home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt | [117][<<][>>] |
![]() ![]() Radikale antifaschistische Praxis? |
![]() |
![]() Da eine Aufhebung der kapitalistischen Produktionsverhältnisse derzeit in den Sternen steht, die Bekämpfung von Faschisten aber eilt, ist praktischer Antifaschismus derzeit auf Schadenbegrenzung innerhalb derjenigen Verhältnisse verwiesen, die den Schaden mitverantworten. Gegenwärtiger antifaschistischer Praxis voranstehen, sollte also zum einen das Wissen um die antifaschistische Ohnmacht, die dort beginnt, wo der Antifaschismus radikal würde, und zum zweiten das Wissen um den Kompromiss mit den herrschenden Verhältnissen, in dem sich jeder praktische Antifaschismus derzeit per se befindet. ![]() Es ist der Moment der so wohltuenden wie eingebildeten Allmacht, wenn im Dunkel der antifaschistische Marsch durch eine von der Antifa gerade ins Visier genommene ostdeutsche Kleinstadt stattfindet: die Reihen festgeschlossen, starke Parolen auf den Transparenten und aus gemeinsamer Kehle, uniformer Kleidungsstil, hin und wieder ein, das Dunkel zerschneidender und die hässliche Kleinstadt erhellender, Pyro. Schließlich kommt es zum Kampf mit den Nazis, oder aber mit der Polizei, oder aber gar nicht. So wird die bitter notwendige Praxis gegen die Nazis, die weite Teile der ostdeutschen Provinz nach wie vor im Griff haben, ein wenig zu einem Indianerspiel (Robert Kurz) aufgepeppt. Angst wird dabei weggedrückt und vorerst nur vom Körper im Adrenalin thematisiert. Sie kann psychisch erst in zig Kneipengesprächen indirekt verarbeitet werden, in denen die haarsträubenden Erlebnisse als coole Storys wieder und wieder durchgearbeitet werden. Klar: harte Zeiten erfordern harte Menschen. Die Frage aber ist: Wie hart müssten die paar hundert radikalen Antifas kämpfen, denen Hunderttausende NPD-Wähler ob Papi mit Schnauzbart oder jugendlicher Straßenkämpfer, alles Feinde eines menschenwürdigen Daseins, die auf ihre jeweilige Art und Weise den Fremden das Leben zur Hölle machen wollen allein in Sachsen gegenüber stehen? Polemisch könnte gegen die radikale Antifa auch gefragt werden: Sind diejenigen, teilweise von der radikalen Antifa als peacig oder zivilgesellschaftlich verschrieenen, antifaschistischen Initiativen vor Ort, die kontinuierlich über Jahre umgeben von brauner Scheiße gegen eben diese arbeiten, nicht viel radikaler? Schließlich erleben die Aktiven solcher Initiativen jeden Nachhauseweg in ihrem Nest unter Adrenalin, das die aus mondäneren Gegenden anreitende radikale Antifa maximal jedes Wochenende unter Strom setzt. Schließlich erzielen solche Initiativen durch ihre kontinuierliche aufopferungsvolle Tätigkeit, die keineswegs in einem günstigen Verhältnis zu den Resultaten steht, nachhaltigere Resultate als die völlig überforderte radikale Antifa, die jedes Wochenende in einer anderen sächsischen Kleinstadt eine Demo machen müsste, um zumindest einmal im Jahr an all den sächsischen Orten gewesen zu sein, wo es notwendig wäre. Dass sich die zivilgesellschaftlichen Initiativen aufgrund kommunaler Finanzierungen und kommunaler politischer Unterstützung, auf die sie angewiesen sind, gewollt oder ungewollt mit der Zeit zu kommunalen Verantwortlichen entwickeln, die, schlecht totalitarismustheoretisch, auch vor linksradikaler Gewalt warnen und nicht mit der Antifa in Verbindung gebracht werden wollen, soll hier nicht verschwiegen werden. Weder das Konzept Vermummung noch das Konzept Gesicht zeigen waren und sind erfolgreich. Der Vorschlag zur Güte, den Gunnar in dieser CEE IEH-Ausgabe unterbreitet, ist kaum umzusetzen. Vielleicht ist die Forderung nach einer Abspaltung der sächsischen Schweiz aber immer noch näher an einer pragmatischen Lösung dran als die radikale Praxis der freiwilligen Antifa-Feuerwehr oder die Kerzenlichter gegen Rechts in den sanften Händen von Zivilgesellschaftlern. Dass solche Initiativen und die radikale Antifa wenig zusammenpassen, ist eher eine Frage des Stils und der Sicherheit als der Radikalität. Die Aktiven zivilgesellschaftlicher Initiativen werden von dem schlichten Konsens, gegen Nazis zu sein, zusammengeschweißt, was sie in ihren Ortschaften zu potentiellen Radikalen und Opfern und vor der Antifa zu potentiellen Spießern werden lässt. Solche Initiativen agieren aus keinem sicheren Hintergrund heraus, sondern vielmehr aus einer Angst, die sie immerfort in eine so verständliche wie mitunter strategisch abträgliche Defensive drängt, während die radikale Antifa sich radikal dünkt und aus diesem Dünken und ihrem sicheren Hintergrund gar nicht abzuschätzen gewillt ist, welche Strategie im von ihr erwählten Ort politischer Intervention zuträglich ist(1). Die Antifa hat ihre gängigen, nämlich radikalen, also kraftmeierischen Methoden, die auf jede Situation zu passen haben. Dass sie mitunter passen, ist dann genau so zufällig, wie dass sie mitunter nicht passen. Auf der Veranstaltung der Jungle World namens Antifa, Hahaha in diesem Herbst in Leipzig ist der Vertreter des Leipziger bgr die anstehende Problematik Was tun gegen Nazis? durch eine Reflexion auf die Vergangenheit treffend angegangen. Das Paradekonzept gegen Nazis gab und gibt es nicht, wusste und sagte er. Dieses Faktum und zusätzlich die Reflexion auf eine fehlende radikale antifaschistische Praxis, die durch keine pseudo-radikale Kraftmeierei verhüllt werden darf, müssten genügen, um gegen die Nazis mit demokratischen Initiativen vor Ort unvoreingenommener gemeinsame Inhalte, eine gemeinsame Strategie und einen gemeinsamen Stil zu diskutieren, die deswegen noch lange nicht zustande kommen müssen, und darüber hinaus wahre Radikalität vorerst im kritischen Gedanken und der Aufklärung über die falschen Verhältnisse walten zu lassen, deren Abschaffung hoffentlich eines Tages, der so sicher wie der Messias kommt, ansteht. Hannes Fußnote (1) Ein wenig drängt sich der Vergleich zur Intervention der Alliierten im Irak 1991 auf. Diese hatte zwar von den Anfängen bis zu den Konsequenzen eine völlig andere Dimension, ließ aber nach dem militärischen Säbelrasseln die Kurden im Irak so ungeschützt vor den Racheakten der Baathisten zurück, wie manche antifaschistische demonstrative Aktion die lokalen Punks, Migranten etc. in dem braunen Schlammassel zurücklässt, dem die Aktion galt. |