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When worst comes to worst, 30.1k

Im Mai und Juni 2008 veranstalten das Jugendkulturzentrum Conne Island zusammen mit dem Antidiskriminierungsbüro Sachsen e.V. eine fünfteilige Vortragsreihe in Sachen Rassismustheorien.
Die vorgestellten Ansätze fragen nach dem Stellenwert kolonialer Erfahrungen und Diskurse für das Verständnis aktueller Phänomene (Postkoloniale Theorie), rücken das Weiße Subjekt in das Zentrum der Aufmerksamkeit (Kritische Weißseinsforschung) und beleuchten die Verbindung zwischen rassistischen Ideologien und der kapitalistischen Gesellschaftsform (Wertkritik). Allen Zugängen ist gemeinsam, dass sie Rassismus in einem komplexen Feld verorten, das geprägt ist von sich überschneidenden Ungleichheitsverhältnissen. Die rassistische Konstruktion des Anderen ist, zum Teil durchaus widersprüchlich, mit antisemitischen und geschlechterproduzierenden Diskursen und Strukturen verbunden. Diese Relationen werden in den letzten Jahren unter anderem in Debatten um den/die islamisch markierte/n Andere/n deutlich und in der Veranstaltungsreihe diskutiert. Ein Ziel ist es, theoretische und politische Positionen zu finden, die der Komplexität des Themenfeldes gerecht werden und die Fallstricke zu eng definierter emanzipatorischer Perspektiven vermeiden.

Eske Wollrad:
    Am Ende der Weiß-heit?
    Grundlagen und Chancen der kritischen Weißseinsforschung in Deutschland


Unsere Gesellschaft ist von einer Vielzahl von Normen geprägt, die bestimmen, was wir als »normal« und gewöhnlich wahrnehmen. Eine von diesen Normen ist Weißsein. Weißsein steht hierzulande als Signatur für Deutschsein, für das Normale und somit Normative und ist charakterisiert durch Abwesenheiten: Weißsein umfasst als das, was nicht exotisch, nicht fremd, nicht bemerkenswert ist. Gleichzeitig bezeichnet Weißsein die machtvolle Position des unmarkierten Markers, der die »Anderen« über dynamische Prozesse der Rassifizierung immer wieder neu herstellt.
In ihrem Vortrag erläutert Eske Wollrad die Entstehung und die theoretischen Grundlagen der Weißseinsforschung und wie sich diese von gängigen Rassismustheorien unterscheidet. Im zweiten Teil skizziert sie verschiedene Ausrichtungen der kritischen Weißseinsforschung in Deutschland und ihren Bezug zur postkolonialen Theoriebildung. Der dritte Teil schließlich behandelt Fragen nach den Chancen und Grenzen dieser Forschungsrichtung.

Kien Nghi Ha:
    German Head Hunters – Kopfgeldprämien für »Erdarbeiter – Gastarbeiter – Computer-Inder«
    Koloniale Praktiken in der deutschen Migrations- und Integrationspolitik


Die deutsche Arbeitsmigrationspolitik ist Ende des 19. Jahrhunderts im Rahmen einer imperialistischen Unterdrückungs- und Ausbeutungspolitik zur Sicherung des Standorts Deutschlands im globalen Wettkampf um materielle und humane Ressourcen entstanden. Trotz aller geschichtlichen Brüche und Umwälzungen haben sich viele Muster der inneren Kolonialisierung bis in die Gegenwart hinein tradiert und dabei neue Formen angenommen. Dessen ungeachtet wird sowohl die sozialwissenschaftliche wie politische Debatte bis in die antirassistische Linke hinein durch eine nahezu konsensuale Enthistorisierung, Verdrängung und sekundäre Erinnerungsabwehr geprägt. Diese diskursiven Machtelemente der Unsichtbarmachung erweisen sich als Voraussetzung, um eine repressive Kontroll- und Selektionspolitik in der heutigen Einwanderungs- und Integrationspolitik zu ermöglichen. Nur so ist es zu verstehen, warum die Integrationszwangskurse als eine Form der kolonialen Pädagogik mit ihren weitreichenden Sanktionsmöglichkeiten gegenüber postkolonialen MigrantInnen, People of Color und muslimischen Communities ohne nennenswerten Widerstand im Zeichen einer rot-grünen Reform- und Modernisierungsagenda gesellschaftlich durchgesetzt werden konnte.

María do Mar Castro Varela, Nikita Dhawan:
    Zwischen den Räumen?
    Postkoloniale feministische und queere Kritik im deutschen Kontext


Postkoloniale Theorie gilt als ein komplexes Theoriefeld, welches sich insbesondere für die Wirkmächtigkeit kolonialer Diskurse auf aktuelle sozio-politische und ökonomische Entwicklungen interessiert. Die Feministische Kritik richtet dabei ihr Augenmerk ausdrücklich auf die Situation von Frauen in post-kolonialen Gesellschaften. Ihre VertreterInnen stellen dabei essentialistische Kategoriebildungen wie Geschlecht und Race in Frage und betonen gleichzeitig die Notwendigkeit der Politisierung der differenten Subjektpositionierungen als Voraussetzung eines gemeinsamen feministischen Handelns, wie auch die Bedeutung des Bewusstseins um die jeweils eigene Verwobenheit in gesellschaftliche Machtstrukturen.
In ihrem Vortrag führen María do Mar Castro Varela und Nikita Dhawan in die feministische postkoloniale Kritik im deutschen Kontext ein und beziehen anhand der deutschen Debatten um kopftuchtragende Frauen, Zwangsverheiratungen und Ehrenmorde Position im Spannungsfeld antirassistischer, feministischer und queerer Gesellschaftskritik.

Roswitha Scholz:
    Differenzen der Krise – Krise der Differenzen
    Zum Verhältnis von Antirassismus, Antisemitismus und Antiziganismus


Roswitha Scholz hat bereits den Sexismus als die basale Ideologie der Warengesellschaft dargestellt. In ihrem Buch »Differenzen der Krise – Krise der Differenzen« versucht sie nun die Identitätskritik der Kritischen Theorie fruchtbar zu machen, um die Leerstellen materialistischer Ansätze zu füllen. Kolonialer Rassismus, Antiziganismus, Sexismus und Antisemitismus haben nach dieser Analyse einiges (aber nicht alles) gemein: Sie konstituieren das Eigene in Abgrenzung zu einem als fremd erscheinenden »Anderen«, das gerade die eigenen ungeliebten Anteile verkörpert.
In der Veranstaltung soll herausgestellt werden, wieso ein »eindimensionales Systematisieren« und die Vorstellung eines Haupt- und Nebenwiderspruchs kaum die historischen und noch weniger die aktuellen Entwicklungen zu erklären vermag. Stattdessen sollte es darum gehen, Rassismus, Antiziganismus, Antisemitismus und Sexismus durch qualitative Unterschiede, besondere Kontexte und spezifische Konstellationen hindurch als miteinander zusammenhängend darzustellen. Denn, so Scholz: »Nichts verschont uns vor der Mühsal der Ebenen, gerade in der fragmentierten Totalität der Postmoderne.«

gefördert durch die:
Amadeu Antonio Stiftung, 6.0k


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last modified: 22.4.2008