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Fix Your Face |
Die Abteilung Kaufempfehlung stellt vor: The Dillinger Escape Plan "Ire Works".
dance and sing under gunfire Es gibt Gitarrenmusik, die technisch hervorragend gemacht ist, brillant arrangierte Songs oder auch jene, die, mit wenigen Akkorden auskommend, einfach nur Spaß macht. Die schlimmste ist sicher die, welche den politischen Inhalt in den Vordergrund stellt, zumeist simpel und vorhersehbar wie die Ideologie, deren Kind sie ist. Aber es gibt auch Musik, die nur durch ihre Form bewegt, die einen innerlich zerwühlt, und zwar nicht, weil man mit ihr eine bestimmte Situation seines Lebens verbindet, sondern aus sich heraus, schon beim ersten Hören. Dazu gehört sicher das zweite Album des DEP Miss Machine und auch das aktuelle Ire Works wandelt auf den verstörenden Pfaden des Vorgängers. Man kann Miss Machine nicht genug loben, dieses Album dürfte hoffentlich in ein paar Jahren denselben Status genießen wie Angel Dust von Faith No More oder The Shape Of Punk To Come von Refused und der Nachfolger steht dem Vorgänger konzeptionell in nichts nach, er übertrifft ihn in der musikalischen Umsetzung sogar um Längen. Während bspw. Hardcore/Punk, Rock oder Funk meist im 4/4 Takt die musikalische Regression zementieren und viele Jazzer bereits krumme Metren wie 7/8 oder 11/8 Takte für das höchste der Gefühle halten, spielt der DEP schnelle und melodisch innovative Riffs in Rhythmen, bei denen es sich nicht lohnen würde, überhaupt eine Taktart zu notieren, da diese unaufhörlich wechselt. Monotones Kopfnicken o.ä. wird noch dazu durch Polyrhythmik oder so genannte rhythmische Illusionen verunmöglicht. Erklärbar ist dies dadurch, dass man als mit westlicher Musik aufgewachsener Mensch, Rhythmen vorwiegend als Abfolge von Downbeat (meist Bassdrum) und Backbeat (meist Snare) auf den Zählzeiten Zwei und Vier, wahrnimmt (einfachste Möglichkeit: Uff-Ta-Uff-Ta). Dieses Schema wird bspw. durch einen kontinuier lichen, schnellen Blast-Beat am Schlagzeug, welcher mehr Geräusch als Rhythmus ist, mit Akzenten nur auf den Anschlägen von Metrum wechselnden Gitarren durchbrochen, oder durch Verschiebung und verwirrende Anordnung der Rhythmus bestimmenden Schläge. Jenes Klanggewitter kann erfahren werden bei Songs wie Fix Your Face, Nong Eye Gong oder Party Smasher und klingt wie der Soundtrack zum Verprügeltwerden. Doch damit nicht genug. Konnte man den ersten Longplayer der Band Calculating Infinity schon klar dem durchaus vertrackten und technisch anspruchsvollem, aber eben auch nicht gerade eigenständigen Genre Math- oder Chaoscore zuordnen, so machte es einem schon der Nachfolger und erst Recht Ire Works schwerer. Es gesellten sich Elemente hinzu, die der Band einen völlig eigenen Stil verpassen. Hierbei können vertrackte Jazz-Licks wie bei Horse Hunter auf Ire Works noch als am wenigsten innovativ gelten, da Ähnliches bereits spätestens seit Candiria von progressiven Teilen der Metal- oder Hardcoreszene eingesetzt wird. Überraschend und auch enttäuschend für Jene, die den DEP wegen ihrer Härte schätzten, wirken rein musikalisch vor allem Songs wie Black Bubblegum oder Mouth of Ghosts. Ersterer klingt wie ein Bastard aus Nine Inch Nails und Faith No More, gefolgt von einem Part, der jeder Boygroup gut zu Gesicht stehen würde und schließlich einem Teil, der einem akustischen Lexikoneintrag über Billy Talent gleicht. Mouth Of Ghosts hingegen ist ein Arrangement-Spektakel von Jazz bis Latin, in dem die Vorzüge des neuen Drummers Gil Sharone im Vergleich zu seinem Vorgänger Chris Pennie am stärksten herausstechen. Und Milk Lizard beginnt mit einem Riff, was enorm an die Osloer Prägung des RocknRoll erinnert. Da stellt sich dem Hörer die Frage: Warum machen die das? Mit einem Song auf MTV sein zu wollen, um mehr Geld zu verdienen oder zeigen, dass man genauso klingen kann wie der ganze Rest, wären zwei Erklärungen und in der Tat können DEP offensichtlich extrem gut wie alles andere klingen. Doch auch wenn beide Erklärungen zunächst sympathisch sind, ist wohl die plausibelste, dass sie einfach Lust hatten, sich auszuprobieren. So Gründungsmitglied, Gitarrist und offensichtlich Mastermind der Band, Benjamin Weinmann, im Interview mit der deutschen Legacy (daher leider schon übersetzt): es gab keinen Weg, es allen recht zu machen. Danach sollte man als Musiker ohnehin nicht streben. Wir sind also einfach unseren Ideen und Bedürfnissen gefolgt und das ist der einzig richtige Weg. Leute, die engstirnig sind und nicht das große Bild im Blick haben, hören uns nicht länger, aber das ist für uns völlig okay. Wir wollen viel lieber die Hörer, die akzeptieren, dass THE DILLINGER ESCAPE PLAN eine wandlungsfähige Band ist, die sich entwickelt und gerne auch neue Dinge ausprobiert. Stillstand ist der Tod jeder Band. Ire Works ist allerdings ebenso meilenweit davon entfernt, einfach nur Stile mit einzubeziehen, die irgendwie noch nicht gespielt wurden, was wahrscheinlich mit der Rede vom großen Bild gemeint war. Ben Weinmann: Ich denke schon, dass es einen wahrnehmbaren Stil gibt, der sich auf all unseren Veröffe ntlichungen wiederfindet. [...] Bei der Arbeit an Ire Works ging es uns vor allem darum, das, was wir bereits auf den letzten Platten gemacht hatten, noch besser umzusetzen. [...] Die innovativen und experimentellen Momente von Ire Works hängen eng mit unseren Fortschritten im Umgang mit den Electronics zusammen. Und hierbei setzen DEP wirklich neue Standards. Elektronische Elemente in progressiver Gitarrenmusik beschränkten sich zumeist auf Synthesizerlines oder Pads im Hintergrund, Samples aus Filmen o.ä. und elektronischen Beats, welche oft aufgesetzt wirken und sehr selten wirklich im Einklang mit den anderen Instrumenten klingen. Aus dieser Trickkiste bedienten sich auch DEP bereits auf Miss Machine oder der EP mit Mike Patton Irony Is A Dead Scene. Auf Ire Works hingegen kann u.a. in Songs wie Sick On Sunday oder Acting As A Wave eine Symbiose bewundert werden, die sogar die Werke von Fantomas in den Schatten stellt. Effekte, Sounds und Beats, welche dem schon für sich komplexen Genre des DrillnBass (mit Vertretern wie Aphex Twin oder Squarepusher) entlehnt sind, fügen sich perfekt in die verstörende Welt der DEP-Arrangements ein und klingen wie eine Percussiongruppe direkt aus der Hölle. Ihre Stellung als Avantgarde der Gitarrenmusik, ihre vor Innovation berstenden Songs und ihre künstlerische Herangehensweise, Musik mit dem Rücken zum Publikum (nach einer Formulierung Adornos), also ohne Rücksicht auf Hörgewohnheiten oder Kompatibilität und nur mit dem Focus auf eigene Vorstellungen zu komponieren, tragen allesamt dazu bei, dass DEP so etwas wie gefühlte Progressivität ausstrahlen. Zwar sind auch Bands wie bspw. Fall Of Troy Meister des Chaos und musikalisch innovativer Arrangements, jedoch hat keiner ihrer Songs eine derart einschüchternde und niederschmetternde Wirkung wie bspw. Fix Your Face von Ire Works oder Panasonic Youth von Miss Machine, dem Album, mit dem der DEP erstmals seinen charakteristischen Stil präsentierte. So wie dieses Album klang, fühlt sich Gesellschaft von einem bestimmten Blickwinkel aus an. Es war alles da: die stampfenden Maschinen, die ständige Gewalt gegen Geist und Körper, die zehrende Monotonie, die paar Brocken Zucker, die Verzweiflung, die alles beherrschende Angst und die Wut, nichts tun zu können. Aber eben ersichtlich ohne politische Botschaft, nur aus der Musik heraus. Das machte dieses Album so anders, so besonders. Es klang nicht nach aufgesetztem Weltschmerz oder zur Schau getragenem Leid. Es war wütend und ernst, finster und brillant und es stieß ab. Man musste sich teilweise zwingen und seine Ohren zurichten, diesen Sound zu ertragen. Keine leichte Kost vom Schlage eines New Noise, dazu würden nie irgendwelche Gutmenschen in Discotheken tanzen, völlig unmöglich. Das konnte man auch niemandem als Hintergrundmusik für anregende Gespräche anbieten. Man wurde von Freunden, die sonst den eigenen Geschmack teilten, für bekloppt erklärt, weil man so etwas hören würde und das fühlte sich gut an. Kurzum, man fühlte sich progressiv beim Konsum und dies hatte sogar reellen Grund und war nicht nur Attitüde wie sonst bei Subkulturen üblich. Und dieser Grund ist auch auf Ire Works wieder zu hören.
Im not a color in your rainbow(1)
Dabei ist diese Band natürlich ein Ausdruck des Einzelnen, in diesem Falle Benjamin Weinmanns, der als Gitarrist und Songschreiber aber eben nicht die Texte verfasst. Sie machen hier auch nicht mehr die Botschaft aus, es ist die Musik selbst, die zu einem spricht und sie hat keine Märchen oder Durchhalteparolen zu bieten, keine an der Realität vorbei hampelnde positive attitude, keine Aggressivität um der Aggressivität willen. Sie klingt nicht nach aufgesetztem Weltschmerz oder zur Schau getragenem Leid. Die Texte stehen dadurch nicht im Vordergrund, sind meistens eher kryptisch gehalten und niemals offensichtlich politisch. Natürlich bricht immer mal der lyrische Unmut ob des gesellschaftlichen Zustandes hervor, aber er kippt nie ins Politische. Im Mittelpunkt stehen meist persönliche emotionale Probleme; der Sänger Greg Puciato setzt sich mit Episoden aus seinem Leben, die ihn beschäftigen, auseinander und geht dabei sehr reflektiert, lyrisch und unpathetisch zu Werke. Doch hin und wieder blitzt selbst bei diesen Songs etwas hervor: eine Ahnung, eine Umschreibung eines Zustandes die mehr beschreibt als die erhoffte oder gescheiterte Liebesbeziehung. Wie etwa in dem Song Party Smasher:
DEP haben nie den peinlichen Weg zwischen gutmenschelndem Live Aid-Konzert und peinlicher Anti-Bush Kampagne beschritten und werden es sicher in Zukunft auch nicht tun. Hier geht es um Menschen und ihre Gefühle, die aufrichtig vorgetragen werden, und nicht um politische Zwangsidentität. Erwähnenswert ist sicher auch die Huldigung alter Heroen und deren bestem Album mit dem Titel 82588. Am 25. August 1988 erschien And Justice For All von Metallica; welch eine verschwörerisch anmutende Schelmerei. a fucking punk rock prostitute(2) Für sich genommen bewahrt der DEP seine Progressivität, auf den Markt geworfen jedoch, muss er sie einbüßen. Bei aller überschwänglichen Gefühlsduselei ob der mitreißenden Wirkung der DEP-Alben, handelt es sich eben nicht um Repräsentanten einer eigenständigen und vom Markt abgeschotteten Sphäre Kunst, die in dieser Form auch gar nicht mehr existent ist. Die Standards, die sie musikalisch setzen und das damit verbundene künstlerische Konzept schlagen zwar Kerben in die starren Schemata etablierter Genre, doch sind diese Kerben im Sog der Kulturindustrie letztendlich nur Lücken, die der Markt bereitwillig füllt. War beim ersten Hören von Miss Machine undenkbar, dass eine größere Anzahl von Menschen sich dafür begeistern könnte, so zeigte sich im nach Innovation dürstenden Musicbusiness schnell, dass jenes abstoßende Geprügel den von Fernsehen, Internet und Computer abgestumpften Menschen vor allem eins bedeutet: eine abwechslungsreiche Sensation, ein akustisches Spektakel. Die als revolutionär ausgemachte Inkompatibilität entpuppt sich daher ganz schlicht als Gebrauchswert. Seine Progressivität büßt der DEP allerdings nicht nur nach diesem altbekannten Schema der Ware, des für jeden, der es sich leisten kann, verfügbaren Konsumguts, ein. Nein, der DEP wird dabei Indiz für guten Geschmack und ziert das Titelbild der KERRANG, dem, nach eigenen Angaben, weltweit meistverkauften Rock Magazin. Wo Chaos- und Mathcore mehr und mehr Trend wird, erkennt man die Vorreiterrolle dieser Band an, die sich doch schon Meilen von ihrem Erstlingswerk entfernt haben. Regel 22 der sarkastischen 101 Rules of Hardcore besagt nicht umsonst Pretend that you get Dillinger Escape Plan. Diese Stellung als subkultureller Insider-Tip für Leute, die das richtig harte Zeug wollen, macht den DEP ist in erster Linie zu einer Band, die sich momentan sehr gut verkauft und man wünscht es ihnen auch. Nein, man sollte sich sogar hämisch die Hände reiben, wenn Black Bubblegum endlich auf MTV läuft. Nicht nur wegen des augenzwinkernden Titels, der den Singlestatus des Liedes bei gleichzeitiger Düsternis andeutet, sondern vor allem, weil sich dann Liebhaber dieses Songs das Album kaufen werden und schon der Opener wird halten, was er verspricht: Fix Your Face. Und nachdem dann die Stop-Taste gedrückt wurde, dürfen diese Leute ihr Gesicht wieder in Ordnung bringen, Mainstream geht eben 548940 doch anders. Natürlich ist es auch ein Aushängeschild, so vertrackt zu sein und HC/Metal/Whatever-Hörer können dann darüber philosophieren, wie toll und musikalisch hochwertig dieses Album ist. Man kann sich gegenseitig guten Geschmack versichern und sich auf die Schulter klopfen, darf sich wieder anders fühlen, elitär und erhaben, Doch dieses Ire Works steht nicht über den Dingen; es ist ihr Ausdruck. Mitunter eben auch der einer geistigen Armut, welche sich daran zeigt, Erkenntnis an Hörgewohnheiten zu koppeln, vor allem, wenn diese von Musikmagazinen und Internetforen diktiert werden. Oder eben vom Conne Island Newsflyer. sysiphos und OtimO Anmerkungen (1) Aus Hollywood Squares (DEP with Mike Patton, irony is a dead scene) (2) Aus Van Damsel (DEP, Miss Machine) |
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