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Diskussion um eine mögliche
Konzertabsage von Stomper 98.


Das Conne Island dokumentiert auf dieser Seite die Auseinandersetzung, die es weit über das Ladenumfeld hinaus in den letzten Wochen um den Auftritt der Bands Stomper 98 und Templars auf unserer Bühne gab.
Das Konzert findet – wie geplant – am 15. November im Conne Island statt. Sowohl uns als auch den beiden Bands ist sehr viel an der Transparenz und Nachvollziehbarkeit der stattgefundenen Diskussionen gelegen. Daher die vielleicht ungewohnte Ausführlichkeit.

Dass insbesondere die Skinheads von Stomper 98 hier so in den Fokus des Geschehens gerückt sind, ist auf der einen Seite durchaus „selbstverschuldet“. Sowohl das Ablichten mit dem Sänger der Naziband Endstufe als auch die nur sehr vage Problematisierung des eigenen Songs „Päderast“ trugen nicht besonders viel zum straighten antifaschistischen Image der Band bei. Auf der anderen Seite müssen wir uns als Conne Island aber auch eingestehen, derzeit strukturelle Mankos in der Diskussion um Oi! zu besitzen. Insofern war es durchaus auch etwas Pech für Stomper 98, hier quasi als „Beleg“ für Laden-Defizite herhalten zu müssen.
Die Entscheidung gegen die vielfach geforderte Absage des Konzerts hat das Conne Island ausschließlich anhand der Auseinandersetzung mit der Band getroffen, die uns in zwei ausführlichen Briefen glaubhaft versichern konnte, weit jenseits von Nazi-Ideologien und schwammiger Bekenntnisse zu stehen. Trotzdem dokumentieren wir hier – quasi flankierend – auch den Briefwechsel mit dem Berliner Bandkollektiv Egotronic, die ihrerseits einen Auftritt im Conne Island von unserer Distanzierung gegenüber Stomper 98 abhängig machten. Egotronic traten letztlich auf, denn weder stand das „antifaschistische Fundament“ des Conne Islands auf dem vermuteten Spiel, noch funktionieren Entscheidungsfindungen des Plenums auf der Basis „wir oder die“. Dem Conne Island, seinem Plenum wie seinem politischen und kulturellem Umfeld hat die Diskussion um den Auftritt der beiden Bands vor Augen geführt, dass eine permanente Diskussion auch scheinbar erfolgreicher Konzepte – wie das von Oi! und seiner Ladenanbindung – notwendig und sinnvoll ist. Zum Einen, um ihre Plausibilität stets neu zu begründen. Zum Anderen, um den gemeinsamen Konsens über eben diese Konzepte zu stärken und inhaltlich zu untermauern – nicht bloß vorauszusetzen. Eine allgemeinere Diskussion, die den Bezug und das Verhältnis von Politik und Kultur, über das Bekenntnis, dass das eine das andere bestimme, präzisiert, wird derzeit im Conne Island am konkreten Beispiel „Skinheadkultur“ geführt. [siehe dazu auch: »Aktualisierung eines Konzepts«]

Conne Island, 5. November 2008

I Statement von Stomper 98

In den vergangenen Jahren, eigentlich schon seit der Bandgründung 1998, ist es in Bezug auf STOMPER 98 und die Haltung der Band zu bestimmten Fragen immer wieder zu Missverständnissen gekommen. Im zehnten Jahr unseres Bestehens halten wir es für angebracht, einige Sachen auf diesem Wege klarzustellen, die seit zehn Jahren unsere Band, unsere Musik und unseren Way of Life bestimmen. Wen also in Zukunft Fragen und Zweifel zur Haltung von STOMPER 98 befallen, der lese sich diesen Text durch. Dies ist alles, was wir außerhalb unserer Texte als Band dazu zu sagen haben. Mehr wird es von uns in diesem Zusammenhang nicht geben, ABER ERST RECHT VERDAMMT NOCH MAL NICHT WENIGER...

Über uns

Zu aller erst und grundsätzlich ist STOMPER 98 ganz einfach eine Skinhead-Rock'n'Roll-Band. Mit dieser Selbsteinschätzung verbinden wir, jeder einzelne von uns, dass wir uns als Teil einer Szene betrachten, die über die Grenzen von Ländern, Kontinenten, Staatszugehörigkeiten und Hautfarben ein Lebensgefühl, ein oft beschworener Way of Life verbindet.
Diese Tatsache beinhaltet die Grundeinstellung, dass Rassismus, Nationalismus und überhaupt jede Art von Diskriminierung das genaue Gegenteil von diesem, von unserem Way of Life darstellen.
UM ES KLAR ZU SAGEN: STOMPER 98 WAREN IMMER UND SIND EINE ANTIRASSISTISCHE BAND. Wir wollen keine Nazis und Rassisten auf unseren Konzerten, und wir wehren uns gegen den Vorwurf, eine „Grauzonenband“ zu sein. Wir sind schwarz, wir sind weiß, wir sind alles Mögliche, aber wir haben einen Standpunkt, und er ist definitiv nicht „grau“!
Dementsprechend verstehen wir uns selbst auch nicht als „unpolitische“ Band. Die Bezeichnung „unpolitisch“ mag eine Zeit lang nützlich gewesen sein, um sich bzw. die Szene vor Vereinnahmung durch extreme Ideologien zu schützen. Wir denken, dass die Skinhead-Szene das heute nicht mehr nötig hat. Wir haben von Anfang an versucht, politische und damit auch antirassistische Inhalte in unseren Texten und auf Konzerten rüber zu bringen. Das für uns untrennbar mit unserem Verständnis von Skinhead verbundene Bekenntnis zur Arbeiterklasse ist an sich schon politisch und widerspricht rechten Tendenzen.
Die Tatsache, dass wir fünf außerhalb unseres Skinhead-Daseins vollkommen unterschiedlich kulturelle Wurzeln haben, wirkt sich natürlich auf die Haltung der Band gegenüber anderen Kulturen aus. Unsere Musik hat uns die Möglichkeit gegeben, in viele unterschiedliche Länder zu reisen und dort die jeweilige Szene, aber eben auch die Kultur außerhalb kennen zu lernen. Wir haben bisher jeden Auslandsaufenthalt als Bereicherung erlebt. Eine Haltung, die aufgrund rassistischer Vorurteile und nationalistischer Blindheit nicht erkennen lässt, was für eine Bereicherung der Kontakt mit anderen Kulturen darstellt widerspricht allem, was den Skinhead-Kult für uns zur Richtschnur unseres Lebens macht.
In letzter Zeit, genau genommen seit April 2008, hat ein Foto im Internet und später auch in anderen Formen für eine Menge Wirbel um STOMPER 98 gesorgt. Auf dem Foto ist unser Sänger Sebi mit Jens B., dem Sänger der Band Endstufe zu sehen, und zwar nicht zufällig im Vorbeigehen, sondern „in Pose“. Entstanden ist das Foto am 12. April 2008 bei einem Konzert in der Nähe von Hildesheim, bei dem unter anderem Indecent Exposure und die 4Skins aus England aufgetreten sind und zwei Mitglieder von Stomper 98 zugegen waren.
Nun, es ist ziemlich schwierig jemandem außerhalb der Skinhead-Szene oder auch Skinheads, die jünger sind als wir zu erklären, wie dieses Foto entstehen konnte. Natürlich war uns in dem Moment, als das Bild mehr oder weniger öffentlich im Internet auftauchte klar, dass es uns als Band Vorwürfe einbringen wird. Wir sind nicht so blauäugig oder ignorant als dass wir nicht nachvollziehen könnten, wie dieses Foto auf jemanden wirken muss, der die Hintergründe seiner Entstehung nicht kennt.
Sebi stammt aus Delmenhorst in der Nähe von Bremen, wo Endstufe herkommen. Er ist Ende der achtziger Jahre Skinhead geworden, einem Zeitpunkt, zu dem die Szene vollkommen anders aussah als heute. Das auch heute noch gängige Klischee „Skins = rechts“ hatte zu diesem Zeitpunkt in Deutschland sicherlich noch eine größere Berechtigung. Darüber hinaus war die Szene um ein Vielfaches kleiner, sodass eine Fraktionierung, wie sie heute üblich ist, damals nicht gegeben war. Auf den wenigen Konzerten war eigentlich alles anzutreffen, was kurze Haare und schwere Schuhe trug.
Die regionale Nähe von Delmenhorst und Bremen sowie die Beschaffenheit und Überschaubarkeit der Szene damals sorgten dafür, dass Sebi und Jens B. sich kennenlernten und auch zusammen unterwegs waren.
Etwa drei Jahre später zog es Sebi dann nach Göttingen, was mit einer Loslösung von der rechten Skinhead-Szene einherging. Es war ein Zeitpunkt, zu dem viele diesen Schritt taten. Zum einen saß der Schock der Ereignisse von Mölln und Solingen bei vielen tief, zum anderen öffnete ein Revival der Ska-Musik vielen Skins die Augen über die Wurzeln des Kultes.
In Sebi's Fall ging die Loslösung von der rechten Skinhead-Szene nicht reibungslos vonstatten. Er hatte mit massiven Anfeindungen und Drohungen zu kämpfen, zum Teil bis heute. Dementsprechend war sein Schritt ziemlich radikal, er brach die Kontakte zur Bremer/Delmenhorster Szene ab. Das bedeutet, dass er Jens B. seit 15 Jahren nicht mehr getroffen hat. Bis zu dem Konzert in Hildesheim.
Die Stimmung an dem Abend lässt sich schwer vermitteln. Für alle über 30-jährigen fühlte sich das Konzert im Grunde an wie eine Zeitreise in die eigene Jugend. Als dann sogar noch überraschend die 4Skins einige Songs zum Besten gaben, gab es kein Halten mehr. Jeder Skinhead wird nachvollziehen können was es bedeutet, Songs wie „Chaos“ oder „A.C.A.B.“ oder „Evil“ oder, oder, oder live und von Original-Bandmitgliedern zu hören.
Das war das Umfeld, in dem das Foto von Sebi und Jens B. im Pogo-Pit entstanden ist. Ein Schnappschuss in einer alles anderen als alltäglichen, sehr emotionalen Atmosphäre von zwei ehemals Bekannten, die sich seit 15 Jahren nicht gesehen hatten und die sich in den nächsten 15 Jahren höchstwahrscheinlich nicht wiedersehen werden. Fünf Sekunden aus 15 Jahren...
Wir wollen das nicht relativieren oder unter den Teppich kehren. Was wir wollen ist, dass dieses Foto als genau das angesehen wird, was es ist: ein Schnappschuss eben. Und nicht als das, was es ganz sicher eben NICHT ist: ein politisches oder subkulturelles Statement, das die Haltung der Band Endstufe in irgendeiner Weise mit der von STOMPER 98 verbindet.
Möglicherweise sind wir, im Nachhinein betrachtet, nicht offensiv genug mit dem besagten Bild umgegangen. Nichtsdestotrotz halten wir es mit der Band, die bei der Entstehung des Fotos im Hintergrund spielte: „We won't say sorry to anyone!“
Wir haben hier unseren Standpunkt zu Rassisten und rückgratlosen „Unpolitischen“, die rechte Tendenzen tolerieren klargestellt. Wie eingangs erwähnt sehen wir uns jeder für sich und auch als Band in der Tradition der Ursprünge unseres Kultes: Voller Stolz aber ohne Vorurteile!
Wer damit nicht klarkommt hat nicht verstanden, was STOMPER 98 bedeuten.
In diesem Sinne, für die nächsten zehn Jahre. Oder vielmehr: Für die Ewigkeit!

STOMPER 98, Juli 2008


II. Brief vom Conne Island an Stomper 98

Hallo Stomper98,

wie ihr wisst, gibt es um euch und eure Band einige Diskussion. Zum Teil habt ihr unsere Diskussion im Plenum mitbekommen.
Auf das Foto von Sebi mit dem Endstufesänger und die Reaktionen darauf wollten wir von euch ein klares Statement gegen Nazis und deren Ideologien, damit eure Releaseshow im Conne Island möglich ist. Euer Statement, in dem ihr euch von jeglicher Grauzone distanziert, und jeglicher Toleranz rechter Tendenzen eine Absage erteilt, hat uns in Bezug auf das Foto und als allgemeines Statement damals gereicht, wenn es auch für viele aus dem Conne Island Plenum bereits einen Kompromiss darstellte. Dass ihr in dem Lied Ochsensong, schwul als Beschimpfung verwendet, ist für uns eigentlich nicht tragbar und steht für uns bereits im Widerspruch zu eurem Statement. Im Zusammenhang mit diesem Lied haben wir uns auf den, für uns schwierigen, Kompromiss eingelassen, dass ihr es bei uns nicht spielt, ohne eine weitere Auseinandersetzung von euch mit dem Inhalt des Ochsensongs einzufordern. Wir nehmen euch und euer Statement ernst, deshalb müsst ihr euch auch selber daran messen lassen.
In eurem Song „Päderast“ fordert ihr, mittelalterliche Foltermethoden als Strafmaß ein („Führt den Pranger wieder ein“) und geht sogar so weit Mord als gerecht zu bezeichnen („Knüpft den Bastard ganz schnell auf, Gerechtigkeit nimmt ihren Lauf!“). Das sind menschenverachtende Aussagen, die genauso von Nazi-Kameradschaften skandiert werden oder von jeder x-beliebigen Naziband gesungen werden könnten. Schlimm genug, dass diese Position auch von vielen in der Bevölkerung geteilt wird. Die Aussagen bleiben Teil rechter, gewaltverherrlichender Ideologien. Sie sind für uns nicht akzeptabel. Im Conne Island kann keine Band spielen, die solche Aussagen in ihren Songs vertritt. Bis vor kurzem sind wir aufgrund von Antworten in unserem Plenum davon ausgegangen, dass ihr diesen Song schon seit Jahren nicht mehr spielt. Nun wissen wir, dass das nicht stimmt. Schlimmer noch, auf eurer Internetseite findet sich der Song als mp3. Das heißt, ihr steht hinter dem Inhalt des Songs und werbt damit für euch.
Wenn ihr euch selber in eurem Statement ernst nehmt, müsst ihr euch von dem Lied distanzieren, es von eurer Homepage nehmen und euch zumindest dort dazu auch äußern. Und könntet es dann selbstverständlich nie wieder spielen.
Ein weiterer Fakt, dass ihr Nazibands covert, explizit geht es um Evil Skins, ist ebenfalls nicht ausgeräumt. Eine Hommage an die Musik einer Band, wie ihr selber auf eurer Homepage schreibt, die davon singt, Menschen in Gaskammern zu schicken (wie in dem Song „Sat Congs“) geht für uns nicht zusammen mit einer klaren Abgrenzung nach Rechts. Diese fordern wir aber von euch, wie von anderen Bands, die im Island in der Diskussion stehen. Im Klartext, wir wollen nicht dass ihr weiterhin Coversongs von Nazibands spielt oder aufnehmt.
Vielleicht wundert ihr euch, dass wir uns nach den bereits geführten Diskussionen immer noch bzw. wieder mit eurem Auftritt im Island beschäftigen. Eine normale Island Verfahrensweise ist, dass wir im Plenum nach dem Konsensprinzip diskutieren, und wenn es Vorbehalte gegen Bands gibt, dass sich diese dann dazu äußern können, bevor wir uns gegen sie entscheiden. Bei neuen Kritikpunkten, wird auch die Band neu verhandelt. So ist es bezüglich eures Gigs hier geschehen.
Nicht wundern müsst ihr euch, dass ihr in der Kritik steht und euch vorgeworfen wird, rechtsoffen zu sein, wenn ihr nach wie vor eine Split EP bewerbt, die ihr mit Haircut aufgenommen habt, auf einem Label, das ohne Probleme Nazibands vertreibt, ihr in euren Songs rechte, menschenverachtende und homophobe Inhalte propagiert, Nazibands covert oder sogar ein Mitglied eurer Band in einer umstrittenen Band (wie First Strike) spielt oder spielte. Um es klar zu sagen: nach dem momentanen Stand können wir uns ein Konzert von euch im Conne Island nicht vorstellen. Wir verlangen Klarheit über jeden der einzelnen Kritikpunkte von euch in einem Statement, das ihr auch auf eurer Website veröffentlicht. Dieses Statement wäre die Grundlage, auf der wir entscheiden würden, ob das Konzert mit euch bei uns stattfinden kann.
Das kann eigentlich auch nur in eurem eigenen Interesse sein, wenn ihr euch tatsächlich von rechten Tendenzen klar abgrenzt.

Viele Grüße

Conne Island, 28.10.2008


III Antwort von Stomper 98 an das Conne Island

Hallo Conne Island,

Zum Glück befinden wir uns nicht in einer festgefahrenen Situation. Wir gehen davon aus, dass unser Konzert nach wie vor bei Euch stattfindet. Möglicherweise liegt hier ein riesengroßes Missverständnis vor, was wir als Band äußerst schade finden würden.
Alles was wir in unserem Statement geschrieben haben bleibt so stehen und wird auch von uns als Meßlatte gesehen. Wir nehmen die Sache sehr ernst und darum werden wir natürlich auch weiterhin unsere Sicht der Dinge vertreten und zum Ausdruck bringen.
Wir haben das Gefühl, dass eine (sub-)kulturelle Identität komplett falsch verstanden wird. Dem von einigen Leuten im CONNE ISLAND geforderten hohen politischen Anspruch hält sicher nicht mal eine sehr politische Oi!-Punk-Band wie ANGELIC UPSTARTS oder STAGE BOTTLES stand, um mal 2 zu nennen. Die Identität und der Hintergrund unserer Band sind auf der Straße, in den Wurzeln der Skinheadbewegung festgelegt. Wir haben das „Rote Hetzpamphlet“ vom „ZK KNÜLLE IM POLITBÜRO“ auch vorliegen und sind entsetzt, auf was für eine Art und Weise dort anonym und ohne jegliche Rücksicht Sachen verdreht und manipuliert werden. Wir sind nicht „Grauzone“ und werden das auch niemals sein. Dagegen kämpfen wir an! Abgesehen davon haben die (nicht mehr) anonymen Macher dieses Pamphlets wohl vergessen sich selber kritisch zu beleuchten. Alleine die Bands, die diese Leute teilweise pushen und supporten, sind z.T. offen antisemitisch. Wenn die Herangehensweise an eine Band so erfolgt wie es momentan der Fall ist, wird es schwierig sein überhaupt noch kulturell vielseitige Gigs im CI vertreten zu können bzw. stattfinden zu lassen. Texte von Bands im HipHop, Metal, HC, Ska, Reggae, Elektro usw. sind immer wieder auch schnell falsch zu interpretieren. Auf unserem neuen Tonträger, der ja am 15. November auch Release hat, beschäftigen wir uns stark mit der Thematik & dem (sub-)kulturellen Hintergrund unsere Band und der Szene. Wir beleuchten viele Themen sehr kritisch (in dem klar antirassistischen Song „Viel zu viele“ heißt es: „Die Ketten die wir sprengen, ja die legten wir uns selber an und so könnt Ihr sicher sein, dass man sich davon auch befreien kann“ – im Bezug auf eine Szene, wo der Kampf gegen Rassismus noch weiter in den Vordergrund gestellt werden sollte, wollen wir unseren „Status“ nutzen, auf viele Kids vielleicht Einfluss nehmen zu können).
Auf der Scheibe sind viele Musiker aus der Oi!/Punkszene zu Gast und musizieren mit uns, die schon oft und immer wieder im CONNE ISLAND auftraten (Olaf/Springtoifel, Sammy/Broilers, Matti/Gumbles, Hinkel/Volxsturm, Schulle/Toxpack u.a.). Wenn wir „rechtsoffen“ oder „Grauzone“ wären, würden diese Musiker nichts mit uns machen, das wäre ja völlig paradox.
Die Ausdrucksweise und Ausdrucksform unserer Musik ist sicherlich nicht jedem geläufig und verständlich. Das ist auch so gewollt. Provokation, Rebellion, Tradition, Gesellschaftskritik usw. sind wesentlicher Bestandteil in den Texten und dem Lebensstil der Skinheadszene. Dass wir damit anecken wissen wir. Das ist natürlicher Bestandteil dieser Szene. Wir halten den Leuten einfach auch den Spiegel vor und erreichen damit etwas. Das wir uns als Band in den letzten Jahren uns eine gewisse Größe und einen gewissen Status in der gesamten Szene und darüber hinaus erspielt haben zeigt uns, dass uns Leute zuhören. Da stimmen wir mit Euch überein, dass es Dinge gibt in unserer Bandgeschichte, die wir aus heutiger Sicht nicht mehr machen würden und für uns auch nicht vertretbar sind. Wir covern keine Nazibands! Die Nummer der Evilskins haben wir nie live gespielt und werden das auch nicht tun. Zu dem Zeitpunkt, als wir den Song machten wussten wir einfach nicht, was für Texte diese Band hat. Keiner in der Band sprach damals französisch. Natürlich hätten wir die Band nie gecovert, wenn wir gewusst hätten, dass in anderen Texten der Band „Menschen vergast werden sollen“! Das Label Bords de Seine und auch die Band Haircut haben sich uns nie als rassistisch oder als Nazis gezeigt bzw. geäußert. Wir können diese Vorwürfe nicht verstehen, da uns als Hintergrund immer wichtig war, NICHT in rechten Kreisen gemocht zu werden. Die Abgrenzung war da schon von Anfang an gegeben. Wir haben das Label Bords de Seine hier in Deutschland durch die Arbeit mit großen, renommierten Labels in der OI!/Punk Szene wie DSS Records, Randale Records, Bandworm Records usw. kennen gelernt. Das Label ist uns nicht als Vertrieb von Nazibands, sondern von Oi! Bands aus der ganzen Welt bekannt. Die Strukturen in der Szene sind teilweise sehr verworren und manchmal nicht nachvollziehbar, mit Nazisupportern arbeiten wir aber nicht zusammen.
Im kritischen Umgang mit Kindesmissbrauch, Vergewaltigungen sowie seelischer Gewalt gegen Schwache und Schutzbefohlene haben wir als Band nie einen Hehl aus unserer Abneigung gegen solche Taten gemacht. Hier weisen wir noch mal darauf hin, dass wir natürlich KEINE Befürworter der Todesstrafe bzw. eines totalitären Systems sind. Im Song „Päderast“ vermitteln wir Gefühle wie Angst, Wut, Ohnmacht und vollkommene Hilflosigkeit angesichts solcher Taten in unserer unmittelbaren Umgebung und in der Gesellschaft allgemein. „Knüpft den Bastard ganz schnell auf“ und „Führt den Pranger wieder ein“ sind als Metaphern zu verstehen für das, was in einem vorgeht. In unserer Band haben wir mittlerweile (fast) 5-mal Nachwuchs und als junge Familienväter sind diese Dinge leider einfach Thema. Wir werden nicht, nur weil Nazibands versuchen populäre gesellschaftliche Probleme zu besetzen, solche Themen tabuisieren (wie z.B. auch Umweltschutz, Jugendförderung etc.). Die harte Ausdrucksweise ist ein Teil unserer Musik und wir versuchen der Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten. Es ist 2008 und wir wollen uns nicht an einem 10 Jahre alten Song, der aus einer persönlichen emotionalen Katastrophe heraus entstanden ist messen lassen, speziell wenn der Song seit geraumer Zeit nicht mehr in der Setlist ist. Nicht weil das Thema für uns erledigt, sondern weil auch die Wortwahl schwer nachzuvollziehen ist (die auch hier falsch interpretiert wurde) haben wir uns entschlossen, den Song nicht mehr zu spielen. Um jeglichen Synergieeffekt zu vermeiden mit NPD oder ähnlichem Gedankengut. Ihr sagt, es wird bei „neuen Kritikpunkten“ immer neu verhandelt. Das sehen wir auch so! Die von Euch angeführten Punkte wurden schon thematisiert, bevor wir bei Euch nun schon mehrmals spielten und, wie wir glauben, immer gerne gesehen waren. Wir haben uns zu vielen Vorwürfen immer und immer wieder geäußert und werden das auch weiterhin tun. Der Kampf gegen einen Ruf als „Grauzonenband, die Grenzen aufweicht“ ist schwierig und wir brauchen Unterstützung dabei. Sollten wir wirklich ausgegrenzt werden, werden die Folgen sicher schwer überschaubar sein für die politisch denkende Szene. Wir wollen bewusst unser „10-Jahreskonzert“ und die Release-Show bei Euch feiern, weil wir damit zeigen wollen, wo wir stehen und wer wir sind. Innerhalb der Szene freuen sich alle, dass wir das im CONNE ISLAND machen (und die Grauzone ärgert sich!). Das sehen wir ja auch daran, dass ihr für den 15. November komplett ausverkauft seid. Jeder zahlt bereitwillig den Soli-Beitrag von -,50 Cent und so fördert die Szene ja auch indirekt Eure antifaschistische Arbeit in Leipzig.
Im Vorfeld kam zur Diskussion, dass ein Konzert von uns im SO 36 vom dortigen Plenum abgesagt wurde. Dies ist nicht der Fall. Eine Privatperson trat ans SO 36 ran und wollte einen Gig mit uns dort machen, nicht das SO 36 Komitee oder Konzertgruppe. Beim SO 36 liegt unser Statement vor und wenn es gewünscht ist, wollen wir uns auch dort zu gegebener Zeit, zu gegebenem Anlass äußern. Es geht dabei nicht um ein Konzert, sondern einfach darum die Tatsachen zu klären, die ja schon verfälscht auch an Euch weitergeleitet wurden.
Bewusst wählen wir Läden wie das CONNE ISLAND, um klare Zeichen zu setzen. Wir haben, als die ersten Diskussionen aufkamen, bewusst keine andere Location gesucht oder gebucht, weil wir daran glauben, die Show mit Euch zusammen zu machen. Die Nachfrage zu dem Gig ist so groß, wir hätten noch mal so viele Tickets absetzen können und hätten eine größere, kommerzielle Halle nehmen können. Das war und ist aber nicht unser Ziel oder unser Wunsch!
Für uns ist der Umgang mit uns teilweise schwierig zu verstehen. Es wird uns nicht geglaubt bzw. es wiegt das Wort von anonymen Schreibern, die selber Konzerte in Berlin machen und dabei in Kauf nehmen, dass auch Nazis vor Ort sind (siehe The Oppressed im KATO) für einige Leute anscheinend mehr.
Zum weiteren wollen wir anmerken, das bei uns Entwicklungs- und Denkprozesse nicht abgeschlossen sind und wir jetzt das Booking abgegeben haben, um Sachen zu vermeiden und bessere Kontrolle zu bekommen. Wir arbeiten seit einer Woche offiziell mit der Booking Agentur MAD TOURBOOKING zusammen, die namhafte Acts betreut und uns zur Seite steht.
Alles in Allem hoffen wir einfach mal, dass wir uns verständlich geäußert haben und Ihr unser Anliegen so ernst nehmt wie wir das Eure! Wir sind eine Band, die für alles was sie betrifft einsteht und geradesteht. Das ist nicht immer einfach schnell abgetan. Wir halten an unserer Identität als Band fest!

Beste Grüße aus Göttingen, Berlin, Hannover, Potsdam, Nürnberg & New York

STOMPER 98 – 30.Oktober 2008


IV Brief von Egotronic an das Conne Island

Liebes Conne Island – Plenum!

In wenigen Tagen ist es endlich soweit, da findet unsere Release Show im Conne Island statt, auf die wir uns schon ewig freuen. Für manche von uns ist das Island gerade wegen des Zusammenspiels aus antideutschem Anspruch, einiger Mindeststandards und des guten Band- Essens einer der nettesten Orte um eine neue Platte zu feiern. Jetzt allerdings sind wir auf etwas gestoßen, was unsere Freude doch sehr trübt.
Zwei Wochen nach uns, am 15. November, sollen u.a. die Bands „Stomper 98“ und „Templars“ auftreten. Darüber sind wir nun doch etwas erstaunt, sind doch beide Bands, um es mal ganz vorsichtig zu formulieren, durchaus „umstritten“. Anbei ein paar einfach zu recherchierende Fakten:

1. Stomper 98

Veröffentlichungen auf rechten Labels:

„Stomper 98“ haben eine Split-EP mit der frz. Band Haircut namens „The Crush“ auf dem Label „Bords de Seine“ veröffentlicht, das auf dem angeschlossenen Mailorder ein gar lustiges Sammelsurium an Nazimucke wie z.B. Kampfzone, Endstufe und Skrewdriver vertreibt. Ganz einfach einsehbar unter: membres.lycos.fr/bordsdeseine/cds.htm

Coverversionen von rechten und Nazibands:

„Stomper 98“ sind sich nicht zu schade, Lieder von rechtsoffenen und Nazi-Bands zu covern. So coverten sie den Song „Rapist“ von „Combat 84“ unter dem Titel „Päderast“ mit folgendem Text:
    „Qual für dieses Schwein – ja so muss dass sein!...Führt den Pranger wieder ein, der Tod wird die Erlösung sein!...Knüpft den Bastard ganz schnell auf, Gerechtigkeit nimmt ihren Lauf!“

Ein Song fürs Conne Island? Da werden sich die Kameradschaftler, die gerade regelmäßig in Leipzig unter ähnlichen Parolen auf die Straße gehen, sicherlich freuen.
Des Weiteren haben Stomper auf der erwähnten EP „The Crush“ einen Song der frz. Naziband „Evil Skins“ gecovert. Eine Verneigung vor einer Band, die Texte wie „Sat Congs“ im Repertoire hat, in denen sie darüber fantasieren, Kommunisten in die Gaskammer zu stecken:
    Les communistes il faut les tuer!
    Dans la rue les attrapper , les crucifier!
    Même pas le temps de prononcer une phrase
    Ils s'ront déjà tous dans la chambre à gaz!

Feiern mit Nazis?:

So wie wir es verstanden haben, gab es in der Vergangenheit schon einmal Diskussionen im Conne Island zu einem Konzert mit „Stomper 98“, nachdem ein Foto vom April 2008 aufgetaucht war, welches den Sänger von „Stomper 98“ auf einem Konzert Arm in Arm mit dem Sänger von „Endstufe“ zeigt. Das Conne Plenum hat offensichtlich damals eine Stellungnahme dazu von der Band eingefordert, als Bedingung, dort in Zukunft spielen zu dürfen. Die Stellungnahme ist unter www.stomper98.de einsehbar. Da ihr jetzt doch ein Konzert mit „Stomper 98“ macht, gehen wir davon aus, dass ihr euch mit folgendem „Statement“ zufrieden gegeben habt. Zitat:
    Nun, es ist ziemlich schwierig, jemandem außerhalb der Skinhead-Szene oder auch Skinheads, die jünger sind als wir zu erklären, wie dieses Foto entstehen konnte. Die Stimmung an dem Abend lässt sich schwer vermitteln. Für alle über 30-jährigen fühlte sich das Konzert im Grunde an wie eine Zeitreise in die eigene Jugend. Als dann sogar noch überraschend die 4Skins einige Songs zum Besten gaben, gab es kein Halten mehr. Jeder Skinhead wird nachvollziehen können was es bedeutet, Songs wie „Chaos“ oder „A.C.A.B.“ oder „Evil“ oder, oder, oder live und von Original- Bandmitgliedern zu hören. Das war das Umfeld, in dem das Foto von Sebi und Jens B. im Pogo-Pit entstanden ist. Ein Schnappschuss in einer alles anderen als alltäglichen, sehr emotionalen Atmosphäre von zwei ehemals Bekannten, die sich seit 15 Jahren nicht gesehen hatten und die sich in den nächsten 15 Jahren höchstwahrscheinlich nicht wiedersehen werden. Fünf Sekunden aus 15 Jahren... Wir wollen das nicht relativieren oder unter den Teppich kehren. Was wir wollen ist, dass dieses Foto als genau das angesehen wird, was es ist: ein Schnappschuss eben. Und nicht als das, was es ganz sicher eben NICHT ist: ein politisches oder subkulturelles Statement, das die Haltung der Band Endstufe in irgendeiner Weise mit der von STOMPER 98 verbindet. Möglicherweise sind wir, im Nachhinein betrachtet, nicht offensiv genug mit dem besagten Bild umgegangen. Nichtsdestotrotz halten wir es mit der Band, die bei der Entstehung des Fotos im Hintergrund spielte: „We won’t say sorry to anyone!“ Wir haben hier unseren Standpunkt zu Rassisten und rückgratlosen „Unpolitischen“, die rechte Tendenzen tolerieren klargestellt.

Mit solch einem inhaltlosen Gewäsch habt Ihr Euch zufrieden gegeben? Kaum vorstellbar. Wir sind keine Skinheads, gehören nicht zu der Szene und können es deshalb laut „Stomper 98“ nicht nachvollziehen, was ein „4 Skins“ Konzert für einen Skinhead bedeutet. Aber offensichtlich bedeutet es komplettes Ausblenden jeglicher angeblich vorhandenen. „antirassistischen Grundhaltung“. Und wie eine innige Umarmung mit einem der führenden deutschen Nazi-Rock Größen kein „politisches oder subkulturelles Statement“ sein soll, erschließt sich uns ebenfalls nicht. Für uns bedeutet ein solches Foto schlicht und ergreifend, dass man kein Problem hat, „in der richtigen Stimmung“ auch mal mit Nazis zu feiern. „We won´t say sorry to anyone!“ am Ende des Statements zeugt auch nicht von sonderlich großem Schuldbewusstsein, sonder eher nach „Fuck you all!“.

2. Templars

Skrewdriver-Cover:

Laut einem Interview mit den „Templars“ covert die Band live u.a. die Naziband schlechthin Skrewdriver membres.lycos.fr/vauriens/monsite/templars.htm . Auch bald im Conne Island?

Personelle Überschneidungen zu Nazi-Bands:

Laut eines weiteren Interviews mit dem Templars Sänger spielt/e der Templars Schlagzeuger in der US-Band „First Strike“. Erst im Oktober haben die Templars mit „First Strike“ zusammengespielt (siehe: www.thetrashbar.com/ ), einer Band, die u.a. folgenden Text im Programm hat:
    Red scum, no red flags in the sky
    Red scum, we say hang those bastards high
    Red scum, no red flags in the sky
    Red scum, soon you’re gonna fuckin die
    You got no American Pride
    Now you better run and hide
    Love for the nation you don't
Siehe: www.geocities.com/first-strike/lplyrics.html

Wenn man sich mal ein paar weitere Seiten und Querverweise im Netz durchsieht, kann man sicherlich noch einiges mehr an Fakten zu Verbindungen ins rechte Lager der beiden Bands finden, bloß fehlt uns dazu sowohl die Zeit als auch Lust. Eigentlich sollten die zuvor genannten Punkte langen, um jedem klar denkenden Menschen klarzumachen, dass solche Bands in antifaschistischen Läden nichts verloren haben.

Unser Fazit:

Da wir das Conne immer für einen unterstützenswerten Laden gehalten haben, der extrem wichtig auch für die antifaschistische Szene in Leipzig ist, wir dort immer gern gespielt haben und hingegangen sind, gehen wir einfach mal davon aus, dass Euch diese Fakten über die beiden Bands bisher unbekannt waren und Ihr das Konzert absagen werdet.

In der Vergangenheit schriebt Ihr zu der Diskussion um die (von uns durchaus nachvollziehbare) Absage des Konzertes der alt-linken Helden „Rubberslime“: „Was den Punks ihre Lederjacke, ist uns unsere Bühne. Darauf lassen wir jene Bands, die uns in den Kram passen.“ Uns geht das ähnlich. Wir haben schlicht und ergreifend keine Lust, auf einer Bühne zu stehen, auf welcher zwei Wochen später Bands vielleicht die „Todesstrafe für Kinderschänder“ fordern und Songs von rechten Bands covern. Auf der selben Bühne zu stehen mit Bands, die Platten bei rechten Labels veröffentlichen und die keinerlei Berührungsängste zu haben scheinen mit rechten und rechtsoffenen Kombos zu spielen, auf Fotos mit Nazis posieren und dann halbgare Stellungnahmen verfassen (merke: keine Entschuldigungen!), in denen sie die Dreistigkeit besitzen, sich auch noch als „antirassistische“ Bands zu deklarieren.

Wenn solche Bands im Conne auftreten dürfen sorgt das für eine weitere Aufweichung antifaschistischer Standards und eine politische Beliebigkeit, die wir weder tolerieren noch unterstützen wollen und werden.

Wir haben nur noch ne Woche, deswegen Klartext: Da Ihr am Montag Plenum habt, erwarten wir bis Dienstag eine Stellungnahme Eurerseits zu diesem Themenkomplex. Sollten wir bis Dienstag nichts von Euch hören, gehen wir davon aus, dass Ihr das Stomper 98 / Templars Konzert absagt. Solltet Ihr das trotz der eindeutigen Faktenlage nicht tun, sind wir nicht nur enttäuscht und gelinde gesagt sehr irritiert, sondern werden unsere Releaseshow bei Euch abblasen. Diese Entscheidung wäre für jeden von uns nicht einfach, aber das einzig Richtige und sicherlich sowohl für unsere Freunde, „Fans“ wie auch Partner nachvollziehbar.

Mit anti-faschistischen Grüßen

Berlin. Hamburg, München 26.10.2008
Egotronic
Artur / Produkt Booking
Frittenbude
Lars / Audiolith rec.




V Brief vom Conne Island an Egotronic

Liebe Leute von Egotronic, Frittenbude und Audiolith,

vielen Dank für Euer Schreiben und die Kritik an unserem Umgang mit den Bands Stomper 98 und Templars.
Wir nehmen Eure Bedenken, die von Euch vorgetragenen Argumente sehr ernst - dies vielleicht vornweg. Wir verstehen - angesichts der Fakten, die Euch vorliegen - Eure Angst, wenngleich wir sie nicht teilen, dem Conne Island könne sein genuin antifaschistischer Grundkonsens unter den Füßen wegrutschen. Wir können nachvollziehen, dass ihr als eine explizit antifaschistische und linksradikale Band/Label keine Lust habt, auf einer Bühne zu stehen, auf der anderntags Nazi-Ideologien verbreitet werden. Keine Frage. Wäre dies der Fall, dann wäre Eure Konsequenz, das Konzert am Freitag abzublase, nur folgerichtig.
Natürlich wollen wir dieses Szenario unbedingt vermeiden. Egotronic und Audiolith gehören auf die Bühne des Conne Island. Wohin, wenn nicht auf diese. Ihr kennt den Laden als antideutsche Instanz, Homebase von Politgruppen, Initiator von kulturpolitischen Diskussionen. Hier wird auf jede Eintrittskarte ein Solibeitrag für antifaschistisches Engagement erhoben, hier hat der Leipziger Infoladen sein zu Hause, hier sitzt das Cee Ieh als Laden- Monatsheft mit hohem Politisierungsgrad. Sowohl kulturpolitisch als auch an der Tür setzt das Conne Island seit Jahren Maßstäbe. Nazis bleiben hier vor der Tür oder holen sich blutige Nasen, Leuten mit Palituch konfrontieren wir mit der Forderung, selbiges abzulegen. Im Laden arbeiten Leute, die sich seit Jahren in antifaschistischen Gruppen, Zeitungen und Projekten beteiligen.
Wir gehen also davon aus, dass wir qua unserer antifaschistischen Sozialisation mehr Vertrauensvorschuss besitzen als jeder x-beliebige andere Schuppen. Diesen, sowie die Conne Island-typische Verfahrensweise im Umgang mit problematischen Bands möchten wir in unserer Antwort an Euch genauso geltend machen, wie einige Entkräftungen zu den von Euch vorgetragenen Fakten.

Wie gesagt, die Forderung, Stomper 98 aufgrund der Fülle und Vehemenz der Vorwürfe in den Wind zu schießen, ist nachvollziehbar. Wir tun dies nicht bedingungslos. Nicht, weil wir von einer plötzlichen politischen Beliebigkeit überfallen wurden, sondern weil wir jeder Band die Chance und Möglichkeit geben, auf die ihr entgegengebrachten Vorwürfe zu reagieren. Vor allem dann, wenn wir sie eigentlich ganz gut kennen und sie bereits mehrmals im Conne Island gespielt haben. Sowohl unsere Erfahrung als auch eine „kulturpolitische“ Realität haben uns gelehrt, das dieser Umgang oftmals durchaus fruchtbarer ist, als das Ziehen an der Reißleine. Aber um dies auch deutlich zu sagen: nach dem jetzigen Stand der Dinge wird Stomper hier nicht spielen. Die von Euch favorisierte Herangehensweise „Hop oder Top“, Egotronic oder Stomper, ist für uns daher im Moment keine Option. Das haben wir im gestrigen Plenum in einer 6-stündigen Marathon-Sitzung beschlossen. Dabei finden wir es durchaus schade und problematisch, dass ihr Euch in eurer Forderung, teilweise auch Eurer Argumentation einem Papier gemein macht, dass nicht als Basis für eine Auseinandersetzung dienen kann. Das „Rote Hetzpamphlet 7;, auf deren Ergebnisse Ihr Euch teilweise bezieht, kann für uns aufgrund seiner Mischung aus Halbwahrheiten, Denunziation und bewusster Ungenauigkeit der Vorwürfe keine Grundlage sein. Die mutmaßlichen VerfasserInnen – der Text wird weiterhin anonym verbreitet – sind also nicht zuletzt aufgrund ihrer antimperialistischen und antizionistischen Provinenz diskreditiert. Das Conne Island fordert daher – ungeachtet einiger berechtigter Vorwürfe – die öffentliche Rücknahme des Papiers.

An dieser Stelle ist es vielleicht durchaus sinnvoll den Kontext von Oi! im Conne Island knapp zu beleuchten: Durchaus nachvollziehbar entstand Anfang der Neunziger in Leipzig aus einer existentiellen Bedrohungssituation durch Nazis auf der Straße, neben klassischen offensiven Antifa-Aktivitäten, auch ein Update von Analysen, um die „Kulturelle Hegemonie“ von Nazis zu durchbrechen. Die Phänomene Nazismus und Jugendkultur hatten sich in dieser Zeit so stark aneinander angenährt, dass von einer hegemonialen Nazijugendkultur gesprochen werden konnte. Dass Nazis eine Symbolik aufgriffen, die (linken) Jugendkulturen eigentlich schienen - Stichworte „Rebellion“, „Protest“, „Gewalt“ – warf nicht wenige Weltbilder über den Haufen und führte folgerichtig zu einem verstärkten Hinterfragen dieser „Eigentlichkeit“.
Neben einem grundsätzlichen Hinterfragen des „Subkulturbegriffs“ und seiner Strahlkraft war eine Konsequenz dieser Zeit allerdings auch sehr realpolitisch. Um die Stellung halten zu können, musste den Nazis jugendkulturell das Wasser abgegraben werden. Skinheadkonzerte hatten daher Mitte/Ende der neunziger Jahre neben der unerhörten Attraktivität für die Szene auch den Anspruch, „real Skindhead-Life“ zu vermitteln, waren „pädagogisches“ Konzept und vermochten es, so einigen Dumpfbacken den Kopf zu waschen. „Politik“ hatte draußen zu bleiben, Spaß und ein explizit formulierter Anti-Nazi-Standpunkt waren Grundlage für die Etablierung von Oi! im Conne Island auf breiter Basis. Die Rahmenbedingungen waren immer klar: Conne Island und Skinheads sorgen dafür, dass Nazis nicht in den Laden kommen. Sollten Leute, die gerne den Arm heben, durch schlüpfen, waren die Glatzen die ersten, die Nazis in Sekundenschnelle und nachdrücklich des Saales verwiesen. Dass dies nie selbstverständlich ablief, hart erkämpft werden musste und innerhalb kontroverser Diskussionen und Auseinandersetzungen permanent neu verteidigt wurde, ist hierbei ein ganz entscheidender Punkt. Die Leipziger Glatzen trugen damit maßgeblich dazu bei, was heute als selbstredend existiert und genießen zu Recht das Vertrauen des Ladens. „Veränderlich- und Entwicklungsfähigkeit„ sind dabei wie die eigene Reflexion, Kategorien, die innerhalb dieser „Konzeption“ eine durchaus tragende Rolle spielen. Mit „akzeptierender Jugendsozialarbeit“ hat dies nur in böswilliger Betrachtungsweise zu tun. Weder vertritt das Conne Island eine „Modernisierungsverlierthese“, in der wir Nazis als Opfer der Verhältnisse oder ähnliches sehen, noch wird hier Faschos irgendeine Form von Verständnis entgegengebracht, im Gegenteil.
Sowohl in Einzelfällen – wenn z.B. ehemalige Nazis als Gast zu Conne Island-Konzerten wollten – als auch bei strittigen Bands, entschied das Conne Island stets individuell und am konkreten Handeln der Personen. In den allermeisten Fällen hat dies dazu geführt, „Problemfälle“ zu binden, „Grauzonen“ zu klären. Die transparent gehaltenen Diskussionen um Bands wie Springtoifel, 4 Promille oder Perkele im Oi! oder Agnostic Front und Discipline im Hardcore sind kleine Erfolgsgeschichten mit großer Wirkung. Auch durch die – oftmals freundschaftliche – Bindung ans Conne Island ist heute das Image dieser Bands klar.

Um das Procedere im Falle Stomper also klar auf den Punkt zu bringen: Wir fordern von der Band bis kommenden Montag (da treffen wir uns wieder), dass sie sich selbst an ihrem geschriebenen Statement messen. Diesem sprechen wir – vielleicht im Gegensatz zu Euch und in guter Kenntnis der Skinheadszene – seine Ernsthaftigkeit nicht ab. Sowohl im Text als auch einem Besuch der Band im Conne Island-Plenum erkannten wir die Ernsthaftigkeit der Äußerungen an. Dass ein Song wie der „Päderast“ der von der Band proklamierten Ablehnung nationalsozialistischer Ideologien ebenso widersprechen, wie Coverstücke von Nazibands, steht außer Frage. Wir gingen – auch nach Gesprächen mit der Band und im Glauben an „Veränderlichkeit“ – bisher davon aus, dass diese Songs Relikte vergangener Tage sind, nicht mehr gespielt werden (ein großes Manko unsererseits). Da dies erneuert unklar scheint, fordern wir von Stomper 98 die Distanzierung von den Inhalten von „Päderast“. Dass dieser Song auf jeder NPD-Schulhof-CD stehen könnte, steht außer Frage. Die Band soll sich ebenso vom Covern von rechten Oi!-Bands distanzieren. Gleichzeitig problematisieren wir die homophoben und antikommunistischen Tendenzen der Bands Stomper und Templars.

Das nachdrücklich eingeforderte Statement und die dort vertretenen politischen Positionen werden Grundlage für eine Entscheidung sein, ob Stomper 98 im Conne Island auftreten. Auch im Conne Island Plenum gibt es, wie gesagt, erhebliche Bedenken gegenüber der Band und ohne eine deutliche Distanzierung und Positionierung, die auch die ZweiflerInnen überzeugt, kann Stomper 98 nicht auf unsere Bühne.

Ihr mögt dieses „Verfahren“ als schwammig, unpolitisch und vage charakterisieren. Es ist es nicht. Die bewusstes Einflussnahme auf die Oi!-Szene, das Druck-Ausüben und Einfordern von antifaschistischen Positionierungen ist Teil unseres Umgang mit dieser – sicher nicht jedermanns/fraus – Szene. Diesen Ansatz können und wollen wir – auch wenn ihr dies indirekt fordert – nicht übergehen.
Wir bitten Euch daher, die vielleicht für Euch neuen Argumente und Kontexte in Eure Entscheidung einzubeziehen, die hoffentlich mit einem Auftritt am Freitag endet. Dass Euer und unser Gesprächsbedarf durch diesen Brief sicherlich nur punktuell befriedigt werden konnte, freuen wir uns auf Nachfragen.

Viele Grüße
Conne Island, 28.10.2008

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last modified: 21.10.2008