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Sabinchen saß
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Bei den Eltern geht es ähnlich zu: In jedem Fall: nur bitte keine Analysen!... Unter der Regie der Moderatorin gibt es nur ein Schlussfolgerungsmodell, das allein wegen seiner Schlichtheit fasziniert. Und das funktioniert etwa so: Es gibt Arbeitslosigkeit. Also ist Arbeit zu teuer. Etc. Die Bemerkung fasst alles zusammen. So kurz und präzis beschreibt Walter van Rossum den seit knapp einem Jahrzehnt erfolgenden sonntäglichen Aufmarsch jener schon seit ihrer Zeit als Tagesthemen-Moderatorin als Wissendomina (Ich hab die news, du kleine Drecksau) bekannten Sabine Christiansen. Doch Rossum macht aus der einen zusammenfassenden Bemerkung ein Buch, was immer die Gefahr birgt, dass es fuchtelig gerät, keine Wiederholung auslässt und die vormals kleine richtige Bemerkung nun plattgewalzt und sehr gestreckt daliegt. Insbesondere das Anhängen der Abschnitte Irak und Möllemann, die von einer selektiven Wahrnehmung geprägt sind, verdoppeln zwar den Umfang des Werks, schaden aber dem Anliegen des Autors. Es ereilt einem beim Lesen der Gedanke, Rossum wünscht sich eine sozialdemokratische Regierung, sozialdemokratisch im Sinne von sozialreformerisch, eine völlig irreale Vorstellung also. Und weiß doch bestimmt, dass er sie nicht bekommen wird. Genau dies aber ist das Traurige beim Sehen dieser wöchentlichen Zurichtung im Herrenpark der Besitzstandswahrer der Frau Sabine: man erwischt sich immer öfter beim Wunsch nach dem kleineren der großen Übel. Einerseits wird hier die Demokratie simuliert, gleichsam unterwegs soll dabei der Bürger zur Zustimmung zu gewaltigen Zumutungen überredet werden. Andererseits lassen sich die Herrschaften dabei auch ordentlich in die Karten sehen... Und das System wird sich mit Sicherheit nicht ändern, sondern Dutzende Reformen an bestimmten Stellen werden das bewirken, was sie von Anfang an bewirken sollten: eine höllische Systemverschärfung. Es ist nicht ganz leicht zu verstehen, wie Wirtschaft funktioniert oder ob sie überhaupt funktioniert. Rossum, der hier ein Konzentrat von der allsonntäglichen Enthumanisierung des Menschen durch den Menschen vorlegt, ist ein Christiansen-Seher, nicht durchgeknallt ist wie die auftretenden wirtschaftlichen Paten und deren gewaltbereite Claque in Form des Publikums, die in quasi religiös-halluzinogen verzückte Raserei während des Gottesdienstes der Unmenschlichkeit verfällt, weil Rossum, ganz im Gegenteil zu Herrschafts, Eins und Eins zusammenzuzählen weiß. Bei allen Einwänden, und obwohl das Büchlein mit Verzweiflung über Zustände und Zuständige geschrieben ist, ist es doch weit von den Auswürfen des Nationalpopulisten Oskar Lafontaine Die Wut wächst, entfernt. Und sollte Rossum gegen ein Geschwür bzw. den Ekel danach angeschrieben haben, so ist ihm das hoffentlich gelungen. Einsicht aber, das gibt er im Interview zu, erwartet er nicht. Gunnar Schubert |
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