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review corner Film, 1.4k

Unsere Besten:

The devil wears Prada, USA 2006, Regie: David Frankel, prada-film.de
Meryl Streep in „Der Teufel trägt Prada“

Erinnert sich noch jemand an „Silkwood“? Wird der noch manchmal im Fernsehen wiederholt? Der Film ist von 1983 und berichtet – nach einer wahren Geschichte – von einer Frau, die in einer Atom-Fabrik arbeitet und, als sie die gefährlichen Schlampereien aufdecken will, auf mysteriöse Weise ums Leben kommt. Vorher wird sie allerdings – vermutlich absichtlich – verstrahlt. Abgesehen davon, dass Cher in dem Film mitspielt, was ich gerade erst bei wikipedia erfahren habe, wird die verstrahlte unglückliche (aber kämpferische) Mrs. Silkwood dargestellt von – genau: Meryl Streep. Blonde strähnige Haare und ein entsetzter Gesichtsausdruck sind mir erinnerlich. Und die gerade Haltung: „Ich schaffe das; gegen alle Widrigkeiten.“
Barbie, 35.1k Dann, 1985, „Jenseits von Afrika“. Sidney Pollacks Film nach Motiven von Tanja (Karen) Blixen – und selbstverständlich nach deren wahrer Geschichte. Karen geht Anfang des vorigen Jahrhunderts nach Kenia und will ihr Glück mit Kaffee machen. Dort verliebt sich die Verheiratete (Überraschung: unglücklich!) in einen Großwildjäger und verliert alles, als ihr die Farm abbrennt. Die unglückliche Karen (blondes strähniges Haar, Entsetzen im Gesicht) ist Meryl Streep.
Dann kommen noch ganz viele andere Filme. Meryl Streep wird zu einer sehr viel beschäftigten und einer der am besten bezahlten Hollywood-Schauspielerinnen. Man sagt sie sei „beste Schauspielerin der Welt“. Angeblich hat sie auch schon mal Rollen gespielt, in denen sie nicht entsetzt, blond gesträhnt, gut und geradlinig war („Die Teufelin“, „Der Tod steht ihr gut“). Ich habe davon nichts mitbekommen. Für mich blieb sie die arme, benachteiligte, geschädigte aber unbedingt gerade, stolze (nun ja, nicht gerade auf die Frisur) Frau.

2006 – Meryl Streep tourt, um ihren neuen Film „Der Teufel trägt Prada“ zu promoten. Sie ist etwas geschafft, weil sie kurz zuvor noch im New Yorker Central Park Open Air und für ohne Geld – was gespielt hat?! Richtig: „Mutter Courage“! Eine arme, verzweifelte Frau, die ihren Weg geht! Mit einer Frisur und mit einem Gesichtsausdruck, die von großem Unglück und Entsetzen berichten. Der Film, den sie bewirbt, ist anders – und doch wieder nicht. Dass es doch ein Meryl-Streep-Film im oben beschriebenen Sinn ist, ist schade. Dass – und wie – sie spielt, ist der einzige tatsächliche Grund, ihn gut zu finden.
Ach so, die Geschichte: Hässliches Entlein (Anne Hathaway) verwandelt sich in einen Schwan. Und zurück, das ist ja das Problem. Nach dem Buch einer Assistentin von Anna Wintour, der Chefin der amerikanischen VOGUE, wird erzählt, wie eine junge Frau und talentierte Journalistin, die sich erkennbar nicht für Mode interessiert, den Job als zweite Assistentin der Chefredakteurin eines Modemagazins (Meryl Streep) bekommt, obwohl klar ist, dass sie nicht ins Raster passt – beziehungsweise gerade deshalb: Chefin: „Die gut aussehenden, gestylten Mädchen haben mich immer wieder enttäuscht. Oftmals sind sie einfach dumm. Ich dachte, gib deinem Herzen einen Stoß. Nimm das intelligente dicke Mädchen.“ Wegen solcher Sätze und wegen der Art, wie Meryl Streep sie aufsagt, ist dieser Film so toll. Leider geht er gut aus. Es siegen am Ende die Liebe übers Geschäft, die Ehrlichkeit gegen die Verlogenheit des Mode-Business, die Intelligenz gegen die Dummheit, die Tiefgründigkeit gegen die Fassade, das Feuilleton gegen das Hochglanz-Magazin. Und selbst die Chefin hat menschliche Züge: Sie lebt in Scheidung und macht sich Sorgen um die Kinder. Und dann – für Bruchteile einer Sekunde – ist sie verunsichert. Gleich aber setzt sie die Sonnenbrille wieder auf. Das ist schon ganz besondere Schauspielkunst, die man da zu sehen bekommt. Gegen Meryl Sreep fallen alle ab obwohl auch die andere Assistentin und der Art Director eine gute Figur abgeben. (Wer im letzten Satz zwei Floskeln findet, liest zu viele Kino-Rezensionen in Tageszeitungen.)
Der Film ist von David Frankel, der auch bei vielen Folgen von „Sex in the City“ Regie geführt hat. Und das merkt man dann auch. Wer noch nicht in New York verliebt ist, ist es nach diesem Film auf jeden Fall. Ich erwische mich, wie ich denke: ‚Da musst du auch mal hin` – was nicht so bedenklich ist wie die Tatsache, dass ich das auch beim Anblick der Redaktionsräume des Modemagazins denke (insbesondere selbstverständlich wenn die Kamera das Büro der Chefin zeigt).
In einer Szene lässt sich die Chefin dazu herab zu erklären, wie Mode und ihr Geschäft funktionieren. Bei einer Zusammenstellung von Outfits für die nächste Ausgabe des Magazins hält die Assistentin – irrtümlich! – zwei sehr ähnliche Gürtel für sehr ähnlich. Sie sagt: „Das stimmt sicher nicht. Aber ich interessiere mich ja auch nicht sonderlich für dieses Zeug“ und bekommt zu hören. „Sie glauben also, Sie hätten mit der Modewelt nichts zu tun. Aber das – nun ja – Dings, das sie da anhaben, ist nicht einfach blau, wie sie vermutlich denken. Es ist azur. Und es interessiert sie nicht, dass Azur die Farbe von vor zwei Jahren war. Und dass alle Designer dann Azur im Programm hatten. Und später ist diese Farbe dann auf dem Wühltisch gelandet, von dem Sie es gedankenlos genommen haben. Diese Farbe ist also hier vor zwei Jahren für sie ausgesucht worden; aus einem Haufen ‚Zeug`.“
Ein wenig ist der Film auch selbstwidersprüchlich: Die Modewelt wird scharf kritisiert und als kalt, unmenschlich und dämlich dargestellt – und alle machen mit. Valentino spielt sogar in einem kleinen Gastauftritt sich selbst. Outfits werden dem Team unentgeltlich zur Verfügung gestellt – von Chanel, Prada, Valentino, Donna Karan und anderen – weil das Budget dafür niemals ausgereicht hätte. Die Kostüme sehen aus wie aus „Sex in the City“, was daran liegt, dass sie von der gleichen Frau, die ihre Beziehungen zu allen wichtigen Modehäusern spielen ließ, zusammengestellt wurden. Meryl Streep (hierin dann doch wieder ihrem von mir eigenhändig erzeugten Klischee ähnlich) sagt im Interview, es sei „ermüdend“ gewesen, erstmal tagelang vor dem Drehen Kostüme auszusuchen. Sie habe die Klamotten dann auch behalten dürfen aber (dreimal darf geraten werden) – genau: für wohltätige Zwecke versteigert.

Insgesamt lässt sich sagen, dass der Film nett und – zum Beispiel für einen DVD-Abend – unbedingt zu empfehlen ist. Er stellt keine intellektuelle oder ästhetische Herausforderung dar. Er ist nicht sehr künstlerisch. Er ist Hollywood-Mainstream-Kino. Er ist großartig. Bei der New Yorker Premiere des Films hatte Meryl Streep ein Kleid von Valentino an. Und auch der Teufel selbst, Anne Wintour von der VOGUE, hat es sich nicht nehmen lassen zu erscheinen: komplett in Prada gewandet.

Sven

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last modified: 28.3.2007