home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt | [118][<<][>>] |
Wenn Deutschland,
| |
Das alte Jahr war turbulent zu Ende gegangen. Leider kam die Aufhebung des Earth-Crisis-T-Shirt-Verbotes im Conne Island für mich zu spät. Schon vor Jahren hatte ich mein, für damalige Szeneverhältnisse recht schickes Shirt, in einem abgelegenen Kleidercontainer entsorgt, als ich in Kontakt mit den Texten des homophoben Abtreibungsgegners Karl Büchner gekommen war, der bei besagter Band das Mikro hielt. Nicht, dass ich die Abschaffung der Tierindustrie nicht für wichtig oder Fleisch gar für ein Nahrungsmittel halten würde, aber dass nicht jeder faschistoide Spinner Songtexte schreiben sollte, ist ja nicht erst seit Paul van Dyk und Peter Heppner klar. Mit etwas anderen Texten hat sich die Redaktion der Zeitschrift Feierabend!, einem libertär anarchistisches Monatsheft aus Leipzig, nach jahrelanger Hinhaltetaktik nun doch endlich der zugegeben von mir nicht unbedingt uneingeschränkt geteilten antideutschen Forderung nach dem Bruch mit der Linken gebeugt. Anfangs noch zögerlich, stellt sich die erwähnte Redaktion auch auf Nachfrage geschlossen hinter ein übel antizionistisches Pamphlet in der Ausgabe 14 ihres Blattes. In dem Artikel, welcher weit ausführlicher über die gruselige Gedankenwelt des Autors v.sc.d als über die angeblich
AntisemitInnen ganz anderer Couleur haben im neuen Jahr einen vollen Terminkalender. Zum ersten von mehreren, in diesem Jahr stattfindenden Jubiläen, findet sich am 13.Februar in Dresden der pluralistische Trauermob zusammen, um der Opfer der angloamerikanischen Luftterroristen zu gedenken. Dass zu diesem Anlass jährlich einer der größten Naziaufmärsche stattfindet, ist dabei nicht verwunderlich. Gleicht sich doch bei aller Differenz die zwischen den marschierenden NationalsozialistInnen, den trauernden BürgerInnen und dem besorgt-liberalen Dresdener Friedenskreis die Perspektive auf die Geschichte. Im Zentrum der Erinnerung steht niemals die Shoah oder die deutsche Barbarei im Allgemeinen, die der Bombardierung bekanntlich vorausging. Im Blick ist stets nur das so genannte deutsche Opfer Auschwitz dagegen höchstens eine Randnotiz. Trotz aller sozialdemokratischen Schuldannahme, aus der selbstverständlich ausgleichend immer eine größere Kompetenz und Verantwortung für Deutschland folgen müsse, ist es Deutschen nach wie vor unmöglich, an Dresden als das zu erinnern, was die Bombardierung für GegnerInnen des Nazireiches war: Ein Symbol für die sich abzeichnende Niederlage Deutschlands und ein Hoffnungsschimmer für die wenigen Überlebenden und ihrer Befreiung harrenden Jüdinnen, Juden und alle anderen, die der Vernichtung durch die Deutschen bislang entgangen waren. Wem an diesem Tag in Dresden gedacht werden sollte, das sind die alliierten Bomberpiloten, die ihr Leben gaben, um die deutsche Vernichtungsmaschine aufzuhalten, und den Kriegsgefangenen, die nicht in die deutschen Luftschutzkeller durften. Angesichts der Millionen von Opfern, für welche die alliierten Bomben zu spät kamen, bleibt jede Träne für das Leiden der Täter eine ungeheuerliche Verhöhnung der wirklichen Opfer. Die perfide Enteignung der Erinnerung der Opfer nimmt dabei immer unerträglichere Ausmaße an. Die Projektion shoah-spezifischer Kategorien auf die Deutschen lässt beispielsweise in Jörg Friedrichs Der Brand Luftschutzräume zu Krematorien und die Opfer der Luftangriffe zu Ausgerotteten werden. Dem deutschen Erinnerungs- und Trauerkollektiv(2), dass in Dresden auch am 13.Februar eben nur zu einem wenig bedeutenden Teil aus marschierenden Nazis besteht, sich entgegenzustellen, sollte für AntifaschistInnen eine Selbstverständlichkeit sein. Die Vorbereitungen für ein ereignisreiches Wochenende laufen bereits(3) und insgeheim wage ich zu hoffen, im Februar in Dresden auch Earth-Crisis-T-Shirt tragende Hardcorekids und vielleicht sogar libertäre AnarchistInnen zu treffen. Marcel Frost Fußnoten (1) Wer mehr über Rezo Kasztner oder die Organisation Waad erfahren möchte, dem sei der auch sonst sehr aufschlussreiche Text von Falko im Incipito Nummer 15, Nichts ist unmöglich Feierabend! wärmstens empfohlen. (2) Ausführlichere Erläuterungen zu aktueller deutscher Erinnerungspolitik und eine gute Textsammlung bietet die Ausgabe 9 der Phase 2 German Gedächtnis Die Europäisierung der deutschen Geschichte (http://www.phase-zwei.org/). (3) www.frauenkirche-abreissen.tk |
|