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Krisentheorie ohne Theorie? | ||
Eine Antwort auf Mausebär und eine Richtigstellung.Von Roman
Mausebär (unter der Zwischenüberschrift Wo ist der Platz des Kritikers?): Erster Schritt zur Lösung wäre, ein paar UNNÖTIGE Schwierigkeiten auszuräumen und die Frage zu stellen und zu beantworten: Was ist der Lackmustest für das Emanzipatorische an einer sozialen Bewegung? Kritiker von Wert und Abspaltung antworten: die Ablehnung der Arbeit. Ebenso auf der Hand liegt damit die Einschätzung, dass die Montagsdemonstranten per se eben keine emanzipatorische soziale Bewegung verkörpern, weil dort die fundamentale Arbeitskritik eine Minderheitsposition inne hatte. Konsequente Arbeitskritik hätte aber anknüpfen können an der einhelligen Ablehnung (und wer anderes sagt, lügt!) von Zwangsarbeit. Vor dem Hintergrund der Fundamentalkrise des Kapitals, die alle Demonstrierenden mindestens durch die permanent steigenden Arbeitslosenzahlen mitbekommen, hätte eine solche Strategie durchaus Erfolg haben können. Wird diese Fundamentalkrise nicht ökonomistisch beschrieben oder gar mit irgendeinem Zusammenbruchsautomatismus in Verbindung gebracht, sondern gekennzeichnet als permanente Verschlechterung der Lebenssituation aller Gesellschaftsmitglieder bis hin zu deren direkter physischer Vernichtung,(2) dann kann daraus durchaus so etwas wie relevanter Widerstand erwachsen. Bei wem sonst, wenn nicht bei Demonstranten, die eine menschenwürdige Wohnung und ein halbwegs erträgliches Auskommen wichtig finden, könnte man darauf pochen, dass ein System, das einen selbst für reproduktionsunwürdig erklärt, weg muss?! Wer die Nivellierung auf Elendsniveau nicht hinnehmen will, erachtet sein eigenes Wohlergehen für wichtiger, als den Standort der Aufruhr gegen die rot/grüne Verelendungspolitik wird somit antifaschistische Tat. Worum geht es Mausebär in diesem Abschnitt? Er möchte ausloten, wem gegenüber und vor allem wie sich der Kritiker von Wert und Abspaltung in Zeiten von Hartz IV zu verhalten hat. Es geht um das Emanzipatorische an einer sozialen Bewegung, auch wenn die Montagsdemonstranten per se eben keine emanzipatorische soziale Bewegung verkörpern. Um dabei aber dennoch zu einem Ergebnis zu kommen oder besser gesagt in Sachen Emanzipation light fündig zu werden, müssen zuvor ein paar UNNÖTIGE Schwierigkeiten aus dem Weg geräumt werden, wie betont wird. Worum es sich bei diesen Unnötigkeiten handelt, sagt Mausebär ziemlich deutlich und man ist überrascht, denn der Kritiker von Wert und Abspaltung zieht sich den Boden unter den eigenen Füßen weg nämlich die fundamentale Arbeitskritik, die auf Montagsdemonstrationen eine Minderheitsposition inne hatte. Stattdessen gilt es anzuschließen an die Ablehnung von Zwangsarbeit (gemeint sind die staatlich organisierten Beschäftigungsmaßnahmen unter Hartz IV), die so klingt es bei Mausebär auf Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV zuhauf vernehmbar war. Die Arbeitsgeilheit der Deutschen, auf der Linke, Antideutsche und Wert- und Abspaltungskritiker immer rumhacken, hätte sich damit wohl erledigt, denkt man, wenn Mausebär eine einhellige Ablehnung von Zwangsarbeit konstatiert. Die Realität sieht anders aus, und dass man das dem Arbeitskritiker Mausebär erzählen muss, ist eine traurige Angelegenheit. Nicht nur im strukturarmen Osten opfert man sich für jede noch so dämliche Arbeit auf. Man reißt sich um die sogenannten 1 Euro Jobs, die Wartelisten auf den Arbeitsämtern sind voll und nur wenige der nach wie vor nach Arbeit lechzenden Deutschen bekommen die Gelegenheit, ihre Staatsloyalität auch unter Beweis zu stellen. Man mag einwenden, dies geschehe nur aufgrund der miserablen Geldsituation der Hartz IV-Existenzen und an dem Argument mag sicher etwas dran sein , nur: eine einhellige Ablehnung von Arbeit im allgemeinen und Zwangsarbeit im besonderen ist deswegen noch lange nicht in Sicht. Und Mausebär träumt weiter: von relevantem Widerstand und der Erkenntnis, dass das System weg muss?!. Nun ist der Marxismus-Leninismus mit seinen praktisch-theoretischen Implikationen keine weit verbreitete Handlungsoption unter den Hartz IV-Verlierern und man kann sich ausmalen, was diese selbst unter relevantem Widerstand verstehen. Dass es diesen um den Standort Deutschland weniger geht, möchte man nur ungern unterschreiben, aber daraus auch noch ableiten, dass ein Aufruhr gegen die rot/grüne Verelendungspolitik unter den genannten Voraussetzungen zur antifaschistischen Tat wird, ist barer Unsinn. Das Argument von Mausebär geht so: aus dem Verzicht auf den Standortbezug, entspringt notwendig antifaschistische Praxis. Mausebär empfiehlt mit hübscher Regelmäßigkeit Nachsitzen in Logik. Ihm wäre seinerseits eine Auffrischung der sogenannten logischen Folgebeziehung und der diversen Schlussschemata zu wünschen. Nur so viel: Es gibt genug Gründe, um auf den Standort zu scheißen z.B. das eigene Wohlergehen, das auch in der nicht gerade antifaschistischen Ideologie des surviving of the fittest eine Rolle spielt. Aus dem Verzicht auf die Standortargumentation und dem Rekurs aufs eigene Interesse wird nicht notwendig eine antifaschistische Tat.
Würde Mausebär weiterdenken und die Rolle von Staat und Volk in der Krise reflektieren, käme er tatsächlich zur Gefahr direkter physischer Vernichtung, die im Nationalsozialismus durchbrach und die heute noch in Ideologien wie dem Antisemitismus enthalten ist. Was sich in der Krise Bahn bricht und zur Vernichtung aufruft, ist der rassistische und antisemitische Wahn reflexionsloser Volksmassen und nicht das Kapitalverhältnis die Abstraktion in actu (Marx). Diese wirkt zwar in den Köpfen, aber nicht überall auf die gleiche Weise. Genau das ist der Ansatzpunkt von Ideologiekritik, die zugleich dem Basis-Überbau-Marxismus Bankrott bescheinigt. Das führt letzten Endes auch auf folgende Fragen: Was ist deutsch? Und: Was blüht dem deutschen Hartz-IV-Empfänger? Im Falle von Hartz IV von direkter physischer Vernichtung zu sprechen, ist einfach nur absurd. Es suggeriert, die Betroffenen würden demnächst zur Schlachtbank geführt und müssten deshalb Widerstand leisten. Direkt vorm Verhungern stehen die arbeitslosen Massen auch nicht, was nicht heißen soll auf Widerstand zu verzichten. Wenn man aber wie Mausebär den gegenwärtigen Zustand als Fundamentalkrise bezeichnet, sollte man doch zumindest deren Bedingungen klar benennen, sofern es denn darum geht ein Hauen und Stechen im Mob der Arbeitslosen zu vermeiden. Warum relevanter Widerstand auf fundamentale Kritik verzichten sollte, will mir zumindest nicht einleuchten. Oder glaubt Mausebär gar an eine deutsche Revolution ohne Rassismus und Antisemitismus? Fußnoten (1) Siehe die Richtigstellung der Redaktion am Seitenanfang. (2) Anstelle von direkter physischer Vernichtung stand in der geänderten Druckversion physischem Ableben. |