Die deutsche Außenpolitik ist weder militaristisch, revanchistisch
noch nationalistisch
Von Sören Pünjer
Dieser Text wurde zu einem Zeitpunkt verfaßt,
zu dem sich Berliner Gruppen namens Antifaschistische Linke, Fels oder
Autonome Kommunisten aufgemacht haben, wie einstmals die KPD Ende der 20er
Jahre aus der gesellschaftlichen Krise den Schluß zu ziehen, jetzt erst
recht dem Volke dienen zu wollen. Aktionstage für sozialen
Widerstand finden im Vorfeld des 1. Mai statt. Gegen Bonzen, Reiche und
Schöne, gegen Selbstbereicherung auf Kosten der Allgemeinheit,
gegen parlamentarische Quatschbuden, wie man es ähnlich in Hitlers
Mein Kampf nachlesen kann und zur Diffamierung Marxscher Kritik als
hirnwaschende Diskurse. Das ganze Arsenal an Hass und
Ressentiments, mit dem einst die KPD dem Nationalsozialismus zum Aufstieg
verholfen hat, bekommt man derzeit zum Glück als infantile Farce
vorgeführt. Wer schon immer mal praktisch nachvollziehen wollte,
wie deutsche Linke den Steigbügelhalter des Nationalsozialismus machen
konnten, der kann dies gegenwärtig im Gruselkabinett, das sich Berliner
autonome Szene nennt, erleben. Unter dem Motto Alles für alle
wird die Abschaffung privaten Reichtums durch Zwangskollektivierung
eingefordert, wie es die Bolschewiki sich immer wünschten, wird die
Freiheit des Einzelnen bekämpft und an die kollektive Gerechtigkeit
appelliert, von der man wissen muß, daß ihre Verwirklichung
in Deutschland notwendig in der Volksgemeinschaft mündet. Diese Linken
wollen es nicht wissen. Weil sie nichts, aber auch gar nichts weder vom
italienischen Faschismus noch vom deutschen Nationalsozialismus begriffen
haben, treibt sie ihre widerwärtige Sehnsucht nach dem postnazistischen
Wohlfahrtsstaat reihenweise um. Die kaum faßbare und vielleicht ja
deshalb von links verdrängte Ungeheuerlichkeit, daß der Wohlstand
der Bundesrepublik auf den Leichenbergen von Auschwitz beruht und die Deutschen
mit dem Marshallplan bestraft wurden, macht all jene zu Komplizen
deutscher Erinnerungskultur, die heute dagegen protestieren, daß den
Deutschen die Verzinsung ihrer eigenen Verbrechen unter dem Erhardschen Motto
Wohlstand für alle immer schwerer fällt. Wer den
deutschen Sozialstaat verteidigt, in dem er gegen Sozialraub hetzt,
macht Auschwitz post festum zu einer lohnenden Investition in die
Nachkriegsordnung und ist Teil des deutschen Problems: dem kollektiven
Opfermythos, der kein Ich als handlungsfähiges Subjekt neben sich duldet
und individuelle Selbstverantwortung wegdeligieren will. Dieses
Kollektivbewußtsein, das bei Linken schon immer im Haß auf jede
Form individueller Freiheit und privatem Wohlstand gipfelte, hat sich zwar der
Form halber geändert, nicht aber der Substanz nach. Die kollektive
Aggression bis 1945 ist heute, nicht zuletzt dank der 68er Neuen Linken, einer
Regression gewichen, die sich auch in der rot-grünen Politik spiegelt, die
so populistisch und volkstümlich ist, wie es nur eine Regierung
hinbekommt, deren Mitglieder voller Stolz mit ihren linken Biografien und ihrer
antifaschistischen Erziehung hausieren gehen können und damit en passant
das verinnerlichte Koordinatensystem einer Linken zum Einsturz bringen, die,
unfähig zur Selbstkritik, nur als Spiegelbild der Rechten
existieren kann und deshalb bis zum Hals im linken Morast steckt.
Begriff und Wirklichkeit
Als junger Mensch wird man in Deutschland in dem Ungeist erzogen, daß
Krieg an sich schlecht und Nationalismus immer die Vorstufe oder eine
Form von Faschismus ist. Diese falsche Erziehung ist eine, die es dem
Individuum ungemein erschwert, das Allgemeine und Besondere in Relation
zueinander zu setzen, also als kritisches Subjekt die Gegenstände sich
anzueignen. Aus der Not, in Kriegen und Nationalismus nichts anderes erkennen
zu können als immerzu Vernichtung und Faschismus, wurde längst eine
Tugend: der pazifistische Sozialcharakter nach Auschwitz wurde zum
antiimperialistischen Exportschlager. In jedem Nationalisten wird ein
potentieller Nazi gesehen, solange er nicht den Unterdrückten-Status
zugesprochen bekommt, den nur erhält, wer nach Blut-und-Boden-Kriterien
als Opfer von Imperialismus und Krieg gilt. Gerade weil die Deutschen
unfähig sind, die Welt in ihren Besonderheiten wahrzunehmen, geben sie
sich über sie moralisch erhaben und treten allerorts als ehrliche Makler
auf, die aus ihrer Geschichte gelernt hätten und nur Gutes wollten. Eike
Geisel schrieb dazu: Mit dem beständigen Hinweis (...), daß
Deutschland aufgrund seiner eigenen Geschichte eine besondere und weltweite
Verantwortung für den Frieden habe, soll vor allem eine deutsche
Errungenschaft der jüngeren Geschichte vergessen gemacht werden: daß
nämlich der einzige deutsche Beitrag zur Zivilisation im 20. Jahrhundert
darin besteht, den Krieg als Mittel der Politik eben nicht abgeschafft,
sondern im Gegenteil ihn als Sachwalter der Humanität überhaupt erst
möglich gemacht zu haben. ( Die Banalität der Guten, 1992,
S.121f. Hervorh. i. O.) Es kann nicht verwundern, daß man in einem
Jungle World-Leserbrief gegen das öffentliche Zeigen der
Israelfahne folgendes liest ein Benny schreibt: Die
Begriffe Nation und Staat schaffen erst die Ausgrenzung, die Autorität und
letzten Endes den Rassismus. (13/04) Dieser Benny ist ein
deutscher Musterknabe par excellence: links und antinational wie es sich
für das neue deutsche Selbstbewußtsein gehört. Daß
Begriffe die Wirklichkeit hervorbringen und nicht die Wirklichkeit den
Begriff, ist ein Klassiker des deutschen Idealismus, wie man ihn als
postmoderne Tragödie in der antinationalen Rede von Nation und
Staat als Konstrukte wiederfindet oder in tautologischen
Wortungetümen wie Identitätskonstruktion oder
Geschichts- bzw. Feindbildkonstruktionen. Es verwundert
nicht, daß Benny offensichtlich kein Bewußtsein davon
hat, daß Begriffe immer Abstraktionen von einer Sache sind und nicht die
Sache selbst, daß er in Nation und Staat also nur die Fratze
seines eigenen deutschen Vaterlandes erkennt wie sonstige antinationale Linke
auch, die von Konstruktionen schwafeln, als gäbe es auch
unkonstruierte, eigentliche und subjektlose Geschichte oder Identitäten.
Wie es in Benny und anderen Antinationalen denkt, ist prototypisch
im Mutterland des ontologischen Bedürfnisses, in dem man auch felsenfest
davon überzeugt ist, daß Kulturen an sich genauso
friedlich sind wie alle Religionen. Laut einer Umfrage der Financial Times
Deutschland (31.1.04) unter gutverdienenden Bürgern mit
Hochschulabschluß, also in einem Milieu, das man gemeinhin die
Elite eines Landes nennt, bekannten die Befragten, daß statt der eigenen
nationalen Regierung die NGOs als vertrauenswürdigste Institution
gesehen werden: 66 Prozent halten Amnesty International für
besonders vertrauenswürdig, Greenpeace 62 Prozent und den World Wildlife
Fund 58 Prozent. Das sich darin manifestierende antinationale Bewußtsein
einer Schicht, aus der sich in anderen westlichen Staaten traditionell die
nationale sogenannte politische Klasse rekrutiert, kann erklären helfen,
warum die deutsche Politik offensichtlich weniger aus traditionell nationalem
Interesse agiert, denn aus einem tendenziell anti-nationalen Macht- und
Souveränitätsverzicht heraus handelt. Statt einer rationalen
Machtpolitik herrscht eine Art von Infantilismus vor, den Joseph Fischer so auf
den Punkt bringt: Wir müssen eine neue Weltordnung schaffen, die
nicht von denen definiert wird, die die Macht haben. (taz,
1.11.03)
Um so mehr man in Deutschland von einer Verantwortung aus bzw. vor
der Geschichte redet, desto mehr geht man mit der eigenen pazifistischen,
antimilitaristischen Gesinnung verantwortungslos hausieren. Dieses regressive
Moment des deutschen Sozialcharakters offenbart ein moralisches Bündnis
des deutschen Staates mit seiner Linken, wie man es bis zum Machtantritt von
Rot-Grün nicht für möglich gehalten hat. Der deutsche
Friedensweg konterkariert all das linke Gerede von einer angeblichen
Militarisierung deutscher Außenpolitik und gibt es im Abgleich mit der
Realität geradezu der Lächerlichkeit preis. So meint die Rede
über ein Deutschland, das angeblich wieder Kriege führe,
wieder nach der Weltmacht griffe, etwas völlig anderes. Es
drückt den linken Wunsch aus, Deutschland solle nicht das werden, was die
Amerikaner spätestens seit 1945 seien: machtpolitisch, imperialistisch,
nationalistisch, eben die Nazis von heute. Das pazifistische und
antimilitaristische Deutschland nach 1945 paßt den Linken bis heute nicht
in das ideologische Konzept, weil man sich nicht für Besonderheiten,
sondern nur für antinationale Allgemeinplätze interessiert. Es ist
das linke Dilemma, sich nicht einmal auf der Höhe der amerikanischen
Neonkonservativen bewegen zu können und gerade deshalb keinen Begriff von
einer deutschen Politik zu haben, die tatsächlich wegen Auschwitz handelt.
Um den Hauptfeind erkennen zu können, müßte man die Wahrheit
anerkennen, die der Neocon Robert Kagan so formuliert und die den
entscheidenden Hintergrund für das deutsche außenpolitische Agieren
abgibt: Die Zähmung und Integration Deutschlands ist (...) die
bedeutendste Leistung Europas weltgeschichtlich betrachtet vielleicht
sogar die größte Errungenschaft internationaler Politik
überhaupt. Einige Europäer, wie (der deutsche Außenminister
S.P.) Fischer, erinnern an die zentrale Rolle, die die Vereinigten
Staaten bei der Lösung des deutschen Problems spielten.
Weniger gern erinnert man sich daran, daß die militärische
Zerstörung Nazi-Deutschlands die Voraussetzung für den späteren
Frieden in Europa war. Vielmehr möchten die meisten Europäer gern
glauben, daß es ein Wandel des europäischen Denkens, des Geistes,
gewesen sei, der die neue Ordnung ermöglichte. (...) Die
Tatsache, daß die Militärmacht der USA das europäische Problem
und insbesondere das deutsche Problem gelöst
hat, gestattet heute den Europäern, zumal den Deutschen, zu glauben, die
amerikanische Militärmacht und die strategische Kultur, die
sie geschaffen und aufrechterhalten hat, sei überholt und gefährlich.
(...) Fischers zentrale Behauptung Europa habe das alte System der
Machtpolitik hinter sich gelassen und ein neues System entdeckt, um den
internationalen Frieden zu wahren wird in Europa weithin geteilt.
(Macht und Ohnmacht, 2003, S.67 u. 86)
Praktische Politikwissenschaft
Solche ideologiekritischen Einsichten will man in der Gruppe Kritik&Praxis
Berlin (KP-Berlin) nicht zur Kenntnis nehmen und poltert deshalb munter drauf
los, wie es sich für vom Genossen Wolfgang Fritz Haug und anderen
Altvätern geschulte Basis-Überbau-Denker gehört: Die
unterschiedlichen Varianten (der) weltweiten Konkurrenz haben mehr mit
politischer Macht als mit unterschiedlichen Philosophien zu tun. So
heißt es im Brustton vulgärmaterialistischer Überzeugung im
Aufruf für eine antieuropäische Demonstration in Berlin am 30. April
2004, in dem zur Beteiligung an einer linken antisemitischen Manifestation
gegen ein WEF-Treffen in Warschau geworben wird und Lügen verbreitet
werden, damit das antirassistische Feindbild stimmt, also die Behauptung
aufgestellt, daß auf bloßen Verdacht eines terroristischen
Hintergrundes (...) Ausweisung(en) von zugewanderten Ausländern
vorgenommen würden und milliardenschwere Programme für die
innere Sicherheit am Laufen wären.
Apologeten des Vulgärmaterialismus á la KP-Berlin können
notwendig nicht verstehen, daß beispielsweise weder die Amerikaner noch
die Deutschen mit ihrem Agieren im Mittleren und Nahen Osten hauptsächlich
ihre wie es immer so schön heißt
ökonomischen Interessen durchsetzen, sondern dies in der
Hauptsache gerade nicht tun. Denn weder rentiert sich der Irakkrieg für
die Amerikaner wirklich, noch der Dialog der Kulturen für die
Deutschen nach einer betriebswirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Rechnung. Eine
regelrechte Lachnummer ist es deshalb, wenn man zur Begründung des
deutschen Verhaltens während des Irakkrieges meint, das Nein der deutschen
Regierung hätte seinen eigentlichen Grund in dem Versuch,
deutschen Einfluss und deutsches Kapital vor den Amerikanern zu retten.
Voraussetzen würde dies nämlich, es hätte beides überhaupt
in erheblichem Maße in der Region gegeben. Daß die ideologischen
Grundfesten einer Krisenbewältigung nach Art des deutschen
Weges denen der USA entgegenstehen, läßt sich nicht einmal im
Ansatz verstehen, wenn man dieser antiimperialistischen Weltsicht anhängt.
Es ist nicht nur relevant für das soziale Selbstverständnis
Deutschlands, sondern auch eine historisch unumstößliche Wahrheit,
daß die konstitutive Stellung des ideellen Gesamtkapitalisten zum Kapital
über die Lösung im Krisenfall entscheidet. Dies zu verstehen setzt
allerdings voraus, im Sinne der Kritik der politischen Ökonomie das
Kapital als das zu erfassen, was es ist: ein grundlegendes, alles
bestimmendes gesellschaftliches Produktionsverhältnis, dem
der Staat gerade nicht äußerlich ist und der dennoch
Subjektstatus besitzt. Genau das aber will man beispielsweise beim Leipziger
Bündnis gegen Realität (BgR) nicht wahrhaben, das nicht zufällig
die o.a. antieuropäische Demonstration unterstützte. So darf eine
Vertreterin in der Phase2 (11/04) den postnazistischen Wolfahrtsstaat
auf eine allgemeine kapitalistische Logik herunterbrechen, als gebe
es keinen verheerenden Zusammenhang von deutschem Staatsfetischismus und
sozialer Frage und so ebnet das BgR in einem Diskussionspapier
Die neue Heimat Europa verraten für eine bundesweite
Anti-Europakampagne Geschichte ein, daß einem nur himmelangst werden
kann: die Unterschiede hinsichtlich sozialer Vergesellschaftung in den USA und
Deutschland seien ein Mythos und mit dem amerikanischen New Deal
wäre auch nichts anderes als der Sozialstaat in den USA
eingeführt worden. Diese Begriffslosigkeit und notorische Aversion gegen
die dialektische Denkfigur von Form und Stoff gipfelt in der Offenbarung,
daß man in Leipzig vom Charakter des Nationalsozialismus nicht den
blassesten Schimmer zu haben scheint und sich wohl deshalb so intensiv eine
deutsche Zivilgesellschaft nach amerikanischem Muster zurechtschustert:
Die staatliche Sicherung der kapitalistischen Ökonomie, der gerade
auch der Sozialstaat dient, ist nicht geeignet, Differenzen zwischen den USA
und Europa zu erklären und schwups bleibt nur noch eine Art
Verschwörungstheorie von Konzepten und Strategien
europäischer Politiker zur Korrumpierung der Linken übrig, mit der
sich faktenanhäufend und wohl gerade deshalb gegen sie resistent
mechanisch gepaukte Politikwissenschaft praktisch umsetzen
läßt. Wer so besinnungslos die historische Realität verleugnet
wie das Bündnis gegen Realität, der macht nicht nur seinem Namen alle
Ehre, nein, der vermag sich noch nicht einmal auf der Höhe der
Protagonisten der Berliner Republik zu bewegen, macht sich also dümmer als
die Vertreter seiner Regierung, die zumindest wissen, was sie tun, wenn sie
gegen den american way of life wettern, der für ein BgR dasselbe zu sein
scheint wie der deutsche Weg. So schreibt die
SPD-Grundwertekommission: (...) Auf dem europäischen Kontinent wird
die Rolle des Staates viel wichtiger bemessen als in den USA, wo umgekehrt dem
Individuum mehr Rechte und Pflichten zugesprochen werden. Dahinter steht ein
radikales Verständnis individueller Freiheit, das die USA auch in
schwersten ökonomischen Krisen vor der Versuchung durch
Nationalsozialismus, Faschismus und Autoritarismus bewahrt hat. (W.
Thierse, Grundwerte für eine gerechte Weltordung, 2003, S.51) Und Egon
Bahr, die graue Eminenz der deutschen Sozialdemokratie, ergänzt: Das
Verständnis von Staat und Nation wird beiderseits des Atlantiks auch
künftig sehr verschieden bleiben. Die Vorstellungen von Gesellschaft und
Individuum differieren ziemlich stark. (Der deutsche Weg.
Selbstverständlich und normal, 2003, S.114)
Es ist das Geschäft von Gruppen wie der KP-Berlin, dem BgR Leipzig und dem
Zeitungsprojekt Phase2, die real vorhandenen und für eine
Krisenbewältigungsoption den Unterschied ums Ganze ausmachenden
Differenzen in der jeweiligen Form der Vergesellschaftung zu linker Ideologie
zu verramschen. Deshalb können sie auch nur beschreiben, nicht aber
erklären, warum für die Linken Amerika sich besser hassen und
Europa besser lieben läßt. Im Gegensatz zu antinationalen Ideologen
um das Phase2-Projekt nehmen zumindest linke Europafreunde wie Antonio
Negri oder Slavoj Zizek die eklatanten gesellschaftlichen Unterschiede wahr,
die zu verleugnen das Geschäft besagter Gruppen ist. Denn die linken
Europafreunde machen kein Hehl daraus, was der linke Begriff vom Sozialen
notwendig meint: dem Etatismus verpflichtete Elendselbstverwaltung, die
kollektive Gerechtigkeit erzwingt und notwendig nur auf Kosten der Autonomie
des Einzelnen herzustellen ist. Der linke Begriff vom Sozialen bedeutet, gerade
jene Restautonomie des Individuums auszulöschen, die es als
gesellschaftliches Wesen trotz der bestehenden Verhältnisse besitzen
kann. Linkssein heißt, dem Sozialen dem Öffentlichen
jene individuelle Privatheit zu opfern, die geschichtlich betrachtet als
bisher einziges Gegengift gegen den autoritären Charakter und dessen
Willen zum Kollektivzwang wirkt. Damit verdoppeln die Linken genau das, was die
Verhältnisse qua massenkultureller Vermittlung ohnehin dem Einzelnen
aufnötigen: Kollektivität statt Subjektivität,
Massenkonformismus statt individueller Resistenzkraft. Die Vereinzelung, die
von links beklagt wird, ist deshalb nur die subjektive Empfindung einer
anonymisierten und damit indvidualitätsfeindlichen objektiven
Existenzweise.
Weil Gruppen wie das Leipziger BgR keinen Begriff von der spezifischen
deutschen Vergesellschaftung haben, können sie sich den europäischen
Antiamerikanismus nur als emotionale Grundlage erklären, nicht
aber als das, was er ist: objektive Gedankenform, die aus der spezifischen
Konstellation der materiellen Verhältnisse resultiert, also aus dem
etatistischen Verhältnis von Staat und Kapital, dem eine entsprechende
politische Willensbildung notwendig entspringt. Kein Wunder, daß
die Leipziger allen Ernstes die Europäische Union als Wiederkehr der
Nationalstaatsbildung des 19. Jahrhunderts begreifen. Als wäre alles nur
eine Frage des freischwebenden Diskurses und nicht materieller
Verhältnisse wird aus der Europäisierung eine plumpe
Nationalisierung gemacht, bei der Konstruktionen und
Ideologien, die bereits zu Zeiten der Nationalstaatsbildung benötigt
wurden, herangezogen würden. (a.a.O., Hervorh. S.P.) Sie
wissen nicht, wovon sie reden, wenn sie die Nationenbildung des vorvergangenen
Jahrhunderts auf die Gegenwart projizieren, aber beruhigend klingt es allemal,
wenn man sich selbst suggeriert, die Welt hätte sich im Grunde seit dem
19. Jahrhundert keinen Deut geändert und alles wäre nur die
Wiederkehr des Immergleichen. Folgerichtig fällt den Leipzigern zur
Europäischen Union nur ein, daß man sich weder vom
antinationalen und sozialen noch vom zivilen Schein der Europakonzeption
(...) dumm machen lassen sollte. Die Maske, die die Leipziger dem
EU-Projekt herunterreißen wollen, um das wahre Gesicht zu zeigen, kann,
wenn das antinationale, das soziale und das zivile Moment Schein
sein soll, nur das Gegenteil offenlegen: die EU als nationalistisches,
asoziales und militaristisches Projekt und schon sind die Unterschiede
zu den USA nicht nur eingeebnet, sondern nachgewiesen, daß die EU im
Grunde ein genauso imperialistisches Projekt (KP-Berlin) ist wie
der US-Imperialismus. Die notorische Unfähigkeit von Gruppen wie dem
Leipziger BgR oder der KP-Berlin, Begriffe nicht an sich selbst, sondern immer
in Relation zu etwas zu bestimmen, was bedeutet, sich auf den Gegenstand
einzulassen bei Hegel und bei Marx nannte sich das Formbestimmung
führt die linksradikale Gemeinde auf Holzwege, die sie nichts
erklären, aber alles verklären läßt. Redet man also davon,
daß die EU in Relation zu den Vereinigten Staaten und nicht als ein
freischwebendes an sich Existentes ein antinationales, soziales und ziviles
Gebilde ist, dann wird der begrifflose Schein, über den das
BgR schwadroniert, zum Begriff von der Wirklichkeit, der sich immer nur im
Verhältnis zu etwas bilden läßt.
Deutsch, sozial und antinational
Auch die KP-Berlin meint in ihrem o.a. Demoaufruf, den EU-Schwindel von der
Zivilmacht Europa durchschaut zu haben und verweist darauf, daß ja in
Jugoslawien kein Unterschied zur militaristischen Außenpolitik der
USA ausgemacht werden konnte. Man fragt sich, wie dumm man sich machen
kann, damit die antiimperialistische Ideologie nicht beschädigt wird. Zur
Erinnerung: Es war Deutschland, das de facto und formal ganz und gar
antinational und antimilitaristisch den Nationalstaat Jugoslawien zerschlug, es
waren anfänglich insbesondere die europäischen Staaten Frankreich und
England, die mit den Vereinigten Staaten dagegen waren, es war das Scheitern
der zivilen Konfliktlösung seitens der EU und der UN, das den Krieg erst
anheizte und es war, last but not least, das Betteln der Europäer
insbesondere der Deutschen die USA sollten im Rahmen der Nato sich
für die völkische Lösung im Kosovo entscheiden und gegen
Jugoslawien militärisch intervenieren. Von einem militärischen
Vorgehen der Europäer und erst Recht nicht seitens der Deutschen, kann
also, wenn man von der handvoll Überwachungsflüge der Bundeswehr
über Restjugoslawien absieht, nur dann die Rede sein, wenn man sich
vorsätzlich nicht nur das EU-Projekt als ein militaristisches
halluziniert, sondern auch noch anhand des Bundeswehreinsatzes die deutsche
Außenpolitik als kriegerisch geißeln möchte. Wer angesichts
des Jugoslawienkrieges darüber schwadroniert, was es nicht alles für
die Deutschen an Absatzmärkten und Rohstoffen zu erobern gab, der wird
auch weiterhin nicht die Unterschiede wahrnehmen können, die in den
verschiedenen Optionen der deutschen und der der USA zur
Krisenbewältigung notwendig angelegt sind, der wird nur immer wieder
behaupten, was eine BgR-Vertreterin in der Phase2 (a.a.O) auf gut
antiimperialistisch gegen die Realität und Deutscheuropa schreiben darf:
Eine verlautbarte Friedenspolitik stoße spätestens
dann, wenn der Kampf um Einflusszonen ausbricht, an ihre Grenzen.
Militärische Interventionen oder indirekte Eingriffe sollen z.B. neue
Absatzmärkte schaffen oder wie es auch in den verteidigungspolitischen
Richtlinien steht, den Zugang zu Rohstoffen ermöglichen. Die
Hartnäckigkeit, mit der man am Antiimperialismus festhält,
läßt nicht einmal in den Blick geraten, daß für die
Deutschen seit 1945 bisher immer mehr zu holen war, gerade weil sie auf
antiimperialistischen Frieden gesetzt haben. Phase2 und Co., die sich
nur deshalb antideutsch nennen, weil sie Deutschland für genauso schlimm
wie Amerika halten, wissen über die deutsche Außenpolitik nur eines:
wenn sie könnte, wie sie wollte, sie wäre keinen Deut besser als die
der Amis, derzeit aber kann sie noch nicht so wie sie will und muß
deshalb vorübergehend auf friedliche Mittel und die Stärke des
Rechts statt auf das Recht des Stärkeren setzen. Die EU hätte
das Wunschbild einer den USA auf allen Ebenen ebenbürtigen
Weltmacht und der Ruf nach der Stärke des Rechts sei nur eine
zivilisatorisch bemäntelte fatale Strategie, um die
Unterlegenheit gegenüber den Amerikanern auszugleichen,
schreibt folgerichtig das BgR. (a.a.O.)
Klar ist, daß die EU mit Deutschland an der Spitze eben nicht mehr
nur die zweite Geige spielen möchte, wie die KP-Berlin in ihrem
Aufruf zur antieuropäischen Demonstration schreibt, in dem im
übrigen, bezeichnend genug, kein Wort über das sogenannte Europa der
zwei Geschwindigkeiten, also über die Rolle Deutschlands und Frankreichs
verloren wird, die sich als Kerneuorpa immerhin als der Motor der
EU begreifen. Es geht, um beim Bild von der zweiten Geige zu
bleiben, darum: wer die erste Geige spielen will, muß gerade nicht
zwingend dieselbe Tonlage treffen und die gleiche Melodie intonieren.
Schaut man sich die deutschen außenpolitischen Betrebungen an, dann kann
man diese nicht einfach aus ihrer historischen Genesis reißen und
behaupten, die Friedensmacht Deutschland verhielte sich zur friedlichen
Konfliktlösung nur instrumentell oder würde einen erweiterten
Sicherheitsbegriff, in dem das militärische Moment mindergewichtet ist,
nur vortäuschen. Die Rolle, die Deutschland seit 1945 innehat, ist nicht
nur diejenige, treibende Kraft des Europaprojektes zu sein, sondern auch
diejenige, die Friedenssehnsucht am unumkehrbarsten in der Politik verankert zu
haben. Da Auschwitz nicht nur zum negativen Gründungsmythos der
Bundesrepublik geworden ist, sondern sukzessive auch zu dem Europas, wird es
weder in Deutschland noch in Europa eine Rückkehr zu altem Nationalismus
und Militarismus geben. Wer allerdings im europäischen Projekt und der
deutschen Außenpolitik nur die alten Formen des Nationalismus auf
erweiterter Stufenleiter erblicken will, der wird das substantiell
antinationale Moment nicht erkennen können. Dieses antinationale Moment
bestimmt sich durch das Verhältnis traditionell nationaler
Souveränität des Staates zum Souveränitätsverzicht auf
europäischer Ebene und der gewollten
Souveränitätsbeschränkung auf der Ebene der Vereinten Nationen.
Es kann nicht verwundern, daß die SPD-Grundwertekommission, die für
die SPD-Politik der nächsten Jahre handlungsweisend sein soll, für
einen freiwilligen Macht- und Souveränitätsverzicht
plädiert, der gerade nicht bedeute, daß für eine wirksame
Rolle Deutschlands in der internationalen Politik keine Freiräume
vorhanden wären. Für Deutschland sei dieser Weg, so die
Grundwertekommission weiter, historisch und entsprechend (der)
verfassungsmäßigen außenpolitischen Grundsätze evident
und im Vergleich mit anderen europäischen Staaten ohne Prestigeverlust
leichter gangbar. Es kommt deshalb darauf an, in der europäischen Politik
im Sinne dieser Ziele voranzugehen. Grundsätzlich gehe es um die
Stärkung eines anderen Typus der Machtbildung, der nur einer
jenseits der bisherigen Nationalstaatssouveränität sein könne.
(a.a.O. S.54, 59, 64)
Es ist gerade der Umstand, daß Deutschland 1990 seine volle
Souveränität erhielt, der es ihm erlaubt, vorbildhaft den
Souveränitätsverzicht zu üben. Gleichzeitig ging das Ende der
Nachkriegsordnung damit einher, daß Deutschland ebenso wie auch Europa
die Schutzmacht USA nicht mehr maßgeblich in Anspruch nehmen kann. Vieles
von dem also, was von links als Militarisierung gescholten wird, hat seinen
Hauptgrund darin, daß Europa und Deutschland die Verteidigung durch
sukzessiven Rückzug der Vereinigten Staaten selbst organisieren
müssen, denn für die Amerikaner gibt es seit dem Ende des Kalten
Krieges keine Notwendigkeit mehr, an Stelle der Europäer inklusive der
Deutschen denselben militärischen Schutz zu garantieren. Daß die
deutsche Politik allerdings keineswegs beabsichtigt, militärische
Großmacht zu werden, um das zu erkennen, muß man sich nicht nur den
desolaten Zustand der Bundeswehr und die Höhe des Verteidigungsetats
vergegenwärtigen, sondern auch einen Blick auf die ungebrochene Tradition
werfen, in der sich die rot-grüne Regierung ihrem Selbstverständnis
nach sieht. Dieses Selbstverständnis ist in starkem Maße von der
Fortführung jener Brandtschen Ost-Politik geprägt, die ihr
sozialdemokratischer Vordenker Egon Bahr in den 60er Jahren unter der Losung
Wandel durch Annäherung bekannt machte, und die von ihm in den
80er Jahren durch einen erweiterten Sicherheitsbegriff von Ost und West
ergänzt wurde: Die ideologischen Unterschiede zwischen beiden Lagern
wurzeln in Weltanschauungen und Überzeugungen, die nicht auf einen Nenner
zu bringen sind und für die keine Konvergenz zu erwarten ist. Es ist
realistisch davon auszugehen, daß sie weiter bestehen werden. Die Aufgabe
ist deshalb, dafür zu sorgen, daß diese ideologischen
Meinungsverschiedenheiten nicht durch Gewalt ausgetragen werden. Es darf keinen
Glaubenskrieg zwischen Ost und West geben. Genau dieses
sozialdemokratische Credo ist heute gegenüber dem Nahen und Mittleren
Osten dasselbe wie zu Zeiten Honeckers und Breschnews. Entsprechend
erklärt Egon Bahr: Auf der deutschen Ebene ist die Politik der
Stärke durch Waffen endgültig vorbei. Präziser: Es hat sich als
lohnend erwiesen, nicht um eine Gleichheit der Bewaffnung zu kämpfen.
(...) Das Modell, das die EU der Welt bietet, ist (...) ganz unverwechselbar
und gar nicht bedrohlich. (...) Seine militärische Schwäche ist seine
Stärke. Wenn Europa seinen Prinzipien treu bleibt, wird sein Aufstieg zu
einem friedlichen, bedeutenden Faktor auf dem Globus unaufhaltbar sein. (...)
Europa braucht nicht die Fähigkeit, einen Irakkrieg zu führen. Europa
hat die Fähigkeit, der Welt das Modell eines European Way of
Life anbieten zu können. (...) Krieg ist der Feind Europas. Amerika
kann auf Kriegsgewinn setzen, Europa muß die Rolle des Militärischen
verringern wollen. (a.a.O. S.36, 96, 123 u. 131)
Für Bahr sind deutscher Weg und European Way of Life identisch und so
empfiehlt er Europa (...), zu einem verläßlichen
Bundesgenossen der Dritten Welt zu werden, der anerkennt, daß sich
jedes Land (...) nur im Rahmen seiner kulturellen Tradition entwickeln
(kann), die Europa respektieren muß. (ebd. S.133) Die angebliche
und damit angemessene Form staatlicher Souveränität von der
kulturellen Tradition abhängig zu machen das ist Außenpolitik
im Geiste deutscher Ideologie der Gegenaufklärung. Die steht allerdings
der zivilisatorischen Form amerikanischer Außenpolitik diametral
entgegen, nur, sie ist nicht militaristisch, auch nicht nicht
großdeutsch, sondern multilateral und damit nicht Ausdruck
innerimperialistischer Konkurrenz mit den USA, sondern im Gegenteil
Zeichen des antiimperialistischen Bündnisses mit der Dritten
und hier insbesondere der islamischen Welt gegen Amerika. Egon Bahr stellt
deshalb fest: Amerika befindet sich im Krieg. Europa nicht. Das ist ein
Unterschied, der künftig noch krasser werden wird. (ebd. S.78)
Neue deutsche Weltordnung
Wie nur soll der Hauptfeind im eigenen Land überhaupt erkannt werden, wenn
man sich mit Händen und Füßen dagegen sträubt, dessen
antimilitaristische Wirklichkeit zur Kenntnis zu nehmen? Wie will man
verstehen, daß dieses Deutschland derzeit alles daran setzt, daß
nie wieder gegen faschistische Gefahren militärisch vorgegangen werden
kann, daß dieses Deutschland ganz offen seine antiimperialistische
Vergangenheit nutzt, um sich als Freund der Völker und Kulturen zu
präsentieren, daß dieses Deutschland sich als der ehrlicher Makler
bei den autoritären Regimes und anderen verbrecherischen Organisationen
anbiedert, kurzum, dieses Deutschland nach wie vor Exportweltmeister für
die verheerende Ideologie des völkischen Geistes ist, die heute nicht mehr
als Platz an der Sonne deklariert wird, sondern mit der Rede vom
Völkerrecht oder der Stärke des Rechts
eingefärbt ist? Der antiimperialistische Konsens in Deutschland macht es
unmöglich, die folgenden antimilitaristischen Zeilen anhand ihrer Diktion
oder ihres Inhaltes politisch eindeutig zuordnen zu können. Stammen sie
aus der meinungspluralistischen Phase2, von Egon Bahr, von Joseph
Fischer oder von der CDU?: (Es) stellt sich die Kardinalfrage, warum sich
ausgerechnet Deutschland durch durchsichtige Manöver von Kriegstreibern in
eine Gegnerschaft zu seinen vielen Freunden auf der ganzen Welt zwingen lassen
sollte, um dann einen ähnlichen Hass auf sich zu ziehen, wie er heute
weltweit den USA und Israel entgegenschlägt? Wir können zu unserem
allergrößten Bedauern, zumal in unserer derzeitigen Schwäche,
niemanden hindern, andere zu überfallen (...). Aber wir können, wenn
wir anständig und geschickt und klug sind, wenigstens eine deutsche
Beteiligung an der Entrechtung anderer Völker vermeiden. Es waren
nicht Egon Bahr, nicht Joseph Fischer, kein Phase2-Autor und auch nicht
die CDU, die diese pazifistischen Antiimp-Zeilen schrieben. Es war: Dr. Gerhard
Frey, seines Zeichens Neonazi, DVU-Vorsitzender und Eigentümer der
National Zeitung. (23. 04.04)
Deutsche Politik erhebt keineswegs den Anspruch, die identische Rolle der
Amerikaner spielen zu wollen. Vielmehr läßt sich die deutsche wie
auch europäische Außenpolitik auf den Nenner bringen, den Walter
Ulbricht in den 60er Jahren als Schlachtruf gegen die BRD ausgab:
Überholen, ohne einzuholen. Gemeint ist damit zugleich, daß man ganz
bewußt nicht auf die gleichen Mittel der Amerikaner setzt, denn man
weiß mit Egon Bahr: Die amerikanische Mission kann die
europäische Vision zerstören. Zu einer Entscheidung von
geschichtlicher Dimension kann Amerika Europa zwingen: der
Weltführungsmacht oder dem Weltordnungssystem (des Völkerrechts
S.P.) folgen. (a.a.O. S.155) Und genau darum geht es: Auf der
einen Seite ein deutscheuropäisches Weltordnungsmodell eines ewigen
Friedens, das auf autochthone Elendselbstverwaltung mit UN-Mandat setzt
auch Selbstbestimmung genannt , bereit ist, um des lieben globalen
Friedens willen Israel ans Messer zu liefern und damit zugleich jeden Gedanken
an eine fundamentale Umwälzung der Verhältnisse aus dem Denken der
Menschheit tilgen würde. Auf der anderen Seite eine amerikanische
Weltmacht, die sich unilateral der Weltordnung verpflichtet fühlt,
Schutzmacht Israels ist und bereit, wenn es sein muß, gegen die
islamistische Barbarei Krieg zu führen, um Schlimmeres zu verhindern.
Konkret wird diese Konstellation, wenn man sich anschaut, was Joseph Fischer im
Kampf gegen den zerstörerischen Djihad-Terrorismus, den er
inzwischen immerhin für die derzeit größte
Bedrohung hält, auf der Münchener Sicherheitskonferenz im
Februar diesen Jahres empfiehlt: Mit einer paternalistischen Haltung
würden wir uns selbst die erste Niederlage beibringen. Stattdessen
müssen wir ein ernstgemeintes und auf echter Kooperation
gründendes Angebot zur Zusammenarbeit mit den Staaten und
Gesellschaften formulieren. (...) Der interreligiöse Dialog,
ein intensiver Austausch und enge Zusammenarbeit im kulturellen
Bereich und eine Partnerschaft der Toleranz in Kultur und Erziehung
wären für diesen Schwerpunkt (...) von zentraler Bedeutung.
(Die Zeit 07/04, Hervorh. S.P) Dieses Angebot zur
Kooperation und Partnerschaft macht Fischer nicht etwa den
wenigen liberalen Kräften im Nahen und Mittleren Osten, die in
Saudi-Arabien und dem Iran genauso verfolgt werden wie in Syrien oder den
palästinensischen Autonomiegebieten. Nein, es richtet sich nicht an die
Verfolgten, sondern an die Verfolger an die palästinensischen
Gebiete, Syrien (und) an alle anderen Mitgliedstaaten der Arabischen Liga. Eine
Teilnahme des Iran sollte in Erwägung gezogen werden. (ebenda)
Man sieht, von Militarismus keine Spur, vom Appeasemant mit Despoten und
Theokraten aber, die selbst Faschisten oder deren Helfershelfer und
Stichwortgeber sind, ist bei Fischer, dem selbternannten Freund Israels,
allenthalben die Rede. So kann es nicht verwundern, was er in einer schwachen
Minute über seinen Freund Jassir Arafat ausplaudert: Zugegeben,
Arafat hat sich niemals entschieden, ob er ein Revolutionär ist, der
Israel ins Meer zurückdrängen will, oder ob er ein friedfertiges
demokratisches Palästina will. (Welt, 8.12.03) Fischer steht
als Hauptverantwortlicher für die deutsche Außenpolitik wahrlich
nicht allein da. Den Hintergrund für die deutsch-arabische Partnerschaft
für den Frieden, der gleichzeitig ein entscheidender Unterschied zu den
USA ist, benennt der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion,
Gert Weisskirchen: Es sind die unterschiedlichen Erfahrungen mit
politischer Macht und militärischer Gewalt, die uns trennen. Europa kennt
den Unterschied zwischen Triumph und Triumphalismus. Den haben wir gelernt in
den finsteren Zeiten unserer Geschichte. Triumph verbindet Stärke mit
Demut. Wer sich hingegen vom Triumphalismus hinreißen lässt, der ist
bald allein und ruft herbei, was seine Macht vielleicht zerbröseln kann.
Machtpolitik, die versucht, in wechselnden Allianzen Balancen zwischen
Mächten zu finden das wäre eine schlechte Utopie einer neuen
Weltordnung. Die Alternative ist eine Weltinnenpolitik, in die alle Staaten
eingebunden sind. (Berliner Republik 04/04) Verbrecherische
Diktaturen und Despoten nicht etwa zu bekämpfen, sondern einzubinden und
zu ganz normalen politischen Partnern zu erklären, das ist der deutsche
Weg, den die rot-grüne Regierung beschritten hat, um die Konditionen
für eine neue Weltordnung auszuhandeln, an dessen Ende nach Vorstellung
der deutschen Politik wegen Auschwitz nie wieder gegen Faschismus Krieg
geführt werden soll. Die Weltinnenpolitik, von der der
außenpolitische Sprecher der SPD träumt, ist die antinationale
deutsche Utopie, die in dem Antiimp-Blatt Süddeutsche Zeitung so
beschrieben wird: Bleibt der dritte, lange und mühsame Weg des Kofi
Annan: Macht wird peu á peu (...) von den Staaten auf eine Weltebene
überantwortet, die von möglichst vielen getragen und kontrolliert
wird. (14.08.03) Genau diesen deutschen dritten Weg gilt es zu
verhindern. Zum Glück scheinen das die Amerikaner nicht nur erkannt zu
haben, sondern bis auf weiteres auch genügend Macht zu besitzen, den
deutscheuropäischen Antinationalismus nieder zu halten. Man kann einem
Irving Kristol, dem Herausgeber des neokonservativen Sprachrohr Weekly
Standard, wirklich nur zustimmen, wenn er erklärt: (...) Eine
Weltregierung ist eine schreckliche Vorstellung, weil sie zu einer Welttyrannei
führen kann. (Jenen), die auf dieses Ziel zuarbeiten, sollte mit dem
größten Mißtrauen begegnet werden. (Welt,
28.8.03)
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