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Tomorrow-Café, 1.5k

Zum Geldbegriff bei Karl Marx


Folgender Beitrag basiert auf einem Vortrag – gehalten im Tomorrow Theorie Café



Kurze unsystematische Vorbemerkung

Geld, 24.1k Der Geldbegriff den Marx im 3. Kapitel des „Kapitals“ entwickelt, ist unerlässlich zum Verständnis der Entwicklung des Kapitalbegriffs und damit zum Verständnis der bürgerlichen Gesellschaft.(1) Das Geld in seinen drei Bedeutungen oder Funktionen als Maß der Werte, Zirkulationsmittel und als Geld ist nicht zu denken ohne den Begriff des Kapitals und ebenso ist die der Geldbestimmung vorausgehende Bestimmung der Ware als zwieschlächtige, d.h. auseinanderfallende in Gebrauchswert und Tauschwert nur sinnvoll, wenn sie als das Geld bereits antezipierend gedacht wird. Das heißt, Marx denkt von einer begrifflich zu fassenden Totalität aus und vollzieht diese mit dem Durchgang durch die Kategorien des Kapitals nach. Damit ist gesagt, dass die Kategorien des Marxschen „Kapitals“ logische sind, genauer gesagt entwicklungslogische. Die ersten Kapitel des Kapitals sind also nicht als eine historische Darstellung zu verstehen, die historischen Exkurse haben lediglich illustrierenden Charakter. Marx beginnt seine Darstellung der kapitalistischen Produktionsweise mit den abstraktesten Kategorien Ware und Wert und ist darum bemüht aus diesen einfachsten Kategorien, die gleichzeitig am schwersten zu verstehen sind, alle weiteren Bestimmungen abzuleiten und zwar in einer Form, die sich mit dem Wort einer „immanent dialektischen Entwicklungsmethode“ fassen lässt. Diese Bestimmung der Marxschen Methode muss aber – wenn man es bei ihr belässt – ein dünnes Abstraktum bleiben, ihre Wahrheit zeigt sich nur im Vollzug, d.h. im Aufweis der Widersprüchlichkeit der einfachsten Kategorien, oder eben – um beim Thema zu bleiben – an der Widersprüchlichkeit des Geldes. Aus dem Nachweis der Widersprüchlichkeit der einzelnen Kategorien entwickelt Marx nun mit dem Anspruch von Notwendigkeit die nächst komplexerer Kategorie. Also: Geld muss sich zum Kapital entwickeln. Letztlich kann sich dieser hier postulierte Anspruch auf Notwendigkeit aber nur einlösen lassen, wenn das Resultat bereits vorausgesetzt ist, d.h. Marx setzt die entwickelte kapitalistische Produktionsweise immer voraus und bemüht sich Kategorien aufzufinden, mit denen sich diese als ein System darstellen lässt. An dieser Stelle offenbart sich aber eine der Hauptschwierigkeiten dieser Methode. Ist das Resultat nämlich vorausgesetzt, so liegt das Problem vor, dass sich das gesamte System, dieser riesige Begriffsapparat, als einzige Tautologie herausstellen könnte. Anders gesagt: Marx argumentiert im „Kapital“ mit begrifflichen Widersprüchlichkeiten, will aber andererseits reale Widersprüche darstellen und diese sind analytisch nicht zu fassen. Um es an einem Beispiel zu veranschaulichen: Geld existierte lange vor der kapitalistischen Produktionsweise und trotzdem entwickelte sich letztere nicht mit Notwendigkeit aus dem Geld. An dieser Stelle wird also der logische Anspruch der Darstellung durchbrochen und Marx ist sich dessen auch bewusst, indem er dann doch historische Vorraussetzungen angibt, die zur Entwicklung des Kapitals geführt haben, wichtigste ist hier die Lohnarbeit
Die Frage bleibt aber – und sie kann an dieser Stelle sicherlich nicht erschöpfend beantwortet werden – wie sich der Anspruch an die Darstellung des Kapitalismus als Totalität selber wieder legitimieren lässt. Logisch sicherlich nicht. Vielleicht empirisch? Wenn sich also die kapitalistische Produktionsweise so verhält, wie Marx es dargestellt hat, dann lässt sich der Wahrheitsanspruch des Marxschen Systems aufrechterhalten. Dies setzt aber zweierlei voraus. Einmal: Ist das Marxsche System selber in sich richtig und konsistent, was ja auch sehr umstritten ist (Fall der Profitrate)? Zum zweiten: lässt sich die kapitalistische Produktionsweise überhaupt in sich konsistent darstellen (dies wäre einer der Streitpunkte zwischen Krisis und ISF)? Zweifelsohne war Marx von der Möglichkeit einer konsistenten Darstellung überzeugt. Allerdings – und das wäre eine vorläufige These – kann sich die Wahrheit des Marxschen Systems und damit der Marxschen Methode nur auf der Ebene der gesamtgesellschaftlichen Praxis zeigen. Und dies heißt letztendlich – da Marx immer darum bemüht ist, die Krisenhaftigkeit des Systems herauszustellen – im Zusammenbruch oder in der Aufhebung der kapitalistischen Produktionsweise. Zugespitzt formuliert: Marx hat nur dann Recht mit der ganzen kategorialen Entwicklung, wenn es mit diesem System tatsächlich zu Ende geht. Und an dieser Stelle taucht dann die Frage nach dem Zusammenhang von real handelnden Menschen und eines autonom prozessierenden Systemzusammenhanges auf, auf die ich aber hier nicht eingehen kann.
Festzuhalten bleibt jedenfalls die Bedeutung der – abstrakt gesprochen – dialektischen Methode für das „Kapital“ und den Zusammenhange der Kategorien. Insofern muss, um zum Thema zu kommen, das Geld seinen Ausgang aus der Entwicklung des Begriffes der Ware nehmen und selber wiederum im Kapital enden. Besonderes Augenmerk ist also in der folgenden Darstellung auf die Abfolge der Kategorien gelegt. Erwähnt sei noch, dass gerade die Betonung der Notwendigkeit des inneren Zusammenhanges der Kategorien, sprich das Totalitätsverständnis, einer der Punkte ist, die Marx von der bürgerlichen Wissenschaft unterscheidet.

Von der Ware zum Geld

Bekanntlich zerfällt die Ware in Gebrauchswert und Wert und der Wert als Übergreifendes ist dasjenige was die Waren miteinander vergleichbar macht, schärfer formuliert: Der Wert ist dasjenige, was überhaupt einen Vergleich ermöglicht, er ist das Gemeinsame aller Waren. Mit dieser Bestimmung sind also immer mehrere Waren gesetzt. Ihren Wert können die Waren nicht als vereinzelte ausdrücken. Es bedarf dazu immer mindestens zweier Waren. So drückt sich der Wert einer Ware im Gebrauchswert einer anderen Ware aus. In der Wertformanalyse des ersten Kapitels des „Kapitals“ – auf die ich hier nicht eingehen will – führt dieser Ausgangspunkt letztlich zur Entwicklung eines allgemeinen Äquivalents, also zur Entwicklung einer Ware, in der alle Waren ihren Wert ausdrücken können. Dieses allgemeine Äquivalent ist letztlich das Geld oder es befindet sich in Geldform. Dies ist die eine Auswicklung der Kategorie des Geldes aus der Ware.
Eine zweite findet sich im zweiten Kapitel „Der Austauschprozess“ und orientiert sich stärker an der Ebene einer gesamtgesellschaftlichen Notwendigkeit. Marx setzt hier zweierlei voraus: Zum einen eine entwickelte gesellschaftliche Arbeitsteilung, die ja nichts anderes bedeutet, als dass die Produktion eines einzelnen, nicht hinreicht die Bedürfnisse dieses einzelnen zu befriedigen. Zum zweiten die Notwendigkeit der Befriedigung der Bedürfnisse – das ist selbstredend. Marx schildert folgende Urszene: Ein privat produzierender Warenbesitzer will seine Ware tauschen, er trägt sie also zu dem Ort wo dies einzig möglich ist, zum Markte. Dort trifft er auf andere Warenbesitzer, die gleiches Interesse haben. Alle – oder der Einfachheit halber zwei – wollen ihre Ware, die für sie selber keinen Gebrauchswert besitzt, tauschen, gegen eine andere Ware, die für sie Gebrauchswerteigenschaft hat. Diese Bedingung macht den direkten Produktentausch schwierig, denn es müssen zwei Personen aufeinandertreffen, für die die Ware des einen, jeweils Gebrauchsgut des anderen ist. Marx sieht hier einen Widerspruch, aus dem heraus sich das Bedürfnis nach einer Ware entwickelt, die für alle Warenbesitzer Gebrauchswert hat, die sich also allgemein tauschen lässt. Diese Ware bildet sich nun in einer „gesellschaftlichen Tat“, d.h. unbewusst entspringend aus einer allgemeinen Notdurft heraus. „Die gesellschaftliche Aktion aller anderen Waren schließt daher eine bestimmte Ware aus, worin sie allseitig ihre Werte darstellen“ (23/101). Diese „allgemeine Ware“ ist das Geld, ab einem bestimmten historischen Moment Geld in Form von edlem Metall, also bspw. Gold.

Die drei Bestimmungen des Geldes – Maß der Werte, Zirkulationsmittel, Geld als Geld

a) Geld als Maß der Werte
„Die erste Funktion des Goldes besteht darin, der Warenwelt das Material ihres Wertausdruckes zu liefern, oder die Warenwerte als gleichnamige Größen, qualitativ gleiche und quantitativ vergleichbare, darzustellen“ (23/109). In dieser Funktion bleibt das Geld rein ideell, d.h. ein gedachtes, es muss real gar nicht in Erscheinung treten. Es ist bloße Vergleichsgröße und ermöglicht es dem Warenbesitzer seinen Waren ein Preisschild umzuhängen. Als eine solche allgemeine Vergleichsgröße hat es, da es selber Ware ist, einen eigenen Wert. Dieser ist Ausdruck der zu ihrer Produktion gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit und damit Veränderungen unterworfen. Jedoch betreffen diese Veränderungen im Hinblick auf die Preise der anderen Waren nur die absoluten Größen – wenn also Geld als Gold an Wert gewinnt, sinken die Preise aller anderen Waren, was sich jedoch nicht verändert sind die proportionalen Verhältnisse in denen – vorausgesetzt ihr Wert bleibt gleich – alle anderen Waren untereinander stehen, genauso wenig, wie sich das Verhältnis des Wertes eines halben Kilogramms Goldes zu einem viertel Kilogramm ändert, wenn sich der Wert des Goldes ändert. Er bleibt immer ein halb. Geld als Maßstab der Preise ist damit eine fixe Größe. Geld als Maß der Werte und Geld als Maßstab der Preise sind voneinander zu unterscheiden. „Maß der Werte ist es als Inkarnation der menschlichen Arbeit, Maßstab der Preise als ein festgesetztes Metallgewicht. Als Wertmaß dient es dazu, die Werte der bunt verschiedenen Waren in Preise zu verwandeln, in vorgestellte Goldquanta; als Maßstab der Preise misst es diese Goldquanta“ (23/113).
Historisch entkoppelt sich das Geld als Maßstab der Preise vom Metallgewicht. Die Warenpreise werden nicht mehr in Gewichtsquanta gemessen, sondern in Währungen. Sie können konventionell bestimmt werden, müssen jedoch allgemeingültig bleiben und unterliegen heutzutage dem Aufgabenbereich des Staates.
Der Übergang von der ersten Bestimmung des Geldes zur zweiten, dem Geld als Zirkulationsmittel, vom ideellen zum realen, vollzieht Marx folgendermaßen: „Die Preisform schließt die Veräußerlichung der Waren gegen Geld und die Notwendigkeit dieser Veräußerung ein. Andererseits funktioniert Gold nur als ideelles Wertmaß, weil es sich bereits im Austauchprozess als Geldware umtreibt. Im ideellen Maß der Werte lauert daher das harte Geld.“ (23/118). Anders formuliert: Es wäre völlig sinnfrei Waren einen Preis zu geben, wenn diese dann nicht auch getauscht würden.

b) Geld als Zirkulationsmittel
Der unmittelbare Produktenaustausch kann symbolisiert werden durch die Formel W-W. Direkter Tausch Ware gegen Ware. Die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, sind oben schon kurz dargestellt worden. Zwischen die Waren tritt als vermittelnde Instanz das Geld oder das Geld als Zirkulationsmittel. Die Kurzformel lautet nun W-G-W. Geld ist hier in dieser Bestimmung die wirkliche Erscheinung des Tauschwerts, d.h. der in der Ware schlummernde Gegensatz von Tauschwert und Gebrauchswert vergegenständlicht sich in den Erscheinungsformen der Ware und des Geldes. Entscheidend bei dieser Bestimmung ist, dass das Geld hier nur ein Mittel ist und dass es keinen anderen Zweck hat als den, ein Mittel zu sein. Marx geht es im folgenden darum aufzuzeigen, dass es bei der Bestimmung des Geldes als Mittel nicht bleiben kann, dass dem Geld die Tendenz innewohnt, zum Selbstzweck zu werden. Die bürgerliche Wissenschaft der Ökonomie bleibt in den allermeisten Fällen bei der Bestimmung des Geldes als Mittel stehen, Geld ist in dieser also als ein neutrales Instrument gedacht; bei Marx ist es in den späteren Bestimmungen gerade nicht mehr neutral.
Wichtig ist auch, dass Marx hier Verkauf und Kauf als eine Einheit betrachtet, sie also nicht auseinanderreißt, wie es der erste Eindruck vermittelt. Verkauf und Kauf fallen in der Realität auseinander, gehören aber notwenig zusammen, d.h. ich muss zuerst etwas verkaufen, um mir später etwas kaufen zu können.(2) Allein ist dieser Zusammenhang im alltäglichen Lebensvollzug verschleiert. Die beiden Teilschritte des Verkaufs einer Ware gegen Geld und des Kaufs einer anderen Ware für Geld bezeichnet Marx als die beiden Metamorphosen der Ware. In diesen Metamorphosen erhält sich der Wert als Allgemeines, der Gebrauchswert – das Besondere – wechselt. Der Tauschwert nimmt aber jeweils andere Erscheinungsformen an. Erst „steckt“ er in der Ware A, dann im Geld, dann in Ware B. Mit dem Erhalt der Ware B, deren der Warenbesitzer ja bedürftig ist, kommt die Kreislaufbewegung des Warenwertes an ein Ende. Als Kreislauf bezeichnet Marx die Bewegung W-G-W deshalb, weil der Wert seinen Ausgangspunkt in der Warenform hat und seinen Endpunkt in einer ebensolchen findet. Mit der zweiten Metamorphose verschwindet die Ware B aus dem Zirkulationsprozess, d.h. sie wird konsumiert. Im Gegensatz zu den Waren, die mit dem Verkauf in den Zirkulationsprozess eintreten und mit dem Kauf wieder aus ihm herausfallen, sprich konsumiert werden, verbleibt das Geld als Zirkulationsmittel jedoch ständig in der Zirkulation.
Dadurch aber, dass es immer in Zirkulation bleibt – d.h. um es nochmals zu sagen, nur Mittel für den Austausch ist – hat es keinen anderen Gebrauchswert als den der Vermittlungsgarantie. Für sich selber muss es damit aber nicht wertvoll sein. Geld als Zirkulationsmittel ist damit für Marx der Repräsentation fähig, d.h. ersetzbar. Es ist ersetzbar durch bloße Zeichen seiner selbst, d.h. beispielsweise durch Banknoten. Historisch unterstützt wird diese Entwicklung der Substituierung des Geldes in Goldform durch Geld in Papierform, durch eine Eigenschaft des wertvollen Metalls selber. Goldgeld befindet sich bereits in einem frühen historischen Stadium in Münzgestalt. Als Münze repräsentiert es einen gewissen Wert und zwar einen nominalen. Dieser ist notwendig geschieden von dem realen Wert der Münze, von dem realen Goldgehalt. Denn durch den Gebrauch der Münze verschleißt sie. Dass sie trotzdem zu ihrem nominalen Wert Verwendung findet und nicht zu ihrem realen getauscht wird, garantiert der Staat, wie er in späterer Zeit ebenso die Gültigkeit der Banknoten garantiert.

c) Geld als Geld
In der dritten Bestimmung fungiert das Geld als Geld, d.h. gerade nicht als Mittel, sondern als ein Wert für sich. Geld ist die einzige Ware, die ihren Wert nicht in einer anderen Ware ausdrücken muss, sondern ihn durch sich selbst ausdrücken kann. Dies gelingt, da in einer bestimmten Hinsicht die Qualität des Geldes gerade seine Quantität ist.(3) Geld ist Geld da, wo „es in seiner Leiblichkeit existieren muss, daher als Geldware, also weder bloß ideell, wie im Wertmaß, noch repräsentationsfähig, wie im Zirkulationsmittel; andererseits wo seine Funktion, ob es selbe nun in eigener Person oder durch Stellvertreter vollziehe, es als alleinige Wertgestalt oder allein adäquates Dasein des Tauschwertes allen anderen Waren als bloßen Gebrauchswerten gegenüber fixiert.“ (23/144).
Geld ist Geld als Geld genau da, wo es zum Selbstzweck geworden ist, wo es aus der Zirkulation herausgetreten ist. Wird das Geld zum Selbstzweck, dann repräsentiert das Geld gerade nicht mehr die Waren, sondern die Waren repräsentieren das Geld. Geld ist kein neutrales Vermittlungsinstrument mehr.
Wie bereits angedeutet, vollzieht sich der Übergang vom Geld als Mittel zum Geld als Zweck für Marx mit einer Notwendigkeit, die im Begriff des Geldes selber liegt. Dieser Übergang ist nun darzustellen. Im „Kapital“ veranschaulicht Marx den Übergang vom Mittel zum Zweck am Schatzgeld. Geld als Schatz ist eine der drei Teilfunktionen des Geldes als Geld, neben dem Geld als Zahlungsmittel und dem Geld als Weltgeld.
Geld wird dann zum Schatz, wenn der Warenkreislauf nach der ersten Metamorphose abbricht. Marx schreibt: „Mit der ersten Entwicklung der Warenzirkulation selbst entwickelt sich die Notwendigkeit und die Leidenschaft, das Produkt der ersten Metamorphose die verwandelte Gestalt der Ware oder ihre Goldpuppe festzuhalten. Aus bloßer Vermittlung des Stoffwechsels wird dieser Formwechsel zum Selbstzweck. ... Das Geld versteinert damit zum Schatz, und der Warenverkäufer wird Schatzbildner“ (23/144). Wird das Geld also zum vermittelnden Instrument, so sehen sich die Warenbesitzer gezwungen, sich dieses „gesellschaftlichen Faustpfandes“ zu versichern, um eben darüber ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Die Goldgier erwacht. Geld wird darum zum Selbstzweck, weil es gerade zu allen Zwecken einsetzbar ist, weil sich mit ihm zumindest der Tendenz nach alles erreichen lässt.
Marx stellt folgenden in der Natur des Geldes liegenden Widerspruch dar, der bereits schon den Begriff des Kapitals, also die unbedingte Vermehrung des Geldes antezipiert:
„Der Trieb zur Schatzbildung ist von Natur aus maßlos. Qualitativ oder seiner Form nach ist das Geld schrankenlos, d.h. allgemeiner Repräsentant des stofflichen Reichtums, weil in jede Ware unmittelbar umsetzbar. Aber zugleich ist jede Geldsumme quantitativ beschränkt, daher auch nur Kaufmittel von beschränkter Wirkung. Dieser Widerspruch zwischen der quantitativen Schranke und der qualitativen Schrankenlosigkeit des Geldes treibt den Schatzbildner stets zurück zur Sisyphusarbeit der Akkumulation. Es geht ihm wie dem Welteroberer, der mit jedem neuen Land nur eine neue Grenze erobert.“ (23/147). Geld repräsentiert auf der einen Seite also allen stofflichen Reichtum, kann diesen Anspruch aber der Realität nach nicht einlösen, weil es ja stets in begrenzten Mengen zur Verfügung steht.
Mit der Herausbildung der Charaktermaske des Schatzbildners ist gleichzeitig verbunden, dass dieser, da er ja stets akkumulieren muss, gerade auf die Befriedigung seiner Bedürfnisse verzichtet. „Der Schatzbildner opfert daher dem Goldfetisch seine Fleischeslust“ (ebd.). Er wird zum Asketen.
Geld als Geld ist weiterhin das Geld als Zahlungsmittel. Hierbei funktioniert das Geld als eine Art Schuldschein. Damit sind die Charaktermasken des Gläubigers und des Schuldners gegeben und deren Verhältnis ist von „minderer Gemütlichkeit“. Die zweite Metamorphose also G-W findet beim Zahlungsmittel vor der ersten – sprich W-G – statt. Das heißt, es werden von noch gar nicht im Besitz des Käufers befindlichem Geld Waren gekauft. Die Zahlung des Geldes erfolgt zu einem späteren Zeitpunkt, das Geld schließt damit den Warentransfer ab. Es wird zum letzten Glied der Kette und steht nicht mehr wie bei W-G-W in der Mitte. Für den Schuldner wird in diesem Vorgang der nachträgliche Erwerb des Geldes, das er ja braucht um seine Schulden zu bezahlen zum wichtigsten Moment. Es zählt also auch hier nicht mehr der Gebrauchswert der Ware als Endzweck, sondern der Erwerb des Geldes. Dass das Geld Zahlungsmittel wird, liegt in der Natur bestimmter Tauschvorgänge selbst. So wird die Miete für ein Haus oder eine Wohnung erst nach Ablauf einer bestimmten Frist gezahlt, nicht gleichzeitig mit dem Abschluss des Kaufvertrages.
Die letzte Form des Geldes als Geld, auf die Marx eingeht, ist das Weltgeld. Er vertritt die Meinung, dass das Geld auf dem Weltmarkt seine lokalen Hüllen abstreifen muss und in Goldform gehandelt wird. Nur hier wird „seine Daseinsweise seinem Begriff adäquat“ (23/156).(4) Als Weltgeld spielt das Geld in der Entwicklung der nächsten Kategorie, des Kapitals aber keine Rolle, deshalb sei hier nicht weiter darauf eingegangen.

Der Übergang vom Geldbegriff zum Kapitalbegriff

Bereits angedeutet wurde, dass in der dritten Bestimmung des Geldes der Kapitalbegriff bereits implizit enthalten ist. Der Schatzbildner ist gezwungen, ständig zu akkumulieren, gerade um dem Begriff des Geldes gerecht zu werden, allgemeiner Repräsentant des stofflichen Reichtums zu sein. Es ist nun daran, die Widersprüche die im Geld als Geld sich vorfinden, nachzuzeichnen und damit das notwendige Entspringen des Kapitalbegriffs aufzuzeigen. Im ersten Band des „Kapitals“ fehlt dieser Übergang. Daher muss an dieser Stelle auf die „Grundrisse“ zurückgegriffen werden. Es sind vor allem zwei Probleme, die Marx in der dritten Bestimmung des Geldes vorfindet.
„Das Geld in seiner letzten vollendeten Bestimmung erscheint nun nach allen Seiten als ein Widerspruch, der sich selbst auflöst: zu seiner Auflösung treibt. Als allgemeiner Form des Reichtums steht ihm die ganze Welt der wirklichen Reichtümer gegenüber. Es ist die reine Abstraktion derselben – daher so festgehalten bloße Einbildung. Wo der Reichtum in ganz materieller, handgreiflicher Form als solcher zu existieren scheint, hat es seine Existenz bloß in meinem Kopf, ist ein reines Hirngespinst. ... Andererseits als materieller Repräsentant des allgemeinen Reichtums wird es bloß verwirklicht, indem es wieder in Zirkulation geworfen, gegen die einzelnen besonderen Weisen des Reichtums verschwindet. In der Zirkulation bleibt es Zirkulationsmittel; aber für das aufhäufende Individuum geht es verloren, und dies verschwinden ist die einzig mögliche Weise, es als Reichtum zu versichern. Die Auflösung des Reichtums in einzelnen Genüssen ist seine Verwirklichung. ... Ferner: Das Vermehren desselben durch seine Anhäufung, dass seine eigne Quantität das Maß seines Werts ist, zeigt sich wieder als falsch. Wenn die anderen Reichtümer sich nicht aufhäufen, so verliert es selbst seinen Wert in dem Maß, in dem es aufgehäuft wird. Was als seine Vermehrung erscheint, ist in der Tat seine Verminderung“ (Grundrisse/144,145). Um zu paraphrasieren: das Geld muss um wirklicher Reichtum zu sein, wieder in Zirkulation treten, sonst bleibt es bloßes Hirngespinst. Zum zweiten, müssen zeitgleich mit dem Geld auch die anderen Waren vermehrt werden, sonst kann sich das Geld nicht verwirklichen(5).
Drei Momente ergeben damit den Übergang vom Geld zum Kapital: Das Geld muss Endzweck sein, es muss wieder in Zirkulation treten und es müssen Gebrauchsgüter produziert werden.
Die Formel die Marx für den Verwertungsprozess aufstellt lautet G-W-G' In Worten: Geld wird gegen eine Ware getauscht, deren Verkauf mehr Geld einbringt als ausgegeben wurde. Im Zirkulationsprozess, auf dessen Ebene Marx bis zu dieser Stelle argumentierte, ist diese Formel nicht einlösbar. Allein durch den Tausch kann kein Mehrwert entstehen, denn dieser ist immer ein Tausch von Äquivalenten. Gesucht ist damit eine Ware, die durch ihre Konsumtion Wert produzieren kann und diese ist die Ware Arbeitskraft. Die drei Momente die auf der Ebene des Geldes als Geld nicht einlösbar waren sind durch diese erfüllt: Aus Geld wird mehr Geld. Das Geld tritt in Zirkulation, es wird produktiv konsumiert. Es werden Gebrauchsgüter hergestellt.
Mit der Einführung der Arbeitskraft hat Marx aber nun den Zirkulationsprozess verlassen und ist in die verborgenen Stätten der Produktion hinabgestiegen. Und dort spielt Geld kaum mehr eine Rolle.

Mele

Fußnoten:
(1) Neben dem „Kapital“ sind für den Marxschen Geldbegriff wichtig: „Zur Kritik der politischen Ökonomie“ in MEW Band 13 und „Die Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie“, Berlin 1953. Als Sekundärliteratur empfohlen wird: Helmut Reichelt: „Zur logischen Struktur des Kapitalbegriffs bei Karl Marx“ Frankfurt 1970; Rudolf-Wolfgang Müller: „Geld und Geist“ Frankfurt a.M. 1977; Nadja Rakowitz: „Einfache Warenproduktion“ Freiburg i. Br. 2003 und Michael Heinrich: „Die Wissenschaft vom Wert“ Münster 2003
(2) Wobei gerade durch das Auseinanderfallen von Kauf und Verkauf der Möglichkeit nach das für Marx so wichtige Moment der Krise gegeben sein kann. Auch im weiteren Text – so im Abschnitt zum Geld als Zahlungsmittel – wird immer wieder auf das schon der einfachen Warenzirkulation immanente Moment der Krise hingewiesen.
(3) Dies ist allerdings nur eine an dieser Stelle gültige Bestimmung. In gewissem Sinne muss sich auch das Geld in einer anderen Ware ausdrücken, allerdings nicht hinsichtlich des Tauschwerts, sondern hinsichtlich des Gebrauchswerts. Das wird beim Übergang vom Geld zum Kapital deutlicher werden.
(4) Inwieweit dies richtig ist, kann hier nicht geklärt werden. Offensichtlich spielt jedoch heute nicht mehr das Gold die Rolle des Weltgeldes, sondern eine Währung; der Dollar. Generell sei hier nur auf die Schwierigkeit verwiesen, die die von Marx vertretene Substanztheorie des Geldes beinhaltet. Alle Geldsymbole – also Banknoten etc. – müssen eine Deckung in einer Ware erfahren können. Die Goldreserven der Notenbanken weltweit belaufen sich aber nur auf einige Dutzend Milliarden Dollar, eine Summe die zur Deckung des Geldes jedenfalls nicht ausreicht. Michael Heinrich versucht dieser Schwierigkeit zu entgehen, indem er die Auffassung vertritt, dass Geld gar keine Ware sei. Dies hat natürlich Auswirkungen auf die Wertformanalyse und es bleibt fraglich, ob damit nicht auch auf das ganze Marxsche Kategoriensystem. Vgl. zu dieser Debatte: Michael Heinrich: Die Wissenschaft vom Wert.
(5) Dies dürfte die Endnote 3 erläutern. Geld vermag zwar den Tauschwert zur Erscheinung zu bringen, allerdings ist dieser notwendig an den Gebrauchswert gekoppelt.



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last modified: 28.3.2007