Südamerika lädt zum Träumen ein: Linke Regierungen in Venezuela
und Bolivien, soziale Bewegungen in Brasilien und Argentinien, in Mexiko eine
Guerilla mit pluralistischem und antiautoritärem Anspruch dies sind
nur einige Beispiele, die den neoliberalen Kapitalismus in Lateinamerika in
ganz andere Weise umkämpft erscheinen lassen als dies in Europa der Fall
ist. Manche sehen dadurch bereits die Hegemonie des Neoliberalismus gebrochen
und Anzeichen einer neuen sozialistischen Alternative zum Kapitalismus.
Demgegenüber verweisen KritikerInnen auf die Staatsfixiertheit des
lateinamerikanischen Linksrucks, auf autoritative Tendenzen und antisemitische
Ideologie in der gegen die USA gerichteten Blockbildung.
Die widersprüchliche Wirklichkeit, die von Umverteilungspolitik, sozialem
Protest, Führerkult, Populismus und ressentimentgeladener Propaganda
gekennzeichnet ist, bietet beiden Positionen eine jeweils nicht von der Hand zu
weisende Plausibilität. Doch eine linke Reflexion, der es um die
Möglichkeiten und Gefahren einer auf Emanzipation zielenden Praxis geht,
muss sich den sozialen Auseinandersetzungen in Lateinamerika jenseits einer
vorschnellen Verdammung reformistischer Politik und weit entfernt von blinder
Solidarität widmen.
Zu fragen wäre so nach dem Verhältnis unterschiedlicher
Entwicklungsperspektiven:
- Ist der Anspruch auf grundsätzliche Verbesserung von
Lebensbedingungen bei einer Orientierung auf ökonomische
Weltmarktintegration überhaupt einlösbar?
- Muss eine alternative, auf regionale Integration und nationale
Entwicklung orientierte, staatsozialistische Variante quasi zwangsläufig
zu regressiven Durchsetzungsideologien finden?
- Mit welchen Maßstäben, zum Beispiel historischen
Bezügen, wären diese zu kritisieren?
- Und welchen Spielraum haben herrschaftskritische Strömungen, nicht
nur vor dem Hintergrund verschiedener lateinamerikanischer
Gewaltverhältnisse, sondern auch angesichts der in der Linken
präsenten staatszentrischen Gesellschaftstheorien?
Auf Einladung der Phase 2-Redaktion wird Uli Brand diese und andere Fragen
über Neoliberalismus, Linke und Staat in Lateinamerika diskutieren. Uli
Brand ist Politikwissenschaftler und in der Bundeskoordination
Internationalismus (BUKO) im Arbeitsschwerpunkt Weltwirtschaft aktiv.
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