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Kultur-Report, 1.7k

Ein Teil von jener Kraft


Sechzig Jahre nach dem Ende des größten Verbrechens der deutschen Geschichte, sechzig Jahre des langen Marsches der deutschen Nation zurück in die Normalität, in der „wir" nun angelangt sind, nicht erst seit Kinokassenschlagern wie „Das Wunder von Bern", der die Deutschen und ihren Kanzler zu Tränen rührte, oder „Der Untergang", der zeigte, dass nicht „wir", sondern Hitler schuld ist, sechzig Jahre nachdem die „Lichtgestalt" des deutschen Fußballs das noch vom Trümmerrauch getrübte Licht der Weltstadt München erblickte, läuft auf allen deutschen Kanälen die „größte soziale Werbekampagne der deutschen Geschichte" (FAZ): Du bist (das Wunder von) Deutschland.

Nichts wird in dieser gigantomanischen AgitProp ausgelassen, was nicht schon in der letzten Kampagne einen Platz an der Sonne verschaffen sollte: Nicht die bodenständige Bäuerin, der pure Bosheit aus ihrem von Sonne und Wind zerfurchten Gesicht schaut, während sie stolz das Produkt ihrer Hände Arbeit präsentiert: einen riesigen Krautkopf, der Ludwig Erhard heißt; nicht die deutsche Mutter, die den Arbeitslosen am liebsten kräftig in den Hintern treten würde, damit sie es ihr gleichtun und ackern, damit es allen gut und in Deutschland besser voran geht; auch nicht der Wille zur Macht: dein Wille ist wie Feuer unterm Hintern; nicht die deutsche Autobahn: gib nicht nur auf der Autobahn Gas (Gas, was auch sonst); nicht die fröhlichen Kinderkrauts, die geh runter von der Bremse krähen; nicht der deutsche Arbeiter, der mach' dir die Hände schmutzig fordert, und zwar egal, wo du arbeitest: ob als Kfz-Mechaniker, wie der Prolet im Werbespot, oder als KZ-Aufseher. Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt, wir steigern das Sozialprodukt, und wenn es sein muss, werden wir dabei wie blonde Bestien über Leichen gehen. Währenddessen versöhnen sich die Nachkommen der Opfer mit den Wertarbeitern im Berliner Holocaustmahnmal. Im Stelenfeld fallen sich der Behinderte und der erfolgstrahlende Sunnyboy, den man schon aus der Reklame für Investmentfonds zu kennen glaubt, mit den Worten in die Arme: Du bist von allem ein Teil und alles ist ein Teil von dir.


Du bist arbeitslos, 50.0k


„Du bist ein Teil von jener Kraft...", möchte man ergänzen, nicht nur der faustischen Ausstrahlung dieses Herrenmenschen wegen, der im wirklichen Leben um Behinderte einen großen Bogen machen wird. Ebenfalls im Stelenfeld predigt derweil der deutsche Pop-Papst, dass aus deiner Flagge viele werden, und aus deiner Stimme ein ganzer Chor. Aus der Stimme aller einzelnen soll ein gewaltiger Nationalgesang werden. Wo Ich war, soll Wir werden. Mitmachen kann jeder, auch im Internet. Die Resonanz ist überwältigend. Der Chor – früher hieß das Volksgemeinschaft – gibt sich im Unterschied zum dumpfen Stolz aufs Deutschtum liberal, weltoffen und multikulturell: Du bist die anderen, du bist Deutschland grinst der dunkelhäutige Fußballprofi, und er hat dabei wie der Sarotti-Mohr zu strahlen, den wir seit Deutschsüdwest so lieben. Bring die beste Leistung, zu der du fähig bist. Und wenn du fertig bist, übertriff dich selbst: Schon einmal haben die Deutschen, nachdem ihre beste Leistung am Ende doch nicht ganz hinlangte, sich selbst übertroffen und sich für den totalen Krieg, der zugleich die totale Selbstauslöschung bedeutete, entschieden. Fragt sich, wie verhindert werden kann, dass wir wieder ein richtig gutes Gefühl von uns bekommen.

Alle Zitate sind der Kampagne "www.du-bist-deutschland.de. Jeder kann mitmachen" entnommen.

Initiative Sozialistisches Forum

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last modified: 28.3.2007