwartende Party nicht zu versauen., sorgte für
Aufruhr. Dabei war diese Ankündigung mindestens genauso ehrlich, wie der
thematische Horizont der Punkbands, der für manche einen positiven
Gegenpol zu aufgesetzter Corecctness, sei es nun politischer oder kultureller
Art darstellt. Und um unter sich zu bleiben, wurde darauf hingewiesen. Dies
faßten einige als Verbotsverfügung auf, die Kiezbewohner
mit anderen Ansprüchen ausschliesen sollte. Das andere Subkulturen sich
genauso abgrenzen - so bleibt der besoffene Metaler vor der Distillery stehen
und wird der Anzugtyp im Zoro scheel angeschaut, wurde nicht akzeptiert. Weiter
ging es dann mit einer leidigen Kiez-Diskussion, in deren Verlauf
das Conne Island zeitweilig kurzerhand aus diesem rausgebeamt wurde.
Spätestens hier drehte man sich im Kreis und der Eindruck entstand, einige
Kiezbewohner fühlten sich nur in ihrer Ruhe
gestört, die sie, durch die per se Zuschreibung der Szene als
antifaschistisch, genössen. Die meisten Differenzen standen dann auch noch
am Ende ungeklärt im Raum. Zwar wurde die Forderung nach Verzicht auf
besagte Konzerte abgeschwächt, was aber nicht unbedingt an der Einsicht
für die Argumente der Befürworter lag, vielmehr Ergebnis
der Zusicherung war, beim nächsten Konzert alle Projekte rechtzeitig zu
informieren (obwohl dies schon einmal geschehen war, aber keine Reaktion der
Angsprochenen hervorbrachte) und auch die Abfahrtswege der Konzertbesucher
zu kontrollieren. Was nicht heißt, daß damit das letzte
Wort gesprochen ist, denn einerseits gibt es im Laden einige
Bedenken gegen weitere Skin/Punk-Veranstaltungen, andererseits wird die
Gerüchteküche noch einiges mehr an Ressentiments erzeugen, besonders
dann, wenn man sich wie das Zoro zu Aussprachen ankündigt aber nicht
erscheint. ulle |