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Abschlußbetrachtung des BesetzerInnenkongresses

Das Ende war wohl eher etwas peinlich, vorallem für TeilnehmerInnen aus anderen Städten dürfte die Abschlußdemonstration zum BesetzerInnenkongreß in unguter Erinnerung bleiben. Vielleicht wurde die Gefahr für die Leipziger Projekte, die jenen im Falle einer Eskalation während des Kongresses und speziell der Demo drohten, zu oft beschworen. Oder aber das martialische Polizeiaufgebot erschreckte den größten Teil der Anwesenden, so daß sie ihre Stimme verloren, die PDS-Promotion-Tour am Fronttransparent tolerierten (Asche auf mein Haupt), oder aber Einsatzbullen freien Zugang, sei es zum Zwecke der Verhaftung oder zur „Konversation“, in den Demozug gestatteten. Die Demo glich eher einem Trauermarsch und sich selbst bemitleidenten Wanderkessel, die vorangegangene und bestehende Beweungsträume zu Grabe trug. Nun gut, wenigstens die „Bürgerlichen“ nahmens mit Erleichterung und als Postitivum bleibt festzustellen, daß selbst LVZ & Co. nicht um eine Kritik des „unverhältnismäßigen“ Polizeieinsatzes vorbeikamen. Trotz dies relativ verpatzten Abschlusses machte sich doch bei den meisten OrganisatorInnen und MitgestalterInnen am Ende ein entspanntes Lächeln breit. Denn der erste BesetzerInnenkongreß in Leipzig ist durchaus ein Erfolg gewesen.

Die Auftaktveranstaltung fand wegen der beschissenen Wetterverhältnisse unter einen Planenkonstruktion im Innenhof der Stöckartstraße (Stö) statt. Kurz vor Beginn sollte der Ort aufgrund des Dauerregens und der Kälte nochmal verlegt werden, aber gerade die akute Gefährdung dieses Teils der Stö lies die OrganisatorInnen auf den Innenhof beharren und das Ambiente stimmte dann auch irgendwie. Ungefähr 100 bis 150 Menschen kamen zu den Eröffnungvorträgen, mit denen versucht werden sollte, die Thematik des Kongresses einzugrenzen und theoretisch zuzuspitzen. Am Anfang ein Referat aus dem Kreis der Vorbereitungsgruppe, in dem versucht wurde, Hausbesetzungen im Gegensatz zu vergangenen Motivationen der Westgeschichte als Ausgangspunkt subkulturell-geprägter Szenezusammenhänge darzustellen, mit denen sich vom Mainstream der Gesellschaft abgegrenzt wird und deren politische Einordnung aufgrund der Bewertung des Mainstreams als weitgehend nationalistisch und rassistisch eine antirassistische und antifaschistische ist oder sein könnte.

Im zweiten, im Wildcat-Umfeld entstandenen Vortrag wurde Häuserkampf als Teil sozuialer Kämpfe betrachtet, der eine revolutionäre Perspektive bieten könne, wenn er eingebunden in genreller antikapitalistischer Politik und Orientierung auf die ArbeiterInnen wäre. Doch der Widerspruch, der sich zwischen den beiden Referaten abzeichnete, speziell in der Bewertung von Besetzungenals Teil sozialer Kämpfe oder nicht, der Orientierung auf die Bevölkerung und daraus folgender unterschiedlicher politischen Perspektiven, wurde von den Anwesenden nicht aufgenommen. Viele Redebeiträge versuchten immer wieder die Gemeinsamkeit, nämlich den praktische Akt der Besetzung, als für alle bestimmend hervorzuheben. Davon ausgehend wurde dann fröhlich aneinander vorbeigeredet und subjektive Erfahrungen gemischt mit Gesamtweltansichten verhinderten die Diskussion theoretisch zugespitzter Sachverhalte. Da nutzten auch die Versuche des Moderatoren nicht, ein paar Gegensätze herauszukristallisieren. Statt auf unterschiedliche Ansichten über die Verbreitung des Rassismus in der BRD und darausfolgender Schlüsse über die Richtung eigener politischer Ansätze (der BesetzerInnen) einzugehen, wurde dann lieber die Sitzanordnung kritisiert oder der Frauenanteil an den Diskussionsbeiträgen bemängelt. Oder aber weiter der selbstlosen Erfahrungsmitteilung gefrönt. Da dies auch in der Kneipe oder an anderen Orten geht, wurde die Eröffnungsveranstaltung beendet und es begann der Teil des Kongresses, der mit dafür verantwortlich war, daß am nächsten Morgen die Arbeitsgruppen erst mit erheblicher Verspätung beginnen konnten (Konzerte, House-Party usw.). Aber auch andere - organisatorische - Schwierigkeiten beeinflußten die Arbeitsweise der Arbeitsgruppen am nächsten Tag. Teilweise fehlten Schlüssel für Räumlichkeiten oder diese entsprachen nicht den Anforderungen der TeilnehmerInnen. Ebenfalls wurde die ungenügende Vorbereitung von ArbeitsgruppenleiterInnen kritisiert, wobei die Beurteilung dieser insgesamt sowieso sehr unterschiedlich ausfiel. Der Anspruch ergebnisorientiert zu arbeiten konnte jedenfalls nicht verwirklicht werden und Abschlußpapiere oder Protokolle wurden kaum oder nur unzureichend angefertigt. So standen dann auch die Personen, die die Abschlußveranstaltung vorbereiten sollten vor der schweren Aufgabe, einen inhaltlichen Überblick über die Schwerpunkte der Diskussion in den Arbeitsgruppen zu geben. An die Formulierung eines Arbeitsgruppen- übergreifenden Thesenpapieres war in dieser Situation nicht zu denken. D.h. jedoch nicht, daß alles umsonst gewesen wäre. In der Arbeitsgruppe Verweigerungshaltung und Freiraumkultur wurde der Widerpsruch aus der Eröffnungsveranstaltung aufgenommen und auch in der AG Kiezpolitik und Öffentlichkeitsarbeit wurden Grundsätze diskutiert. Die AG’s Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen und BesetzerInnenräte waren eher von einem konstruktiven Erfahrungsaustausch geprägt (siehe Essentials). Das Abschlußtreffen im Conne Island interessierte nur wenige und hatte auch ein eigenartiges Feeling. Alle setzten sich auf die hinteren Treppen und erwarteten von dem auf dem Podium vertretenen Person der Vorbereitungsgruppe die inhaltliche Zusammenfassung und daraus folgende Schlüsse des Kongresses. Doch die Vorbereitungsgruppe konnte nur einige Essentials präsentieren und gebliebene Widersprüche konstatieren. Im Gegenzug erkannten TeilnehmerInnen ihre eigene KonsumentInnenhaltung und die der anderen oder aber machten das „starre“ Design der Räumlichkeiten (Stuhlreihen, Podium usw.) für fehlende Diskussionen verantwortlich. Ansonsten zeigten sich die meisten zufrieden, lobten das kulinarische Angebot oder den organisatorischen Ablauf. Im großen und ganzen Friede, Freude, Eierkuchen und ziemlich unspektakulär. Für spektakuläres sorgten die BewohnerInnen der Stö. Diese sahen den Kongreß eher von der praktischen Seite und nutzen ihn, um die Straße aufzuhacken und Bäume zu pflanzen. Der bayrische Einsatzleiter der Polizei und das Ordnungsamt sahen darin einen Strafttatbestand und ersterer lies es sich nicht nehmen, jene Begrünungsaktion fotografisch festzuhalten. Ach so, Polizei. Jene provozierte im Gegensatz zu vorher getroffenen Absprachen in altbekannter Manier. So wurde im Schritttempo aller fünf Minuten an der Stö vorbeigefahren und dabei Autonummern notiert. Es wurden durch den Staatsschutz Wohnungen in der Nähe der Veranstaltungsorte angemietet und Kameras entlang der Demoroute postiert. Die Hotline zum Einsatzleiter funktionierte dabei eher schlecht als recht und wenn, dann wurde nur nach mehrmaligen Aufforderung und Drohungen „unsererseit“ reagiert. Fast genauso belastend wie die Polizei erwies sich die Presse. Zwar gab es ein Konzept im Umgang mit jener, welches beinhaltete, daß ein Extra-Presse-Büro den Kontakt mit den Medien koordinierte, daß nur in Begleitung mit Leuten aus der Vorbereitung Fotos gemacht werden durften und es spezielle Interviewtermine gab. Aber die Masse der PressevertreterInnen waren in ihrer Suche nach dem Besonderen und den Anzeichen für den „Krawall“ doch eher nervend (Ausnahmen bestätigen die Regel). Die nachträglichen Veröffentlichungen bewiesen jedoch, daß das Konzept aufging, ein Veriß und stumpfe Stigmatisierungen wurde durch das Entgegenkommen unterbunden und der theoretische Charakter des BesetzerInnenkongresses wurde allgemien zur Kenntnis genommen und akzeptiert. Zum Abschluß bliebe noch zu bemerken, daß das Interesse der LeipzigerInnen am Kongreß ziemlich gering war. Abgesehen von HelferInnen nahmen nur wenige an Veranstaltungen und Arbeitsgruppen teil. Im Conne Island erfolgte darüber in Ansätzen eine kritische Betrachtung, bei der festgestellt wurde, daß zwar teilweise Interesse vorhanden ist, meist aber der subkultureller Freiraum nicht als Ausgangspunkt für politische Aktivitäten, die den Freiraum auch absichern und abgrenzen können, begriffen wird. Schade eigentlich, spricht doch das ungenügende Interesse auch dafür, daß sich die Leipziger Szene in nächster Zeit nicht vergrößern wird und weiterhin nur Absicherungspolitik des Bestehenden betrieben werden kann. Das theoretische Bekenntnis zum Interventionsmittel Besetzung, egal ob mit subkulturellen oder politischen Background, nützt nichts, fehlen die, welche es in die Tat umsetzen. Übrigens gab es einige Scheinbesetzungen während des Kongresses, die von den Medien und der Polizei verschwiegen wurden, aber zum Teil sich über eine Woche halten konnten. Tja, so wird wohl der nächste Höhepunkt der (Ex-)BesetzerInnen in Leipzig der nächste Kongreß sein und nicht die Etablierung eines neuen Projektes und das obwohl eine Menge Häuser und Fabriken nur darauf warten, bezogen zu werden.

ulle

Essentials aus den Arbeitsgruppen

Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen.
  • Sie sind nur lokal und konkret zu klären.
  • Es gibt keine übergreifenden Schemen.
  • Ein Rückgriff auf den Erfahrungsschatz anderer Häuser und Projekte ist aber wesentlich und entscheidend, um schon einmal gemachte Fehler soweit wie möglich auszuschließen.
  • Wer der Meinung ist, er brauche sich nicht mit rechtlichen Möglichkeiten und Grenzen auseinanderzusetzen - diese gar von vornherein ablehnt - ist zum Scheitern von Besetzungen verurteilt.
  • Sollte eine Auseinandersetzung nicht geschehen, ist die Besetzung nicht mehr als eine verpuffende Protestform ohne Perspektive.
BesetzerInnenräte.
  • Sind geprägt vom Wunschdenken bezüglich idealer Arbeitsweisen.
  • Spaltung der Gruppen macht Kontinuität unmöglich.
  • BesetzerInnenräte sind nach wie vor ein wichtiges Instrumentarium
  • haben jedoch überregional keine Bedeutung.
  • Überregionaler Vernetzungsaufbau ist auf dieser Ebene nutzlos.
  • Ohne Arbeitsstrukturen haben Räte keinen Sinn - sind nur Selbstzweck, Podium zur Selbsdarstellung.
  • Kiezbezug ist unvermeidlich da Kommunalpolitik stadtteilorientiert arbeitet.
Kiezpolitik und Öffentlichkeitsarbeit.
Bezieht sich Kiezpolitik auf den Stadtteil oder auf sich selbst und somit das SymphatiesantInnenumfeld?
  • Selbe Frage steht für Öffentlichkeitsarbeit.
  • Der Erhalt des eigenen Mythos ist wichtig.
Perspektiven
  • Besetzung als Mittel zum Zweck oder Zweck an sich?
  • Öffentlichkeitsarbeit einziger Weg um Repressionen punktuell ins Leere laufen zu lassen.
  • Besetzungen dürfen den Blick für die sozialen und politischen Realitäten nicht verlieren.
  • Die Nischen sind grundsätzlich eine Sackgasse.
Verweigerungshaltung und Freiraumkultur
Fragen die erörtert wurden:
  • Gegen wen grenze ich mich ab?
  • Wie ist der Zustand gesamtgesellschaftlich?
  • Was subsumiert sich perspektivisch unter BesetzerInnenbewegung (wie eng ist Begriff Besetzung zu verstehen)?
  • Ist Besetzung ein konstruktiver Politikansatz oder destruktiv?
  • Sind Freiräume existent - wird es sie geben können?
  • Wo ist der Weg aus der Sackggasse Nische?
  • Wo liegt die Zukunft (als subkulturelle Zentren oder Ausgangspunkt für soziale Kämpfe)?
  • Inwieweit läßt sich ein revolutionärer Politikansatz verwirklichen - revolutionär versus destruktiv?
  • Verlangen Besetzungen als Rahmen den antirassistischen Konsenz?
  • Welche Strategien verlangt die mögliche Aufnahme eines Kulturkampfes (kulturelle Hegemonie)?
  • Wo liegt der Unterschied zu den 80igern? (homogen damals - heterogen heute?)
  • Wer muß intern für die Abgrenzung sorgen?
    * Betreiberkollektive selbst
    * subkulturelle Peripherie besetzten Infrastruktur als Zentrum
behandelte Themen
  • Es gibt einen subkulturellen Hintergrund (historisch).
  • Völlig autarke Freiräume gibt es nicht.
  • Die Zukunft muß immer stärker als Zentrum politischer und kultureller Intentionen verstanden werden.
  • Die Subsumierung von Besetzungen als politischer Begriff muß neu verortet werden.
  • Es muß klar sein, wenn Perspektive vorhanden sein soll wo die Grenze der Verweigerung verläuft:
  • Soll es Bündnispartner geben, die außerhalb von Subkultur liegen?
  • Grenzt man sich von einem rassistischen Grundkonsens in der Bundesrepublik ab?
  • Die Politisierung braucht Kontinuität, die Innovation ermöglicht, um nicht statisch zu sein.
  • Bei Besetzungen müssen Kollisionen mit den üblichen Werten von Wohnverständnis als gegeben betrachtet werden.
Die BesetzerInnnenbewegung braucht den antirassistische Konsens!

Kritik an diesen Diskussionen: Es wurde unhistorisch diskutiert.


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last modified: 28.3.2007