Liebe CEE IEH-Redaktion, lieber Roman.
Die Anmerkungen zu unserem Thesenpapier über die schlechte Aufhebung
der bürgerlichen Gesellschaft in CEE IEH #135 (Roman: Ist die Aufhebung
der bürgerlichen Gesellschaft durch Monopol- und Rackettheorie
begründbar?) verlangen eine Richtigstellung. Aufgrund von Urlaub, Ferien
etc. soll ein Leserbrief genügen. Hier die wichtigsten Punkte:
- In den Anmerkungen wird gegen unser Thesenpapier gerichtet erklärt: Wer
von Postnazismus rede, müsse ausweisen können, worin die Differenz
zwischen NS und Postnazismus bestehe. Das mag stimmen, nur: der Begriff
Postnazismus findet in unserem Text an keiner Stelle Erwähnung. Unsere
zentrale Frage lautete nicht: Was unterscheidet das 3. Reich von der
Bundesrepublik? (Wir versichern hiermit, dass wir die Unterschiede zwischen
Gestapo und Staatsschutz, Adolf Hitler und Angela Merkel oder
Großdeutschem Rundfunk und Radio Sachsen-Anhalt kennen und
schätzen.) Wir fragen vielmehr nach den Entwicklungstendenzen der
bürgerlichen Gesellschaft und konstatieren: Selbstaufhebung! In diesem
Aufhebungsprozess spielte Deutschland zwar lange Zeit eine bedeutende Rolle,
während es anderswo lang anhaltende und z.T. erfolgreiche Widerstände
gab. Trotzdem deutet einiges darauf hin, dass das Ende des Proletariats, die
Herausbildung von Rackets etc. Entwicklungen sind, die sich nicht von der
Maginotlinie aufhalten lassen haben.
- In den Anmerkungen wird erklärt, dass zwar auch Adorno von einer
Rückbildung des liberalen Kapitalismus spreche. Er betone allerdings die
Tendenzhaftigkeit dieser Entwicklung. Auch das stimmt. Und da wir die
einschlägigen Adorno-Texte ebenfalls gelesen haben, fragen wir auch
nirgends, wie in den Anmerkungen behauptet wird, ob nun das Wertgesetz
oder das Gesetz des Stärkeren heute gelten. Wir tun vielmehr das, was
auch Adorno tut und was in den Anmerkungen eingefordert wird: Wir
sprechen von Tendenzen (der Totalisierung von Racket-Herrschaft etc.).
Zum Nachzählen: In unserem Text tauchen vier Begriffe auf, die zur
Wortfamilie von die Tendenz gehören.
- In den Anmerkungen wird behauptet, Heinz Langerhans habe den NS im Gegensatz
zu uns als Krisenlösungsstrategie gefasst, und zwar ohne eine
Theorie des Monopols dafür in Anspruch nehmen zu müssen. Das stimmt
leider nicht. Langerhans begreift den NS und nicht nur den zwar
tatsächlich als Krisenlösungsstrategie. Er spricht allerdings
regelmäßig von neuen monopolistischen Formen von Staat und
Kapital, monopolistischen Staatswirtschaften etc. Wie geht das
zusammen? Genau: Beides schließt sich nicht aus, sondern bedingt sich.
Die neuen monopolistischen Formen von Staat und Kapital, so Langerhans
1934, sind Kinder der großen Gegenwartskrisen; sie erfüllen
die spezielle Aufgabe der politischen Ökonomie in der Gegenwart:
wenigstens das Höchstmaß an Entfaltung der transzendierenden
produktiven Kräfte im gegebenen Rahmen zu erzwingen.
- Am Ende der Anmerkungen wird erklärt, dass es ganz und gar nicht
ausgeschlossen ist, dass vermittelte und unmittelbare Formen von Herrschaft
nebeneinander existieren können. Auch das stimmt. Allein, wenn die
bürgerliche Gesellschaft der Zustand war, der die Menschen von
unmittelbaren Abhängigkeitsverhältnissen befreit hat, dann lässt
sich das gleichberechtigte Nebeneinander von Wertgesetz und Recht des
Stärkeren nicht mehr auf den Begriff der bürgerlichen Gesellschaft
bringen. Und darum ging es.
Viele Grüße,
Thomas Plättner für den AK
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